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Auferstanden aus Ruinen - Brand Eins

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WAS MENSCHEN BEWEGT _PRIVATMUSEUM<br />

• Ein Gerippe und ein paar Schutthaufen – mehr ist vom Palast<br />

der Republik in Berlin-Mitte nicht übrig geblieben. Die Ausleger<br />

dreier Kräne schwenken über die Ruine, unten schieben Bagger<br />

die Reste zusammen. Rückbau Ost: Wie viele andere Spuren des<br />

Sozialismus verschwindet auch der Palast, in dem einst die Volkskammer<br />

der DDR tagte, langsam von der Bildfläche.<br />

Schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Spree, kommt<br />

vom Lärm der B<strong>aus</strong>telle nur ein leises R<strong>aus</strong>chen an. Es mischt sich<br />

mit dem Glockengeläut der Schiffskapitäne, die Tickets für Ausflugsfahrten<br />

verkaufen wollen, und dem Stimmengewirr einer<br />

Gruppe Jugendlicher, die sich in einem großen Pulk um eine Tür<br />

drängeln. Hinter dieser Tür wurde, während man sie gegenüber<br />

zerlegte, die DDR wieder aufgebaut. Als Museum, von den Unternehmern<br />

Peter Kenzelmann und Robert Rückel. Sie wollten eine<br />

Ausstellung schaffen, um den Besuchern die Alltagskultur im<br />

sozialistischen Osten nahezubringen und Geld zu verdienen – ohne<br />

staatliche Subventionen. Beides traute ihnen anfangs niemand zu.<br />

„Wir wurden angefeindet, und man hat uns unterstellt, es gehe<br />

uns nur um Profite und nicht um wissenschaftliches Arbeiten“,<br />

sagt der Museumsdirektor Rückel. „Es war wie im Sozialismus,<br />

den wir thematisieren: In der Museumsszene ist alles, was von<br />

Privaten kommt, erst mal verdächtig.“<br />

In Deutschland gibt es mehr als 6000 Museen, die jährlich<br />

rund 100 Millionen Besucher anlocken, Tendenz zuletzt leicht<br />

sinkend. Nur die wenigsten können sich ohne Fördermittel und<br />

Sponsoren behaupten, geschweige denn Überschuss erwirtschaften.<br />

„Zwar gründen immer wieder Privatleute Museen“, sagt<br />

Mechtild Kronenberg, Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbunds.<br />

„Aber viele merken schnell: Das ist ein Zuschussgeschäft.“<br />

Auf wie viel Geld sich die Subventionen insgesamt<br />

summieren, wird Kronenberg zufolge nirgendwo erfasst. Aber in<br />

aller Regel beteiligen sich Kommunen, öffentliche Institutionen<br />

und Stiftungen an den Investitions- und Unterhaltskosten.<br />

So wundert es nicht, dass ein Museum, das darauf verzichtet,<br />

misstrauisch beäugt wird. „Das ist kaum zu machen“, sagt Gisela<br />

Weiß, Professorin für Museologie an der Hochschule für Technik,<br />

Wirtschaft und Kultur in Leipzig. „Museen müssen Ausstellungsstücke<br />

lagern, restaurieren, inventarisieren; mitunter in speziellen<br />

Räumen und mit speziellem Personal. Und das ist teuer.“<br />

Kurz: Wenn Museen das tun, was sie nach den Standards für Museen<br />

des Deutschen Museumsbunds sollen, nämlich Originale<br />

sammeln, bewahren, dokumentieren, erforschen und präsentieren,<br />

dann müssen sie mit hohen Kosten rechnen. Und die lassen sich<br />

über Eintrittspreise und Verkaufserlöse nur zum Teil decken.<br />

„Außerdem stehen Museen heutzutage unter einem wahnsinnigen<br />

Konkurrenzdruck“, sagt Gisela Weiß. Sie müssen sich<br />

nicht nur gegenüber anderen öffentlichen Einrichtungen im Wettstreit<br />

um Fördergelder behaupten, sondern konkurrieren mit<br />

allen möglichen Freizeiteinrichtungen um Besucher. Manche<br />

Museen hat dieser Druck in die Knie gezwungen. Andere haben<br />

dar<strong>aus</strong> gelernt: „Viele Museen haben in den vergangenen Jahren<br />

erkannt, dass sie besucherfreundlicher werden müssen“, sagt<br />

Hannelore Kunz-Ott, erste Vorsitzende des Bundesverbandes<br />

Museumspädagogik, „sie müssen den Menschen etwas bieten.“<br />

Das Schlagwort „Besucherorientierung“ treibt die Museen um –<br />

heute müssen sie sich mehr denn je an ihren Gästen orientieren<br />

und sich immer wieder neue Vermittlungskonzepte einfallen<br />

lassen. „Viele Museen setzen inzwischen auf das interaktive und<br />

informelle Lernen mit mehreren Sinnen“, sagt die Leipziger<br />

Museologin Weiß. „Erlebnis ist im Museumsbereich inzwischen<br />

der Begriff schlechthin.“<br />

Ein hart umkämpfter Markt also, hohe laufende Kosten und<br />

eine anspruchsvolle, wählerische Kundschaft – das sind die Gründe,<br />

warum man einem Museum, das Profite erzielen und zugleich<br />

Wissen vermitteln will, erst einmal nicht über den Weg traut.<br />

Die DDR ist Geschichte, und viele Leute<br />

fragen sich: Wie war’s da eigentlich?<br />

Wenn Robert Rückel und Peter Kenzelmann die Geschichte ihres<br />

Museums erzählen und von all den Hürden berichten, die sie<br />

überwinden mussten, dann kommt es häufig vor, dass der eine<br />

einen Satz beginnt und der andere ihn beendet. Etwa wenn sie<br />

von ihrer ersten Begegnung erzählen, im Jahr 2005, als das Museum<br />

noch eine fixe Idee war, die dem Freiburger Peter Kenzelmann<br />

nicht mehr <strong>aus</strong> dem Kopf ging. Auf der Suche nach einer<br />

Ausstellung zum Alltag in der DDR war der Unternehmer in Berlin<br />

auf ein Museum in Amsterdam verwiesen worden. „Da habe<br />

ich gedacht: Wenn das in Berlin keiner macht, dann muss ich es<br />

eben selber machen. Und von da an hat mich die Idee nicht mehr<br />

losgelassen.“<br />

In einem Internetforum lernte Kenzelmann Rückel kennen,<br />

damals freiberuflicher Kulturmanager. „Wir haben uns angeschrieben<br />

…“, sagt Kenzelmann, „… und <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht über das,<br />

was wir sonst so machen …“, sagt Rückel und grinst, „… haben<br />

einige Verbindungen zwischen uns festgestellt …“, sagt Kenzelmann<br />

und lacht verschmitzt, „… und dann haben wir gesagt:<br />

Jetzt packen wir es an!“<br />

Drei Tage nach ihrem ersten Treffen weihten Kenzelmann und<br />

Rückel das Büro ein und erarbeiteten einen Businessplan. Denn<br />

für ihre frisch gegründete Firma brauchten sie Geld: „Wir wollten<br />

nicht einfach ein paar Erinnerungsstücke zusammentragen<br />

oder auf der Ostalgiewelle mitschwimmen“, sagt Rückel. „Wir<br />

wollten etwas Einmaliges. Wir wollten das interaktivste Museum<br />

in Europa werden.“ Anfangs veranschlagten Rückel und Kenzelmann<br />

die Kosten auf rund 100 000 Euro – tatsächlich sollten es<br />

bis zur Eröffnung rund 700 000 werden. Noch größer als die<br />

Bedenken mancher Fachleute waren die Zweifel möglicher Geldgeber:<br />

Bei Banken und Business Angels fiel die Idee glatt durch.<br />

„Ich bin durch Deutschland gepilgert, von einer Bank zur ande-<br />

144 BRAND EINS 02/08

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