der ganze Artikel im PDF Format - Hinterland Magazin
der ganze Artikel im PDF Format - Hinterland Magazin
der ganze Artikel im PDF Format - Hinterland Magazin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
stadt. land. wohnen<br />
gelegenen Tresen einer Autovermietung ab. Zwischen<br />
die zwei Bänke waren die Decken ausgelegt<br />
worden - das neue „Bett“. Zwei Gepäckwagen dienten<br />
als vierte „Wand“, die uns vor den Blicken<br />
schützten, die von draußen durch das Fenster<br />
kamen.<br />
Damit war zumindest ein Hauch von „Privatsphäre“<br />
entstanden, die aber natürlich doch ständig von den<br />
Schlangen von TouristInnen gestört wurde, die sich<br />
alle paar Minuten vor den Fahrstühlen und <strong>der</strong><br />
Autovermietung bildeten. Einige begnügten sich mit<br />
bloßem Anstarren, an<strong>der</strong>e aber sprachen uns auch<br />
direkt an. Und so verbrachten wir einen nicht<br />
unwesentlichen Teil des Tages damit, zahllosen<br />
TouristInnen aus allen Ecken <strong>der</strong> Welt unsere Situation<br />
zu erklären. Ab und zu hatten wir sogar<br />
„Gäste“, zumeist junge Touristen, die aus verschiedensten<br />
Gründen auf dem Flughafen übernachten<br />
mussten. Doch die Lösung eines großen Problems<br />
stand noch aus: Hygiene. Wo sich selbst und die<br />
Kleidung waschen? Nachdem sich das Personal an<br />
uns zu gewöhnen begann, zeigten sie uns schließlich<br />
eine kleine abschließbare Behin<strong>der</strong>tentoilette<br />
mit einem größeren Waschbecken. Dieses musste<br />
dann als Ersatzdusche und Ersatzwaschmaschine<br />
herhalten. Trocknen musste die Kleidung dann auf<br />
den Rücklehnen unserer Sitzbank, während die<br />
Gepäckwagen als Schrank und Bibliothek dienten.<br />
Hin und wie<strong>der</strong> ließen Stewardessen o<strong>der</strong><br />
PilotInnen etwas Flugzeugessen da.<br />
Aber überlebt hätten wir wohl kaum ohne die<br />
Hilfe von FreundInnen, NachbarInnen, KommilitonInnen,<br />
Bekannten und Unbekannten<br />
aus Deutschland. Diese waren es auch, die<br />
uns dabei unterstützten, den rechtlichen<br />
Kampf zu führen. Doch nicht selten waren<br />
wir ganz ohne Vorräte und befanden uns in<br />
einem unfreiwilligen Überlebenstraining<br />
unter widrigsten Umständen. Nur mein Bru<strong>der</strong><br />
hatte es einfacher sich sein Abendbrot zu<br />
verdienen. Die Kunde von seinen Fähigkeiten<br />
<strong>im</strong> Schach hatte bei den FlughafenpolizistInnen<br />
schnell die Runde gemacht und so<br />
weckten sie ihn regelmäßig nach Mitternacht,<br />
um ihn zu einer Partie herauszufor<strong>der</strong>n - mit<br />
Einsatz versteht sich. Einsam um uns herum<br />
wurde es nur an Feiertagen, wenn die Menschen zu<br />
Hause etwa um ihren Weihnachtsbaum saßen o<strong>der</strong><br />
Ostereier bemalten. Unser Leben, o<strong>der</strong> vielmehr<br />
Überleben in <strong>der</strong> Wartehalle sollte nach fast zwei<br />
Jahren ein abruptes Ende nehmen.<br />
Verunsichert und verärgert durch die vielen ReporterInnen,<br />
die über die Illegalisierung berichteten,<br />
die uns wi<strong>der</strong>fahren war und zu unserem bizarren<br />
Leben auf dem Flughafen geführt hatte, entschlossen<br />
sich die rumänischen Behörden, uns mit Gewalt<br />
aus <strong>der</strong> Wartehalle zu „entfernen“. Und dies bei<br />
minus zwanzig Grad, Schneesturm und nachdem<br />
man unsere gesamte Winterkleidung beschlagnahmt<br />
hatte. Als ein Taxifahrer uns für einige Stunden zum<br />
Aufwärmen in sein vor <strong>der</strong> Wartehalle geparktes<br />
Auto einladen wollte, hagelte es für ihn nur Ärger<br />
und Drohungen von <strong>der</strong> Flughafenpolizei. Und so<br />
wurde für diese Nacht die vor <strong>der</strong> Wartehalle liegende<br />
Tiefgarage zu unserem Schlafz<strong>im</strong>mer. Erst am<br />
darauffolgenden Abend schmuggelte uns ein Taxifahrer<br />
in eine kleine Baracke auf dem Flughafengelände.<br />
Hier schliefen wir wie<strong>der</strong> auf dem Boden,<br />
dieses Mal auf einem breiten Holzbrett. Nach einer<br />
Nacht, vertrieb uns die Flughafenpolizei dann aber<br />
auch von hier. Genau genommen nicht nur von<br />
hier, son<strong>der</strong>n vom gesamten Flughafengelände. Die<br />
Kälte trieb uns in die Tankstelle neben dem Flughafengelände.<br />
Auch hier hatten die Angestellten<br />
bereits von unserer Situation erfahren und überließen<br />
uns für die Nachtstunden, während <strong>der</strong> größten<br />
Kälte, einen zwei bis drei Quadratmeter großen, in<br />
Bau befindlichen Raum. Nach wenigen Wochen<br />
jedoch sollte auch das zuende sein.<br />
„Unfreiwilliges Überlebenstraining<br />
unter widrigsten Umständen“<br />
Wir standen nun endgültig auf <strong>der</strong> Straße. Immer<br />
noch klirrend kalt war es und draußen schlafen<br />
konnte nur Erfrieren bedeuten. In einem 24 Stunden-Internetcafé<br />
kauften wir schließlich zwei Abos<br />
(jeweils zwei an einem Computer) und dösten auf<br />
den Stühlen. Tagsüber fielen wir dann buchstäblich<br />
19