Kappen und Flechten, Kopfweide 1. Teil - Baumpflege Dietrich GmbH
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Gehölz<br />
42<br />
<strong>Kopfweide</strong> (<strong>Teil</strong> 1)<br />
KAPPEN UND<br />
FLECHTEN<br />
<strong>Kopfweide</strong>n sind jedem ein Begriff. Auch heute<br />
noch werden Weiden europaweit oft gestutzt.<br />
Aber wie entstand die Sitte, Weiden zu köpfen?<br />
Sind kulturelle oder wirtschaftliche Hintergründe<br />
dafür verantwortlich? Oder dienen Kappschnitte<br />
der Verjüngung des Baums?<br />
Im Nahen Osten entdeckten Archäologen<br />
Geflechtsreste aus Gras in der ein gebräuchliches Motiv.<br />
autor Erwin Moser waren <strong>und</strong> sind sie<br />
Wulstwickeltechnik, die bereits 10 000<br />
v. Chr. entstanden waren. Und auch EDLE FLECHTPFLANZE<br />
in der jüngeren Steinzeit beherrschte Um elastische Äste zu gewinnen, werden<br />
Weiden einmal jährlich im Win-<br />
man in der Schweiz die kunstvolle<br />
Fertigkeit des <strong>Flechten</strong>s, wie F<strong>und</strong>e ter «auf den Kopf gesetzt». Qualitativ<br />
am Neuenburger- <strong>und</strong> Bodensee zeigen.<br />
Seit wann Weidenzweige dafür aus Kulturen, deren Pflege ebenso<br />
hochwertige Weidenruten stammen<br />
verwendet werden, kann man indes anspruchsvoll ist wie jene von Weinreben.<br />
nicht genau sagen. Man vermutet<br />
aber, dass auch diese Kunst sehr weit Auf solchen Feldern – die einst auch<br />
zurückreicht.<br />
in den Kantonen Aargau <strong>und</strong> Basel<br />
Interessant ist das Wort «Wand»; es bedeutet<br />
«das Gew<strong>und</strong>ene, Geflochtene» tisch keinen Stamm, sondern beste-<br />
existierten – besitzen Weiden prak-<br />
<strong>und</strong> bezieht sich auf die alten Fachwerkbauten,<br />
die aus jungen Weidenschläge).<br />
Diese wachsen gerade <strong>und</strong><br />
hen nur aus Stockloden (Stockaustrieben<br />
<strong>und</strong> anderen Ästen geflochten astrein in die Höhe. In einem Jahr<br />
wurden. <strong>Kopfweide</strong>n waren schon früh kann eine Weide bis zu 5 m lange<br />
beliebte Sujets in der Malerei. Auch bei Neutriebe bilden. Die Ruten erntet<br />
Vincent van Gogh, dem Zeichner Carl man im Winter <strong>und</strong> sortiert sie nach<br />
Wilhelm Colbe oder dem Kinderbuch-<br />
Länge, Dicke <strong>und</strong> Qualität.<br />
Weidenkulturen existierten angeblich<br />
bereits zur Römerzeit, verschwanden<br />
dann aber mit dem Niedergang des Römischen<br />
Reichs auch weitgehend aus<br />
Europa <strong>und</strong> wurden erst später wiederentdeckt.<br />
Eine Hochblüte erreichte<br />
die Korbflechterei zu Kriegszeiten in<br />
Deutschland <strong>und</strong> der Schweiz, als die<br />
Nachfrage nach Munitionskörben stieg.<br />
Korbflechter verdienten zu dieser Zeit<br />
erstmals mehr als andere Handwerker.<br />
Die Körbe wurden aber zur Hauptsache<br />
aus Rattan (Peddigrohr), dem<br />
Stamm von Rattanpalmen, hergestellt.<br />
WICHTIGER NUTZBAUM<br />
Der «Kopfholzbetrieb» bei Weiden<br />
war aber schon viel früher verbreitet.<br />
<strong>Kopfweide</strong>n fand man meist entlang<br />
von fliessenden oder stehenden Gewässern.<br />
Man pflanzte sie als Bordverbauung,<br />
um das Ufer <strong>und</strong> die Deiche<br />
zu stabilisieren. Damit sie nicht so<br />
gross wurden <strong>und</strong> zu viel Schatten<br />
gaben, stutzte man sie regelmässig.<br />
Dies hatte auch den Vorteil, dass solche<br />
niedrigen Stumpen für Biber uninteressant<br />
blieben, denn diese waren<br />
nicht immer so willkommen, wie sie<br />
es heute an manchen Orten sind.<br />
DAS RECHT DER FLECHTER<br />
Früher wurden <strong>Kopfweide</strong>n ausser<br />
von Bauern vor allem von hausierenden<br />
Korbflechtern im Winter<br />
Schweizer Garten 3/2013
Gekappte Weidenstrünke<br />
treiben<br />
wieder aus (oben).<br />
Der «Elefant»<br />
ist eine Weide in<br />
Rickenbach bei<br />
Ottenbach (links).<br />
Weiden im Winternebel<br />
(unten).<br />
Schweizer Garten 3/2013
Gehölz<br />
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1<br />
3<br />
1) Für elastische Äste<br />
werden Weiden im<br />
Winter «auf den<br />
Kopf gesetzt».<br />
2) Gelagerte Weidenruten<br />
vor der<br />
Verwendung.<br />
3) Sichtschutzwände<br />
aus Weidentrieben.<br />
2<br />
gekappt. Man vermutet, dass Korbflechter,<br />
die «auf die Stör gingen», das<br />
Recht hatten, überall Weiden auf den<br />
Kopf zu setzen.<br />
Der «Kopf» von Weiden, die älter als<br />
zehn Jahre sind, wird oft wurmstichig<br />
<strong>und</strong> hat mehr Mark, weshalb<br />
auch die Jungtriebe solcher Bäume<br />
oft von geringerer Qualität sind. Die<br />
Flechtwerke, die daraus erstellt wurden,<br />
hielten nicht länger als ein Jahr.<br />
Aus anderen minderwertigen Trieben<br />
konnten Zaungatter geflochten<br />
werden. Die umherziehenden Korbflechter<br />
boten den Leuten ihre Ware<br />
an <strong>und</strong> erhielten als Gegenleistung oft<br />
Kost <strong>und</strong> Unterkunft.<br />
Europas dickste Weide ist eine ehemalige <strong>Kopfweide</strong>.<br />
DREI MATERIALIEN<br />
Die professionelle Verflechtung der<br />
Weidentriebe ist genau wie die Pflege<br />
der Anlagen ausgesprochen trickreich<br />
Schweizer Garten 3/2013
Lernen, Körbe zu flechten<br />
Von groben Körben über fein verzierte Schatullen bis hin zu Sichtschutzwänden entstehen so die w<strong>und</strong>erbarsten Kunstwerke.<br />
Solche Prunkstücke <strong>und</strong> das Handwerk selbst lassen sich von Therese Leutwyler (Bild 1) <strong>und</strong> Werner Turtschi (Bild 2) in der<br />
Korbflechtereiwerkstatt in Thun (Telefon 033 336 32 68 <strong>und</strong> www.korbflechten.ch) bew<strong>und</strong>ern. Am gleichen Ort befindet sich<br />
auch das Flechtmuseum Thun, welches von April bis Oktober an jedem vierten Wochenende geöffnet ist, aber auch auf Voranmeldung<br />
besucht werden kann (Telefon 033 654 71 43 <strong>und</strong> www.flechtereien.ch). Dieses Handwerk wird auch heute noch<br />
unter der Berufsbezeichnung «Korb- <strong>und</strong> Flechtwerkgestalter» mit Holzhandwerkern, Küfern <strong>und</strong> Holzbildhauern im Kompetenzzentrum<br />
für gestalterische Holzberufe in Brienz unterrichtet (Telefon 033 952 17 51 <strong>und</strong> www.holzbildhauerei.ch).<br />
Prunktstücke im<br />
Flechtmuseum<br />
Thun: grobe Körbe<br />
(oben links) <strong>und</strong> fein<br />
verzierte Schatullen<br />
(oben rechts).<br />
1 2<br />
<strong>und</strong> erfordert viele Jahre Erfahrung<br />
<strong>und</strong> handwerkliches Geschick. Je nach<br />
Produkt werden die gewonnenen Weidenruten<br />
anders behandelt. Dabei<br />
unterscheidet man drei verschiedene<br />
Ausgangsmaterialien: die rohen, ungeschälten,<br />
die weissgeschälten <strong>und</strong> die<br />
gesottenen, braunen Weidentriebe.<br />
MIT UND OHNE RINDE<br />
Bei der rohen Weide werden die Triebe<br />
nicht entrindet. Ruten für das Weissschälen<br />
werden im Frühjahr in ein<br />
Wasserbecken gestellt, damit sie nicht<br />
austrocknen, sondern neu austreiben.<br />
Sobald Blätter <strong>und</strong> «Weidenbüsseli»<br />
spriessen, kann man die Rinde mit der<br />
Schälklemme in aufwendiger Arbeit<br />
vom Zweig schälen.<br />
Da sich nicht alle Weidensorten gleich<br />
gut schälen lassen, werden die Ruten<br />
oft mehrere St<strong>und</strong>en in einem grossen<br />
Bottich gekocht <strong>und</strong> anschliessend<br />
mit kaltem Wasser abgeschreckt.<br />
Man spricht dann von der gesottenen<br />
oder braunen Weide. Unabhängig<br />
davon werden die Weidentriebe aber<br />
mit oder ohne Rinde mindestens ein<br />
Jahr gelagert <strong>und</strong> vor dem <strong>Flechten</strong><br />
zwischen zehn Minuten <strong>und</strong> 14 Tagen<br />
im Wasser eingeweicht.<br />
Michel Brunner (Text <strong>und</strong> Bilder)<br />
In der April-Ausgabe wird <strong>Teil</strong> 2 des Themas «<strong>Kopfweide</strong>»<br />
behandelt. Wir widmen uns dem Problem der frühzeitigen<br />
Vergreisung von Weiden. Gezeigt wird, wie man ehemalige<br />
<strong>Kopfweide</strong>n schneidet, wenn sie für die Flechterei keine<br />
Verwendung mehr finden.<br />
Schweizer Garten 3/2013