22.12.2013 Aufrufe

PDF speichern - Brand Eins

PDF speichern - Brand Eins

PDF speichern - Brand Eins

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SCHWERPUNKT: DAS GUTE LEBEN _WERBUNG<br />

Lebe wild und gefährlich?<br />

Das war einmal<br />

Früher war alles aufregender.<br />

Jedenfalls in der Werbung.<br />

Text: Dorit Kowitz<br />

54 BRAND EINS 12/12


SCHWERPUNKT: DAS GUTE LEBEN<br />

Das R-Wort<br />

Flasche leer<br />

Abbildungen S. 54: ullstein bild - The Granger Collection, dpa Picture-Alliance (2)<br />

Wo sind all die Cowboys hin? Wo sind sie geblieben? Diese<br />

falsch-echten Kerle, die ohne Frau, Eigenheim und Geburtsvorbereitungskurs<br />

durchs Leben reiten durften. Die frei von den Fesseln<br />

der Zivilisation ihr Lasso schwangen, aber nie ohne eine<br />

knallweiße Filterfluppe im Mundwinkel. Glutrotes Sonnenuntergangslicht<br />

schien ins leicht lederne Gesicht, und der Blick war auf<br />

unendlich gestellt. Richtung Freiheit.<br />

Irgendwann waren sie weg, verschwunden hinter Verboten,<br />

Warnungen, Höllenvisionen der Neuzeit, nicht nur das Rauchen<br />

betreffend. Mit ihnen verschollen scheinen all die anderen libertinären<br />

Jünger des Tabaks, die Großstadt-Indianer, die einer Frau<br />

Feuer gaben, ohne dass sie darum bitten musste; die ihr vorm Club<br />

galant den Wagenschlag aufhielten und dabei derart l-ä-s-s-i-g eine<br />

Selbstgedrehte zwischen den Fingern halten konnten, dass es egal<br />

war, ob man „zu mir oder zu dir“ fuhr. Hauptsache, man fuhr.<br />

Liberté toujours versprach die Gauloises davor. Und auch, dass es<br />

eine Gitanes danach geben würde.<br />

Ja, es ist besser, nicht zu rauchen. Rauchen macht<br />

Krebs, macht Falten, macht Herzinfarkt. Also tot.<br />

Aber vorher? Ist es das Accessoire der Lebendigkeit.<br />

War es zumindest. Das ist eine unverantwortliche<br />

Feststellung? Natürlich. So irre unvernünftig, ungesund<br />

und verqualmt wie alle Staffeln von „Mad Men“<br />

zusammen. Aber wahr. Schön war die Zeit, als man<br />

auf eine Zigarettenlänge bleiben durfte, ohne dabei<br />

an bösartige Geschwüre in allen möglichen Körperteilen<br />

zu denken. Erst hat die Welt den Genuss am<br />

Rauch ein Jahrhundert lang gefeiert, dann wurde er<br />

ihr ausgetrieben. Man hat sich gebeugt, hat dem<br />

Tabak abgeschworen, nicht nur der Kinder wegen.<br />

Hätte heute eh alles keinen Leichtsinn mehr: Zigaretten<br />

haben jetzt – Sicherheitsringe. Sie gehen von<br />

selbst aus, wenn man nicht häufig genug daran zieht.<br />

Wir können beruhigt schlafen. Unsere Betten brennen<br />

nicht mehr.<br />

Längst in den Sonnenuntergang geritten: die harten<br />

Kerle aus der Marlboro-Werbung, hier u. a. eine Kampagne<br />

von 1969 (vorige Seite, rechts unten)<br />

Eindeutig zweideutig: Eckes-Edelkirsch-Reklame<br />

aus den Siebzigern (diese Seite)<br />

Ich trinke Jägermeister, weil ich endlich die wüste Gabi hinter<br />

mich gebracht habe. Jetzt komm’ ich mit auf den Underberg und<br />

hebe darauf einen Dujardin, zusammen mit Metaxa, dem klassischen<br />

Griechen. Der muss immer dabei sein, genau wie mein<br />

bester Freund: Der Tag geht, Johnnie Walker kommt. Gorbatschow,<br />

des Wodkas reine Seele, lässt sich auch nicht lange bitten.<br />

Komm rüber! Hab Spaß! Tanz in die Morgensonne!<br />

What I’m feeling<br />

It’s never been so easy<br />

When I’m dreaming<br />

Summer dreaming when you’re with me.<br />

Typisch Bacardi. Immer ein Lied auf den Lippen, immer halb<br />

nackt am Strand, immer schick. Frag nur nicht nach dem nächsten<br />

Tag. Ramazzotti, ich mag dich, aber um den Kater zu bekämpfen,<br />

hast du zu viel Volt. Bist ja nicht aus echtem Felsquellwasser.<br />

Dann lieber ein Jever, beim Leuchtturm am Strand. Keine Staus.<br />

Keine Hektik. Keine Cocktailpartys.<br />

Keine Handys.<br />

Keine Meetings. Keine<br />

Kompromisse. Kein anderes<br />

Bier. Wie er das nur<br />

schafft, den Küstennebel<br />

immer wieder einzufangen?<br />

Und dann geht’s los!<br />

Sail away, dream your<br />

dreams! Beck’s hat gut<br />

grölen, bei den Umsätzen<br />

weltweit. Was – und der<br />

kommt auch mit? Campari?<br />

Was sonst?! Bitterer ><br />

BRAND EINS 12/12 55


SCHWERPUNKT: DAS GUTE LEBEN _WERBUNG<br />

Typ, voll Achtziger. Macht ihr mal eure Work-Life-Balance, ich<br />

mach’ Feierabend, sagt Holsten neuerdings zu so Leuten. Da ruf’<br />

ich lieber Baileys an, der hat noch Zeit für Gefühle. Man gönnt<br />

sich ja sonst nichts. Heute ein König! Nur Küsse schmecken besser,<br />

sagt Eckes. Und dass es bei ihr immer so schön prickelt in<br />

die Bauchnabel. Aber bringt der Frau bloß schnell einen Sekt zum<br />

Schlagzeug, sonst schreit sie wieder rum: Wo ist der Deinhard?!<br />

Aber recht hat sie, lieber trocken trinken, als trocken feiern.<br />

Denn, wie sagt der Traunsteiner? Hopfen und Malz erleichtern<br />

die Balz. Manchmal muss es eben Mumm sein. Und wenn einem<br />

so viel Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach Uralt wert.<br />

Was, kein Alkohol ist auch keine Lösung? Nicht immer, aber<br />

immer öfter. Veierabend! *<br />

* Wer den Text nicht versteht, ist zwar beneidenswert jung,<br />

hat aber Jahrzehnte enthemmter deutschsprachiger Alkoholwerbung<br />

verpasst.<br />

Sex sold<br />

Früher war mehr Lametta, Sex sells, und eine andere, gefühlt 25<br />

Jahre alte Weisheit besagt: Um uns herum wird heute so viel<br />

nackte Haut gezeigt und so häufig die Verfügbarkeit von jedermann<br />

zu jeder Zeit suggeriert, dass im echten Leben niemand<br />

mehr richtig Lust aufeinander hat.<br />

Aber diese These ist nicht zu halten. Früher sprangen reihenweise<br />

barbusige Frauen durch die Reklame des Vorabendprogramms,<br />

nur um eine angebliche Limonenfrische von Seife zu<br />

preisen – und trotzdem wurden in den Siebzigern mehr Kinder<br />

gezeugt. Auch wurde hemmungslos Creme auf naturbelassene<br />

Brüste gekleckst, mit dem einleuchtenden Hinweis: „Macht doppelt<br />

schön“. Um weiches Klopapier an Mann und Frau zu bringen,<br />

wurden Weiberhintern konkret ins Bild gesetzt. Sogar nackte<br />

Männer lagen zu Hause auf dem Couchtisch, jedenfalls in Form<br />

YSL-Werbung aus dem Jahr 2000<br />

(oben); auch den VW-Porsche gibt<br />

es in den Siebzigern oben ohne<br />

von Zeitschriftenannoncen: Auf den Motiven für den Herrenduft<br />

„Care“ sah man 1987 einen schönen solchen, Penis inklusive. Der<br />

blieb bei Schiesser 1978 zwar verpackt, jedoch so, dass seine Größe<br />

besser rauskam: „Mini-Slip, Maxi-Form“.<br />

Die Werbung heute sei dagegen wieder prüde, sagte die Markenstrategin<br />

Karen Heumann einmal im ZDF. Busen mit Brustwarzen<br />

zeige man nicht mehr – und das in Zeiten von Youporn<br />

und Co. In der Reklame dagegen: alles nicht nur sauber, sondern<br />

rein. Die viele nackte Haut überall kann davon nicht ablenken.<br />

Denn die wird so lange mit Photoshop gestrafft und getönt, bis<br />

ihre Trägerinnen sich selbst nicht mehr wiederkennen.<br />

Schwäbisch fahren<br />

1970 versprachen sie: Ihr Alltag wird aufregender. 2012 befehlen<br />

sie: Bleib auf Abstand.<br />

Was macht mehr Lust einzusteigen? Wählt man Slogan zwei,<br />

hat die Autobranche von heute alles richtig gemacht. Die Frage<br />

ist nur, ob man selbst noch lebendig ist. Keine Aufregung mehr?<br />

Fahren nur noch mit Parkleitassistenten, Tempomat, Gebimmel<br />

und Gefiepe, wenn man nicht angeschnallt ist, Vollautomatik,<br />

ABS, ESP, Traktionskontrolle, Airbags vorne, hinten und an der<br />

Seite, Wegfahrsperre, Abblendautomatik, infrarotgesteuerte Abstandskontrolle?<br />

CO 2 -arm sowieso, besser noch Hybrid, am<br />

allerbesten Strom. Das ist Autofahren 2012. Sehr sicher, ziemlich<br />

umweltbewusst, nichts für Träumer, nichts für Machos. Gut so.<br />

Oder? Aber, ach, auch so bieder, lustlos, unehrlich.<br />

Wie war das noch mal? „Braun werden Sie auch in anderen<br />

Cabrios. Nur nicht so schnell.“ Herrlich. Von Porsche 1993. Man<br />

zeigte dazu ein gelbes Modell – von hinten. Audi versprach uns<br />

1985: „Wir haben den Wind zum Flüstern gebracht.“ Heute hält<br />

uns der Wagen auf Abstand zu allen anderen, mit imaginären<br />

schwarzen Männchen in der Print-Kampagne. Kriegt man fast<br />

Angst. Da weht kein Lüftchen mehr. BMW lässt per Knopfdruck<br />

entscheiden, ob wir (heimlich, hedonistisch) im Sport-Modus<br />

kacheln wollen – oder im Eco-Pro-Modus Geld sparen möchten.<br />

Sparen im BMW! <strong>Eins</strong>t ein Euphemismus. Freude am Fahren<br />

wird übersetzt mit Genügsamkeit und grünem Gewissen. Und<br />

nur verdruckst noch mit Spaß. In den Neunzigern dagegen?<br />

Zeigte Mercedes-Benz nur seinen Stern und schrieb: „Unser<br />

meistgebrauchtes Ersatzteil.“ Jetzt lockt die E-Klasse damit, „die<br />

sparsamste Oberklasse-Limousine der Welt“ zu sein. Das ist<br />

schwäbisch. Aber nicht sexy.<br />

Wenn Spots doch lustig sind, geht es um Kinder, die sich Eiscreme<br />

ins Gesicht matschen oder im Darth-Vader-Kostüm<br />

vor Papis blinkendem Passat erschrecken. Niedlich,<br />

ungefährlich, abenteuerfrei für Papi. Vielleicht ist es so,<br />

vielleicht haben Autofahrer eine höhere Entwicklungsstufe<br />

erreicht, sind vernünftig geworden und nicht mehr<br />

verführbar. Es muss uns bloß entgangen sein. –<br />

Abbildungen: dpa Picture-Alliance<br />

56 BRAND EINS 12/12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!