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Hintergrundpapier Spielen - Deutsches Kinderhilfswerk

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HINTERGRUNDTEXT<br />

Mehr Raum für Spiel, Bewegung und Spaß –<br />

Oder: Warum Kinder spielen müssen<br />

In urbanen Regionen fehlt Kindern oft etwas sehr Wesentliches: die<br />

Gelegenheit und der Raum, kreativ zu spielen, sich frei und sicher zu<br />

bewegen. Dabei ist <strong>Spielen</strong> ein essentieller Bestandteil der<br />

Persönlichkeitsentwicklung von Kindern.<br />

Rückwärts gehen, vorwärts rollen, Konflikte lösen... Kinder haben beim<br />

<strong>Spielen</strong> nicht nur Spaß, sondern erwerben ganz nebenbei elementare<br />

motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten. Durch <strong>Spielen</strong> trainieren<br />

sie ihre Muskeln, ihre motorische Koordination und ihre Sinne, ebenso wie<br />

ihr Denken, Wissen und ihre sozial-emotionale Kompetenz. Doch im<br />

urbanen Umfeld – und darin sind sich Mediziner, Psychologen und<br />

Pädagogen weitgehend einig – fehlt Kindern dazu oft etwas sehr<br />

Wesentliches: die Gelegenheit und der Raum, frei und kreativ zu spielen,<br />

um damit ihre Neugierde, Fantasie und Bewegungsfreude optimal zu<br />

entfalten. „Dabei ist die Suche nach eigenen kreativen Wegen ein so<br />

wichtiges Element in der Entwicklung von Kindern“, erklärt Prof. Dr. Klaus<br />

Fischer, Bewegungspädagoge an der Universität Köln. „Freies, kreatives<br />

<strong>Spielen</strong> erfolgt intuitiv, Kinder agieren selbstbestimmt ohne enge elterliche<br />

und räumliche Eingrenzung. Freies, kreatives <strong>Spielen</strong> bedeutet auf<br />

Entdeckungsreise gehen, erforschen, individuelle Spuren hinterlassen,<br />

neugierig sein und seiner Kreativität freien Lauf lassen.“<br />

<strong>Spielen</strong> – ein elementarer Baustein der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung<br />

<strong>Spielen</strong> macht nicht nur Spaß, sondern fördert ganzheitlich die<br />

Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Forscher gehen davon aus, dass<br />

Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr circa 15.000 Stunden<br />

spielen sollten, also sieben bis acht Stunden am Tag; zumal Kinder in<br />

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diesem Alter gerade beim Wechsel von der KiTa in die Schule an langes<br />

Sitzen gewöhnt werden. Und das hat seinen guten Grund: <strong>Spielen</strong> macht<br />

fit fürs Leben. Durchs <strong>Spielen</strong> lernen Kinder die Welt kennen, erfahren<br />

etwas über sich, ihren Körper und ihre Umwelt und entwickeln dabei fast<br />

nebenbei essentielle motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten. Ob<br />

Hüpfen, Springen, Gleiten, Balancieren oder Klettern – durch <strong>Spielen</strong><br />

lernen Kinder vielfältige Bewegungsmöglichkeiten, üben Gleichgewicht,<br />

Koordination und Geschicklichkeit. „Wir wissen aus der Entwicklungspsychologie,<br />

dass Kinder gerade das Ungehobelte und Unebene<br />

brauchen“, so Fischer weiter. „Nur wer schwierige Situationen bewältigt,<br />

und das beginnt mit körperlichen Aktivitäten, kann auch Gefahren<br />

erkennen und Strategien entwickeln, mit ihnen umzugehen.“<br />

Motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten entwickeln sich im<br />

Spiel<br />

Eng verwoben mit der motorischen ist damit die kognitive Entwicklung des<br />

Kindes. Wer auf einen Baum klettern möchte, ohne herunterzufallen,<br />

muss konzentriert Hand- und Augenbewegung koordinieren, Hände und<br />

Füße aufeinander abstimmen können. „Die enge Wechselwirkung<br />

zwischen Motorik und anderen Persönlichkeitsbereichen eröffnet Wege zu<br />

einer effektiven und kindgemäßen Form der Entwicklungsförderung“,<br />

erläutert Entwicklungspsychologin Prof. Dr. Röhr-Sendlmeier von der<br />

Universität Bonn. Auf spielerische Art und Weise werden die geistigen<br />

Fähigkeiten geschult, denn für ein Verständnis von Entfernungen, für<br />

Maße und physikalische Gegebenheiten wie Widerstand und Schwung<br />

braucht es echte Raumerfahrungen. Gleichzeitig fördert <strong>Spielen</strong> die<br />

Kreativität, lässt die kindliche Neugierde wachsen und regt die Fantasie<br />

an, was zu flexibleren Problemlösungsprozessen und vielfältigeren Ideen<br />

führt. „Über reichhaltige, die Fantasie betonende Spielerfahrungen<br />

werden grundlegende Lernprozesse initiiert: Das Kind erweitert sein<br />

Wissen darüber, was es selbst kann, indem es seinen Körper in<br />

ungewohnten Situationen wahrnimmt und erlebt. Indem es lernt, sich an<br />

unterschiedliche Umweltgegebenheiten anzupassen und mit ihnen<br />

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umzugehen, entwickelt es auch eine bessere Sachkompetenz“, führt Prof.<br />

Dr. Röhr-Sendlmeier aus.<br />

Darüber hinaus trainiert <strong>Spielen</strong> auch die sprachlichen Fähigkeiten:<br />

Kinder handeln aus, teilen mit, streiten, sie hören zu und vertreten ihren<br />

Standpunkt, sie lösen Konflikte oder halten sie aus. So übernimmt <strong>Spielen</strong><br />

neben der Förderung von Motorik und Geist auch eine bedeutende Rolle<br />

bei der Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenz. Im Spiel üben<br />

Kinder soziale Interaktion, erproben Rollen – sei es Vater-Mutter-Kind,<br />

Fußball oder Räuber und Gendarm – gehen Beziehungen ein und lösen<br />

sie wieder auf. „Wichtig ist dabei“, so betont Fischer, „dass sie<br />

selbstbestimmt agieren dürfen.“ Nur ohne permanente Einmischung der<br />

Erwachsenen lernen sie, ihre Fantasie zu aktivieren, zu experimentieren<br />

und sich auszudrücken. Außerdem leben Kinder, die ohne permanente<br />

Beobachtung und ‚Pass auf!’ spielen, sicherer, denn sie lernen, Risiken<br />

selbst einzuschätzen. Die besten Möglichkeiten dazu bieten naturnahe<br />

Außenräume, denn <strong>Spielen</strong> unter freiem Himmel ist großräumiger,<br />

erlebnisreicher und anregender für die Sinne als <strong>Spielen</strong> in Häusern und<br />

Wohnungen.<br />

Mehr Raum zum <strong>Spielen</strong><br />

Kinder spielen überall, wenn man sie nicht hindert. Doch Kindern fehlt es<br />

heutzutage zunehmend an Zeit und entsprechendem Raum zum <strong>Spielen</strong>.<br />

Die Gründe sind vielfältig: eine auto-, aber nicht kindgerechte<br />

Stadtplanung oder der oft mit Terminen volle und von Erwachsenen<br />

begleitete Alltag des Nachwuchses. Zwischen Ganztagsschule,<br />

Klavierunterricht, Tennistraining und Nachhilfestunden bleibt Kindern oft<br />

kaum noch echte Freizeit, kaum noch Raum für freies und kreatives<br />

<strong>Spielen</strong>. „Viele Kinder beklagen das Fehlen von Freiräumen in ihrem<br />

Alltag“, berichtet Fischer. „Sie wünschen sich mehr Gelegenheit zum<br />

<strong>Spielen</strong>, Flächen ohne Verbotsschilder und Autoverkehr. Sie brauchen<br />

Bäume, auf die sie klettern, Büsche, hinter denen sie sich verstecken<br />

können, Platz zum Höhlen bauen, Toben und Rennen. Doch dort, wo sie<br />

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lautstark und lebendig ihrem natürlichen Spieldrang nachgehen, geraten<br />

sie häufig in Konflikt mit ruhebedürftigen Erwachsenen.“<br />

„Der Freiraum, der Kindern und Jugendlichen für freies Spiel und<br />

Bewegung zur Verfügung steht, nimmt leider stetig ab“, weiß auch Holger<br />

Hofmann, Bundesgeschäftsführer und Spielraumexperte des Deutschen<br />

<strong>Kinderhilfswerk</strong>es. Insbesondere in urbanen Regionen bilden Spielplätze<br />

den so wichtigen Spielraum, der aber häufig weder intakt ist noch zum<br />

freien, kreativen <strong>Spielen</strong> einlädt. „So grün und bunt unsere Spielplätze auf<br />

den ersten Blick vielleicht aussehen, so wenig gestaltbar sind sie in der<br />

Regel“, so Hofmann weiter. „Es gibt vielmals zu wenige Möglichkeiten für<br />

Kinder, ihre Spuren zu hinterlassen.“ Dennoch sind Spielplätze gerade in<br />

Großstädten unverzichtbarer Teil des Kinderlebens. Sie liegen häufig „um<br />

die Ecke“ und sind auch ohne Eltern zu erreichen. Doch viele Spielplätze<br />

sind in keinem guten Zustand, wie die Ergebnisse des letzten Spielplatz-<br />

Tests des TÜV Rheinland im Rahmen der Fanta Spielplatz-Initiative aus<br />

Winter 2011/2012 beweisen: 78 Prozent der 50 in zehn deutschen<br />

Städten getesteten Spielplätze weisen Sicherheitsmängel auf, und was<br />

Gestaltung und kreativen Spielwert angeht, erreichten die getesteten<br />

Spielanlagen lediglich ein schwaches „Befriedigend“. Spielplatz ist nicht<br />

gleich Spielplatz: „Um freies und kreatives <strong>Spielen</strong> zu ermöglichen, bedarf<br />

es etwas mehr als Schaukel, Wippe, Sandkasten“, erklärt Hofmann. „Ein<br />

guter Spielraum verfügt über eine reiche Vielfalt an weiteren<br />

Spielanregungen: Er bietet Kindern natürliche Bewegungsanreize, die<br />

Möglichkeit, auf Entdeckungsreise zu gehen, selbst etwas zu gestalten<br />

und im Rollenspiel ihrer Fantasie nachzugehen. Ein guter Spielplatz<br />

erzwingt weder vorgefertigte Spielsituationen noch begrenzt er die<br />

Handlungsmöglichkeiten der Kinder, sondern lässt Raum zur freien,<br />

individuellen Gestaltung, zum Experimentieren und erlaubt<br />

Veränderbarkeit. Nur so aktiviert ein Spielplatz die kindliche Fantasie und<br />

unterstützt kreatives, selbstbestimmtes <strong>Spielen</strong>.“<br />

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Kinder haben ein Recht auf <strong>Spielen</strong><br />

So schwer es in unseren Städten manchmal zu verwirklichen scheint, so<br />

einfach ist es im Grunde: Kinder brauchen Platz und Gelegenheit zum<br />

freien, kreativen Spiel, denn dies fördert gesunde, interessierte und<br />

sozialkompetente Kinder. Mit der Fanta Spielplatz-Initiative macht sich<br />

Fanta zusammen mit dem Deutschen <strong>Kinderhilfswerk</strong> und dem TÜV<br />

Rheinland für Kinder stark und stiftet Aufmerksamkeit dafür, dass<br />

kreatives <strong>Spielen</strong> für Kinder wichtig ist. Deshalb unterstützt die Fanta<br />

Spielplatz-Initiative deutschlandweit beispielhafte Sanierungen von<br />

Spielplätzen, um Raum für kreatives und sicheres <strong>Spielen</strong> zu schaffen.<br />

Mit dem Bau eines Modellspielplatzes, der zusammen mit Experten des<br />

Deutschen <strong>Kinderhilfswerk</strong>es entwickelt wurde, ist die Initiative zudem mit<br />

gutem Beispiel vorangegangen und zeigt, wie kreatives und sicheres<br />

<strong>Spielen</strong> auch für Spielplatz-Träger mit begrenzten finanziellen Mitteln<br />

aussehen kann. So möchte die Initiative konkrete<br />

Handlungsunterstützung bieten. Denn im Artikel 31 der UN-<br />

Kinderrechtskonvention heisst es: Kinder haben das Recht auf <strong>Spielen</strong>!<br />

Über die Fanta Spielplatz-Initiative<br />

Die Fanta Spielplatz-Initiative wurde 2012 von Fanta zusammen mit dem Deutschen <strong>Kinderhilfswerk</strong><br />

und dem TÜV Rheinland ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, Aufmerksamkeit dafür zu<br />

schaffen, wie wichtig freies und kreatives <strong>Spielen</strong> für die geistige, soziale und motorische Förderung<br />

des Kindes ist. Deshalb setzt sich die Fanta Spielplatz-Initiative langfristig für kreatives und sicheres<br />

<strong>Spielen</strong> ein und unterstützt deutschlandweit beispielhafte Sanierungen von Spielplätzen. Mit dem Bau<br />

eines Modellspielplatzes ist die Fanta Spielplatz-Initiative mit gutem Beispiel vorangegangen und<br />

zeigt Ideen auf, wie ein kreativer und sicherer Spielplatz auch ohne prall gefüllte Kassen aussehen<br />

kann.<br />

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