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40 Verladung an den Containerbrücken in Bremerhaven - Brand Eins

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<strong>40</strong><br />

<strong>Verladung</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> <strong>Conta<strong>in</strong>erbrücken</strong> <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong>


Zwei Städte – e<strong>in</strong> St<strong>an</strong>dort<br />

Die bremischen Häfen spielen im europäischen Wettbewerb <strong>in</strong> der<br />

ersten Liga. Weil sie sich die Arbeit teilen – und sich ihr<br />

Geschäft längst auch jenseits der eigenen Kaik<strong>an</strong>te gesucht haben.<br />

Text: Christi<strong>an</strong> Sywottek Foto: Anton<strong>in</strong>a Gern<br />

41


Es ist e<strong>in</strong> Konzert, nur ohne Musik. Das Orchester aus Menschen<br />

und Masch<strong>in</strong>en spielt harmonisch zusammen, im Takt<br />

der Globalisierung. Die ist verpackt <strong>in</strong> stählernen Kisten,<br />

blau, gelb, rot, die durch die Luft schweben und krachend auf<br />

Asphalt oder Metall l<strong>an</strong><strong>den</strong>, während um ihre scharfen K<strong>an</strong>ten<br />

der W<strong>in</strong>d pfeift. Die Conta<strong>in</strong>er bergen die Wünsche der<br />

Menschen: Computer aus Fernost, Bretter aus Südamerika,<br />

Blumen aus Afrika. Und bedeuten doch Gefahr. „Wenn ich<br />

e<strong>in</strong> Schiff falsch belade“, sagt Hartmut M<strong>an</strong>gels, „d<strong>an</strong>n bekommt<br />

es Schlagseite oder verdreht sich entl<strong>an</strong>g der eigenen<br />

Achse. D<strong>an</strong>n breche ich es ruck, zuck <strong>in</strong> der Mitte durch.“<br />

Conta<strong>in</strong>erumschlag ist Lego für Logistiker. Und hier auf<br />

<strong>den</strong> Term<strong>in</strong>als des Hafens <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> wird das Spiel mit<br />

Erfahrung und Perfektion gespielt. An der Wesermündung<br />

bieten rund drei Millionen Quadratmeter Fläche e<strong>in</strong> gig<strong>an</strong>tisches<br />

Feld für zahllose der sechs Meter l<strong>an</strong>gen St<strong>an</strong>dardkisten.<br />

An der fast fünf Kilometer l<strong>an</strong>gen Kaimauer heben und senken<br />

mehr als 50 Kräne bis zu 30 Conta<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der Stunde.<br />

2011 schafften sie <strong>in</strong>sgesamt etwa sechs Millionen Stück mit<br />

e<strong>in</strong>em Gesamtgewicht von mehr als 60 Millionen Tonnen.<br />

Doch m<strong>an</strong>chmal bricht so e<strong>in</strong>e Box – und das sorgsame<br />

Gefüge gerät aus dem Takt. M<strong>an</strong>gels kennt das, jahrzehntel<strong>an</strong>g<br />

war er als Schiffspl<strong>an</strong>er und Leiter Operations auf dem<br />

Eurogate-Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>al <strong>Bremerhaven</strong> für <strong>den</strong> Umschlag<br />

zuständig. Heute ist er im Ruhest<strong>an</strong>d, führt aber noch Gäste<br />

über das Gelände. „Wenn so etwas passiert, müssen wir <strong>in</strong>s<br />

Schiff kriechen und 20 Tonnen Sch<strong>in</strong>ken <strong>in</strong> Dosen mit der<br />

H<strong>an</strong>d rausholen“, sagt er. „Hier gibt es ke<strong>in</strong>e Pufferzeiten,<br />

Verzögerungen können wir uns nicht leisten.“ Egal, was<br />

geschieht, ob Herbststürme nicht festgelaschte Leerconta<strong>in</strong>er<br />

durch die Luft wirbeln oder im W<strong>in</strong>ter Schnee und „pottendicker<br />

Nebel“ die Suche nach e<strong>in</strong>zelnen Conta<strong>in</strong>ern erschwert.<br />

M<strong>an</strong>gels sagt: „M<strong>an</strong> muss das Gesamte sehen, nicht<br />

nur das e<strong>in</strong>zelne Schiff. Wie m<strong>an</strong> das h<strong>in</strong>kriegt, das hat m<strong>an</strong><br />

nicht im Computer. Das hat m<strong>an</strong> im Kopf.“<br />

Hier <strong>an</strong> der Küste kommen viele gute Köpfe zusammen<br />

und sorgen dafür, dass die bremischen Häfen heute ziemlich<br />

gut dastehen. Verteilt auf die bei<strong>den</strong> St<strong>an</strong>dorte Bremen und<br />

<strong>Bremerhaven</strong> bil<strong>den</strong> sie mit e<strong>in</strong>em Gesamtumschlag von 80<br />

Millionen Tonnen (2011) e<strong>in</strong>es der größten Hafengebiete Europas.<br />

Im Conta<strong>in</strong>ergeschäft s<strong>in</strong>d sie Europas Nummer 4, <strong>in</strong><br />

Deutschl<strong>an</strong>d läuft ihnen nur Hamburg <strong>den</strong> R<strong>an</strong>g ab. <strong>Bremerhaven</strong><br />

ist mit mehr als 2,1 Millionen verschifften Fahrzeugen<br />

die Autodrehscheibe des L<strong>an</strong>des und konnte sogar <strong>den</strong> belgischen<br />

Hafen Zeebrügge auf <strong>den</strong> zweiten Platz verdrängen.<br />

Während sich <strong>Bremerhaven</strong> auf Conta<strong>in</strong>er und Autos konzentriert,<br />

kümmert m<strong>an</strong> sich <strong>in</strong> Bremen um Stück- und<br />

Schüttgut wie etwa Holz und Erze, bewältigt besonders<br />

schwere Waren wie Stahl oder auch sensible Masch<strong>in</strong>en wie<br />

Raumtr<strong>an</strong>sporter für die Internationale Raumstation ISS. Die<br />

Häfen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> enormer Motor für die Wirtschaftskraft des<br />

Nor<strong>den</strong>s – und bedeutender Arbeitgeber für das Bundesl<strong>an</strong>d:<br />

Rund 80 000 Arbeitsplätze hängen von ihnen ab.<br />

In Bremen spielen sie gut zusammen. Die Politik stellt die<br />

Weichen für die Hafenentwicklung, die Hafenbetreiber bereiten<br />

mit Investitionen <strong>in</strong> Schleusen und Kai<strong>an</strong>lagen <strong>den</strong> Grund<br />

für künftige Geschäfte. Vor allem aber br<strong>in</strong>gen die Hafenunternehmen<br />

selbst ihren St<strong>an</strong>dort nach vorn. In Bremen s<strong>in</strong>d<br />

es diverse Mittelständler, die ihre oft traditionellen Geschäfte<br />

– etwa mit Kaffee oder Getreide – pflegen und ausbauen. In<br />

<strong>Bremerhaven</strong> drängt <strong>in</strong>sbesondere die BLG Logistics Group<br />

<strong>in</strong> die Zukunft. Der ehemals behäbige Konzern, e<strong>in</strong>st mit der<br />

Zuschreibung „BitteL<strong>an</strong>gsamGehen“ verspottet, ist heute e<strong>in</strong><br />

global aufgestellter Logistikdienstleister, der sich längst nicht<br />

mehr auf die Arbeit <strong>an</strong> der Hafenk<strong>an</strong>te beschränkt.<br />

Zwei Städte, e<strong>in</strong> Hafen mit ausgeprägter Arbeitsteilung<br />

und großer Kraft – das ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er jahrzehntel<strong>an</strong>gen<br />

Entwicklung, getrieben vom weltweiten Trend, alles <strong>in</strong><br />

Conta<strong>in</strong>ern zu tr<strong>an</strong>sportieren. Diese Entwicklung bestimmte<br />

auch die Geschichte der BLG, der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft,<br />

die seit ihrer Gründung durch 65 Kaufleute im Jahr<br />

1877 die Geschicke im Hafen lenkt und Bremen-Stadt zu<br />

e<strong>in</strong>em bedeuten<strong>den</strong> Umschlagplatz ausbaute. Früher betrieb<br />

sie Kr<strong>an</strong>e und Schuppen, drum herum siedelte sich e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

kle<strong>in</strong>erer Hafenbetriebe <strong>an</strong>, deren Job es war, die wertvolle<br />

Fracht weiterzuverteilen oder zu verarbeiten. Von <strong>Bremerhaven</strong><br />

sprach zu dieser Zeit noch ke<strong>in</strong> Mensch.<br />

br<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>s Neul<strong>an</strong>d 06<br />

42


Als der Conta<strong>in</strong>er Ende der 60er-Jahre se<strong>in</strong>en Siegeszug <strong>an</strong>trat,<br />

verschob sich der Schwerpunkt nach <strong>Bremerhaven</strong>. Zwar l<strong>an</strong>dete<br />

1966 der US-Frachter „Fairl<strong>an</strong>d“, das erste Conta<strong>in</strong>erschiff<br />

überhaupt, noch <strong>in</strong> Bremens Überseehafen <strong>an</strong>, woraufh<strong>in</strong><br />

die H<strong>an</strong>seaten zügig ihren ersten Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>al<br />

errichteten. Doch bald konnte der bremische Hafen das<br />

wachsende Aufkommen nicht mehr bewältigen. Die BLG<br />

verlagerte das Geschäft sukkzessive nach <strong>Bremerhaven</strong>, wo<br />

1971 der erste Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>al <strong>in</strong> Betrieb g<strong>in</strong>g. Seitdem<br />

läuft der Überseeverkehr mit rund fünf Sechstel des gesamten<br />

Umschlags über <strong>den</strong> Nordseehafen. Aus der ersten kle<strong>in</strong>en<br />

Anlage s<strong>in</strong>d mittlerweile drei gewaltige Term<strong>in</strong>als gewor<strong>den</strong>.<br />

Pläne, Technik – und l<strong>an</strong>gjährige Erfahrung<br />

„Kisten, Kästen, M<strong>an</strong>dol<strong>in</strong>en“ – für Hartmut M<strong>an</strong>gels s<strong>in</strong>d<br />

die Zeiten des konventionellen Stückguts nur noch Er<strong>in</strong>nerung.<br />

Die Haut w<strong>in</strong>dgefaltet, steht er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er roten Jacke<br />

<strong>an</strong> der <strong>Bremerhaven</strong>er Stromkaje. Effizienz prägt diesen Ort<br />

heute. Arbeit nach Pl<strong>an</strong>, die beg<strong>in</strong>nt, l<strong>an</strong>ge bevor e<strong>in</strong> Schiff<br />

im Hafen <strong>an</strong>legt und ihn im Idealfall nach wenigen Stun<strong>den</strong><br />

wieder verlässt. So wie das knapp 138 Meter l<strong>an</strong>ge schwarze<br />

Conta<strong>in</strong>erschaiff, das regelmäßig zwischen <strong>den</strong> Häfen <strong>an</strong><br />

Nord- und Ostsee unterwegs ist und gerade bela<strong>den</strong> wird.<br />

Schon Tage zuvor haben die <strong>Bremerhaven</strong>er Pl<strong>an</strong>er die<br />

Ladeliste des Schiffs mit <strong>den</strong> meist per Bahn oder Lkw <strong>an</strong>gelieferten<br />

Conta<strong>in</strong>ern abgeglichen und e<strong>in</strong>en Staupl<strong>an</strong> erstellt.<br />

Er gleicht e<strong>in</strong>em dreidimensionalen Puzzle: Die Kisten wer<strong>den</strong><br />

nach Gewicht sortiert, damit der Frachter ke<strong>in</strong>e Schlagseite<br />

bekommt, und nach Bestimmungsort, weil <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em<br />

Hafen durch mühsame Umpackerei von Conta<strong>in</strong>ern aus <strong>den</strong><br />

Tiefen des Schiffsbauchs Zeit vergeudet wer<strong>den</strong> soll.<br />

Zeit ist Geld. Deshalb stehen die Conta<strong>in</strong>er beim E<strong>in</strong>laufen<br />

des Schiffes auch schon <strong>in</strong> schnurgera<strong>den</strong> Reihen und drei<br />

Lagen hoch vorsortiert <strong>an</strong> der Kaik<strong>an</strong>te bereit, damit die 15<br />

Meter hohen V<strong>an</strong>-Carrier sie zügig zu <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong><br />

Kr<strong>an</strong>en tr<strong>an</strong>sportieren können. Die Fahrer erhalten über e<strong>in</strong>en<br />

Monitor detaillierte Anweisungen, was sie wo greifen sollen,<br />

aber trotzdem ist es nicht immer e<strong>in</strong>fach, <strong>den</strong> richtigen Conta<strong>in</strong>er<br />

zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Wenn Schnee die auf <strong>den</strong> Asphalt gep<strong>in</strong>selten<br />

Reihennummern verdeckt, müssen die Carrier-Fahrer die<br />

Reihen abzählen, beg<strong>in</strong>nend von e<strong>in</strong>em der Lampenmaste,<br />

die das Areal mit Flutlicht wie im Fußballstadion erhellen.<br />

Es s<strong>in</strong>d – trotz Technik – Erfahrung und Achtsamkeit,<br />

die das Conta<strong>in</strong>erkonzert am Laufen halten. Beides ist gefragt,<br />

wenn e<strong>in</strong> Schiff zu spät <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hafen kommt oder aufgrund<br />

e<strong>in</strong>es Masch<strong>in</strong>enscha<strong>den</strong>s e<strong>in</strong>en Liegeplatz blockiert.<br />

Wenn Conta<strong>in</strong>er brechen. Wenn sich der Ladepl<strong>an</strong> mal wieder<br />

<strong>in</strong> letzter M<strong>in</strong>ute ändert, weil e<strong>in</strong> Lkw liegen geblieben ist.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Kr<strong>an</strong> ausfällt. Wenn also aus welchen Grün<strong>den</strong><br />

auch immer die Zeit drängt. Die <strong>Bremerhaven</strong>er reagieren<br />

darauf mit e<strong>in</strong>em „Hot-Seat-System“, für das jeder Hafenarbeiter<br />

jede Masch<strong>in</strong>e bedienen können muss. D<strong>an</strong>n wer<strong>den</strong><br />

Mitarbeiter zwischen <strong>den</strong> Term<strong>in</strong>als verschoben, Kr<strong>an</strong>e verlagert.<br />

„E<strong>in</strong> Pl<strong>an</strong> ist prima“, sagt Hartmut M<strong>an</strong>gels lapidar.<br />

„Aber <strong>in</strong> der Praxis arbeitet m<strong>an</strong> immer wieder gegen ihn <strong>an</strong>,<br />

macht ihn neu. Und wenn es se<strong>in</strong> muss, verdonnern wir<br />

unsere Leute zu Mehrarbeit.“<br />

Genug zu tun gibt es auch im Normalbetrieb. Innerhalb<br />

der verg<strong>an</strong>genen zehn Jahre hat sich die umgeschlagene Conta<strong>in</strong>ermenge<br />

<strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> fast verdoppelt. Der Hafen profitierte<br />

vom wachsen<strong>den</strong> Überseeverkehr und konnte außerdem<br />

se<strong>in</strong>en traditionell starken Amerikah<strong>an</strong>del mit Ladungen<br />

aus Asien ergänzen. Zudem wer<strong>den</strong> von <strong>Bremerhaven</strong> aus<br />

die e<strong>in</strong>treffen<strong>den</strong> Waren fe<strong>in</strong>verteilt, <strong>in</strong>nerhalb Deutschl<strong>an</strong>ds<br />

und Zentraleuropa per Lkw und Bahn, nach Sk<strong>an</strong>d<strong>in</strong>avien<br />

und Osteuropa mit kle<strong>in</strong>eren Schiffen.<br />

Dass die Geschäfte heute so gut laufen, ist jedoch nicht<br />

nur Konjunktur und Weitsicht geschuldet. Der wirtschaftliche<br />

Erfolg ist auch und vor allem das Ergebnis kluger Kooperation<br />

– <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> hat m<strong>an</strong> früh verst<strong>an</strong><strong>den</strong>, dass es e<strong>in</strong> Hafen<br />

alle<strong>in</strong> im Wettbewerb schwer hat. Um <strong>den</strong> Umschlag weiter<br />

zu erhöhen, begrub die BLG schon 1999 die traditionelle<br />

Rivalität mit Hamburg und gründete mit dem dortigen Umschläger<br />

Eurokai das geme<strong>in</strong>same Unternehmen Eurogate, das<br />

e<strong>in</strong> europäisches Netz aus zehn Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>als <strong>an</strong> der<br />

Nordsee, im Mittelmeerraum und am Atl<strong>an</strong>tik aufbaute. Die<br />

Term<strong>in</strong>als arbeiten e<strong>in</strong><strong>an</strong>der zu, erleichtern <strong>den</strong> Reedern Pl<strong>an</strong>ung<br />

und Abläufe – und machen <strong>Bremerhaven</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

wichtigen Glied <strong>in</strong> der Angebotskette. Eurogate hat unter<br />

<strong>an</strong>derem Maersk und MSC, die bei<strong>den</strong> größten Conta<strong>in</strong>erreedereien<br />

der Welt, <strong>an</strong> sich gebun<strong>den</strong>. In <strong>Bremerhaven</strong> betreibt<br />

m<strong>an</strong> e<strong>in</strong>ige Term<strong>in</strong>als geme<strong>in</strong>sam.<br />

Die heutige Dynamik sichert <strong>Bremerhaven</strong> e<strong>in</strong>en Großteil<br />

se<strong>in</strong>er Wirtschaftskraft – und sie hat maßgeblich mit dem<br />

W<strong>an</strong>del und dem Aufstieg der BLG zu un, <strong>den</strong> m<strong>an</strong> ohne<br />

Übertreibung wohl atemberaubend nennen darf.<br />

Norbert Naumenko er<strong>in</strong>nert sich noch gut <strong>an</strong> die 90er-<br />

Jahre, als er im Neustädter Hafen, Bremens traditionellem<br />

Umschlagsort für Stückgut, BLG-Geschäftsführer wurde. Es<br />

war die Zeit der Überversorgung: „Wir hatten 500 Mitarbeiter<br />

und 450 Gabelstapler“, sagt er. Und so wie im Neustädter<br />

Hafen sei es bei der BLG se<strong>in</strong>erzeit überall zugeg<strong>an</strong>gen. „Wir<br />

waren wie e<strong>in</strong> Staatsunternehmen, alles war zentralisiert:<br />

Technik, Vertrieb, E<strong>in</strong>kauf. Und jeder machte, was er wollte.“<br />

Die alte BLG konzentrierte sich auf <strong>den</strong> Umschlag und<br />

die Lagerung <strong>an</strong> der Hafenk<strong>an</strong>te, und sie beschränkte sich<br />

dabei auf Bremen und <strong>Bremerhaven</strong>. Doch mit dem Fall der<br />

Mauer und dem Kollaps der Sowjetunion verlagerte sich<br />

ehemaliger Seeverkehr auf die Straße, <strong>an</strong>dere Bereiche wie<br />

etwa das Stahlgeschäft verschw<strong>an</strong><strong>den</strong> fast gänzlich. Bis 1998<br />

schrumpfte die BLG von 4500 auf etwa 3000 Mitarbeiter, <strong>in</strong><br />

ihren schlechten Jahren 1994 bis Anf<strong>an</strong>g 1997 schrieb sie<br />

e<strong>in</strong>en Gesamtverlust von umgerechnet 30 Millionen Euro.<br />

43


Der Sche<strong>in</strong> trügt: In <strong>Bremerhaven</strong> s<strong>in</strong>d die riesigen V<strong>an</strong>-Carrier üblicherweise im Dauere<strong>in</strong>satz. Alle<strong>in</strong> im Jahr 2011<br />

haben sie rund sechs Millionen St<strong>an</strong>dardconta<strong>in</strong>er im Hafengelände bewegt.<br />

45


Heute beschäftigt das Unternehmen weltweit knapp 16 000<br />

Menschen, alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Bremen und <strong>Bremerhaven</strong> s<strong>in</strong>d es mehr<br />

als 8000. Im Jahr 2011 erzielten sie e<strong>in</strong>en Umsatz von mehr<br />

als e<strong>in</strong>er Milliarde Euro und verbuchten e<strong>in</strong> Vorsteuerergebnis<br />

von knapp 50 Millionen Euro, erwirtschaftet auch von<br />

etwa 100 Tochtergesellschaften und Beteiligungen weltweit.<br />

Es ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er umfassen<strong>den</strong> Restrukturierung,<br />

die die BLG 1997 <strong>in</strong> die Wege leitete. Damals wur<strong>den</strong> die<br />

zentralisierten Bereiche aufgelöst, der Konzern teilte sich auf<br />

<strong>in</strong> die Geschäftsfelder Automobil-, Conta<strong>in</strong>er- und Kontraktlogistik,<br />

die wiederum eigenständig agierende Töchter schufen.<br />

„Seitdem musste jeder für sich profitabel arbeiten“, sagt<br />

Naumenko. „Und das war wirklich neu.“ Um <strong>den</strong> W<strong>an</strong>del zu<br />

ermöglichen, wurde auch die Basis modernisiert: Aus dem<br />

Betrieb <strong>in</strong> öffentlicher H<strong>an</strong>d wurde e<strong>in</strong> privatrechtlich org<strong>an</strong>isiertes<br />

und geführtes Unternehmen. E<strong>in</strong> Befreiungsschlag<br />

– auch wenn die Stadtgeme<strong>in</strong>de Bremen mit 50,4 Prozent<br />

noch immer die Mehrheit am Stammkapital der nun börsennotierten<br />

Aktiengesellschaft hält.<br />

Statt Umschlag: Org<strong>an</strong>isation von Tr<strong>an</strong>sportketten<br />

Weg von der Hafenk<strong>an</strong>te, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Tr<strong>an</strong>sportkette und <strong>in</strong><br />

die Dienstleistungen. Raus aus <strong>den</strong> etablierten St<strong>an</strong>dorten,<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Welt. Das war der Weg von Detthold A<strong>den</strong>, des<br />

M<strong>an</strong>nes, der die BLG 1999 als Vorst<strong>an</strong>dschef übernahm und<br />

noch heute leitet und der das Unternehmen prägte wie ke<strong>in</strong><br />

M<strong>an</strong>ager vor ihm. Vielleicht gerade weil er ke<strong>in</strong> traditioneller<br />

Hafenm<strong>an</strong>n ist. Bevor er zur BLG wechselte, war A<strong>den</strong> Mitbegründer<br />

von UPS Deutschl<strong>an</strong>d, leitete für Bertelsm<strong>an</strong>n das<br />

se<strong>in</strong>erzeit größte deutsche Hochregallager und war Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung bei Thyssen H<strong>an</strong>iel Logistic. Allesamt<br />

aufregende und herausfordernde Positionen, doch die<br />

Zeit bei der BLG, me<strong>in</strong>t A<strong>den</strong>, sei die sp<strong>an</strong>nendste <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Karriere. „Ich habe hier ungewöhnlich viel Freiraum bekommen.<br />

Die Leute wollten <strong>in</strong> die Zukunft. Und das ist uns<br />

schließlich auch gelungen.“<br />

Am deutlichsten wird das bei der Automobillogistik,<br />

dem seit Jahren dynamischsten Geschäftsbereich der BLG.<br />

<strong>Bremerhaven</strong> ist Deutschl<strong>an</strong>ds wichtigste Automobil-Drehscheibe,<br />

mit enormen Steigerungsraten: Im Jahr 2000 verschiffte<br />

die BLG <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> gut e<strong>in</strong>e Million Neuwagen,<br />

2011 waren es mehr als 2,1 Millionen. Schier endlos ziehen<br />

sich die Parkflächen heute über das Gelände – bis zu 120 000<br />

Fahrzeuge f<strong>in</strong><strong>den</strong> hier Platz. 700 Hafen-Fahrer steuern sie <strong>in</strong><br />

die Bäuche der gewaltigen Auto-Carrier <strong>an</strong> 14 Liegeplätzen,<br />

<strong>in</strong> graustählerne Ungetüme wie die „California Highway“,<br />

e<strong>in</strong> 200 Meter l<strong>an</strong>ger Quader, der bis zu 6000 Autos <strong>in</strong> die<br />

USA tr<strong>an</strong>sportieren k<strong>an</strong>n. Die etwa 13 Decks solcher Schiffe<br />

fallen mit e<strong>in</strong>er Höhe von gut 1,60 Meter so niedrig aus, dass<br />

die Fahrer sie gebückt verlassen müssen. Und genauso kommen<br />

Autos aus Übersee über <strong>Bremerhaven</strong> nach Europa.<br />

Der Import und Export von Neuwagen gehört zum traditionellen<br />

Geschäft, seit jap<strong>an</strong>ische Hersteller <strong>in</strong> <strong>den</strong> 70er-Jahren<br />

ihre erste Export-Initiative starteten. Doch es ist längst nicht<br />

mehr dasselbe. Früher übernahm die BLG lediglich <strong>den</strong> re<strong>in</strong>en<br />

Umschlag im Hafen, heute org<strong>an</strong>isiert sie die gesamte<br />

Tr<strong>an</strong>sportkette von <strong>den</strong> Werken bis zum kle<strong>in</strong>sten Händler<br />

<strong>in</strong> fernem L<strong>an</strong>d. Dafür betreibt sie e<strong>in</strong>e Flotte von 500 Lkw,<br />

schickt täglich Züge mit <strong>in</strong>sgesamt 1300 Waggons auf die<br />

Reise, tr<strong>an</strong>sportiert Autos mit sieben B<strong>in</strong>nenschiffen über<br />

Rhe<strong>in</strong> und Donau und schlägt sie auf diversen eigenen Term<strong>in</strong>als<br />

im In- und Ausl<strong>an</strong>d um. Die Infrastruktur wurde<br />

durch Jo<strong>in</strong>t Ventures geschaffen, die Übernahme privater Anbieter<br />

und Investitionen <strong>in</strong> neue Anlagen, die der BLG heute<br />

<strong>den</strong> Tr<strong>an</strong>sport von rund der Hälfte aller Fahrzeuge sichert, die<br />

über <strong>den</strong> L<strong>an</strong>dweg e<strong>in</strong>gesammelt oder verteilt wer<strong>den</strong>.<br />

Für Detthold A<strong>den</strong> ist das aber nur Teil e<strong>in</strong>es weit umf<strong>an</strong>greicheren<br />

Geschäftes. „Schließlich geht es um Wachstum<br />

und Arbeitsplätze, da muss m<strong>an</strong> noch viel tiefer h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die<br />

Kette. Und wir können weit mehr als nur tr<strong>an</strong>sportieren.“<br />

Bauen und montieren beispielsweise: Die Automobilsparte<br />

der BLG arbeitet <strong>in</strong>zwischen auch als verlängerte Werkb<strong>an</strong>k<br />

der Auto<strong>in</strong>dustrie. In Bremen unterhält das Unternehmen<br />

zwei Logistikzentren, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en 300 Mitarbeiter mehr als 3000<br />

Autoteile von deutschen Herstellern sowie von rund 300 Zulieferern<br />

sammeln, um daraus Bausätze zu montieren, die <strong>in</strong><br />

Conta<strong>in</strong>ern verpackt <strong>an</strong> Werke <strong>in</strong> aller Welt gehen, etwa nach<br />

Südafrika oder Brasilien. Dort br<strong>in</strong>gen Kollegen die Teile bis<br />

<strong>an</strong>s B<strong>an</strong>d und holen die fertigen Wagen nach der Produktion<br />

wieder ab. Sie gehen zurück nach <strong>Bremerhaven</strong> und wer<strong>den</strong><br />

weiter <strong>an</strong> die Händler verteilt. Jedes Jahr org<strong>an</strong>isiert die BLG<br />

so die gesamte Tr<strong>an</strong>sportkette für rund 100 000 Autos.<br />

In <strong>den</strong> Lücken der Logistik steckt Potenzial<br />

D<strong>an</strong>eben betreibt sie <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong> e<strong>in</strong>e der größten Autowerkstätten<br />

Europas mit zurzeit 260 Kfz-Mech<strong>an</strong>ikern. Sie<br />

bereiten <strong>in</strong> riesigen Hallen derzeit rund 300 000 Importfahrzeuge<br />

im Jahr vor allem aus Korea, Jap<strong>an</strong> und <strong>den</strong> USA für<br />

<strong>den</strong> Verkauf vor. Aus wenigen St<strong>an</strong>dardmodellen wird hier<br />

der Vari<strong>an</strong>tenreichtum geschaffen, <strong>den</strong> deutsche Kun<strong>den</strong> erwarten.<br />

Für sie ziehen die Mech<strong>an</strong>iker Breitreifen auf, bessern<br />

Lackschä<strong>den</strong> aus, färben Autos um, montieren Anhängerkupplungen,<br />

Navigationsgeräte und Klima<strong>an</strong>lagen. Bei Mietwagen<br />

gehört zum Service auch e<strong>in</strong>e erste T<strong>an</strong>kfüllung.<br />

Ke<strong>in</strong>e Lücke offen lassen. Dieser Ged<strong>an</strong>ke treibt A<strong>den</strong><br />

beständig um, <strong>den</strong>n <strong>in</strong> <strong>den</strong> Lücken der Logistik wird das<br />

Geld verdient. Schon heute entfernt die BLG <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong><br />

beispielsweise Getriebe oder Achsen aus besonders teuren<br />

Autos und schickt sie Neuwagen separat h<strong>in</strong>terher, damit die<br />

Fahrzeuge ohne Luxussteuer <strong>in</strong> osteuropäische Länder exportiert<br />

wer<strong>den</strong> können. Auch die der Teilelogistik hat noch<br />

Potenzial. „Wir könnten im Auftrag der Hersteller Fahrzeuge<br />

br<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>s Neul<strong>an</strong>d 06<br />

46


Die große Kiste<br />

Wie der Conta<strong>in</strong>er die Welt veränderte – und verbesserte.<br />

Die Geschichte beg<strong>in</strong>nt 1913 mit der<br />

Geburt e<strong>in</strong>es gewissen Malcom Mc-<br />

Le<strong>an</strong> <strong>in</strong> dem ärmlichen Städtchen Maxton<br />

<strong>in</strong> North Carol<strong>in</strong>a. Um die zw<strong>an</strong>zig<br />

Jahre alt war McLe<strong>an</strong>, als er beg<strong>an</strong>n, im<br />

nahe gelegenen Örtchen Red Spr<strong>in</strong>gs<br />

bei e<strong>in</strong>er T<strong>an</strong>kstelle zu arbeiten. Recht<br />

bald fiel ihm auf, dass Lkw-Fahrer g<strong>an</strong>ze<br />

fünf Dollar pro Tour damit verdienten,<br />

die T<strong>an</strong>kstelle mit Öl aus dem 28 Meilen<br />

entfernten Fayetteville zu beliefern.<br />

Welch e<strong>in</strong> Geschäft! Der junge M<strong>an</strong>n<br />

schlug dem T<strong>an</strong>kstellenbesitzer vor, die<br />

Belieferung selbst zu übernehmen und<br />

gründete 1934 die McLe<strong>an</strong> Truck<strong>in</strong>g<br />

Comp<strong>an</strong>y. Sie wurde zum Grundste<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>es Unternehmens, das auch die Geschicke<br />

Bremens bee<strong>in</strong>flussen sollte.<br />

McLe<strong>an</strong> war e<strong>in</strong> Unternehmer wie<br />

aus dem Bilderbuch, und so versuchte<br />

er mit allen Mitteln, die Konkurrenz zu<br />

unterbieten. Dazu gehörte unter <strong>an</strong>derem,<br />

dass er damit beg<strong>an</strong>n, Lkw-Anhänger<br />

auf Schiffe zu verla<strong>den</strong>, um Auflagen<br />

der mächtigen Behörde Interstate<br />

Commerce Commission zu umgehen,<br />

die sowohl die Routen der Lastwagen<br />

als auch die Frachtpreise bestimmen<br />

konnte. Das war 1953 und McLe<strong>an</strong>s<br />

Unternehmen bereits e<strong>in</strong>e der größten<br />

Tr<strong>an</strong>sportfirmen der USA.<br />

Se<strong>in</strong>e nächste Idee war noch besser:<br />

Warum statt kompletter Lkw-Anhänger<br />

nicht e<strong>in</strong>fach nur die Frachtbehälter auf<br />

die Schiffe la<strong>den</strong>? Gedacht, get<strong>an</strong>. Damit<br />

war der Grundste<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung<br />

gelegt, die die Weltwirtschaft verändern<br />

sollte: der Conta<strong>in</strong>er.<br />

Der erste Vorteil der Boxen gegenüber<br />

Lkw-Anhängern fällt sofort <strong>in</strong>s<br />

Auge: M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n sie stapeln! Vor E<strong>in</strong>führung<br />

des Conta<strong>in</strong>ers wur<strong>den</strong> Schiffe<br />

so mit Waren bestückt, wie e<strong>in</strong>e Familie<br />

ihr Auto für die großen Ferien packt:<br />

Für alles muss e<strong>in</strong> passender Platz gefun<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> – und was nicht sicher<br />

genug verstaut wurde, geht zu Bruch.<br />

Zudem wur<strong>den</strong> se<strong>in</strong>erzeit riesige Lagerhallen<br />

benötigt, um die Waren vor und<br />

nach der Verschiffung zu horten. Das<br />

alles fiel beim Conta<strong>in</strong>er weg. Doch das<br />

war nur der Anf<strong>an</strong>g: Se<strong>in</strong>e wahren Vorzüge<br />

zeigte die Kiste erst, als McLe<strong>an</strong><br />

beg<strong>an</strong>n, die gesamte Hafen-Infrastruktur<br />

umzubauen, <strong>in</strong>klusive der Kräne, mit<br />

<strong>den</strong>en die Conta<strong>in</strong>er verla<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Mehr Fracht – weniger Kosten<br />

1959 machten die Frachtkosten für Ware<br />

aus Übersee rund e<strong>in</strong> Viertel des späteren<br />

Verkaufspreises aus. E<strong>in</strong>e Lkw-Ladung<br />

Mediz<strong>in</strong> von Chicago nach N<strong>an</strong>cy<br />

<strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kreich zu verschicken, kostete<br />

mehr als 2300 Dollar. Das erklärt auch,<br />

warum sich die verarbeitende Industrie<br />

gern <strong>in</strong> Hafengebieten <strong>an</strong>siedelte: M<strong>an</strong><br />

wollte zum<strong>in</strong>dest die Kosten sparen, die<br />

durch Lagerhaltung und <strong>den</strong> Weitertr<strong>an</strong>sport<br />

über L<strong>an</strong>d <strong>an</strong>fielen.<br />

Am 18. März 1966 wurde der erste Conta<strong>in</strong>er<br />

– noch unter Deck – von New York<br />

nach Europa geschickt. Schon am 23.<br />

April folgte mit der „Fairl<strong>an</strong>d“ das erste<br />

„echte“ Conta<strong>in</strong>erschiff, das Rotterdam<br />

am 4. Mai erreichte und d<strong>an</strong>n nach Bremen<br />

weiterfuhr. Innerhalb von weniger<br />

als e<strong>in</strong>em Jahr hatten sowohl Rotterdam<br />

als auch Bremen die Kajen verlängert<br />

und mit dem Bau von Kr<strong>an</strong><strong>an</strong>lagen<br />

begonnen, um die neuen Schiffe <strong>in</strong><br />

Empf<strong>an</strong>g zu nehmen.<br />

Mit dem Conta<strong>in</strong>er s<strong>an</strong>ken die Tr<strong>an</strong>sportkosten<br />

rapide. Die US-Ökonomen<br />

Edward Glaeser und J<strong>an</strong>et Kohlhase behaupten<br />

sogar: „M<strong>an</strong> liegt sicherer mit<br />

der Annahme, dass der Tr<strong>an</strong>sport von<br />

Gütern im Grunde kostenlos ist, als<br />

mit der Annahme, dass der Tr<strong>an</strong>sport<br />

e<strong>in</strong> wesentlicher Best<strong>an</strong>dteil der Produktionskosten<br />

darstellt.“<br />

Die Box war für die Welt e<strong>in</strong> Geschenk.<br />

Der <strong>in</strong>ternationale H<strong>an</strong>del mit<br />

Rohstoffen und fertigen Produkten profitierte<br />

ebenso wie die Verbraucher und<br />

die Ökonomie rund um <strong>den</strong> Globus.<br />

Und doch bleibt der Siegeszug des Conta<strong>in</strong>ers<br />

ambivalent. Er hat Tausende von<br />

Arbeitern um ihre E<strong>in</strong>kommensquellen<br />

gebracht. Aber er hat auch Leib und<br />

Leben geretettet: Wer früher im Hafen<br />

geschuftet hat, tat dies unter ausgesprochen<br />

schwierigen Bed<strong>in</strong>gungen. Die traditionelle<br />

Hafenarbeit gehörte zu <strong>den</strong><br />

unfallträchtigsten Berufen überhaupt.<br />

47


Europameister: In <strong>Bremerhaven</strong> wer<strong>den</strong> pro Jahr gut 2,1 Millionen Autos verschifft – mehr als <strong>in</strong> jedem <strong>an</strong>deren europäischen Hafen.<br />

Im riesigen Autoterm<strong>in</strong>al warten regelmäßig bis zu 120000 Fahrzeuge auf ihren Weitertr<strong>an</strong>sport.<br />

<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Stückzahlen komplett montieren“, me<strong>in</strong>t A<strong>den</strong>,<br />

„etwa <strong>in</strong> Malaysia oder Indonesien.“ E<strong>in</strong>e Idee, die ihn schon<br />

seit Jahren beschäftigt. Oder wie wäre es, wenn die BLG<br />

Anschluss <strong>an</strong> die Tr<strong>an</strong>ssibirische Eisenbahn fände, um künftig<br />

ch<strong>in</strong>esische Autos nach Europa zu br<strong>in</strong>gen? Und über <strong>Bremerhaven</strong><br />

d<strong>an</strong>n weiter nach Übersee? Gerade hat A<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a darüber verh<strong>an</strong>delt.<br />

Mit harter Arbeit, e<strong>in</strong>em guten Gespür und dem konsequenten<br />

Ausbau der neuen Geschäftsfelder hat sich die BLG<br />

vom lokalen Umschlagsunternehmen zum seehafenorientierten<br />

Logistikdienstleister gemausert. Rund e<strong>in</strong> Viertel ihres Umsatzes<br />

erwirtschaftet sie mittlerweile mit Geschäften ohne<br />

Bezug zum Wasser, etwa <strong>in</strong> der Kontraktlogistik für H<strong>an</strong>del<br />

und Industrie. Sie betreibt <strong>in</strong> Bremen für Tchibo e<strong>in</strong> gig<strong>an</strong>tisches<br />

Hochregallager, <strong>an</strong>dernorts lagert und liefert sie im<br />

großen Stil Blumen oder Kekse. Für e<strong>in</strong>ige Motoren- und<br />

Zughersteller hat sie die Logistik im Werk übernommen.<br />

Diesen Bereich will A<strong>den</strong> ausbauen, auch um sich vom Automobil-<br />

und Conta<strong>in</strong>erverkehr unabhängiger zu machen – im<br />

Krisenjahr 2009 brach der bis um die Hälfte e<strong>in</strong>.<br />

Grenzen des Wachstums? Die setzt nur der Hafen selbst,<br />

vor allem im Conta<strong>in</strong>ergeschäft. In <strong>Bremerhaven</strong> stoßen die<br />

Term<strong>in</strong>als <strong>in</strong>zwischen <strong>an</strong> ihre Grenzen, e<strong>in</strong> Ausbau ist nicht<br />

mehr möglich. Weshalb sich Eurogate mit Investitionen von<br />

350 Millionen Euro die <strong>40</strong>-jährige Betreiberkonzession des<br />

neuen JadeWeserPorts im rund <strong>40</strong> Kilometer entfernten Wilhelmshaven<br />

gesichert hat, Deutschl<strong>an</strong>ds erstem Tiefwasserhafen,<br />

<strong>den</strong> Schiffe bis zu e<strong>in</strong>em Tiefg<strong>an</strong>g von 16,50 Meter<br />

<strong>an</strong>laufen können. Seit September 2012 ist er <strong>in</strong> Betrieb – und<br />

steht wie ke<strong>in</strong> <strong>an</strong>deres Infrastrukturprojekt für das, was die<br />

Bremer konsequent verfolgen: die Idee der Kooperation.<br />

E<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> der Zusammenarbeit<br />

„Schade“, sagt Klaus Bartels, während er aus se<strong>in</strong>em <strong>Bremerhaven</strong>er<br />

Büro im 17. Stock e<strong>in</strong>es Hochhauses direkt <strong>an</strong> der<br />

Weser schaut. „Wenn das Wetter besser wäre, könnten Sie ihn<br />

sehen.“ Bartels ist Leiter Hafenentwicklung bei Bremenports,<br />

der Hafen-M<strong>an</strong>agementgesellschaft der Freien H<strong>an</strong>sestadt Bremen.<br />

Bremenports berät die Politik, ist zuständig für Pl<strong>an</strong>ung,<br />

Bau und Pflege der Hafenflächen, auf <strong>den</strong>en die Hafenunternehmen<br />

ihre Hallen, Kräne und Werkstätten errichten, und<br />

entwickelt Szenarien für die Zukunft. „Der JadeWeserPort ist<br />

die ideale Erweiterung für <strong>Bremerhaven</strong>“, sagt Bartels, „und<br />

er ist e<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> der Zusammenarbeit. Hier wächst was<br />

zusammen, wir wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Hafenregion.“<br />

br<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>s Neul<strong>an</strong>d 06<br />

48


Auf dem Weg nach Übersee: So e<strong>in</strong> Autotr<strong>an</strong>sporter (hier von der Reederei Wallenius) k<strong>an</strong>n <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Laderaum<br />

bis zu 6<strong>40</strong>0 Autos unterbr<strong>in</strong>gen. Die größten Exemplare schaffen sogar 8000.<br />

Die Region ließ sich ihr Aushängeschild rund e<strong>in</strong>e Milliarde<br />

Euro kosten, von <strong>den</strong>en sich Niedersachsen und das L<strong>an</strong>d<br />

Bremen 650 Millionen teilten. Allerd<strong>in</strong>gs wird sich dieser<br />

Hafen nur füllen, wenn der Seeverkehr weiter wächst wie bisher.<br />

„Wenn m<strong>an</strong> so etwas pl<strong>an</strong>t“, sagt Bartels, „muss m<strong>an</strong><br />

Wachstumsfetischist se<strong>in</strong>. Aber dafür gibt es auch gute Gründe.<br />

Ich höre seit Jahrzehnten immer wieder, dass der Conta<strong>in</strong>erverkehr<br />

wieder abnehmen wird. Und jedes Mal war das Gegenteil<br />

der Fall.“<br />

Tatsächlich ist der JadeWeserPort e<strong>in</strong>e gig<strong>an</strong>tische Wette<br />

auf die Zukunft. Derzeit bedient ihn nur die Reederei Maersk<br />

mit wöchentlich e<strong>in</strong>igen Schiffen der Mittelamerika- und der<br />

Asienroute, mit <strong>an</strong>deren Reedereien ist m<strong>an</strong> lediglich im Gespräch.<br />

Doch das ist für die Hafenver<strong>an</strong>twortlichen e<strong>in</strong> notwendiges<br />

Risiko. Denn <strong>Bremerhaven</strong> können nur Schiffe bis<br />

zu e<strong>in</strong>em Tiefg<strong>an</strong>g von 12,80 Meter jederzeit <strong>an</strong>laufen, und<br />

selbst wenn die Zufahrt wirklich, wie gepl<strong>an</strong>t, auf 13,80 Meter<br />

vertieft wird, reicht das nicht für voll bela<strong>den</strong>e Pötte der<br />

Zukunft, die 18 000, vielleicht sogar 23 000 St<strong>an</strong>dardconta<strong>in</strong>er<br />

tragen sollen. Es droht die Abw<strong>an</strong>derung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Westen,<br />

vor allem zum Tiefwasserhafen Rotterdam, wo ebenfalls enorme<br />

Conta<strong>in</strong>erflächen entstehen und wo mit der Betuwe-L<strong>in</strong>ie<br />

außerdem bereits e<strong>in</strong>e zweigleisige Bahnverb<strong>in</strong>dung alle<strong>in</strong> für<br />

<strong>den</strong> Güterverkehr bis zur niederländisch-deutschen Grenze<br />

existiert. Die deutsche Anschlussstrecke bis <strong>in</strong>s Ruhrgebiet<br />

soll zeitnah sogar dreigleisig ausgebaut wer<strong>den</strong>.<br />

Bartels zufolge gel<strong>an</strong>gten durch <strong>den</strong> neuen Hafen zwar<br />

ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Conta<strong>in</strong>er nach <strong>Bremerhaven</strong>, <strong>den</strong>noch<br />

würde m<strong>an</strong> von ihm profitieren – schließlich sei m<strong>an</strong> am Jade-<br />

WeserPort beteiligt. „Wir bekommen e<strong>in</strong>en Teil der Hafengebühren.“<br />

Bartels rechnet auch nicht damit, dass Reeder von<br />

<strong>Bremerhaven</strong> nach Wilhelmshaven wechseln – dafür gäbe es<br />

schlicht ke<strong>in</strong>en Grund. Zudem wür<strong>den</strong> die Anlagen des Jade-<br />

WeserPorts nur nach Bedarf erweitert – „da baut ke<strong>in</strong>er was<br />

auf blauen Dunst.“ Vielmehr bilde sich nun <strong>an</strong> der deutschen<br />

Nordsee mit Bremen, <strong>Bremerhaven</strong> und Wilhelmshaven e<strong>in</strong><br />

maritimes Dreieck, das <strong>den</strong> Reedern im Zusammenspiel Lösungen<br />

für jedes ihrer Schiffe bieten könne.<br />

Die Bremer Häfen haben gelernt, Ch<strong>an</strong>cen zu sehen und<br />

zu nutzen, und um sie wahr wer<strong>den</strong> zu lassen, nimmt auch<br />

die Politik nicht wenige Wagnisse <strong>in</strong> Kauf. Beispielsweise<br />

beim Bau e<strong>in</strong>es Offshore-Term<strong>in</strong>als zur <strong>Verladung</strong> von Rotorblättern,<br />

Masten und Fundamenten für die gepl<strong>an</strong>ten W<strong>in</strong>dparks<br />

<strong>in</strong> der Nordsee. Da geht es um riesige, mitunter mehrere<br />

Hundert Tonnen schwere Ungetüme, die <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er 500<br />

Meter l<strong>an</strong>gen, für schwere Lasten verstärkten Kaimauer ihren<br />

49


Weg auf Spezialschiffe f<strong>in</strong><strong>den</strong> sollen. Das wäre für <strong>den</strong> Hafen<br />

neben Conta<strong>in</strong>ern und Autos e<strong>in</strong> weiteres St<strong>an</strong>dbe<strong>in</strong> – und<br />

<strong>den</strong> Herstellern, die vor Ort die W<strong>in</strong>dräder fertigen, würde es<br />

auch helfen.<br />

Um dem Projekt Schwung zu geben, <strong>in</strong>vestierten Bremenports<br />

und die BLG rund 30 Millionen Euro <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Start-Term<strong>in</strong>al für die 900 Tonnen schweren W<strong>in</strong>drad-Fundamente.<br />

Der Pl<strong>an</strong> e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> privaten F<strong>in</strong><strong>an</strong>zierung für das<br />

Gesamtprojekt scheiterte: Angesichts der <strong>an</strong>halten<strong>den</strong> politischen<br />

Diskussionen um Energiewende und <strong>den</strong> Ausbau der<br />

W<strong>in</strong>dparks schien <strong>den</strong> Anbietern das Investitionsrisiko zu<br />

groß. Weshalb der Bremer Senat im Dezember verg<strong>an</strong>genen<br />

Jahres beschloss, das 180 Millionen Euro teure Term<strong>in</strong>al aus<br />

dem eigenen Haushalt zu f<strong>in</strong><strong>an</strong>zieren.<br />

Totgesagte leben länger<br />

Alle Kraft nach <strong>Bremerhaven</strong> – so wirkt es auf <strong>den</strong> ersten<br />

Blick. Und das ist auch nicht g<strong>an</strong>z falsch. Zwar hat Bremenports<br />

<strong>in</strong> Bremen die Zufahrt zum Industriehafen verbreitert,<br />

der mit se<strong>in</strong>em Erz- und Stahlumschlag <strong>den</strong> Löwen<strong>an</strong>teil der<br />

bremischen Gütermenge bewältigt. Zudem soll das Becken<br />

vertieft wer<strong>den</strong>. Doch der Tr<strong>an</strong>sport von konventionellem<br />

Stückgut s<strong>in</strong>kt weltweit. Und Bremen, das rund 65 Kilometer<br />

von der Küste entfernt <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em immer schmaler und flacher<br />

wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Fluss liegt, k<strong>an</strong>n dem wenig entgegensetzen. Geht<br />

es mit Bremens Hafen zu Ende?<br />

„Oft totgesagt, aber immer noch sehr lebendig“, beschreibt<br />

Ullrich Hautau die Lage vor Ort. Hautau, der bei der<br />

H<strong>an</strong>delskammer Bremen für Häfen und Verkehr zuständig<br />

ist, neigt nicht zu übertriebenem Lob. Den Fokus auf <strong>Bremerhaven</strong><br />

sieht er durchaus kritisch: „Wir hätten das gerne <strong>an</strong>ders.“<br />

Doch er weiß, dass im europäischen Hafenwettbewerb<br />

mit Kirchturm<strong>den</strong>ken nicht zu bestehen ist. „Für Bremen-<br />

Stadt geht es darum, die bestehen<strong>den</strong> Mengen zu halten. Und<br />

dafür müssen wir uns neue Nischen suchen.“ Hautau k<strong>an</strong>n<br />

sich e<strong>in</strong>iges vorstellen: <strong>den</strong> Umschlag von W<strong>in</strong>dpark-Komponenten<br />

oder mehr Zubr<strong>in</strong>gerverkehr mit kle<strong>in</strong>en Feederschiffen<br />

von <strong>Bremerhaven</strong>. Er sieht Bremen als möglichen Pufferplatz<br />

für Conta<strong>in</strong>er, wenn die Anlagen <strong>in</strong> <strong>Bremerhaven</strong><br />

überquellen, oder als Verteilstation <strong>in</strong>s Inl<strong>an</strong>d für <strong>den</strong> weiter<br />

wachsen<strong>den</strong> JadeWeserPort.<br />

Auf e<strong>in</strong>en wichtigen Bündnispartner k<strong>an</strong>n sich Hautau<br />

je<strong>den</strong>falls verlassen: auf die im Hafen <strong>an</strong>sässigen Unternehmer.<br />

Für sie spricht Werner Maywald, Geschäftsführer der<br />

Initiative Stadtbremische Häfen e.V. (ISH), e<strong>in</strong> Zusammenschluss<br />

von 50 Firmen, die <strong>in</strong> Bremen rund <strong>40</strong>00 Menschen<br />

Arbeit geben. „Seit die BLG nach <strong>Bremerhaven</strong> gezogen ist,<br />

glauben die Leute, <strong>in</strong> Bremen gebe es ke<strong>in</strong>en Hafen mehr.“<br />

Maywald zieht <strong>an</strong> se<strong>in</strong>em Zigarillo und schaut h<strong>in</strong>über zum<br />

e<strong>in</strong>stigen Überseehafen, wo derzeit die Überseestadt entsteht.<br />

„Aber das ist e<strong>in</strong>fach nicht wahr. Wir haben hier hervorragende<br />

Mittelständler – nur hauen die nicht so sehr auf <strong>den</strong> Putz.<br />

Was aber nicht heißt, dass sie sich nicht bewegen.“<br />

Zum Beispiel Christi<strong>an</strong> Vollers, der Geschäftsführer der<br />

Vollers Group GmbH & Co. KG, e<strong>in</strong>em global agieren<strong>den</strong><br />

Lagerunternehmen mit weltweit 380 Mitarbeitern, das sich<br />

seit se<strong>in</strong>er Gründung durch Berthold Vollers im Jahr 1932 vor<br />

allem um Kaffee und Tee kümmert. Das Unternehmen re<strong>in</strong>igt,<br />

mischt, lagert und verschickt für Händler <strong>in</strong> aller Welt<br />

pro Jahr alle<strong>in</strong> von Bremen aus rund 100 000 Tonnen Rohkaffee,<br />

es liefert <strong>an</strong> Röstereien und arbeitet <strong>den</strong> Kaffeebörsen <strong>in</strong><br />

London und New York mit e<strong>in</strong>em speziellen Mustervers<strong>an</strong>d<br />

zu. Kaffee aus Asien gel<strong>an</strong>gt über <strong>den</strong> Hamburger Hafen <strong>in</strong><br />

Vollers Lagerhäuser, Bohnen aus Südamerika kommen über<br />

<strong>Bremerhaven</strong>. „Wir liegen mittenm<strong>an</strong>g“, sagt der Unternehmer,<br />

„wir können beide Häfen nutzen. Und wenn der Jade-<br />

WeserPort mal richtig läuft, liegen wir auch dicht dr<strong>an</strong>.“<br />

Parallel zur Entwicklung des Hafens hat sich auch das<br />

mittelständische Unternehmen weiterentwickelt: vom Lageristen<br />

zum Lebensmittelproduzenten. Vollers ist stets auf der<br />

Suche nach e<strong>in</strong>em Mehrwert für se<strong>in</strong>e Kun<strong>den</strong>. „E<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e<br />

Büchse aufmachen, das reicht nicht.“ Heute stapeln sich im<br />

Teelager <strong>in</strong> l<strong>an</strong>gen Blechregalen blaue Plastikk<strong>an</strong>ister. „V<strong>an</strong>ille,<br />

Anis, Irish Cream“, liest Vollers die Etiketten vor. In e<strong>in</strong>em<br />

<strong>an</strong>deren Raum dr<strong>in</strong>gt stechender Geruch aus Säcken mit<br />

Pf<strong>in</strong>gstrosen, getrockneten Erdbeerscheiben und „Rhabarberstücken<br />

6,4 mm“. Aus all dem, aus künstlichen und natürlichen<br />

Aromen, mischt das Unternehmen Tee, die der E<strong>in</strong>zelhändler<br />

nur noch verpacken muss. „Eigentlich“, sagt Christi<strong>an</strong><br />

Vollers, „s<strong>in</strong>d wir nur e<strong>in</strong> Lagerdienst. Aber wirklich entschei<strong>den</strong>d<br />

ist das Drumherum, der Service. Wir mischen Tee.<br />

Andere lackieren Autos.“<br />

Das entschei<strong>den</strong>de Drumherum – darauf haben sich mit<br />

<strong>den</strong> Jahren auch <strong>an</strong>dere spezialisiert. Werner Maywald von<br />

der ISH zählt auf: In se<strong>in</strong>em Hafen gibt es <strong>den</strong> ehemaligen<br />

Heizölimporteur, der längst auch <strong>in</strong> Holzpellets, Solar- und<br />

W<strong>in</strong>dkraft<strong>an</strong>lagen macht. Den Holzimporteur, der mittlerweile<br />

selbst Gartenhäuser baut und <strong>an</strong> Baumärkte verkauft.<br />

Die Packfirmen, die aus diversen Kle<strong>in</strong>sendungen vollständige<br />

Conta<strong>in</strong>erladungen zusammenstellen. Viele kle<strong>in</strong>e Pfl<strong>an</strong>zen<br />

auf verschie<strong>den</strong>en Beeten. Für Maywald ist gerade die<br />

Vielfalt e<strong>in</strong> unschätzbarer Vorteil, der die bremischen Häfen<br />

vor Krisen schützt. Neben der günstigen Lage: „Wir sitzen<br />

hier schön im Dreieck mit Hamburg und <strong>Bremerhaven</strong>.“<br />

Gut gelegen allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>dere auch. Es ist wohl eher<br />

das ausgeprägt vernetzte Denken, das die Menschen <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

bremischen Häfen prägt und das sie geschickt zu nutzen<br />

wissen. Geht es Hamburg gut, geht es <strong>Bremerhaven</strong> gut, geht<br />

es Bremen gut – und umgekehrt. Gegene<strong>in</strong><strong>an</strong>der zu arbeiten,<br />

dafür haben sie hier ke<strong>in</strong>e Zeit. Sie haben genug zu tun.<br />

br<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>s Neul<strong>an</strong>d 06<br />

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