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SCHWERPUNKT: KUNST<br />

Fotos: Sigrid Reinichs (S. 128 l. o.), Thekla Ehling (S. 128, 129)<br />

Wolfgang Boesner, randlose Brille, kurz gestutzter Vollbart,<br />

trägt ein Glencheckjackett in beruhigenden Brauntönen. Das<br />

Hemd bis zum obersten Knopf geschlossen, keine Krawatte. Typ<br />

zurückhaltender Mann, beinahe schüchtern. „Ich war“, sagt Boesner,<br />

„ein introvertiertes Kind, bin am Bodensee aufgewachsen<br />

und habe die Natur dort intensiv wahrgenommen.“ Mit sieben<br />

fängt das Kind an zu malen, bis zum 18. Lebensjahr entstehen<br />

mehrere Tausend Bilder. Der Vater hat inzwischen in Bochum eine<br />

Vertretung für Elektroprodukte von Bosch. Boesner studiert<br />

Betriebswirtschaft, wird Diplomökonom; er beginnt ein Studium<br />

in Philosophie und Theologie, das er nicht abschließt. Stattdessen<br />

steigt er im Geschäft des Vaters ein, wird Verkaufsleiter. Rück -<br />

blickend sagt Boesner: „Mir war sehr schnell bewusst, das ist<br />

nicht meine Welt, ich muss da raus.“<br />

Eine gute Idee, ein sorgfältiger Chef.<br />

Aber reicht das, um den Erfolg zu erklären?<br />

Die Entscheidung fällt 1981. Boesner sagt: „Ich wusste, ich kann<br />

malen, ich kann mich durchsetzen, ich brauche nicht viel Geld zum<br />

Leben.“ Er mietet ein Studio, malt, lebt, wie er sagt, „am Existenzminimum“.<br />

Umso ärgerlicher, dass es nicht nur eine logistische<br />

Herausforderung ist, Farben, Pinsel, Leinwände zu besorgen, sondern<br />

dass die Ware im Malerfachgeschäft oder Bastelladen teuer ist.<br />

Boesner fühlt sich in seiner künstlerischen Entwicklung behindert<br />

und denkt: „Es müsste eine Institution geben, alles in einem Haus<br />

zu fairen Preisen.“ Irgendwann trifft er auf einen Serienmaler, der<br />

aufgrund seines Material verbrauchs günstige Einkaufsquellen kennt.<br />

Boesner spricht Künstler im Ruhrgebiet an, ob sie an Lieferungen<br />

interessiert wären; wenig später versorgt er 20.<br />

Schöne Geschichte. Ein Mann hat eine Idee. Richtige Idee,<br />

richtiger Zeitpunkt. Die Idee füllt eine Nische, schließt die Lücke<br />

zwischen Nachfrage und Angebot. Der Mann malt nun nicht<br />

mehr, er macht Runden durch die Ateliers, holt sich Tipps, Anregungen<br />

und Kontakte, werkelt nonstop. Er lässt sich nicht unterkriegen,<br />

als die Lieferanten ihn boykottieren wollen, weil er zunächst<br />

mit teilweise geringem Aufschlag weiterverkauft. „Es hieß,<br />

der macht die Preise kaputt, der muss weg.“ Doch Boesner geht<br />

nicht weg. Die Mengen, die er bestellt, werden immer größer. Die<br />

Lieferanten knicken ein. Jetzt ist Boesner im Geschäft. 1985 wird<br />

in Witten die erste Niederlassung eröffnet, 900 Quadrat meter<br />

Verkaufsfläche, damals der größte Laden dieser Art im Ruhrgebiet.<br />

1986 holt er seinen Bruder Klaus ins Unternehmen, der sich<br />

später um EDV und Finanzen kümmert. 1987 öffnet in Köln die<br />

nächste Niederlassung. Forstinning bei München, Unterentfelden<br />

bei Zürich und Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart folgen.<br />

Es ist aber nicht nur die Idee, die aus Boesner ein Millionengeschäft<br />

werden ließ. Es sind nicht nur der Fleiß, die Vision, das<br />

Engagement. Zum Gespräch hat Boesner einen Schnellhefter<br />

zusammengestellt. Auf fünf Seiten sind Daten, Fakten, Quellen-<br />

angaben vermerkt, Kernsätze vorformuliert, Unternehmensziele<br />

vermerkt. Geduldig arbeitet er die Gliederung durch. Einmal hat<br />

der »Rheinische Merkur« angerufen, es ging um einen kleinen<br />

Artikel, keine hundert Zeilen. Das Telefonat dauerte zwei Stunden.<br />

Aber den großen Unterschied macht etwas ganz anderes.<br />

Boesner sagt, seine ursprüngliche Intention war nicht, Geld zu<br />

verdienen, sondern „solidarisch zu sein mit den Künstlern, ihnen<br />

zu helfen“.<br />

Künstler, Künstler, Künstler. Kaum ein Satz, in dem Boesner<br />

nicht von ihnen schwärmt. Es sind so viele Geschichten. Wie er<br />

dem damals schon legendären Emil Schumacher begegnete, der<br />

zu seinen ersten Kunden gehörte. Wie er Kunstwerke als Bezahlung<br />

annahm, wenn die Klientel klamm war. Im Katalog sind<br />

Arbeiten von bilden den Künstlern abgebildet, sie werden mit Porträtfotos<br />

und Zitaten präsentiert. Der Kata log ist keine simple<br />

Warenübersicht, er ist eine Huldigung, aufwendig fotografiert,<br />

angereichert mit Aufsätzen über Wert und Bedeutung eines Kunstwerkes<br />

oder eine poetische Einweisung in die Sinnlichkeit von<br />

Spachtelmasse. „Die Mystik des Sakralen“, sagt der Aktionskünstler<br />

Hermann Nitsch in der aktuellen Ausgabe 2009/2010,<br />

„ist in allem und jedem und überall zu finden.“<br />

Mit Boesner und Kalbe im Wittener Laden. Martina Kalbe erzählt<br />

von ihrem Kunstgeschichtsstudium, wie sie mehr durch Zufall<br />

zu Boesner kam, in der Rahmenabteilung angefangen habe. 3<br />

Spezialisiert auf Rahmen: Lager in der Niederlassung Witten<br />

BRAND EINS 12/09

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