Text: Theodor Schneider: Auferstehung der Toten - Hoye.de
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<strong>Theodor</strong> <strong>Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong></strong><br />
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Toten</strong><br />
aus: Was wir glauben. Eine Auslegung <strong>de</strong>s Apostolischen<br />
Glaubensbekenntnis (Düsseldorf: Patmos Verlag, 1985<br />
1. Neues Leben als Geistgeschenk<br />
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Gleich zu Beginn unserer Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten bei<strong>de</strong>n<br />
Bekenntnissätze, die unsere Aufmerksamkeit auf die erhoffte<br />
Vollendung unseres Lebens richten, auf die „Eschata“,<br />
die letzten Dinge und Ereignisse, wie die traditionelle<br />
theologische Begriffssprache sagt, sollten wir uns daran erinnern,<br />
daß wir immer noch dabei sind, <strong>de</strong>n dritten Glaubensartikel<br />
zu entfalten. Nicht nur die gegenwärtige Christenexistenz,<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher die Re<strong>de</strong> war, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> erhoffte selige Ausgang ist vom Apostolischen Glaubensbekenntnis<br />
als das „Werk <strong>de</strong>s Geistes“ verstan<strong>de</strong>n.<br />
(a)<br />
Im Gefolge Jesu Christi<br />
Diese Feststellung – auch wenn sie im allgemeinen Glaubensbewußtsein<br />
zu wenig präsent ist – stellt sich nun gegen<br />
En<strong>de</strong> unserer Auslegung fast schon wie eine Schlußfolgerung<br />
dar: Die Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> alttestamentlichen<br />
Gläubigen mit <strong>de</strong>m „Geist <strong>de</strong>s Lebens“, die stets wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte<br />
Beteuerung <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen christlichen Verkündigung,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater seinen Sohn Jesus aus <strong>de</strong>m Abgrund <strong>de</strong>s<br />
To<strong>de</strong>s herausgerissen und auferweckt hat „durch seinen<br />
Geist“, sowie die Glaubensüberzeugung, daß unser „Hineingetauchtwer<strong>de</strong>n“<br />
in sein Schicksal uns <strong>de</strong>n gleichen<br />
Ausgang eröffnet wie ihm – all das bün<strong>de</strong>lt sich nun im<br />
Bekenntnis <strong>de</strong>s Glaubens an die <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>:<br />
„Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist <strong>de</strong>ssen in euch wohnt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Jesus von <strong>de</strong>n<br />
<strong>Toten</strong> auferweckt hat, dann wird er, <strong><strong>de</strong>r</strong> Christus Jesus von<br />
<strong>de</strong>n <strong>Toten</strong> auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig<br />
machen, durch seinen Geist, <strong><strong>de</strong>r</strong> in euch wohnt“<br />
(Röm 8,11).<br />
Genau dies ist die Frucht <strong>de</strong>ssen, was Gott in Jesus an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Menschheit getan hat, johanneisch gewen<strong>de</strong>t:<br />
Ich lebe, und auch ihr wer<strong>de</strong>t leben (vgl. Joh 14,19). Diese<br />
(scheinbar) schlichten biblischen Formulierungen enthalten<br />
das grundlegen<strong>de</strong> hermeneutische Prinzip zum Verständnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensaussagen über die Vollendung: „Die<br />
eigentlich ursprüngliche Quelle <strong><strong>de</strong>r</strong> eschatologischen Aus-<br />
sagen ist also die Erfahrung von <strong>de</strong>m Heilshan<strong>de</strong>ln Gottes<br />
an uns selbst in Christus.“ 1<br />
1. Was ist das grundlegen<strong>de</strong> hermeneutische Prinzip zum Verständnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubenslehre über die Vollendung?<br />
2. Die Zitate von Rahner in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fußnote sind wichtig.<br />
1 K. Rahner, Theologische Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Hermeneutik eschatologi-
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 2<br />
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All das, was auf <strong>de</strong>n vorausgehen<strong>de</strong>n Seiten gesagt ist<br />
über <strong>de</strong>n Glauben an die <strong>Auferstehung</strong> Jesu und über das<br />
„neue Leben“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen schon jetzt, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachfolge<br />
Jesu, ist hier voll beansprucht und muß nicht im einzelnen<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt wer<strong>de</strong>n. Der „Aufstand“ gegen die tödlichen<br />
Mächte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bosheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbruch in eine Existenz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung und Zuversicht aller Erfahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergeblichkeit<br />
und Absurdität zum Trotz, die „<strong>Auferstehung</strong>“ zu<br />
einem Leben aus Liebe im Geiste Jesu Christi sind die Weise,<br />
wie die Zukunft bereits begonnen hat! Und doch ist es<br />
– angesichts <strong>de</strong>s schaurigen Abbruchs unserer irdischen<br />
Existenz im Tod, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns etwa in <strong><strong>de</strong>r</strong> beginnen<strong>de</strong>n Verwesung<br />
eines geliebten Verstorbenen auf eine schreckliche<br />
Weise vor Augen geführt wird – durchaus angezeigt, am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Christenbekenntnisses noch einmal ausdrücklich<br />
hervorzuheben, daß die Übermacht <strong><strong>de</strong>r</strong> göttlichen Liebe<br />
stärker ist als <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod: Wir glauben an ein neues, an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />
Leben nach unserem irdischen Tod. Wir glauben, daß<br />
unsere Jahre auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> nicht nur nicht schon unser ganzes<br />
„Leben“ sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Gegenteil gewissermaßen<br />
erst <strong><strong>de</strong>r</strong> „Entwurf“ unserer endgültigen Existenz, die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
„Konstruktionsphase“ allerdings, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ausführung<br />
von seiten <strong>de</strong>s „göttlichen Bauherrn“ folgen wird,<br />
um die „Baumeister“-Terminologie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzugreifen,<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> schon Paulus in diesem Zusammenhang sich zu<br />
ver<strong>de</strong>utlichen versucht hat (vgl. 1 Kor 3,9–17).<br />
(b)<br />
Törichte Frage?<br />
Man hat sich offenbar schon immer schwergetan, diese<br />
„Hoffnung gegen allen Augenschein“ in Worte zu fassen;<br />
die tägliche Wahrnehmung läuft hier ins Leere, und gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>shalb kommen wir hier nicht zurecht ohne Bildre<strong>de</strong><br />
und Vergleiche. Und auch wenn Paulus diese Frage<br />
mit Emphase für töricht erklärt, sie will nicht verstummen:<br />
„Wie wer<strong>de</strong>n die <strong>Toten</strong> auferweckt, was für einen<br />
Leib wer<strong>de</strong>n sie haben? Was für eine törichte Frage! Auch<br />
das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt.<br />
Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen<br />
wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein<br />
Weizenkorn o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es. Gott gibt ihm die Gestalt,<br />
die er vorgesehen hat, je<strong>de</strong>m Samen eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e... So ist es<br />
auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>. Was gesät wird, ist<br />
3. Warum wird an dieser Stelle, d. h. innerhalb <strong>de</strong>s Abschnittes über<br />
die Eschata, eine Erörterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Situation, die schon jetzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist,<br />
eingefügt?<br />
scher Aussagen, in: <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Schriften zur Theologie IV, Einsie<strong>de</strong>ln 1960,<br />
401–428, hier 417. „Ausgesagt also kann von dieser Zukunft eigentlich<br />
nur wer<strong>de</strong>n, daß sie sein kann und sein soll die Vollendung <strong>de</strong>s<br />
ganzen Menschen durch <strong>de</strong>n unbegreiflichen Gott im Heil, das uns<br />
verborgen in Christus schon gegeben ist... Eschatologie ist also nicht<br />
die antizipieren<strong>de</strong> Reportage später erfolgen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse... aus <strong>de</strong>n<br />
künftigen Ereignissen heraus und von ihnen her..., son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> für<br />
<strong>de</strong>n Menschen in seiner geistigen Freiheits- und Glaubensentscheidung<br />
notwendige Vorblick aus seiner durch das Ereignis Christi bestimmten<br />
heilsgeschichtlichen Situation heraus... auf die endgültige<br />
Vollendung dieser seiner eigenen, schon eschatologischen Daseinssituation“<br />
(ebd. 413 ff). „Der Mensch als Christ weiß von seiner Zukunft<br />
weil und in<strong>de</strong>m und darin, daß er durch die Offenbarung Gottes<br />
von sich selbst und seiner Erlösung in Christus weiß. Sein Wissen<br />
um die Eschata ist nicht eine zusätzliche Mitteilung zu <strong><strong>de</strong>r</strong> dogmatischen<br />
Anthropologie und Christologie, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />
eben <strong><strong>de</strong>r</strong>en Transposition in <strong>de</strong>n Modus <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollendung“ (ebd. 415).
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 3<br />
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verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät<br />
wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät<br />
wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät<br />
wird ein irdischer Leib, auferweckt wird ein überirdischer<br />
Leib... Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit<br />
beklei<strong>de</strong>t und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit,<br />
dann erfüllt sich das Wort <strong><strong>de</strong>r</strong> Schrift: Verschlungen<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod vom Sieg“ (1 Kor 15,35–54).<br />
Die neutestamentliche <strong>Auferstehung</strong>spredigt macht<br />
einerseits ganz <strong>de</strong>utlich, daß es um unser neues Leben<br />
geht, daß unsere I<strong>de</strong>ntität in die Vollendung bei Gott und<br />
durch Gott hinübergerettet wer<strong>de</strong>n soll, aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
sagt sie ebenso unmißverständlich, daß es nicht um eine<br />
verlängern<strong>de</strong> Kontinuität unserer jetzigen Daseinsweise<br />
gehen kann, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Umwand-<br />
lung durch <strong>de</strong>n Tod in neues Leben. Daß eine solche<br />
Möglichkeit im Tod selber verborgen angelegt ist, wird<br />
einsichtiger, wenn man die Gedankengänge Karl Rahners<br />
zur Doppelgesichtigkeit <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s nachvollzieht und<br />
ernst nimmt, die Eingang in die zeitgenössische Theologie<br />
gefun<strong>de</strong>n haben: „So wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch Geist und Materie,<br />
Freiheit und Notwendigkeit, Person und Natur ist, so<br />
muß auch sein Tod diese real-ontologische Dialektik, die<br />
mit <strong>de</strong>m innersten Wesen <strong>de</strong>s Menschen gegeben ist,<br />
an sich tragen...“ Das menschliche Sterben ist also eine<br />
„dialektische Einheit von Tat und Lei<strong>de</strong>n, von aktiver<br />
Selbstvollendung von innen und passivem Been<strong>de</strong>twer<strong>de</strong>n<br />
von außen“. 2<br />
4. Welche zwei Aussagen über das neue, eschatologische Leben<br />
macht die neutestamentliche <strong>Auferstehung</strong>spredigt?<br />
5. Inwiefern ist die zweifache Aussage <strong><strong>de</strong>r</strong> neutestamentlichen Predigt<br />
im Tod selbst angelegt?<br />
6. Warum kann man die bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, d. h. Tat und Lei<strong>de</strong>n,<br />
nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterscheidung von Seele und Leib erklären?<br />
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Von dieser Erkenntnis her eröffnet sich ein Zugang zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> geheimnisvollen, eigenartigen Strukturanalogie zwischen<br />
Liebe und Tod: „Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Hingabe die<br />
Liebe in die Nähe <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s rückt – und damit die Liebe<br />
unheimlich macht –, erlaubt er dann nicht auch, <strong>de</strong>n Tod<br />
7. Wie kann die Strukturanalogie zwischen Liebe und Tod einen Beitrag<br />
zur Verständlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung leisten, daß Sterben eine<br />
Vollendung be<strong>de</strong>utet?<br />
2 K. Rahner. Zur Theologie <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, Freiburg 1958, 30. „Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tod das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ganzen Menschen ist, d. h., wenn das Ganze <strong>de</strong>s<br />
Menschen irgendwie zu einem Abschluß jener Zeitlichkeit kommt,<br />
die für das Leben <strong>de</strong>s Menschen charakteristisch ist und eben im<br />
Tod been<strong>de</strong>t wird, dann muß dieses En<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Menschen in seiner<br />
ganzen Wirklichkeit betreffen, also auch seine Seele. Nicht in <strong>de</strong>m<br />
Sinne natürlich, daß sie zu sein aufhört, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>m gesagten<br />
Sinn, daß sie im Tod zur Vollendung ihrer personalen Selbstauszeugung<br />
kommt, und zwar nicht bloß durch ein passives Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrnis<br />
von ihrem biologischen Leben her, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch ihre eigene personale<br />
Tat. Der Tod muß also bei<strong>de</strong>s sein: Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen<br />
als Geistperson ist tätige Vollendung von innen, ein aktives Sich-zur-<br />
Vollendung-Bringen, aufwachsen<strong>de</strong>, das Ergebnis <strong>de</strong>s Lebens bewähren<strong>de</strong><br />
Auszeugung und totales Sich-in-Besitz-Nehmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Person, ist<br />
Sich-selbst-gewirkt-Haben und Fülle <strong><strong>de</strong>r</strong> frei getätigten personalen<br />
Wirklichkeit. Und <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod <strong>de</strong>s Menschen als En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s biologischen<br />
Lebens ist gleichzeitig in unauflösbarer und das Ganze <strong>de</strong>s Menschen<br />
betreffen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise Abbruch von außen, Zerstörung, Parzenschnitt,<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrnis, das <strong>de</strong>n Menschen unberechenbar von außen<br />
trifft, so daß sein ‚eigener Tod‘ von innen durch die Tat <strong><strong>de</strong>r</strong> Person<br />
selbst gleichzeitig das Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> radikalsten Entmächtigung <strong>de</strong>s<br />
Menschen ist, Tat und Lei<strong>de</strong>n in einem. Und es ist bei <strong><strong>de</strong>r</strong> substantiellen<br />
Einheit <strong>de</strong>s Menschen, wenn diese wirklich ernst genommen<br />
wird, nicht möglich, diese bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s einen To<strong>de</strong>s einfach auf<br />
Seele und Leib <strong>de</strong>s Menschen zu verteilen und so das eigentliche Wesen<br />
<strong>de</strong>s menschlichen To<strong>de</strong>s aufzulösen“ (ebd.)
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von <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe her zu verstehen – und damit Sterben als<br />
möglichen Akt menschlicher Verwirklichung und Vollendung<br />
zu begreifen?“ 3 In dieser Perspektive kann uns aufscheinen,<br />
daß menschliches Sterben in einer neuen Weise<br />
seligen Lebens vollendbar ist, weil es zum Vollzug einer<br />
radikalen Selbst-Hingabe an das dunkle, absolute Du gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
(c)<br />
Übersetzungsschwierigkeiten<br />
Die früheste uns bekannte Fassung <strong>de</strong>s hier behan<strong>de</strong>lten<br />
Bekenntnissatzes lautet: „(Ich glaube) an die <strong>Auferstehung</strong><br />
<strong>de</strong>s Fleisches“ („eis sarkos anastasin“, „in resurrectionem<br />
carnis“: DS 2, 5). Mit diesem Wortlaut sind die meisten unter<br />
uns noch aufgewachsen, <strong>de</strong>nn er galt bis zur gemeinsamen<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen Neufassung im Jahre 1971. In<br />
<strong>de</strong>n Vorarbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Übersetzergruppe war als Verbesserung<br />
zunächst vorgeschlagen wor<strong>de</strong>n: „Ich glaube an die<br />
<strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Leibes.“ Das für heutiges Sprachempfin<strong>de</strong>n<br />
ungewöhnliche Wort „Fleisch“, das im religiösen<br />
Sprachspiel von irreführen<strong>de</strong>n Assoziationen begleitet ist<br />
(Freitagsgebot, sexuelle Verfehlung) sollte also ersetzt wer<strong>de</strong>n<br />
durch <strong>de</strong>n auch von Paulus in diesem Zusammenhang<br />
gebrauchten Terminus „Leib“. Aber trifft unser Wort<br />
„Leib“ auch nur annähernd <strong>de</strong>n gefüllten Sinn <strong>de</strong>s Begriffs<br />
bei Paulus? Klingt nicht <strong>Auferstehung</strong> „<strong>de</strong>s Leibes“<br />
zu sehr nach <strong>Auferstehung</strong> „<strong>de</strong>s Körpers“, wo aber doch<br />
gera<strong>de</strong> nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> „körperliche Teil“ <strong>de</strong>s Menschen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verstorbene Mensch selbst gemeint war? Die endgültige<br />
Neufassung: „<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>“ benennt <strong>de</strong>mgegenüber<br />
ein<strong>de</strong>utig die Empfänger dieser göttlichen Lebenstat<br />
und auch die Verfassung, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> sie herausgeführt<br />
und mit <strong>Auferstehung</strong> beschenkt wer<strong>de</strong>n. Es geht<br />
dieser Aussage nicht, das macht ein Blick auf die biblischen<br />
Wurzeln <strong>de</strong>utlich, um einen Teil <strong>de</strong>s Menschen,<br />
um seine leibliche, körperhafte Komponente, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um<br />
3 J. Nocke, Liebe, Tod und <strong>Auferstehung</strong>. Über die Mitte <strong>de</strong>s Glaubens,<br />
München 1978, 131. Vgl. die Kernthesen <strong>de</strong>s hochinteressanten Buches:<br />
„Liebe ist wesentlich Hingabe. Weil und insofern sie Dasein-für<br />
und Mit-Sein be<strong>de</strong>utet, Sich-Einlassen auf das Schicksal an<strong><strong>de</strong>r</strong>er und<br />
Einsatz für sie, be<strong>de</strong>utet sie Loslassen von sich selbst, Sich-Ausliefern,<br />
Sich-Aufgeben. Mit dieser These wird einerseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff Liebe abgegrenzt<br />
von <strong>de</strong>m einer bloßen Interessengemeinschaft. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
soll mit ihr einer Verabsolutierung von Selbstaufgabe und Opfer gewehrt<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese sind nicht in sich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n relativ wertvoll: insofern<br />
sie für ein geliebtes Du geleistet wer<strong>de</strong>n. Nicht die Weg-gabe –<br />
gleichgültig wohin – ist das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Hin-gabe an<br />
ein Du. Die theologische Begründung dieser These möchte ich vor allem<br />
mit Blick auf die Existenz Jesu geben. Daraus ergeben sich dann<br />
entsprechen<strong>de</strong> Gesichtspunkte für das Christsein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachfolge Jesu“<br />
(ebd. 114f). „Wir sahen: Weil sie wesentlich Hingabe ist, hat Liebe<br />
etwas Gefährliches, ja Tödliches an sich. Der Lieben<strong>de</strong> gibt sich selbst<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Von daher scheint die Angst vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe berechtigt,<br />
ähnlich wie die Angst vor <strong>de</strong>m Tod. Nun kann man aber auch umgekehrt<br />
fragen: Hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod nur eine dunkle Seite? ... Sterben ist nicht<br />
ein<strong>de</strong>utig negativ zu bestimmen als passiv erfahrener sinnwidriger<br />
Abbruch <strong>de</strong>s Lebens; es kann auch aktiv geleistete Tat sein, in welcher<br />
die eigentliche Selbstverwirklichung <strong>de</strong>s Menschen geschieht:<br />
lieben<strong>de</strong>s Sich-Ausliefern, Hingabe. Diese Tat ist freilich nicht auf <strong>de</strong>n<br />
Augenblick <strong>de</strong>s physischen ‚Ablebens‘ beschränkt, sie vollzieht sich<br />
vielmehr während <strong>de</strong>s ganzen Lebens; Sterben ist ein wesentliches<br />
Moment <strong>de</strong>s Lebensvollzugs“ (ebd. 130f).
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das endgültige Schicksal <strong>de</strong>s ganzen Menschen, <strong>de</strong>s leiblich<br />
verfaßten und existieren<strong>de</strong>n, hinfälligen und doch<br />
zur Endgültigkeit berufenen ganzen Menschen. Mit diesen<br />
wenigen Erinnerungen zielen wir schon mitten hinein<br />
in eine geistesgeschichtliche Problematik: Im Gegensatz<br />
zum urchristlichen, biblischen Denken und Sprechen ist<br />
für das heutige „landläufige“ Empfin<strong>de</strong>n „<strong>Auferstehung</strong><br />
<strong>de</strong>s Fleisches/<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>“ doch so etwas wie die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>erweckung<br />
<strong>de</strong>s Körpers und seine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> unsterblichen Seele, also gewissermaßen die Überwindung<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s durch die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>rufung <strong>de</strong>s in ihm Geschehenen.<br />
Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod nach <strong><strong>de</strong>r</strong> ungenauen, aber auch<br />
kirchlich „gängigen“ Formel die Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele vom<br />
Leib ist, dann entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Fleisches<br />
das Gegenteil: die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung von auferstan<strong>de</strong>nem<br />
Leib und verklärter Seele. Ist nicht gera<strong>de</strong> dieses Verständnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rest von Schulwissen, <strong><strong>de</strong>r</strong> für viele an <strong>de</strong>n alten,<br />
frem<strong>de</strong>n Worten von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Fleisches<br />
hängengeblieben ist? Viele Christen hegen Zweifel gegenüber<br />
einem solchen „Glaubenssatz“. Was aber, wenn die<br />
Zweifel einer „Fehlkonstruktion“ gälten und daher sogar<br />
berechtigt wären? Um diese Frage einer Antwort zuzuführen,<br />
müssen wir einen Blick tun auf die apostolische <strong>Auferstehung</strong>spredigt<br />
und ihren Kontext sowie auf die christliche<br />
Überlieferungsgeschichte, die uns eine in ihrem End-<br />
ergebnis unbefriedigen<strong>de</strong> Mischung aus biblischer Gläubigkeit<br />
und griechischer Philosophie beschert hat.<br />
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2. Jesu Auferweckung – unsere<br />
Zuversicht<br />
So wichtig es für uns ist, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Predigt <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Christen<br />
entgegenzunehmen, daß Jesus selbst wirkte und starb<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> gläubigen Gewißheit, daß Gott, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater, lebt und<br />
Leben schenkt, so notwendig ist es doch nun zugleich, diese<br />
Erkenntnis zurückzubin<strong>de</strong>n an das, was wir über die<br />
<strong>Auferstehung</strong> und Erhöhung Jesu schon ausgeführt haben.<br />
Denn unser Glaube an die <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> ist<br />
ja nicht einfach ein später Nachhall eines gelehrten Streitgesprächs<br />
Jesu, auch nicht nur das Ernstnehmen israelitischer<br />
Glaubensentwicklung. Vielmehr gewinnen diese ihren<br />
Stellenwert, ihr Gewicht erst durch die zentrale Verkündigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Apostel, die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gabe ihrer eigenen,<br />
lebensentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Erfahrung: Der Gekreuzigte lebt!<br />
Das zeitgenössische israelitische Denken und Sprechen<br />
ist gewissermaßen die sachliche und sprachliche Ermöglichung,<br />
die eigene Erfahrung mit <strong>de</strong>m „erscheinen<strong>de</strong>n“ Gekreuzigten<br />
in Worte zu fassen. Die Osterpredigt <strong><strong>de</strong>r</strong> Apostel<br />
ist aber nur bedingt (und höchstens in formaler Hinsicht)<br />
die „Anwendung“ <strong>de</strong>s allgemein schon Geglaubten<br />
auf <strong>de</strong>n konkreten Einzelfall Jesus Christus. Wenn man<br />
die österlichen <strong>Text</strong>e in ihrer Reichhaltigkeit und Intensität<br />
hört, ist ein<strong>de</strong>utig: Die Erfahrung: „Er lebt, wir haben ihn<br />
gesehen, er ist uns erschienen“, wird zwar ausgedrückt<br />
mit <strong>de</strong>n Vorstellungen zeitgenössischer Gläubigkeit: auferweckt<br />
durch Gott. Aber was „Auferweckung“ nun für<br />
uns be<strong>de</strong>utet, das wird nicht aus spätjüdischer Gläubigkeit<br />
hergeleitet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus <strong>de</strong>m Schicksal Jesu Christi. Und<br />
8. Inwiefern ist die Lehre <strong><strong>de</strong>r</strong> Apostel über <strong>Auferstehung</strong> wichtiger als<br />
die Lehre Jesu selbst?
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dieses Schicksal Jesu reißt auch für uns <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>szaun ein<br />
durch die Unwi<strong><strong>de</strong>r</strong>stehlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe, die Gottes eigenes<br />
„Herz“ auf uns verströmt.<br />
Im Schicksal Jesu erfährt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wachstumsprozeß<br />
<strong>de</strong>s <strong>Auferstehung</strong>sglaubens seine endgültige Besiegelung<br />
durch eine streng theologische Lösung. Der Ernst <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s<br />
wur<strong>de</strong> in Israel nicht überspielt, we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Versuchungen<br />
<strong>de</strong>s (streng verpönten) <strong>Toten</strong>kults noch durch<br />
<strong>de</strong>n Ausweg <strong>de</strong>s philosophischen Unsterblichkeitsgedankens.<br />
Im Gegenteil, die Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung <strong>de</strong>s alten Jahweglaubens<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen hellenistischen Bildung und ihren<br />
philosophischen Inhalten im Buch <strong>de</strong>s Predigers betont<br />
gera<strong>de</strong> die Unausweichlichkeit <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und die Undurchschaubarkeit<br />
göttlicher Logik und göttlicher Sinngebung.<br />
Diese Realität <strong><strong>de</strong>r</strong> To<strong>de</strong>serfahrung wird in Jesu<br />
Kreuzestod gewissermaßen auf die grausame Spitze getrieben:<br />
Hier stirbt nicht ein Weiser, <strong><strong>de</strong>r</strong> gelassen argumentierend<br />
<strong>de</strong>n Giftbecher trinkt wie Sokrates, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hier<br />
bäumt sich ein junges Leben auf gegen ein wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sinniges<br />
En<strong>de</strong>, um sich schließlich doch <strong>de</strong>m dunklen Willen<br />
<strong>de</strong>s Vaters zu fügen. Diese Kreuzigung ist nicht geeignet,<br />
das Vertrauen auf die im Menschen selbst schlummern<strong>de</strong>n<br />
Möglichkeiten zu stärken; menschliches Können und Wollen<br />
eröffnet hier nicht <strong>de</strong>n Weg in neue Lebensmöglichkeit,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ermor<strong>de</strong>t in wahnwitziger Perversion <strong>de</strong>n<br />
Propheten <strong>de</strong>s Lebens: „Der Gott Abrahams, Isaaks und<br />
Jakobs, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gott unserer Väter hat seinen Knecht Jesus<br />
verherrlicht, <strong>de</strong>n ihr verraten und vor Pilatus verleugnet<br />
habt, obwohl dieser entschie<strong>de</strong>n hatte, ihn freizulassen.<br />
Ihr aber habt <strong>de</strong>n Heiligen und Gerechten verleugnet und<br />
die Freilassung eines Mör<strong><strong>de</strong>r</strong>s gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Den Urheber <strong>de</strong>s<br />
Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von <strong>de</strong>n <strong>Toten</strong><br />
auferweckt. Dafür sind wir Zeugen“ (Apg 3,13–15). Dieser<br />
Kernsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen „Kontrastformel“: „Der Gott unserer<br />
Väter hat Jesus auferweckt, <strong>de</strong>n ihr ans Holz gehängt und<br />
ermor<strong>de</strong>t habt“ (Apg 5,30; vgl. 4,10; 2,23 f), formuliert die<br />
eigentlich theologische Wendung <strong>de</strong>s urchristlichen <strong>Auferstehung</strong>sglaubens:<br />
Gott allein setzt <strong>de</strong>n Ausweg, er ist<br />
treu und mächtig, er ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebendige, er schenkt Leben,<br />
sein Heiliger Geist ist die Lebensmacht über allen Tod, er<br />
ist die Liebe selbst, die stärker ist als <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod.<br />
So ist christliche <strong>Auferstehung</strong>shoffnung gekennzeichnet<br />
durch einen „doppelten Realismus“: Sie nimmt <strong>de</strong>n<br />
Tod als En<strong>de</strong> unseres Lebens und Wirkens (und <strong>de</strong>shalb<br />
auch unser jetziges Leben und seine Aufgaben!) ganz<br />
ernst, vor allem aber nimmt sie Gott als Gott ganz ernst,<br />
nimmt ihn beim Wort: „Fürchte dich nicht, ich habe dich<br />
beim Namen gerufen, du gehörst mir. Wenn du durchs<br />
Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann<br />
reißen sie dich nicht fort. Wenn du durch Feuer gehst,<br />
wirst du nicht versengt... Denn ich, <strong><strong>de</strong>r</strong> Herr, bin <strong>de</strong>in Gott,<br />
ich, <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilige Israels, bin <strong>de</strong>in Retter!“ (Jes 43,1–3). Daß<br />
die prophetischen Worte gelten, diese „Erleuchtung“ vermittelt<br />
die österliche Erfahrung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gekreuzigte lebt:<br />
„Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und<br />
auferstan<strong>de</strong>n ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen<br />
zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen...<br />
dann wer<strong>de</strong>n wir immer beim Herrn sein. Tröstet also einan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mit diesen Worten!“ (1 Thess 4,14.17f). Die gläubi-<br />
9. Worin liegt die eigentlich theologische Wendung <strong>de</strong>s urchristlichen<br />
<strong>Auferstehung</strong>sglaubens?<br />
10. Worin besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> doppelte Realismus <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen <strong>Auferstehung</strong>shoffnung?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 7<br />
5<br />
10<br />
ge Gewißheit, daß Jesu „Gegenwart“ unsere „Zukunft“ ist,<br />
qualifiziert auch unsere Gegenwart neu und ermöglicht es,<br />
<strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Predigers noch einmal in christologischer<br />
Färbung und Neufassung zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen: Das Wissen<br />
um <strong>de</strong>n unausweichlichen Tod macht je<strong>de</strong>n Augenblick<br />
<strong>de</strong>s Lebens einzig; das Wissen um das Sterben und<br />
das neue Leben Jesu eröffnet <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzigartigkeit <strong>de</strong>s Augenblicks<br />
die Verheißung bleiben<strong><strong>de</strong>r</strong> „Versammlung“ und<br />
seliger Verendgültigung: „Amen, Amen ich sage euch: Die<br />
Stun<strong>de</strong> kommt, und sie ist schon da, in <strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>Toten</strong> die<br />
Stimme <strong>de</strong>s Sohnes Gottes hören wer<strong>de</strong>n; und alle, die sie<br />
hören, wer<strong>de</strong>n leben“ (Joh 5,24f).<br />
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55<br />
3. Das Leib-Seele-Problem und das<br />
Gewicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Überlieferungsgeschichte<br />
(a)<br />
Zugang zur Fragestellung<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaube an die <strong>Auferstehung</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> vom endgültigen Schicksal <strong>de</strong>s ganzen Menschen<br />
re<strong>de</strong>t, ist einerseits ein neuer Zugang zu <strong>de</strong>n biblischen<br />
Aussagen möglich: die ursprüngliche Botschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Apostel<br />
(spekuliert nicht über eine „Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele“<br />
und ihre Folgeprobleme, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n) verheißt uns im Anschluß<br />
an das Schicksal Jesu Christi unsere durch Gottes<br />
Geist bewirkte Auferweckung aus <strong>de</strong>m To<strong>de</strong>, eine von<br />
Gott geschenkte Endgültigkeit <strong>de</strong>s einen ganzen Menschen.<br />
Die Problematik <strong>de</strong>s Verhältnisses von Materie und<br />
Geist, die schwierige Frage nach einer möglichen natürlichen<br />
Unzerstörbarkeit menschlicher Geistigkeit, die Überlegung,<br />
ob die auch in <strong>de</strong>n Evolutionsprozeß einbezogene<br />
menschliche „Seele“, die seit alters als Lebensprinzip<br />
<strong>de</strong>s Leibes <strong>de</strong>finiert wird, losgelöst vom Körper und ohne<br />
direkte Beziehung zur Materie gedacht wer<strong>de</strong>n könne,<br />
solche und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fragen dieses Zusammenhangs müssen<br />
nicht zuvor geklärt und befriedigend beantwortet sein,<br />
um die Glaubensaussage zu vernehmen: Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch ist<br />
von Gott zu einer dauern<strong>de</strong>n Vollendung berufen und bestimmt.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits können wir nun aber auch nicht so tun,<br />
als wären die diesbezüglichen Vorstellungen und Re<strong>de</strong>weisen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensgeschichte vom „Leib“ und von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Seele“ und von ihrem je unterschiedlichen Schicksal damit<br />
abgetan o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgearbeitet. Und ganz abgesehen von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> geschichtlichen Vorprägung dieses komplizierten Themenfel<strong>de</strong>s<br />
– wenn wir über <strong>de</strong>n Menschen und seine<br />
Vollendung sprechen und nach<strong>de</strong>nken, ist das Phänomen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> merkwürdigen Zwei-Einheit <strong>de</strong>s Menschen einfach<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache her eine unabweisbare Themenstellung. Gewiß<br />
sind die Ausdrücke „Leib“ und „Seele“ schillernd<br />
und im normalen Sprachgebrauch alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e als ein<strong>de</strong>utig,<br />
<strong>de</strong>nnoch kennzeichnet die Frage nach <strong>de</strong>m „Verhältnis<br />
von Leib und Seele im Menschen“ ein Problem, vor das<br />
sich menschliches Denken unausweichlich gestellt sieht,<br />
<strong>de</strong>m sich auch die christliche Hoffnung auf eine postmortale<br />
Vollendung <strong>de</strong>s „ganzen Menschen“ stellen muß –<br />
gera<strong>de</strong> angesichts <strong>de</strong>s offenkundigen Zerbrechens dieser<br />
11. Muß ein Christ sich erst mit <strong>de</strong>m Leib-Seele-Problem beschäftigen,<br />
bevor er an die <strong>Auferstehung</strong> glauben kann?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 8<br />
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55<br />
Zwei-Einheit im Tod.<br />
Die Thematik, die eine solche <strong><strong>de</strong>r</strong> theologischen Anthropologie<br />
überhaupt ist, soll im Folgen<strong>de</strong>n nur insoweit<br />
angerissen wer<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>utlich wird: auch hier ist<br />
differenziertes Re<strong>de</strong>n notwendig und je<strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagwortgebrauch<br />
irreleitend.<br />
[i]<br />
Leibhaftige Selbsterfahrung.<br />
– Wir erfahren uns selber als in einen raumzeitlichen<br />
Zusammenhang gestellt, abhängig von naturhaften und<br />
gesellschaftlichen Daseinsbedingungen. Leibhaftig in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Welt anwesend, sind wir beeinflußbar, gefähr<strong>de</strong>t, aber<br />
auch getragen durch eine große Gesamtkonstellation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Dinge und <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebewesen. Wir haben einen Leib. O<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sagt man besser: Wir sind Leib? Bei<strong>de</strong>s ist richtig und<br />
wichtig! Meine Augen sehen – ich sehe, mein Herz klopft<br />
– ich habe Herzklopfen. Das Ich, das die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Empfindungen, Erfahrungen und Informationen sammelt<br />
und bün<strong>de</strong>lt und als seine eigenen wertet und kundtut,<br />
ist nicht eines <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen „Organe“ <strong>de</strong>s Leibes,<br />
auch nicht etwa die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong> „Teile“ meines Körpers,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Möglichkeitsbedingung all jener Erfahrungen.<br />
Dieses Ich weiß um seinen Leib als seinen eigenen „Ort“,<br />
es ist sich selbst leiblich vermittelt, es erfährt sich als Ich an<br />
und in diesem Leib. Wir leben also im Leibe auf eine solche<br />
Weise, daß wir diese Art zu leben wahrnehmen und<br />
be<strong>de</strong>nken, und wir haben dabei die Möglichkeit, (in gewissem<br />
Maße) auch diese unsere Befassung mit uns selbst<br />
noch einmal eigens anzuschauen und zu reflektieren. Wir<br />
erleben also unser Selbstverhältnis als eine höchst differenzierte<br />
Verschränkung von Wahrgenommenem, Wahr-<br />
nehmen<strong>de</strong>m und Wahrnehmung. „So wird das Leib-Seele-<br />
Problem durch einen ontologischen Unterschied provoziert,<br />
<strong>de</strong>ssen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch in sich selber ansichtig wird.<br />
Man kann ihn als <strong>de</strong>n Unterschied von Geist und Materie<br />
bezeichnen. Zugleich erfährt er sich gleichursprünglich<br />
als diesen einen. So besitzt das Leib-Seele-Problem zwei<br />
Aspekte: Es geht in ihm um eine unabweisbare Verschie<strong>de</strong>nheit,<br />
und es geht zugleich um die Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit<br />
dieses Verschie<strong>de</strong>nen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> unauflöslichen Verwobenheit<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Aspekte sind die Schwierigkeiten begrün<strong>de</strong>t, wel-<br />
che sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte unseres Problems immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aufgedrängt haben. Man kann die Verschie<strong>de</strong>nheit so<br />
betonen, daß das Denken unfähig wird, die Einheit <strong>de</strong>s<br />
Menschen zu <strong>de</strong>nken, man ist im Gegenzuge versucht,<br />
die Einheit so zu <strong>de</strong>nken, daß die einer Phänomenologie<br />
menschlichen Verhaltens und menschlicher Selbstreflexion<br />
sich aufdrängen<strong>de</strong> Verschie<strong>de</strong>nheit vergessen wird.“<br />
In dieser doppelt-einen Selbsterfahrung bricht ganz ursprünglich<br />
die Frage nach Dauer und Unvergänglichkeit<br />
auf! Wir sehen, erleben und wissen, daß Menschsein be-<br />
ginnt und wächst, absinkt und en<strong>de</strong>t, und wir machen<br />
dabei die eigentlich überraschen<strong>de</strong> Feststellung, daß unser<br />
Ich(-Bewußtsein), unser „Geist“, die wechseln<strong>de</strong>n Stationen<br />
und Verfaßtheiten unserer eigenen leiblichen Geschichte<br />
umfaßt und aufbewahrt. Wir erkennen, daß un-<br />
ser einzelnes Leben umfangen ist von einem uns vorausgehen<strong>de</strong>n<br />
und uns überdauern<strong>de</strong>n Weltzusammenhang:<br />
12. Was be<strong>de</strong>utet „leibhaftige Selbsterfahrung“?<br />
13. Was sind die zwei Aspekte <strong>de</strong>s Leib-Seele-Problems?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 9<br />
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Die Er<strong>de</strong> trägt uns, <strong><strong>de</strong>r</strong> Himmel überragt uns, Sonne und<br />
Mond gehen auf und unter, seit Menschen leben. Ist es<br />
nicht verständlich, daß erst recht die allem Wer<strong>de</strong>n und<br />
Vergehen anscheinend entzogene I<strong>de</strong>ntität von Zahlen,<br />
mathematischen Gesetzen, Allgemeinbegriffen, I<strong>de</strong>en und<br />
Kategorien <strong>de</strong>s Denkens die Menschen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> fasziniert<br />
hat? Nimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> menschliche Geist hier nicht Einblick<br />
in die Zeitlosigkeit, Anteil an unvergänglichen Zusammenhängen,<br />
obschon und während er selbst an diesen<br />
sterblich-vergänglichen Leib gebun<strong>de</strong>n ist? Eröffnet etwa<br />
die Lösung von diesem sterblichen Leib endgültigen Zugang<br />
in dieses ewige Reich <strong>de</strong>s Geistigen? Wäre diese „Befreiung“<br />
das erstrebenswerte Letzte und Eigentliche, das<br />
<strong>de</strong>m Menschen bestimmt ist? Sind solche „dualistischen“<br />
Fragen nicht naheliegend?<br />
[ii]<br />
Das „Ich“ als gottgesetztes „Du“.<br />
– Aber grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> noch als die aus solchen Erfahrungen<br />
aufsteigen<strong>de</strong> Sehnsucht nach Dauer ist in diesem Zusammenhang<br />
wohl die Erkenntnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Abhängigkeit, die<br />
man die „Kontingenz <strong>de</strong>s menschlichen Geistes“ nennen<br />
kann. Sie versieht unser Selbstbewußtsein mit einem umfassen<strong>de</strong>n<br />
Fragezeichen, macht es zur Frage nach <strong>de</strong>m eigenen<br />
Grund. „Der Mensch erfährt sich-selbst einerseits<br />
als jenes Ich, das in sich selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> Ursprung seiner selbst<br />
so ist, daß es ‚hinter‘ sich als seinen Ursprung nicht zurück<br />
kann. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite aber weiß <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Mensch,<br />
daß dieses sein eigenes Ich und also sein Ursprungsein<br />
nicht ‚aus sich-selbst‘ ist.“ Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten: Das Subjekt<br />
dieser Reflexion, die be<strong>de</strong>nkt: Ich bin ich, muß sich<br />
selbst zu dieser Reflexion schon voraussetzen. „Reflektierend<br />
kommt es immer auf etwas zurück, was es schon<br />
war, bevor es zu reflektieren einsetzte... Der Akt, in welchem<br />
das geschieht, ist selber ein Akt <strong>de</strong>s Ich, so daß das<br />
Ich seiner eigenen Reflexion immer vorweg bleibt. Es vermag<br />
sich niemals durch sich selbst zu umgreifen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
entgeht sich in je<strong>de</strong>m solcher Versuche. Daraus folgt: Es<br />
setzt sich nicht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fin<strong>de</strong>t sich als ‚eingesetzt‘ vor. Wir<br />
können auch sagen: Es fin<strong>de</strong>t in sich keinen zureichen<strong>de</strong>n<br />
Grund dafür, daß es „ist“. Wir können nicht wirklich und<br />
endgültig hinter uns kommen, weil wir genau dazu immer<br />
schon das voll beanspruchen, also voraussetzen, nach <strong>de</strong>ssen<br />
Konstitution wir fragen. Wodurch bin ich Ich? „Wollen<br />
wir nicht auf eine Antwort auf die Frage nach <strong>de</strong>m<br />
Ursprung <strong>de</strong>s in sich gegrün<strong>de</strong>ten Ich verzichten..., dann<br />
kann die Frage <strong>de</strong>s Menschen, wie er als um sich selbst<br />
wissen<strong>de</strong>s, über sich verfügen<strong>de</strong>s und sich selbst transzendieren<strong>de</strong>s<br />
Ich überhaupt sein kann, nur mit <strong>de</strong>m Hinweis<br />
auf eine absolute Freiheit beantwortet wer<strong>de</strong>n, welche das<br />
menschliche Ich in sein Sein freigegeben hat. Das heißt<br />
aber nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als: Der Mensch steht als ein sich selbst<br />
vollziehen<strong>de</strong>s Ich vor einem absoluten und unendlichen<br />
Du.“ Die für unseren Zusammenhang entschei<strong>de</strong>nd wichtige<br />
Konsequenz aus diesen Überlegungen ist die Erkenntnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen, konstitutiven „Relationalität“ unserer<br />
Geistigkeit. Schöpfungstheologisch gesprochen geht<br />
es um die göttliche Setzung unseres Ich als einer namentlich<br />
unvertauschbaren und unvertretbaren Person, die da-<br />
14. Wo (außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Eschatologie) bekommen wir beispielsweise<br />
Einblick in das ewige Reich <strong>de</strong>s Geistigen?<br />
15. Worin besteht die Kontingenz <strong>de</strong>s menschlichen Geistes?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 10<br />
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durch und dazu „Ich“ und „Selbst“ wird, daß sie Gott zum<br />
„Du“ wer<strong>de</strong>n kann. „Das ‚Prinzip‘ <strong>de</strong>s persönlichen Ich-<br />
Seins, ‚Seele‘ genannt, (ist) gera<strong>de</strong> und genau dieses eigenpersönliche,<br />
namentliche Du-Gottes-Sein.“ Was geschieht<br />
mit diesem „Du Gottes“ im Tod? Ist dies vom Ewigen angesprochene<br />
Du so sehr an die Materialität gebun<strong>de</strong>n, in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> es sich vollzieht, daß es mit dieser zerfällt? Das Ernstnehmen<br />
dieser von Gott selbst konstituierten Beziehung<br />
zu sich, die mit dieser unserer „Seele“ gesetzt ist, führt uns<br />
an die Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong>sbotschaft: „Blicken wir<br />
nicht nur auf die Subsistenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistseele, die nach unseren<br />
heutigen Einsichten materiell vermittelt ist, obwohl<br />
sie Materie übersteigt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf ihre von Gott begrün<strong>de</strong>te<br />
Ichhaftigkeit in und als transzendieren<strong>de</strong> Relationalität,<br />
dann verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t sich die Situation in bezug auf<br />
die Frage nach Tod und Unsterblichkeit. Wir blicken dann<br />
nicht mehr nur auf uns selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf das absolute<br />
Du, welches uns als ‚Seele‘ ins Dasein rief und zugleich<br />
auf sich als unseren ursprünglichen Sinn hin bezogen hat...<br />
An diesem entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Punkt verwan<strong>de</strong>lt sich die Argumentation<br />
für die Unsterblichkeit in ein Argument <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hoffnung. Hoffnung besagt, nicht aus eigenem fähig, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auf ein Du verwiesen zu sein, sich ihm anzuvertrauen,<br />
d. h. zuletzt, seine Freiheit als Liebe zu verstehen, also<br />
als eine Freiheit, die mein Sein um dieses Seins selbst wil-<br />
len will und darum zu seiner Vollendung bringen wird.<br />
Denn ‚Lieben heißt sagen, du sollst leben, du sollst nicht<br />
untergehen‘ (Marcel).“<br />
(b)<br />
Anmerkungen zu <strong>de</strong>n geschichtlichen „Kronzeugen“<br />
Die voranstehen<strong>de</strong>n knappen Erwägungen zu einer<br />
philosophisch-theologischen Anthropologie sollten ein gewisses<br />
Verständnis wecken für die „Sachproblematik“, die<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> spannungsreichen Zwei-Einheit Mensch liegt, aber<br />
zugleich auch einen Zugang öffnen zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlieferungsgeschichte<br />
<strong>de</strong>s christlichen <strong>Auferstehung</strong>sglaubens, die<br />
geprägt ist durch die Begegnung biblischer Gläubigkeit<br />
mit griechisch-philosophischem Denken. Das faktische,<br />
„zwitterhafte“ Ergebnis dieser geistesgeschichtlichen Verbindung<br />
war aufs Ganze gesehen eine „Reduzierung“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
jeweiligen „griechischen“ sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> „jüdisch-christlichen“<br />
Sicht und die Kombination <strong><strong>de</strong>r</strong> „halbierten“ Aussagen zu<br />
einem vermeintlichen neuen Ganzen. Gemeint ist folgen<strong>de</strong>s:<br />
Sowohl die Erwägungen griechischer Philosophie als<br />
auch die Verheißungen <strong>de</strong>s Glaubens verstehen sich jeweils<br />
als eine Gesamtantwort auf die Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmung<br />
<strong>de</strong>s Menschen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> abendländischen Überlieferung<br />
stellte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachverhalt dann aber vergröbert so<br />
dar: Philosophisches Denken habe die Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
menschlichen Seele bereits erwiesen, gläubige Überzeugung<br />
füge diesem Wissen nun auch noch die Hoffnung auf<br />
eine <strong><strong>de</strong>r</strong>einstige <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiber hinzu. Daß eine<br />
solche „Kombinationseschatologie“ we<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Bemühen<br />
<strong>de</strong>s griechischen Geistes noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung jüdischchristlicher<br />
Gläubigkeit gerecht wird, klang bereits an. Die<br />
Überwindung und Aufarbeitung dieses „Zerrbil<strong>de</strong>s“ sollte<br />
uns heute möglich sein, ohne daß die jeweiligen tiefen<br />
Einsichten in einem abrupten „Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> – o<strong><strong>de</strong>r</strong>“ gegen-<br />
16. Wie kommt es zustan<strong>de</strong>, daß die Argumentation für die Unsterblichkeit<br />
sich in ein Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung verwan<strong>de</strong>lt?<br />
17. Was war das Ergebnis <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Begegnung biblischen und<br />
griechischen Denkens gekennzeichneten Überlieferungsgeschichte<br />
<strong>de</strong>s christlichen <strong>Auferstehung</strong>sglaubens?<br />
18. Was ist unter „Kombinationseschatologie“ zu verstehen?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 11<br />
einan<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgespielt wer<strong>de</strong>n und verlorengehen.<br />
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[i]<br />
Platon.<br />
– Der Blick auf das philosophische Unsterblichkeits<strong>de</strong>nken<br />
kann einige Gesichtspunkte ent<strong>de</strong>cken, die unser<br />
schlagwortartiges Re<strong>de</strong>n von „<strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Philosophie“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> „<strong>de</strong>m griechischen Menschenbild“ als<br />
unbrauchbar erweisen. Die Antworten <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechen<br />
sind vielgestaltig, farbig, unterschiedlich. Der Ursprung<br />
<strong>de</strong>s Unsterblichkeitsgedankens liegt offenbar im religiösmythologischen<br />
Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Orphik. „Das Bewußtsein <strong>de</strong>s<br />
Gegensatzes zwischen Leib und Seele und die tiefe Überzeugung,<br />
daß die Seele göttlicher und daher unsterblicher<br />
Natur ist, läßt die Orphiker <strong>de</strong>n Leib als Gefängnis und<br />
Grab <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele empfin<strong>de</strong>n... Daher die ethisch-religiöse<br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Orphizismus, die Seele von <strong>de</strong>n Fesseln<br />
<strong>de</strong>s Leibes zu befreien.“ Hier wird – freilich im Bereich<br />
<strong>de</strong>s Mysterienkults – schon früh ein Ton angeschlagen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
uns durchaus vertraut klingt, <strong>de</strong>n wir allerdings eher mit<br />
<strong>de</strong>m Schlagwort eines „platonischen Dualismus“ verbin<strong>de</strong>n.<br />
Aber gera<strong>de</strong> das Erbe Platons ist viel differenzierter<br />
und komplexer, als die gängige Kennzeichnung glauben<br />
machen will. Gewiß läßt eine genaue Lektüre etwa<br />
<strong>de</strong>s Dialogs „Phaidon“, in welchem Sokrates vor seinem<br />
Tod mit seinen Schülern über die Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele<br />
nach<strong>de</strong>nkt, keinen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schluß zu als diesen: In Pla-<br />
tons Worten sagt Sokrates: Wahre Erkenntnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele geschieht<br />
nur ohne <strong>de</strong>n Leib; die Befreiung vom Leib erst<br />
eröffnet <strong>de</strong>n Zugang zur Wahrheit, und diese „Erlösung“<br />
vom Leib bringt <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod (vgl. Phaidon, 65 C bis 68 B). Diese<br />
Auffassung ist mit <strong>de</strong>m „christlichen Menschenbild“<br />
wirklich nicht vereinbar! Dennoch kommt es sehr darauf<br />
an – das zeigt die gegenwärtige Debatte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Eschatologie<br />
mit Deutlichkeit –, daß dabei Platons eigentliche Intentionen<br />
wahrgenommen wer<strong>de</strong>n! Hier ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
gewiß mit Klischeevorstellungen gearbeitet wor<strong>de</strong>n.<br />
„Die wahre Zielrichtung von Platons Denken wird völlig<br />
verkannt, wo er als individualistischer und dualistischer<br />
Denker eingestuft wird, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Irdische verneint und die<br />
Menschen zur Flucht ins Jenseits anleitet... Die Erkenntnis<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenskraft <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrheit, die <strong>de</strong>n Unsterblich-<br />
keitsgedanken einschließt, ist nicht Bestandteil einer Philosophie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltflucht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in eminentem Sinn politische<br />
Philosophie... Versuchen wir also <strong>de</strong>n Kern von<br />
Platons Einsicht zu umschreiben, so könnten wir sie etwa<br />
so formulieren: Um biologisch leben zu können, muß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch mehr sein als Bios; er muß sterben können<br />
für ein eigentlicheres Leben. Die Gewißheit, daß die Hingabe<br />
an die Wahrheit Hingabe an die Wirklichkeit und<br />
nicht ein Schritt ins Nichts ist, ist die Voraussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gerechtigkeit, die ihrerseits die Lebensvoraussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Polis und so zuletzt auch die Bedingung für das biologische<br />
Überleben <strong>de</strong>s Menschen ist. Über das mythische<br />
und politische Instrumentar, mit <strong>de</strong>m Platon diese Einsicht<br />
dargestellt hat, wird zu sprechen sein ... Dann wird<br />
sich zeigen, wie sehr hier <strong><strong>de</strong>r</strong> christliche Glaube korrigie-<br />
rend und reinigend eingreifen mußte – es gibt tatsächlich<br />
eine tiefgehen<strong>de</strong> Differenz zwischen Platon und <strong>de</strong>m Chri-<br />
19. In welcher Deutung wird Platons Ansicht über die Unsterblichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele falsch verstan<strong>de</strong>n, und was ist ihre wahre Be<strong>de</strong>utung?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 12<br />
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stentum, aber das darf doch <strong>de</strong>n Blick dafür nicht trüben,<br />
daß hier Möglichkeiten für die philosophische Aufschließung<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens vorlagen, die in einer<br />
tiefen Verwandtschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> bestimmen<strong>de</strong>n Intentionen<br />
begrün<strong>de</strong>t sind.“ In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat setzt sich seit längerem die Einsicht<br />
durch, daß eine pathetisch-radikale Antithetik von<br />
„hellenistischem“ und „semitischem“ Denken, von „platonischem“<br />
und „biblischem“ Menschenbild an <strong><strong>de</strong>r</strong> differenzierten<br />
Wirklichkeit vorbeire<strong>de</strong>t. Zu dieser gehört etwa<br />
auch die interessante Tatsache, dabei Platons Versuche, die<br />
Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele von ihrer „Substantialität“ her zu<br />
<strong>de</strong>nken, zurücktreten gegenüber <strong>de</strong>n Überlegungen, welche<br />
das Überdauern <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele gera<strong>de</strong> von ihrer Beziehung<br />
zum unvergänglichen Wahren und ihrer Teilhabe daran<br />
her begrün<strong>de</strong>n.<br />
[ii]<br />
Aristoteles.<br />
– Ein genauer Blick auf die Seelenlehre und Anthropologie<br />
<strong>de</strong>s Aristoteles, <strong><strong>de</strong>r</strong> ja das abendländische Denken min<strong>de</strong>stens<br />
so stark geprägt hat wie Platon, zeigt, wie sehr auch<br />
hier stilisieren<strong>de</strong> Vergröberung vielerlei Zwischentöne hat<br />
verstummen lassen. Die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Theologiegeschichte so<br />
oft wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte Formel vom „aristotelisch-thomistischen<br />
Menschenbild“ beispielsweise ist so irreführend, daß sie<br />
tunlichst aufgegeben wer<strong>de</strong>n sollte. Sie knüpft zwar daran<br />
an, daß die Begrifflichkeit, das Deuteschema (Seele<br />
als Wirklichkeitsprinzip <strong>de</strong>s Körpers) <strong>de</strong>s Thomas von<br />
Aquin von Aristoteles stammt, aber sie ver<strong>de</strong>ckt völlig die<br />
Tatsache, daß Thomas damit ein ganz un-aristotelisches<br />
Menschenbild zeichnet, nämlich das christliche. 4 Als Ergebnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> philosophie-geschichtlichen Forschungen steht<br />
seit längerem fest, daß die bekannte Seelen<strong>de</strong>finition aus<br />
<strong>de</strong>m 2. Buch „Über die Seele“ 5 eine allgemeine Umschreibung<br />
von Lebensprinzip überhaupt ist, also die „Vitalseele“<br />
meint, die normalerweise mit <strong>de</strong>m Körper entsteht und<br />
vergeht. Das Verhältnis <strong>de</strong>s menschlichen „Seelenteils“ In-<br />
tellekt (nus) aber, <strong><strong>de</strong>r</strong> von Leib und Vitalseele trennbar und<br />
unvergänglich ist wie Aristoteles selbst sagt –, zu <strong>de</strong>n „nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en“<br />
(vegetativen, sensitiven) Seelenkräften und seine<br />
mögliche Teilhabe am formen<strong>de</strong>n, wirklichkeitsetzen<strong>de</strong>n<br />
Charakter <strong><strong>de</strong>r</strong> Psyche wer<strong>de</strong>n von Aristoteles gera<strong>de</strong> nicht<br />
näher beschrieben. Der entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Punkt in unserer<br />
Frage <strong>de</strong>s „Verhältnisses von Leib und Seele“ bleibt bei<br />
Aristoteles offen und unklar. Das zeigt sich nicht zuletzt<br />
in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n gegensätzlichen Interpretationssträngen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Überlieferungsgeschichte.<br />
Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> von Aphrodisias, <strong><strong>de</strong>r</strong> geschätzte „Exeget“<br />
um die Wen<strong>de</strong> vom 2. zum 3. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Weiterführung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anthropologie <strong>de</strong>s Aristoteles versucht hatte,<br />
20. Was ist wahr und was ist falsch an <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „aristotelischthomistischen<br />
Menschenbil<strong>de</strong>s“?<br />
21. Wie lautet wortwörtlich die von Aristoteles formulierte Definition<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele?<br />
4 „Die Konzeption <strong>de</strong>s Menschen als eines welthaften, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit sich<br />
vollziehen<strong>de</strong>n Wesens, das zur Gotteserkenntnis und Gottesliebe fähig<br />
und gerufen ist, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt – und <strong><strong>de</strong>r</strong> gereinigte, aristotelische<br />
Hylemorphismus in Gestalt <strong><strong>de</strong>r</strong> streng metaphysisch interpretierten<br />
Einheitsthese ist das philosophische Gewand, in das Thomas ihn klei<strong>de</strong>t“<br />
(ebd. 29f).<br />
5 „Die Seele ist die ursprüngliche Formkraft eines natürlichen Körpers,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiell Leben besitzt“ (Peri psyches, 11 412a).
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 13<br />
5<br />
10<br />
15<br />
in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Intellekt („nus“) mit <strong><strong>de</strong>r</strong> (Vital)-Seele als Körperform<br />
verband, übertrug dabei die Sterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vitalseele<br />
auch auf <strong>de</strong>n Intellekt. Und als rund tausend Jahre<br />
später Averroes, <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e große „Kommentator“ <strong>de</strong>s<br />
Aristoteles, genau das Gegenteil als aristotelisch behauptete,<br />
nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Intellekt sei immateriell und unsterblich,<br />
da konnte er das offenbar nur dadurch erreichen, daß er<br />
<strong>de</strong>m Intellekt die Individualität und die enge Körperbindung<br />
(das Forma-corporis-Sein) absprach. Diese Kontroverse<br />
zwischen „Averroisten“ und „Alexandristen“ wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte<br />
sich übrigens im nachscholastischen Aristotelismus<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> vom 15. zum 16. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t und löste<br />
kirchenamtliche Reaktionen aus. Nicht von ungefähr ist<br />
dieses bei Aristoteles ungeklärte Zentralproblem <strong><strong>de</strong>r</strong> Anthropologie<br />
als „Dilemma“ bezeichnet wor<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>m<br />
es keinen aristotelischen Ausweg gebe.<br />
22. Worin besteht die Kontroverse zwischen „Averroisten“ und „Alexandristen“?<br />
[iii]<br />
Thomas von Aquin.<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
– Thomas von Aquin fin<strong>de</strong>t ihn – inspiriert von <strong><strong>de</strong>r</strong> bib- 23. Stellen Sie die Leib-Seele-Konzeption <strong>de</strong>s Thomas von Aquin dar!<br />
lischen Sicht <strong>de</strong>s Menschen – in einer genialen Intuition.<br />
In einem Kontext, <strong><strong>de</strong>r</strong> das biblisch-einheitliche Menschenbild<br />
durch mancherlei massiv „dualistische“ Verzeichnungen<br />
arg entstellt hatte, gewann Thomas ausgerechnet mit<br />
Hilfe aristotelischer Begrifflichkeit die ursprüngliche Sicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit zurück. Seine (damals provozieren<strong>de</strong>) These<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistseele als <strong><strong>de</strong>r</strong> einzigen Wesensform <strong>de</strong>s Menschen<br />
(„anima unica forma corporis“) besagt: Es gibt im<br />
Menschen nur ein Wirklichkeitsprinzip, nur eine substantielle<br />
Form: die Geistseele; sie vollzieht sich in Materie und<br />
verwirklicht und konstituiert so <strong>de</strong>n einen Menschen. Eine<br />
imponieren<strong>de</strong> anthropologische Konzeption, <strong><strong>de</strong>r</strong> biblischen<br />
Anthropologie ganz nahe, die aber zunächst einmal<br />
das damalige herkömmliche theologische Gedankengebäu<strong>de</strong><br />
völlig durcheinan<strong><strong>de</strong>r</strong>brachte, in Häresieverdacht<br />
geriet und sich schließlich – trotz ihres unverkennbaren<br />
Einflusses – auch nie voll durchgesetzt hat.<br />
Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> menschliche Intellekt, wie Thomas grundlegend<br />
ausführt, für seinen Selbstvollzug, das heißt, um er<br />
selber sein zu können, die Sinne braucht, also auf Leiblichkeit<br />
angewiesen ist (Sth I q. 84 a. 7), dann hat das natürlich<br />
unmittelbare Be<strong>de</strong>utung für die Vorstellung von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Vollendung. In seinem frühen Sentenzenkommentar<br />
spricht Thomas als junger Dozent noch so<br />
wie seine Lehrer, als han<strong>de</strong>lte es sich bei Seele und Leib um<br />
zwei selbständige Seien<strong>de</strong>, die verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Dennoch<br />
ist seine knappe These bemerkenswert: „Das Leben<br />
<strong>de</strong>s Menschen ergibt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele an<br />
<strong>de</strong>n Leib, das ewige Leben aus <strong><strong>de</strong>r</strong> ewigen Verbindung<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong>“ (Sent II, dist. 8). In seiner philosophischen und<br />
seiner theologischen Summa spricht er noch ein<strong>de</strong>utiger:<br />
„Weil es für die Seele ‚natürlich‘ (naturale) ist, <strong>de</strong>m Leib<br />
verbun<strong>de</strong>n zu sein, ist ein Sein ohne Leib gegen die Natur...“<br />
(Sth I q. 118 a. 3 corp). Kann es <strong>de</strong>nn überhaupt eine<br />
gegen ihre Natur leiblose Seele geben? Die Konsequenz,<br />
die Thomas zieht, zeigt, daß auch seine „Einheitskonzeption“<br />
angesichts <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s so sehr in Verlegenheit gerät,<br />
daß sie wie selbstverständlich auf die herkömmliche, vorgefun<strong>de</strong>ne<br />
Vorstellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> „anima separata“, <strong><strong>de</strong>r</strong> un-<br />
24. Wie wirkt sich die Anthropologie <strong>de</strong>s Thomas auf seine Eschatologie<br />
aus?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 14<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
sterblichen, vom Leib getrennten und auf diesen „warten<strong>de</strong>n“<br />
Seele, zurückgreift: „Die Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Seelen<br />
scheint also die künftige <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiber zu for<strong><strong>de</strong>r</strong>n“<br />
(Scg II, 79). Ein solcher Satz in unmittelbarer Nähe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> überzeugen<strong>de</strong>n „Einheitskonzeption“ wirkt für sich<br />
genommen schon fast wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wie das „Zerrbild“ <strong><strong>de</strong>r</strong> apostrophierten<br />
„Kombinationseschatologie“.<br />
[iv]<br />
Kirchenamtliche Äußerungen.<br />
– Das Konzil von Vienne (1312) favorisierte zwar mit seiner<br />
„offenen“ anthropologischen Definition (DS 902) eine<br />
Sicht <strong>de</strong>s Menschen, die bei aller Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielschichtigkeit<br />
<strong>de</strong>s menschlichen Wesens – an <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem<br />
die Franziskaner mit ihren naturwissenschaftlichen Neigungen<br />
interessiert waren – doch <strong>de</strong>n engen Zusammenhang<br />
von Geistigkeit und Körperlichkeit zum Ausdruck<br />
bringen wollte. Aber aufs Ganze gesehen behielt offenbar<br />
das theologische Operieren mit <strong>de</strong>n trennbaren und getrennten<br />
Entitäten Leib und Seele die Oberhand.<br />
Das spiegelt sich zum Beispiel in <strong><strong>de</strong>r</strong> berühmt gewor<strong>de</strong>nen<br />
Kontroverse zweier Päpste im 14. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Papst Benedikt XII. korrigierte in seiner Konstitution „Benedictus<br />
Deus“ (1336) Predigten seines Vorgängers Johannes<br />
XXII. über das Schicksal <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen nach <strong>de</strong>m Tod<br />
und schrieb: „Die Seelen aller Heiligen... waren, sind o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wer<strong>de</strong>n sein im Himmel ... mit Christus ... sogleich nach ihrem<br />
Tod ... auch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiber... und<br />
schauen die göttliche Wesenheit...“ (DS 1000). Es fällt auf,<br />
daß dieser <strong>Text</strong> – nach <strong><strong>de</strong>r</strong> breiten Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Philosophie<br />
<strong>de</strong>s Aristoteles im 13. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t – sich völlig selbstverständlich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Begrifflichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> aristotelischen Anthropologie<br />
bedient und scheinbar unbekümmert mit getrennten<br />
und wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigten Seelen und Leibern „hantiert“.<br />
Aber gera<strong>de</strong> durch die Übernahme einer weithin dualistischen<br />
Denk- und Sprechweise war die Theologie von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Menschen in Schwierigkeit geraten<br />
und die päpstliche Kontroverse letztlich ausgelöst wor<strong>de</strong>n.<br />
Denn Johannes XXII. hatte richtig gesehen, daß nur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ganze leibseelische Mensch im vollen Sinne selig genannt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Er folgerte daraus aber fälschlicherweise<br />
eine Art neutralen Wartezustands <strong><strong>de</strong>r</strong> geretteten<br />
Seele bis zum Endgericht. Sein Nachfolger Benedikt brachte<br />
die dadurch in Gefahr geratene biblische Aussage vom<br />
sofortigen Eintritt <strong>de</strong>s geheiligten Menschen in die Herrlichkeit<br />
Gottes in die seiner Zeit geläufige philosophische<br />
Sprache, was aber auch seiner Lehre eine starke Einseitigkeit<br />
verlieh und <strong><strong>de</strong>r</strong> biblisch-ganzheitlichen Sicht <strong>de</strong>s<br />
Menschen nicht gerecht wur<strong>de</strong>.<br />
Ein ähnlicher Vorgang spielte sich zweihun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre<br />
später ab: Die apostolische Lehre wur<strong>de</strong> mit einer philosophischen<br />
Sprechweise verteidigt, die auf <strong>de</strong>n ersten Blick<br />
<strong>de</strong>n Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel sehr verfrem<strong>de</strong>te. Der christliche<br />
<strong>Auferstehung</strong>sglaube mußte sich wehren gegen <strong>de</strong>n<br />
neuaristotelischen Mono-Psychismus, also gegen jene seltsame,<br />
damals aber sehr attraktive Meinung, es gebe nur eine<br />
einzige gesamtmenschliche Geistsubstanz – nach <strong>de</strong>m<br />
To<strong>de</strong> kehrten die einzelnen „ausgelagerten“ Seelen wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in <strong>de</strong>n ursprünglichen Hort <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Menschheits-<br />
25. Kann man sagen, daß das Lehramt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche die Vorstellung ausgeschlossen<br />
hat, daß Seele und Leib zwei trennbare Entitäten sind?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 15<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
seele zurück. Gegen diese für das christliche Menschenbild<br />
„tödliche“ Meinung mußte die biblische Verheißung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gottgeschenkten Endgültigkeit <strong>de</strong>s individuellen, einzelnen<br />
Menschen durchgehalten wer<strong>de</strong>n. Es geschah aber<br />
auch dies in <strong><strong>de</strong>r</strong> so ganz unbiblischen Re<strong>de</strong>weise von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einzelnen Seele: Das Fünfte Laterankonzil verurteilte 1513<br />
offiziell die Meinung, daß die intellektive Seele <strong>de</strong>s einzelnen<br />
Menschen vergänglich sei (vgl. DS 1440).<br />
Diese kurzen dogmenhistorischen Hinweise können<br />
<strong>de</strong>utlich machen, daß verschie<strong>de</strong>ne kirchliche Lehräußerungen<br />
<strong>de</strong>s Mittelalters, welche bei oberflächlicher Betrachtungsweise<br />
die griechische Denk- und Sprechweise<br />
mit ihrer <strong>de</strong>utlichen Trennung von Seele und Leib zu<br />
bestätigen scheinen, sich gera<strong>de</strong> in Abwehr griechischheidnischen<br />
Denkens darum bemühen mußten, die ganze<br />
Breite <strong><strong>de</strong>r</strong> biblischen Aussage offenzuhalten, das ursprüngliche<br />
Bekenntnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Fleisches<br />
nicht einzuengen auf bloße Körperlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verwässern<br />
auf ein allgemeines Überleben einer überindividuellen<br />
„Menschheit“ hin.<br />
[v]<br />
„Enthellenisierung“ und „Ganztod-These“.<br />
– Seit Adolf von Harnack galt über lange Jahre hin in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
evangelischen Theologie (in jüngerer Zeit auch bei einzelnen<br />
katholischen Theologen) die „Hellenisierung“, also<br />
die Übernahme „griechischer“ Begrifflichkeit und Perspektiven,<br />
als <strong><strong>de</strong>r</strong> Sün<strong>de</strong>nfall <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Glaubensgeschichte.<br />
Inzwischen stellt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> historische Sachverhalt<br />
doch erheblich differenzierter dar. Gewiß hatten sich im<br />
Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbreitung und notwendigen Vermittlung <strong>de</strong>s<br />
Glaubens in <strong>de</strong>n Mittelmeerraum seit <strong>de</strong>m 4. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
manche Aspekte, Argumente und Termini Eingang in die<br />
Sprache <strong><strong>de</strong>r</strong> Theologie verschafft, die biblischem Denken<br />
fremd sind. Aber zunehmend hat die Forschung auch herausgearbeitet,<br />
wie sehr vor allem die scheinbar „hellenisieren<strong>de</strong>n“<br />
christologischen und trinitätstheologischen Äußerungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Konzilien <strong>de</strong>s Altertums als Abwehr einer<br />
zu starken Verfremdung, also gewissermaßen in Gegenrichtung,<br />
gelesen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Eschatologie hat sich aus <strong>de</strong>m Programm<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „Enthellenisierung“ fast so etwas wie eine<br />
weitere konfessionelle Differenz ergeben: Aus <strong>de</strong>m Bemühen,<br />
das biblisch-semitische Menschenbild konsequent<br />
von „dualistischen“ Übermalungen zu befreien, ergab sich<br />
eine Antithetik, die sich noch 1962 im Titel eines Buches<br />
von Oskar Cullmann ausdrückt: „Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Seele o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>?“ Paul Althaus hatte<br />
im Anschluß an Adolf Schlatter in seiner 1922 erschienenen<br />
Eschatologie unter Berufung auf Martin Luther und<br />
vor allem auf die Bibel die gängige Vorstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> unsterblichen Seele vom Leib im Tod als pla-<br />
tonischen Dualismus zurückgewiesen. Im Tod sterbe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ganze Mensch. Christlicherseits müsse die Hoffnung auf<br />
die <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s ganzen Menschen am Jüngsten Tag<br />
allen griechischen Spekulationen über eine „Unsterblichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele“ entgegengesetzt wer<strong>de</strong>n. Diese Auffassung<br />
– häufig als Ganztod-These bezeichnet – hat sich erstaunlich<br />
schnell ausgebreitet. Die Tatsache, daß Althaus sich<br />
26. Inwiefern ist die Lehre <strong>de</strong>s Fünften Laterankonzils, daß die intellektive<br />
Seele <strong>de</strong>s einzelnen Menschen unvergänglich sei, ein Festhalten<br />
an <strong>de</strong>m biblischen ganzheitlichen Menschenverständnis?<br />
27. Was ist die „Ganztod-These“ und wieso ist sie „Hellenisierung“?<br />
[Das Wort „Hellenisierung“, nicht „Enthellenisierung“ ist hier gemeint]<br />
28. Was be<strong>de</strong>utet „Hellenisierung“?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 16<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
dreißig Jahre später selbst entschei<strong>de</strong>nd korrigiert und die<br />
Überzeugung geäußert hat, daß gera<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel her<br />
schon mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> auch eine „Himmelshoffnung“ verbun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n müsse, wur<strong>de</strong> dagegen kaum zur Kenntnis<br />
genommen.<br />
In mancherlei Gesprächen und Erlebnissen ist mir bewußt<br />
gewor<strong>de</strong>n, daß von daher in <strong><strong>de</strong>r</strong> evangelischen<br />
Frömmigkeit und Theologie <strong>de</strong>m Tod eine ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Realität und Zerstörungsmacht zugeschrieben wird<br />
als in <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Gläubigkeit, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sich vielfach<br />
bis heute die traditionelle Vorstellung vom Überleben<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele im Tod durchgehalten hat, gelegentlich verbun<strong>de</strong>n<br />
mit einer gewissen Verharmlosung <strong>de</strong>s Sterbens<br />
und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel um <strong>de</strong>n Preis eines massiven „Dualismus“<br />
von Leib und Seele. Denn auch die umfangrei-<br />
che Thomas-Renaissance <strong>de</strong>s 19. und 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts hat<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> anthropologischen Einheitskonzeption <strong>de</strong>s Aquinaten<br />
keinen Durchbruch verschafft. Daran war neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einflußreichen Franziskaner Schule mit ihrer insgesamt<br />
stärker „dualistisch“ geprägten Sicht vermutlich auch<br />
die Hartnäckigkeit leibfeindlicher Ten<strong>de</strong>nzen gnostischmanichäischer<br />
Art schuld.<br />
(c)<br />
Ertrag für das heutige Glaubensverständnis<br />
Der Sinn unserer geschichtlichen Erinnerungen ist immer,<br />
mit ihrer Hilfe unser gläubiges Selbstverständnis zu fundieren,<br />
das heißt hier, eine verantwortliche und lebbare<br />
Auffassung über Tod und <strong>Auferstehung</strong> zu gewinnen:<br />
Was wird aus meinen Angehörigen, wenn sie sterben; was<br />
wird aus mir im Tod und danach?<br />
[i]<br />
Im To<strong>de</strong> stirbt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch.<br />
– Zum christlichen Menschenbild paßt keine Verharmlosung<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Schon die Erfahrung wehrt sich heftig<br />
gegen <strong>de</strong>n Ausweg einer bagatellisieren<strong>de</strong>n Verdrängung:<br />
Wer <strong>de</strong>n Tod eines geliebten Menschen erleben muß, wer<br />
eigene o<strong><strong>de</strong>r</strong> frem<strong>de</strong> To<strong>de</strong>sängste aushält – nicht von ungefähr<br />
taucht in diesem Zusammenhang immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />
Bild vom bo<strong>de</strong>nlosen Abgrund auf, in <strong>de</strong>n man zu stürzen<br />
beginnt –, <strong><strong>de</strong>r</strong> kann die Zerstörung <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Lebens nicht leichthin relativieren mit <strong>de</strong>m Hinweis, dieser<br />
Zerfall betreffe nur das Sichtbare, Körperliche am Menschen.<br />
Diesen Ausweg verstellen uns aber vor allem das Glaubenszeugnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel mit seiner ganzheitlichen Sicht <strong>de</strong>s<br />
Menschen und die eigenständige christliche Reflexion auf<br />
das Wesen <strong>de</strong>s Menschen, vor allem die Sicht <strong>de</strong>s Thomas<br />
von Aquin, die min<strong>de</strong>stens ten<strong>de</strong>nziell auch die offizielle<br />
Lehre <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, nämlich die anthropologische Formel<br />
<strong>de</strong>s Konzils von Vienne (1312), beeinflußt hat: Die Seele<br />
ist durch sich selbst und wesentlich Form <strong>de</strong>s Leibes. Der<br />
Mensch ist so sehr eine Einheit aus Geist und Materie, aus<br />
Selbstbewußtsein und Leiblichkeit, daß bei<strong>de</strong> „Dimensionen“<br />
betroffen sind vom Sterben. Es stirbt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wesenhaft diese Zwei-Einheit von Leib und Seele ist, und<br />
nicht nur sein Leib. Insofern das Geistige im Menschen,<br />
seine Reflexivität, die Fähigkeit zu Erkenntnis und frei-<br />
29. Was ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn von <strong>Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>s Ausführungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Leib-Seele-Problematik?<br />
30. Wie begrün<strong>de</strong>t <strong>Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> seine Behauptung, auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist wer<strong>de</strong><br />
durch <strong>de</strong>n Tod getroffen?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 17<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
er Entscheidung, zu seinem Selbstsein und Selbstvollzug<br />
an die Sinne verwiesen und auf das materiell-körperliche<br />
Substrat angewiesen ist, insofern betrifft <strong><strong>de</strong>r</strong> Zerfall dieser<br />
Lebenseinheit nicht nur <strong>de</strong>n beseelten Körper, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch <strong>de</strong>n ihn beseelen<strong>de</strong>n Geist.<br />
Wenn wir diese zunächst noch sehr formale Feststellung<br />
stärker inhaltlich wen<strong>de</strong>n, können wir vielleicht so<br />
sagen: Der Tod been<strong>de</strong>t die für <strong>de</strong>n Selbstvollzug <strong>de</strong>s<br />
menschlichen Geistes wesentliche Befindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungssituation.<br />
Durch <strong>de</strong>n Leib sind menschliches<br />
Selbstbewußtsein und menschlicher Freiheitsvollzug an<br />
Raum und Zeit gebun<strong>de</strong>n, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch als sittlich<br />
gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Wesen in die offene Situation ständiger<br />
Entscheidung gestellt. In <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Glaubens ist<br />
ja <strong>de</strong>shalb die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> irdischen Existenz die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bewährung und <strong>de</strong>s verantwortlichen Selbstvollzuges.<br />
Der Tod beraubt <strong>de</strong>n menschlichen Geist dieser raumzeitlichen<br />
Situierung und damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit weiterer<br />
sittlicher Entscheidung. Dies allerdings nicht – das muß<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s Glaubens sofort hinzugefügt wer<strong>de</strong>n<br />
–, in<strong>de</strong>m er alle bisherige sittliche Tat vernichten wür<strong>de</strong>,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n endgültig-entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Schlußstrich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verantwortung“ zieht und die Tat <strong>de</strong>s<br />
ganzen Lebens Gott übergibt und anheimgibt. Gewiß<br />
hofft christlicher <strong>Auferstehung</strong>sglaube, daß diese Selbst-<br />
preisgabe, insofern sie eine wirkliche Anheimgabe „zu<br />
Hän<strong>de</strong>n Gottes“ ist, durch Ihn zur Transposition in <strong>de</strong>n<br />
Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Endgültigkeit führt. Aber im Blick auf das<br />
Sterben gilt <strong>de</strong>nnoch zunächst: Der Tod nimmt nicht<br />
nur unserem Leib, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch unserem Geist, unse-<br />
rer „Seele“, die spezifisch menschliche, raumzeitliche,<br />
geschichtliche Weise <strong>de</strong>s Selbstvollzuges! Die jahrtausendalte<br />
Glaubenserfahrung, die sich in <strong>de</strong>n biblischen<br />
Schriften nie<strong><strong>de</strong>r</strong>geschlagen hat, bleibt also auch in ihren<br />
frühen Einzelaussagen von Gewicht, natürlich insofern<br />
diese Einzelerfahrungen eingebun<strong>de</strong>n sind in ein Ganzes,<br />
also Elemente eines Gesamtprozesses sind. Im Blick auf<br />
die Radikalität menschlichen Sterbens bleiben auch solche<br />
<strong>Text</strong>e für uns lebendig und nahe wie die Klage Hiobs:<br />
„Der Mensch, vom Weibe geboren, kurzen Lebens, an<br />
Sorgen satt, blüht auf wie die Blume, verwelkt, flieht hin<br />
wie ein Schatten und bleibt nicht“ (14,1f). Wenn man<br />
allerdings hier nicht abbricht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n anschließen<strong>de</strong>n<br />
Vers mitliest: „Doch über ihn hältst du <strong>de</strong>in Auge<br />
offen, und ihn bringst du ins Gericht mit dir“, ist sogleich<br />
<strong>de</strong>utlich, daß (schon im alttestamentlichen Kontext!) <strong>de</strong>n<br />
Tod ganz ernst nehmen nicht heißt, das Thema Mensch<br />
sei damit been<strong>de</strong>t. Hier ist zwar zunächst die bleiben<strong>de</strong><br />
Wahrheit ausgesprochen, daß die eigenen Kräfte <strong>de</strong>s<br />
Menschen nur reichen bis zum Sterben. Aber gera<strong>de</strong> mit<br />
ihrer Hilfe kann – wie die Glaubensentwicklung zeigt –<br />
Gottes Macht und Treue ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n als Haftpunkt,<br />
an <strong>de</strong>m sich die Hoffnung auf „Überleben“ festmachen<br />
kann. Den Tod ganz ernst nehmen, das heißt auch nicht –<br />
hier können und müssen wir nach einer langen und ver-<br />
wickelten christlichen Glaubensgeschichte differenzierter<br />
re<strong>de</strong>n als die Menschen <strong>de</strong>s Alten Bun<strong>de</strong>s –, daß die<br />
bei<strong>de</strong>n „Dimensionen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Zwei-Einheit,<br />
die Körperlichkeit und die Geistigkeit, die bei<strong>de</strong> vom Tod<br />
31. Beschreiben Sie <strong>Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>s Versuch, die Behauptung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist<br />
sei auch vom Tod betroffen, inhaltlich darzustellen!
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 18<br />
wesentlich betroffen sind, auch in genau gleicher Weise<br />
vom Tod betroffen sein müßten.<br />
32. Was be<strong>de</strong>utet es – und was be<strong>de</strong>utet es nicht –, <strong>de</strong>n Tod ganz<br />
ernst zu nehmen?<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
[ii]<br />
Auferweckung und I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Menschen.<br />
– Damit sind wir bei <strong>de</strong>m springen<strong>de</strong>n Punkt <strong><strong>de</strong>r</strong> zeitgenössischen<br />
Kritik an einer eingebürgerten unzureichen<strong>de</strong>n,<br />
dualistisch gefärbten Re<strong>de</strong> von Leib und Seele <strong>de</strong>s<br />
Menschen. Wenn wir – mit Blick auf das ganzheitliche biblische<br />
Menschenverständnis und in Abwehr dualistischen<br />
Denkens (griechischer o<strong><strong>de</strong>r</strong> manichäischer Herkunft) – sagen:<br />
Im Tod stirbt <strong><strong>de</strong>r</strong> eine, ganze Mensch – muß das wirklich<br />
heißen, es bleibe nichts von ihm, <strong><strong>de</strong>r</strong> Tod vernichte<br />
<strong>de</strong>n ganzen Menschen radikal, in allem, was zu ihm gehört<br />
und gehörte? Die Ganztod-These meint tatsächlich, im Tod<br />
sterbe auch das, was wir Seele nennen, völlig. Aber unsere<br />
Hoffnung sei, daß das Ge<strong>de</strong>nken Gottes, in <strong>de</strong>m je<strong><strong>de</strong>r</strong> Verstorbene<br />
unvergessen ist, die Garantie für die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>erweckung<br />
je<strong>de</strong>s einzelnen individuellen Menschen am En<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeiten sei.<br />
Nun ist eine solche Formulierung, je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch sei<br />
unvergessen und lebe weiter im Ge<strong>de</strong>nken Gottes, von<br />
durchaus biblischem Klang und Zuschnitt! Nur muß sie<br />
ernst genommen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m, was sie wirklich sagt.<br />
Sie wür<strong>de</strong> gewiß verharmlost im Sinne einer bloß mensch-<br />
lichen Erinnerung an etwas früher einmal Gewesenes,<br />
wenn man nicht zugleich fragte, was ein solches lebendiges<br />
Ge<strong>de</strong>nken Gottes <strong>de</strong>nn für <strong>de</strong>njenigen jetzt be<strong>de</strong>utet,<br />
<strong>de</strong>n Gott in seinem ewigen Willen, in seiner ewigen lieben<strong>de</strong>n<br />
Zuwendung aufbewahrt.<br />
Wenn Jesus im Streitgespräch mit <strong>de</strong>n Sadduzäern<br />
schon aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung Gottes als Gott Abrahams,<br />
Isaaks und Jakobs, also aus <strong><strong>de</strong>r</strong> darin ausgedrückten Beziehung<br />
<strong>de</strong>s lebendigen Gottes zu <strong>de</strong>n Vätern, bzw. aus<br />
seinem Verständnis <strong>de</strong>s lebendigen und lebenspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Gottes die Möglichkeit von <strong>Auferstehung</strong>, die Möglichkeit<br />
einer ewigen Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Väter ableitet, dann lenkt<br />
uns ein solcher Hinweis zunächst einmal wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück<br />
auf die Bibel selbst. Ich habe schon darauf hingewiesen,<br />
daß auch <strong><strong>de</strong>r</strong> späte Paul Althaus seine frühere Ansicht,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch gehe im To<strong>de</strong> Leib und Seele nach zugrun<strong>de</strong>,<br />
mit einer differenzierten biblischen Argumentation erheblich<br />
korrigierte. Vor kurzem erschien eine evangelische<br />
Untersuchung mit provozieren<strong>de</strong>m Titel, die diese Thematik<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgreift. Dort heißt es gleich zu Beginn:<br />
„Schon mit <strong>de</strong>m Titel wird ein theologisches Tabu durchbrochen,<br />
an das sich auch heute noch fast alle Autoren halten,<br />
die sich zum eschatologischen Bezug biblischer Anthropologie<br />
zu Wort mel<strong>de</strong>n...“ Es geht <strong>de</strong>m Autor, wie<br />
er sagt, nicht um ein spektakuläres Unternehmen, son-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n „um theologische Anthropologie, um die biblische<br />
Lehre vom Menschen und um die theologische Besinnung<br />
auf die letzten Dinge eines je<strong>de</strong>n menschlichen Einzellebens“.<br />
Und dabei will er neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielbestimmung (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Destinations<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Menschen) und neben <strong><strong>de</strong>r</strong> bibli-<br />
schen Kennzeichnung seiner Situation (<strong><strong>de</strong>r</strong> Situations<strong>de</strong>fi-<br />
33. Wie wi<strong><strong>de</strong>r</strong>legt <strong>Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> die Ganztod-These?<br />
34. Was be<strong>de</strong>utet die Formulierung, je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch sei unvergessen<br />
und lebe weiter im Ge<strong>de</strong>nken Gottes?
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 19<br />
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nition) auch die häufig vernachlässigte geschöpfliche Beschaffenheit<br />
mitbe<strong>de</strong>nken, die Konstitutions<strong>de</strong>finition. Deshalb<br />
meint Heidler biblisch belegen zu können, daß „die<br />
Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele <strong>de</strong>s Menschen... <strong><strong>de</strong>r</strong> von Gott gesetzte<br />
geschöpflich-konstitutionelle Ermöglichungsgrund<br />
für die leibliche <strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>“ sei. Eine erhebliche<br />
Schwäche <strong>de</strong>s Buches – neben einem gewissen “Biblizismus“<br />
– scheint mir zu sein, daß es sich zu selbstverständlich<br />
von <strong>de</strong>n traditionellen Denkmustern und ihrer<br />
Terminologie führen läßt. Aber zweierlei scheint mir unbestreitbar,<br />
das in diesem Buch <strong>de</strong>utlich zur Sprache kommt.<br />
Einmal: Eine vollständig erhobene biblische Anthropologie<br />
setzt <strong><strong>de</strong>r</strong> (zu sehr vereinfachen<strong>de</strong>n!) Ganztod-These<br />
erheblichen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand entgegen, das heißt, biblisch begrün<strong>de</strong>t<br />
ist diese These nicht! Und zweitens: In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat ist<br />
die eigentliche Frage an die Ganztod-These die nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s auferweckten Menschen.<br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>t Vollendung <strong>de</strong>s menschlichen Lebens durch<br />
die Auferweckung nicht ein sehr <strong>de</strong>zidiertes „Festhalten“<br />
bzw. Aufgreifen <strong>de</strong>s einzelnen menschlichen „Antlitzes“?<br />
Müßte nicht die geistige Physiognomie, die tatsächliche<br />
Lebensgeschichte, das konkrete Lieben und Lei<strong>de</strong>n, Sündigen<br />
und Umkehren, Bangen und Hoffen, Glauben und<br />
Vertrauen jeweils in die <strong>Auferstehung</strong> eingeborgen wer<strong>de</strong>n?<br />
Was zwingt uns, zu <strong>de</strong>m schwierigen Gedanken Zu-<br />
flucht zu nehmen, all das müsse zunächst völlig (!) untergehen,<br />
um dann später einmal ganz neu geschaffen zu<br />
wer<strong>de</strong>n? Wieso folgt aus <strong><strong>de</strong>r</strong> richtigen Erkenntnis, daß<br />
menschlicher Geist aus eigenem Anspruch und Vermögen<br />
nichts gegen <strong>de</strong>n Tod ausrichtet, die fatale Konse-<br />
quenz, daß auch Gott als <strong><strong>de</strong>r</strong> Ursprung dieses hinfälligen<br />
Ansprechpartners bloß zusehen kann bei seinem Zerfall<br />
und allenfalls einen erneuten Erschaffungs-Anlauf am<br />
En<strong>de</strong> ins Auge faßt? Inwiefern wäre eine solche Neuerschaffung<br />
eine Vollendung <strong>de</strong>s Verstorbenen? Worin lä-<br />
ge die doch in je<strong>de</strong>m Fall vorauszusetzen<strong>de</strong> „Kontinuität“?<br />
Hat Gott nötig, menschliche Personalität wegen ihrer<br />
Hinfälligkeit zu „ersetzen“ in seinem Ge<strong>de</strong>nken? Ist Gott<br />
groß gegen seine Geschöpfe und nicht vielmehr in seinen<br />
Werken? Krankt nicht auch dieser Antwortversuch an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
(zu selbstverständlichen) Voraussetzung, daß ein langer<br />
Zwischenzustand zwischen Tod und Vollendung zu überbrücken<br />
sei – nur daß hier an die Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> „anima separata“,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vom Leib getrennten, eigenständigen Seele,<br />
das „Gedächtnis Gottes“ und ein künftiger neuer Quasi-<br />
Schöpfungsakt Gottes gesetzt wird? „Keiner von uns lebt<br />
sich selber, und keiner von uns stirbt sich selber. Leben wir,<br />
so leben wir <strong>de</strong>m Herrn, sterben wir, so sterben wir <strong>de</strong>m<br />
Herrn. Ob wir leben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob wir sterben, wir gehören <strong>de</strong>m<br />
Herrn“ (Röm 14,7f). Diese paulinische Überzeugung re<strong>de</strong>t<br />
von einer Beziehung, einer Zugehörigkeit, die auch im To<strong>de</strong><br />
nicht stran<strong>de</strong>t.<br />
Wir formulieren <strong>de</strong>shalb folgen<strong>de</strong>n Übersetzungsversuch<br />
für unsere Zeit: Gott selbst schenkt in seiner Gna<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> personalen Individualität <strong>de</strong>s Menschen (nicht ir-<br />
gendwann am Jüngsten Tag, nach vollständiger Zerstörung<br />
und vollständiger Neuerschaffung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n) im Tod<br />
jene Heimkehr zu sich, welche <strong>de</strong>n Beginn einer bleiben<strong>de</strong>ndgültigen,<br />
in seiner eigenen Lebendigkeit vollen<strong>de</strong>ten
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 20<br />
Beziehung markiert.<br />
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[iii]<br />
Dialogische „Unvergänglichkeit“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Person als<br />
Element <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong>.<br />
– Wenn wir im Kontext <strong>de</strong>s <strong>Auferstehung</strong>sglaubens eine<br />
Aussage über die „personale Kontinuität“ treffen, also<br />
über ein von Gott ermöglichtes und geschenktes „Überdauern“<br />
unserer individuellen Geistigkeit, so ist zunächst<br />
noch einmal eindringlich vor einer individualistischen<br />
Engführung <strong>de</strong>s Gedankens zu warnen, in die die traditionelle<br />
Eschatologie nicht selten hineingeraten war: Die<br />
christliche Hoffnung richtet sich auf das Reich Gottes als<br />
die von Gott angebotene, ermöglichte und geschenkte Gemeinschaft<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> und mit Gott<br />
selbst. Die Überzeugung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Mensch mitsamt<br />
seinem leibhaftigen In-<strong><strong>de</strong>r</strong>-Welt-Sein verendgültigt wer<strong>de</strong>,<br />
umschließt ja wesentlich auch die „Gesellschaftlichkeit“<br />
<strong>de</strong>s Menschseins, in welcher Personalität konstituiert<br />
ist. Es geht also bei einer biblisch inspirierten Neubesinnung<br />
auf die Überlieferungsgeschichte zwar auch wesentlich<br />
darum, sich vor einer philosophisch proklamierten<br />
menschlichen „Eigenmächtigkeit“ in Form von „Unsterblichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele“ zu hüten und statt <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Gedanken<br />
einer von Gott selbst geschenkten Dauerhaftigkeit<br />
seiner Beziehung zu unserer personalen Erkenntnis- und<br />
Liebesfähigkeit zu <strong>de</strong>nken. Aber darüber hinaus sollten<br />
wir das Eingebun<strong>de</strong>nsein dieses theologischen Gedankens<br />
in <strong>de</strong>n gesamtanthropologischen Kontext <strong>de</strong>s christlichen<br />
<strong>Auferstehung</strong>sglaubens wahrnehmen. Hier verschränken<br />
sich auf eine eigenständige Weise christlicher Schöpfungsglaube<br />
und Erlösungshoffnung. Dabei ist gera<strong>de</strong> im Blick<br />
auf die Bibel (besser als mit <strong><strong>de</strong>r</strong> traditionellen Re<strong>de</strong> von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> geistigen Substanz) das Wesen menschlicher Geistigkeit<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> dialogischen Freisetzung geschöpflicher Freiheit<br />
von seiten <strong>de</strong>s Schöpfergottes zu entwickeln: Der<br />
zur antworten<strong>de</strong>n Liebe berufene Ansprechpartner Gottes,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sein Leben vor <strong>de</strong>m Ewigen verantworten soll, ist<br />
von Gott selbst auf eine spezifische Weise in eine dauern<strong>de</strong><br />
Bezüglichkeit gesetzt. Wir sprachen bereits davon, daß<br />
diese Beziehungsfähigkeit und Geöffnetheit <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Geistes auf das Absolute genau das ist, was nach<br />
christlichem Verständnis an diesem leibhaftigen Wesen<br />
Mensch „Seele“ heißt. „Solche Offenheit ist <strong>de</strong>m Menschen<br />
gegeben (insofern abhängig, nicht Produkt eigener<br />
Leistung). Aber sie ist ihm zu eigen gegeben, so daß sie<br />
nun im Selbersein <strong>de</strong>s Menschen liegt: Das eben heißt<br />
Schöpfung...“<br />
Allerdings ist dieser wichtige schöpfungstheologische<br />
Ansatz nicht ungebrochen mit <strong>de</strong>m Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollendung<br />
zu vermitteln. Die sündige Eigenmächtigkeit <strong>de</strong>s<br />
Menschen, die zum Scheitern verurteilte Selbstbehauptung,<br />
die zum Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch, zur Verkrümmung und Verhärtung,<br />
zur Vereinzelung und Beziehungslosigkeit und<br />
so zum Tod führt, kann zwar Gottes Werk nicht ins absolute<br />
Nichts zurückstürzen, aber die sündige Auflehnung<br />
gegen die von Gott eingestiftete „Ausrichtung“ produziert<br />
doch „ein Wesen im Selbstwi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch, eine sich selber<br />
negieren<strong>de</strong> Möglichkeit... Die grundsätzliche Hinge-<br />
35. Wie kommt es, daß die „Gesellschaftlichkeit“ <strong>de</strong>s Menschseins<br />
zur „personalen Kontinuität“ gehört? (Hinweis: Die Antwort geht nicht<br />
dahin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch in einer Gesellschaft von Menschen lebt.)
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 21<br />
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ordnetheit zur Wahrheit, zu Gott, die das Nichtsein ausschließt,<br />
bleibt bestehen, wenn auch als negierte o<strong><strong>de</strong>r</strong> vergessene...<br />
Erst an dieser Stelle setzt dann die eigentlich<br />
christologische Aussage ein. Der Gehalt <strong>de</strong>s Christusereignisses<br />
ist es, daß Gott diesen Selbstwi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch aufhebt,<br />
ohne die Freiheit <strong>de</strong>s Menschen in einem Willkürakt von<br />
außen her zu stören. Leben und Sterben Christi be<strong>de</strong>uten,<br />
daß Gott selbst in die Scheol geht, im Land <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungslosigkeit<br />
Beziehung eröffnet ... und damit Leben<br />
aus <strong>de</strong>m Tod, inmitten <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s gibt.“<br />
Erst damit ist das christliche Verständnis von „Unsterblichkeit<br />
durch <strong>Auferstehung</strong>“ voll im Blick: Zum Gedanken<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dialogischen Konstitution menschlicher Personalität<br />
(durch Erschaffung) tritt – angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> tödlichen<br />
Bedrohung durch die selbstverschul<strong>de</strong>te Selbstabkapselung<br />
– <strong><strong>de</strong>r</strong> Dialog <strong><strong>de</strong>r</strong> retten<strong>de</strong>n Liebe in Jesus Christus<br />
(in Gottes Heilshan<strong>de</strong>ln), und erst dieses Wirken Gottes<br />
insgesamt fundiert und trägt das christliche Verständnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Unsterblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Person. Noch einmal an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
gesagt: Die Unvergänglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Individualität,<br />
das Überdauern <strong><strong>de</strong>r</strong> Person, ist ein Element in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Auferweckung durch Gott, <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings an die Konstituierung<br />
<strong>de</strong>s Dialogpartners anknüpft und diesen – angesichts<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sündigen Abkehr von <strong><strong>de</strong>r</strong> angebotenen Liebe in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Heilstat Christi (auferweckend) vollen<strong>de</strong>t.<br />
Wenn wir nun <strong>de</strong>n wesentlichen Ertrag unserer kurzen<br />
Rückschau und <strong><strong>de</strong>r</strong> daran anknüpfen<strong>de</strong>n Neubesinnung<br />
bün<strong>de</strong>ln, können wir an dieser Stelle in einer vorläufigen<br />
Zusammenfassung sagen:<br />
Wir haben keine Veranlassung in unserer Glaubens-<br />
sprache auf die Re<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen „Seele“ zu<br />
verzichten; allerdings besteht die dringen<strong>de</strong> Notwendigkeit,<br />
<strong>de</strong>n Gebrauch dieses Begriffs zu reinigen von allen<br />
Verfärbungen eines (glaubensfrem<strong>de</strong>n und glaubensfeindlichen!)<br />
anthropologischen „Dualismus“!<br />
Die philosophische Auffassung von <strong><strong>de</strong>r</strong> „Unsterblichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele“ ist als solche – trotz <strong>de</strong>s gegenteiligen Anscheins<br />
– dogmatisch nicht <strong>de</strong>finiert. Aber zum christlichen Menschenbild<br />
gehört wesentlich, daß die individuelle Person<br />
zur Ewigkeit bestimmt und berufen ist.<br />
Über das „Leibverhältnis“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Person und die Vollendung<br />
ihrer leiblichen Dimension muß im Folgen<strong>de</strong>n noch<br />
genauer gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Festzuhalten ist aber schon hier,<br />
daß als das eigentliche „Kontinuum“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite <strong>de</strong>s<br />
Menschen bei seiner Verendgültigung durch Gott über <strong>de</strong>n<br />
Tod hinaus jene geistige Individualität und Personalität zu<br />
<strong>de</strong>nken ist, die wir „Seele“ nennen, die allerdings zu ihrem<br />
„Selbstvollzug“ auf die Leiblichkeit angewiesen ist!<br />
[iv]<br />
<strong>Auferstehung</strong> im To<strong>de</strong><br />
Die Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> im herkömmlichen „Leib-<br />
Seele-Mo<strong>de</strong>ll“ Die Beschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Letzten Dinge“<br />
<strong>de</strong>s Menschen nach seinem Tod in <strong>de</strong>n Dogmatikhandbüchern<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Vergangenheit spiegelt wie selbstverständlich<br />
die Überzeugung von <strong><strong>de</strong>r</strong> „Unsterblichkeit“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seele, von einem „Wartestand“ <strong><strong>de</strong>r</strong> körperlosen Seele<br />
zwischen <strong>de</strong>m „beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gericht“ unmittelbar nach<br />
<strong>de</strong>m Tod und <strong>de</strong>m „allgemeinen Gericht“ am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 22<br />
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Zeit und von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Seelen mit ihren<br />
Leibern am Jüngsten Tage. 6 Die scheinbar schlüssige<br />
Logik dieser Denk- und Sprechweise konnte aber immer<br />
schon nur mit Mühe jene Ungereimtheiten verbergen, die<br />
sie enthält: Min<strong>de</strong>stens für die umfassen<strong>de</strong> Beglückung in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Seligkeit <strong>de</strong>s Himmels war die Vorstellung einer „anima<br />
separata“ ein ganz ungeeigneter begrifflicher Träger:<br />
Wenn die Formierung <strong>de</strong>s Leibes für die Seele wesentlich<br />
ist, 7 wie kann die Seele überhaupt existieren ohne Aktuierung<br />
ihres Formseins? Min<strong>de</strong>stens müßte sie in ihrem „naturwidrigen“<br />
Zustand (Thomas von Aquin) als wesentlich<br />
„verstümmelt“ und beeinträchtigt gelten. Aber sie soll<br />
<strong>de</strong>nnoch zugleich in einem „Zustand vollen<strong>de</strong>ter übernatürlicher<br />
Glückseligkeit“ sein? Einerseits ihres Kommunikationsmediums<br />
Leibhaftigkeit beraubt, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber<br />
in die himmlische „Gemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Heiligen“ eingebun<strong>de</strong>n<br />
und sogar für uns „diesseitige“ irdische Beter im „Jenseits“<br />
ansprechbar und fürbittbereit, also doch als in höchstem<br />
Maße kommunikationsfähig gedacht? Ergeben sich<br />
diese Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche wirklich aus <strong>de</strong>m Geheimnischarakter<br />
<strong>de</strong>s göttlichen Vollendungshan<strong>de</strong>lns o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht vielmehr<br />
aus <strong>de</strong>m Ungenügen <strong>de</strong>s benutzten Vorstellungsmo<strong>de</strong>lls<br />
und seiner Begriffselemente, vor allem seiner unzureichen<strong>de</strong>n<br />
Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiblichkeit und Zeitlichkeit <strong>de</strong>s<br />
Menschen?<br />
Karl Rahner hat versucht, diese Aporien dadurch aufzulösen,<br />
daß er die innere Logik <strong><strong>de</strong>r</strong> klassischen theologischen<br />
Anthropologie ausfaltet und weiterschreibt: „Die<br />
neue Überlegung, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rahner in seiner ‚Theologie <strong>de</strong>s<br />
To<strong>de</strong>s‘ die überlieferte Leib-Seele-Lehre ergänzt, geht von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Voraussetzung aus, daß die Seele mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestaltauflösung<br />
<strong>de</strong>s Leibes nicht untergeht, aber ohne Leiblichkeit,<br />
das heißt, ohne daß sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Materie formend ihren Ausdruck<br />
fän<strong>de</strong>, auch nicht bestehen kann. Rahner folgert daraus,<br />
daß das geistige Lebensprinzip <strong>de</strong>s Menschen, die<br />
Seele, im Tod in ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es aktives Verhältnis zur Materie<br />
eintritt, weil sie es zur Existenz benötigt. Er weist also die<br />
Vorstellung ab, daß im Tod die Seele <strong>de</strong>n Leib und damit<br />
die Welt verlasse und bei Gott von <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt entfernt wäre.<br />
Rahner <strong>de</strong>nkt vielmehr einen ‚Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Welt‘ (auch als materieller Welt) und möchte annehmen,<br />
daß die Seele im Tod eine größere Nähe und eine inner-<br />
36. Wie löst Karl Rahner die Aporien, d. h. innere Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
überlieferten Leib-Seele-Lehre (vgl. inbes. die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „Wartestan<strong>de</strong>s“).<br />
6 Als repräsentatives Beispiel können die Ausführungen in <strong>de</strong>m verbreiteten<br />
Handbuch von L. Ott, Grundriß <strong><strong>de</strong>r</strong> Dogmatik, Freiburg<br />
1981, gelten: „Die Seelen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerechten, die im Augenblick <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s<br />
von aller Sün<strong>de</strong>nschuld und Sün<strong>de</strong>nstrafe frei sind, gehen in <strong>de</strong>n<br />
Himmel ein“ (568); „Die Seelen <strong><strong>de</strong>r</strong>er, die im Zustand <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen<br />
schweren Sün<strong>de</strong> sterben, gehen in die Hölle ein“ (571); „Die<br />
Seelen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerechten, die im Augenblick <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s noch mit läßlichen<br />
Sün<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> zeitlichen Sün<strong>de</strong>nstrafen belastet sind, gehen in<br />
das Fegfeuer ein“ (575); „Alle <strong>Toten</strong> wer<strong>de</strong>n am Jüngsten Tage mit<br />
ihren Leibern wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auferstehen“ (582); „Die <strong>Toten</strong> wer<strong>de</strong>n mit (numerisch)<br />
<strong>de</strong>mselben Leib auferstehen, <strong>de</strong>n sie auf Er<strong>de</strong>n getragen haben“<br />
(584).<br />
7 Das Konzil von Vienne (1312) hatte in mittelalterlicher (in diesem Fall<br />
von Aristoteles übernommener) Terminologie die „Einheit <strong>de</strong>s Menschen“<br />
so zu <strong>de</strong>nken vorgeschrieben: „anima rationalis seu intellectiva...<br />
forma corporis humani per se et essentialiter“ (DS 902), also „die<br />
vernünftige und verstandbegabte Seele sei... durch sich und wesentlich<br />
die Form <strong>de</strong>s Leibes“ (NR 329).
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 23<br />
5<br />
10<br />
lichere Bezogenheit zu diesem Einheitsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt gewinnt,<br />
also all-kosmisch (statt a-kosmisch) wird. Eine Stütze<br />
erhält diese Überlegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwägung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> geistbeseelte<br />
Leib ja schon vor <strong>de</strong>m Tod ein ‚offenes System ist‘,<br />
‚mit <strong>de</strong>m Ganzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt kommuniziert und die Geistseele<br />
durch ihre Leiblichkeit sich schon immer grundsätzlich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtwelt geöffnet hat‘...<br />
Die Auffassung Rahners, daß eine von je<strong><strong>de</strong>r</strong> Leiblichkeit<br />
losgelöste Seele nicht existieren könne, daher nicht<br />
<strong>de</strong>nkbar sei und daß man <strong>de</strong>shalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele im Tod eine<br />
neue Leiblichkeit in Gestalt eines Weltbezugs zuschreiben<br />
müsse, fand die Zustimmung zahlreicher katholischer<br />
Theologen.“<br />
<strong>Auferstehung</strong> bereits im To<strong>de</strong>?<br />
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(1) Der Vorschlag von Gisbert Greshake und Gerhard<br />
Lohfink. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> sachlichen Linie <strong>de</strong>s Rahnerschen Hinweises<br />
und im Anschluß an zahlreiche, in gleiche Richtung<br />
zielen<strong>de</strong> und ähnlich argumentieren<strong>de</strong> theologische Autoren<br />
haben inzwischen die bei<strong>de</strong>n obengenannten Theologen<br />
<strong>de</strong>n ernstzunehmen<strong>de</strong>n Vorschlag ausgearbeitet, die<br />
<strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Menschen als ein Geschehen zu <strong>de</strong>nken,<br />
das bereits im To<strong>de</strong> selber beginnt. Der Systematiker Greshake<br />
scheint vor allem von <strong>de</strong>n Aporien <strong><strong>de</strong>r</strong> herkömmlichen<br />
Erklärung bedrängt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Neutestamentler Lohfink<br />
offensichtlich stärker angeregt durch die biblische Naherwartung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „Parusie“ Jesu Christi, bei<strong>de</strong> aber sind ein<strong>de</strong>utig<br />
bemüht, <strong>de</strong>m biblischen Zeugnis vom Menschen<br />
und seiner Vollendung gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Schon in seiner<br />
Dissertation „<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong>“ hatte Greshake<br />
die Grundzüge und Voraussetzungen dieses „Vorstellungsmo<strong>de</strong>lls“<br />
entwickelt; in <strong>de</strong>m zusammen mit Gerhard<br />
Lohfink geschriebenen Band „Naherwartung – <strong>Auferstehung</strong><br />
– Unsterblichkeit“ liest sich diese „These“ (in Lohfinks<br />
Worten) in ihren Grundzügen so:<br />
„In unserem Tod wer<strong>de</strong>n wir Gott endgültig und für<br />
immer begegnen... Im Tod tritt <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Mensch mit ‚Leib<br />
und Seele‘, das heißt mit seinem ganzen Leben, mit seiner<br />
persönlichen Welt und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen unverwechselbaren<br />
Geschichte seines Lebens vor Gott hin... Unsere endgültige<br />
Begegnung mit Gott geschieht in Jesus Christus.“<br />
(2) Voraussetzung: „Personales“ Leib-Verständnis. –<br />
Offensichtlich kann man so nur <strong>de</strong>nken und sprechen,<br />
wenn man sich von einem bloß physikalisch-körperlichen<br />
Verständnis <strong>de</strong>s menschlichen „Leibes“ löst. Die Not-<br />
wendigkeit dazu bestand eigentlich schon seit langem,<br />
weil es sich – angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> regelmäßig wechseln<strong>de</strong>n<br />
physikalisch-chemischen Zusammensetzung <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Körpers – als unmöglich herausstellte, die I<strong>de</strong>ntität<br />
unserer Leibhaftigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> „Selbigkeit“ <strong>de</strong>s physi-<br />
schen Substrats unserer „Leiblichkeit“ her zu <strong>de</strong>nken. 8<br />
8 „In <strong><strong>de</strong>r</strong> neuscholastischen Theologie... kam man zu Fragen, die uns<br />
heute teilweise kurios erscheinen: ob alle Körperteile im einzelnen<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hergestellt wür<strong>de</strong>n, beispielsweise auch die Haare, die Fingernägel,<br />
die Verdauungsorgane; was aus <strong>de</strong>n menschlichen Leibern<br />
wür<strong>de</strong>, die größtenteils o<strong><strong>de</strong>r</strong> vollständig in an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Substanzen übergegangen<br />
sind; in welchem Leib <strong><strong>de</strong>r</strong> auferstehen solle, <strong><strong>de</strong>r</strong> – im Falle
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 24<br />
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„Im Gegensatz dazu geht man in <strong><strong>de</strong>r</strong> heutige Theologie<br />
vorwiegend von einem personalen Leib-Verständnis aus:<br />
Zum Menschsein gehört wesentlich die Kommunikation<br />
mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch ist wesentlich ein geschichtliches<br />
Wesen. Bei<strong>de</strong>s zusammen macht seine Leibhaftigkeit<br />
aus. Der Leib <strong>de</strong>s Menschen ist Realsymbol seiner Fähigkeit,<br />
mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en zu kommunizieren und Geschichte<br />
in sich zu sammeln. Diese etwas abstrakt klingen<strong>de</strong> Aussage<br />
sei kurz veranschaulicht. Sprechen, Hören, Anschauen,<br />
Die-Hand-Geben, Umarmen, sogar Schreiben und Lesen,<br />
alles Sich-Mitteilen und Den-an<strong><strong>de</strong>r</strong>en-Wahrnehmen,<br />
alle Kommunikation geschieht leibhaftig. Und die Narben<br />
und Schwielen, die Falten im Gesicht eines älteren Menschen<br />
können die Geschichte eines erlittenen und gestalteten<br />
Lebens erzählen. ‚Des Menschen Gesicht enthält in<br />
Kurzschrift seine ganze Biographie‘, sagt <strong>Theodor</strong> Bovet<br />
in einer Meditation über die Falten im Antlitz seiner Frau.<br />
Nicht immer ist die Lebensgeschichte so <strong>de</strong>utlich ‘ablesbar‘;<br />
aber diese kleinen Hinweise können vielleicht schon<br />
diesen Zusammenhang von Leiblichkeit und Geschichtlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen an<strong>de</strong>uten.<br />
Auferweckung <strong>de</strong>s Leibes be<strong>de</strong>utet dann, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze<br />
Mensch mit seiner Lebensgeschichte, mit all seinen Beziehungen<br />
zu <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, eine Zukunft hat.“<br />
So wie <strong>de</strong>m verklärten Leib <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen die<br />
Wundmale als Kennzeichen seiner unverwechselbaren<br />
Lebensgeschichte bleibend eingeschrieben sind (vgl. Joh<br />
20,20.25.27), so erhoffen wir als Vollendung unserer leibhaftigen<br />
Lebensgeschichte keine Ansammlung zufälliger<br />
Molekülkombinationen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die – nur Gottes leben-<br />
spen<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Schöpfermacht mögliche – Verendgültigung<br />
unseres ganzen konkreten, das heißt leibhaftigen Schicksals:<br />
„Gott liebt mehr als die Moleküle, die sich im Augenblick<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s im Leib befin<strong>de</strong>n. Er liebt einen Leib,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gezeichnet ist von <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Mühsal, aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
rastlosen Sehnsucht einer Pilgerschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> im Lauf dieser<br />
Pilgerschaft viele Spuren in einer Welt hinterlassen hat,<br />
die durch diese Spuren menschlich gewor<strong>de</strong>n ist; ... Auferweckung<br />
<strong>de</strong>s Leibes heißt, davon all <strong>de</strong>m Gott nichts verlorengegangen<br />
ist, weil er <strong>de</strong>n Menschen liebt. Alle Tränen<br />
hat er gesammelt, und kein Lächeln ist ihm weggehuscht.<br />
Auferweckung <strong>de</strong>s Leibes heißt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch bei Gott<br />
nicht nur seinen letzten Augenblick wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>t, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
seine Geschichte.“<br />
Diese Sicht eines „personalen Leibverständnisses“ ist<br />
unter heutigen katholischen Theologen Allgemeingut gewor<strong>de</strong>n,<br />
auch unabhängig von ihrer jeweiligen Stellung<br />
zur These „<strong>Auferstehung</strong> im Tod“! Aber es ist wohl <strong>de</strong>utlich<br />
gewor<strong>de</strong>n, daß ein Ansetzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> im Tod<br />
notwendig auf dieses Verständnis von Leiblichkeit ange-<br />
wiesen ist: Nur unter seiner Voraussetzung kann – angesichts<br />
<strong>de</strong>s verwesen<strong>de</strong>n Körpers <strong>de</strong>s <strong>Toten</strong> (also <strong>de</strong>s Zerfalls<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zuletzt ihm zugehörigen Materie-Konstellation) –<br />
37. Was be<strong>de</strong>utet „personales Leibverständnis“?<br />
eines extremen Kannibalismus – sein Leben lang ausschließlich mit<br />
Menschenfleisch ernährt wor<strong>de</strong>n sei, <strong>de</strong>ssen ganze Leibessubstanz<br />
also an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Menschen gehöre, usf. In solche und ähnliche Denkschwierigkeiten<br />
gerät man, wenn man ‚Leib‘ als eine physikalische<br />
Größe begreift“ (F.-J. Nocke, Eschatologie, 121).
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 25<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
zugleich eine Vollendung seiner wesentlichen Leibhaftigkeit,<br />
also seiner im Leib erlittenen und bestan<strong>de</strong>nen Lebensgeschichte<br />
gedacht wer<strong>de</strong>n. <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Leibes<br />
schon im Tod entspräche insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> starken Betonung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> An<strong><strong>de</strong>r</strong>sartigkeit <strong>de</strong>s Auferweckungsleibes gegenüber<br />
<strong>de</strong>m irdischen Leib, wie sie Paulus in seinem ersten Korintherbrief<br />
ausspricht (vgl. 1. Kor 15,42–44).<br />
(3) Voraussetzung: Differenziertes Zeit-Verständnis. –<br />
Eine weitere Voraussetzung <strong>de</strong>s Glaubens an die leibhaftige<br />
<strong>Auferstehung</strong> schon im To<strong>de</strong> ist eine differenzierte<br />
Denk- und Re<strong>de</strong>weise von Zeit, von irdisch erfahrbarer<br />
Zeit, von erhoffter vollen<strong>de</strong>ter Zeit nach <strong>de</strong>m Tod und von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ewigkeit Gottes, die alles umfängt und trägt. Einerseits<br />
ist unbestritten, daß die Art und Weise, wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> herkömmlichen<br />
Eschatologie oft (zu selbstverständlich) auch<br />
jenseits <strong><strong>de</strong>r</strong> To<strong>de</strong>sgrenze mit empirischen Zeitvorstellungen<br />
weitergedacht wur<strong>de</strong>, unhaltbar ist: Mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong><br />
en<strong>de</strong>t – und zwar endgültig <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungscharakter<br />
unserer menschlichen Existenzweise, also die spezifische<br />
Weise unserer irdisch-geschöpflichen Zeitlichkeit. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
zeigte sich sehr bald in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Versuch Gerhard Lohfinks, mit Hilfe <strong>de</strong>s mittelalterlichen<br />
Begriffs „aevum“ (zwischen „tempus“ und „aeternitas“)<br />
die Vorstellung von vollen<strong>de</strong>ter Zeitlichkeit neu zu fassen,<br />
mißlungen war, min<strong>de</strong>stens insofern, als er die inhaltliche<br />
Füllung dieses an sich hilfreichen Begriffs (vermutlich unbewußt,<br />
aber faktisch) an <strong><strong>de</strong>r</strong> „aeternitas“ Gottes gewonnen<br />
hatte.<br />
Nicht zu Unrecht zog sich dieser Argumentationsschritt<br />
in Lohfinks Thesenreihe 9 <strong>de</strong>n Vorwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ge-<br />
schichtsentwertung“ 10 und <strong><strong>de</strong>r</strong> begrifflichen Ungenauigkeit<br />
zu 11 .<br />
9 Die Thesen 5. und 6. bei G. Lohfink lauten: „Mit unserer eigenen persönlichen<br />
Welt ist die übrige Welt und die gesamte Geschichte untrennbar<br />
verknüpft. Im Tod tritt <strong>de</strong>shalb zusammen mit uns selbst<br />
die gesamte übrige Geschichte vor Gott hin... Im Tod versinkt alle Zeit.<br />
Deshalb erlebt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch im Durchschreiten <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s nicht nur<br />
seine eigene Vollendung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugleich die Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt“<br />
(G. Lohfink, Was kommt nach <strong>de</strong>m Tod? 144, 147; Hervorhebungen<br />
von mir). In dieser Form sind die Thesen wohl unhaltbar. Lohfinks<br />
ausführliche Entgegnung in <strong><strong>de</strong>r</strong> 4. Auflage <strong><strong>de</strong>r</strong> Quaestio S. 131–155<br />
(„Das Zeitproblem und die Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt“) löst m. E. im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Punkt die Be<strong>de</strong>nken nicht.<br />
10 „Wenn Gott je<strong>de</strong>m Punkt <strong><strong>de</strong>r</strong> irdischen Geschichte gleich nah ist,<br />
warum sollte sich sein vollen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Kommen dann auch gleichzeitig<br />
an je<strong>de</strong>m Punkt menschlicher Geschichte ereignen? Warum könnten<br />
die <strong>Toten</strong> in <strong>de</strong>m Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Läuterung, <strong>de</strong>n sie zu bestehen haben,<br />
im Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung <strong>de</strong>s Weltgeschicks, vielleicht auch im<br />
Prozeß ihrer allmählichen ‚<strong>Auferstehung</strong>‘ nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit teilhaben,<br />
ohne selber zeitlich zu sein?<br />
Je<strong>de</strong>nfalls be<strong>de</strong>utet Lohfinks These vom Eintritt <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Vollendung in <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Vollendung eine Verdunkelumg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
noch laufen<strong>de</strong>n Zeit und eine Entwertung <strong><strong>de</strong>r</strong> noch ausstehen<strong>de</strong>n Geschichte“<br />
(H. Vorgrimler, Der Tod im Denken und Leben <strong>de</strong>s Christen,<br />
125).<br />
11 „Stimmt es <strong>de</strong>nn eigentlich, daß es nur die Alternative zwischen physikalischer<br />
Zeit und Nicht-Zeit gibt, die dann mit Ewigkeit i<strong>de</strong>ntifiziert<br />
wird? Ist es logisch überhaupt durchführbar, <strong>de</strong>n Menschen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> seiner Existenz als Zeit vollbracht hat, in die Verfassung<br />
purer Ewigkeit zu versetzen? Ist nicht etwas dadurch, daß<br />
es einen Beginn hat, notwendig nicht-ewig, zeitlich? Kann man aber<br />
leugnen, daß die <strong>Auferstehung</strong> <strong>de</strong>s Menschen einen Beginn hat, nämlich<br />
nach seinem Tod? ... Der Bezug zwischen <strong>de</strong>n je neuen Anfängen
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 26<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
Deshalb war es wichtig, daß Gisbert Greshake in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weiteren Diskussion <strong>de</strong>utlich herausgestellt hat: Der Glaube<br />
an die leibhaftige <strong>Auferstehung</strong> im Tod muß keineswegs<br />
verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Zusammenfall von<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em und allgemeinem Gericht! Im Gegenteil –<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich auszeitigen<strong>de</strong> Geschichtsprozeß mit <strong>de</strong>n vielen<br />
noch ausständigen Menschenleben und ihren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Schicksalen kann und muß ernst genommen wer<strong>de</strong>n, und<br />
<strong>de</strong>nnoch kann gelten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne in seinem Tod mit<br />
seiner Leiblichkeit in die verwan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Macht Gottes eintritt,<br />
als Mensch mit „Leib und Seele“ und nicht nur als<br />
verstümmelte „anima separata“, die bis zum En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Weltgeschichte auf ihren „Leib“ warten müßte.<br />
„<strong>Auferstehung</strong>sstand“ als Prozeß Die Ewigkeit Gottes<br />
als solche bleibt je<strong>de</strong>m Geschöpf „unerreichbar“. Die<br />
erhoffte Vollendung und Verendgültigung unserer geschöpflichen,<br />
in die Zeit erstreckten menschlichen Existenzweise<br />
führt nie zur „Vergottung“! Mit welcher Heftigkeit<br />
haben die Konzilien <strong>de</strong>s Altertums darauf bestan<strong>de</strong>n,<br />
daß in Jesus Christus „Gottheit“ und „Menschheit“ zwar<br />
untrennbar verbun<strong>de</strong>n, aber zugleich „unvermischt“ und<br />
„unverwan<strong>de</strong>lt“ sind!<br />
Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit kann <strong>de</strong>shalb nur so gedacht wer<strong>de</strong>n,<br />
daß die „Zeitlichkeit“ als solche in <strong>de</strong>n Zustand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vollendung transponiert erscheint. Gewiß be<strong>de</strong>utet diese<br />
Vollendung in gewisser Hinsicht (!) auch „Zeitlosigkeit“,<br />
insofern nämlich, als – wie schon mehrfach ange<strong>de</strong>utet –<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungscharakter, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m notwendigen Sich-<br />
Auszeitigen-Müssen zu eigen ist, dann been<strong>de</strong>t sein wird.<br />
Aber diese „Zeitlosigkeit“ <strong><strong>de</strong>r</strong> vollen<strong>de</strong>ten Zeitlichkeit ist<br />
nie und nimmer die Weise <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ewigkeit“ Gottes. Dies<br />
zu betonen ist wichtig, um die notwendige Unterscheidung<br />
zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimkehr <strong>de</strong>s einzelnen Menschen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Weltgeschichte im Blick zu halten.<br />
Die „jenseitige Zeit“ <strong><strong>de</strong>r</strong> vollen<strong>de</strong>ten Verstorbenen<br />
wird, wie wir glauben, eine neue Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung<br />
und Nähe zu <strong>de</strong>m geschichtlichen und personalen<br />
Beziehungsgeflecht <strong>de</strong>s bisherigen irdischen Lebens eröffnen,<br />
also <strong>de</strong>n noch laufen<strong>de</strong>n Geschichtsprozeß mit seinen<br />
vielen (für die Verstorbenen wichtigen) Einzelschicksalen<br />
gera<strong>de</strong> nicht entwerten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als auch für die Verstorbenen<br />
noch ausständigen ernst nehmen.<br />
Deshalb läßt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> „<strong>Auferstehung</strong>sstand“, in <strong>de</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Tod <strong>de</strong>n einzelnen versetzt, angemessen nur als Anfang<br />
eines Prozesses begreifen, in <strong>de</strong>m die übrige Welt<br />
und die gesamte Geschichte, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> unser Einzelleben<br />
untrennbar verknüpft ist, wie Gerhard Lohfink zu Recht<br />
38. Wieso ist <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong>sstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> ewiges Leben, d. h. Vollendung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitlichkeit, ist, gera<strong>de</strong> ein Prozeß?<br />
menschlichen Lebens in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte, zwischen ihrem Präsens und<br />
Futur einerseits und <strong>de</strong>m angeblich jenseits <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s schon herrschen<strong>de</strong>n<br />
nicht bloß individuellen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n geschichtlichen Perfekt<br />
bleibt schlechthin ungeklärt: Das Aevum sagt etwas über die Verfaßtheit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen in die Vollendung hineintreten<strong>de</strong>n und dabei<br />
doch nicht zeitlos wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Personen aus; hier hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff seinen<br />
genauen Sinn. Aber er sagt überhaupt nichts darüber aus, daß<br />
nun die Geschichte als ganze, von welchem Standpunkt auch immer<br />
her, schon als vollen<strong>de</strong>t angesehen wer<strong>de</strong>n dürfe“ (J. Ratzinger, Eschatologie,<br />
97f).
<strong>Auferstehung</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Toten</strong> 27<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
herausstellt, schrittweise auf die Gesamtvollendung am<br />
„Jüngsten Tag“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltgeschichte zuläuft. Die volle und<br />
allen offenbare Parusie Jesu Christi am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeiten<br />
wird also auch für je<strong>de</strong>n einzelnen, angesichts seiner wesentlichen<br />
Einbindung in die Gesamtmenschheit noch von<br />
erheblicher Be<strong>de</strong>utung sein.<br />
Gewiß tun wir gut daran, angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> grundsätzlichen<br />
Unvorstellbarkeit dieser geheimnisvollen göttlichen<br />
Heimholung <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt uns voreiliger und neugieriger Spekulationen<br />
zu enthalten. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits dürfte doch <strong>de</strong>utlich<br />
gewor<strong>de</strong>n sein, daß die Überzeugung von <strong><strong>de</strong>r</strong> „<strong>Auferstehung</strong><br />
im To<strong>de</strong>“ bei genauerem Zusehen weit weniger „revolutionär“<br />
ist, als sie einem traditionellen Glaubensverständnis<br />
auf <strong>de</strong>n ersten Blick erscheinen mag.<br />
Es hat <strong>de</strong>n Anschein, als ob diese Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong><br />
zunehmend an Zustimmung gewänne. Eine Reihe<br />
namhafter Theologen favorisiert mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger ausdrücklich<br />
diese Vorstellungsweise. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat integriert<br />
diese (hier nur knapp umrissene) Konzeption alle wesentlichen<br />
Elemente <strong>de</strong>s christlichen <strong>Auferstehung</strong>sglaubens:<br />
die endgültige Christusbegegnung im Tod;<br />
das ganzheitliche Menschenbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel (das eine<br />
„Reduzierung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Auferstehung</strong> auf <strong>de</strong>n Leib verbietet);<br />
die auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollendung bleiben<strong>de</strong> Geschöpflichkeit;<br />
die Unterscheidung und <strong>de</strong>n prozeßartigen Zusammenhang<br />
von individueller und universaler Vollendung.<br />
Sie entgeht vor allem <strong>de</strong>n <strong>de</strong>nkerischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchen<br />
<strong>de</strong>s „Zwischenzustands“ einer leibfreien Seele, überwin<strong>de</strong>t<br />
also einen anthropologischen Dualismus, ohne je-<br />
doch die diesem zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> unaufhebbare Dualität<br />
von Materie und Geist zu nivellieren. Denn die Aussage,<br />
im Augenblick <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s gewinne die „Seele“, die Personalität<br />
und Individualität, einen neuen Leibbezug, heißt<br />
ja konkret: Sie verläßt diesen Körper und seine sichtbare<br />
Materialität und nimmt eine „verklärte“ Leiblichkeit, das<br />
heißt einen verwan<strong>de</strong>lten, endgültigen Weltbezug an.<br />
Durch <strong>de</strong>n Glauben an eine <strong>Auferstehung</strong> im Tod wird<br />
schließlich auch die uralte kirchliche Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Verehrung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Heiligen (und die Fürbitte für die Verstorbenen) besser<br />
fundiert.<br />
Es kommt allerdings darauf an, daß die neue und umfassen<strong>de</strong><br />
Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Leiblichkeit („personales“<br />
Leib-Verständnis) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkündigung wirklich vermittelt<br />
wird. Geschähe dies nicht, dann ergäbe sich ver-<br />
mutlich die Gefahr einer massiven neuen „Spiritualisierung“,<br />
dann nämlich, wenn die unzureichen<strong>de</strong> Konzeption<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> „unsterblichen, leiblosen Seele“, statt um <strong>de</strong>n<br />
Gedanken einer verklärten Leiblichkeit im To<strong>de</strong> bereichert<br />
zu wer<strong>de</strong>n, auch noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung auf die <strong>Auferstehung</strong><br />
<strong>de</strong>s „Leibes“ am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeiten beraubt wür<strong>de</strong>. Die katechetische<br />
Arbeit mit diesem gelungenen theologischen<br />
„Mo<strong>de</strong>ll“ ist noch nicht geleistet, sie ist auf weite Strecken<br />
noch gar nicht in Angriff genommen!<br />
39. Achten Sie bitte auf diese Zusammenfassung. Ich wer<strong>de</strong> aber in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Klausur nicht danach fragen.<br />
40. Was ist ein „verklärter“ Leib?