Kaiser Maximilians Ehrenpforte - Das Kaisertum auf Papier Der ...
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<strong>Kaiser</strong> <strong>Maximilians</strong> <strong>Ehrenpforte</strong> - <strong>Das</strong> <strong>Kaiser</strong>tum <strong>auf</strong> <strong>Papier</strong><br />
<strong>Der</strong> Hebraist und Kosmograph Sebastian Münster schrieb in seiner 1552<br />
erschienenen Cosmographie zum Kapitel "Wo und wann die Truckerey und<br />
Bücher erfunden" folgendes:<br />
"von dem jar Christi 1440 biß zum jar 1450 ward zu Mentz die edel Kunst der<br />
Truckerey erfunden. Von Mentz kam sie gen Cöln, darnach gen Straßburg,<br />
Basel und darnach gen Venedig. <strong>Der</strong> erst Anfänger und erfinder wird genannt<br />
Johannes Gutenberg zum Jungen, hat zwen andre Mentzische Bürger zu<br />
gehülffen gehabt, Johann Faust und Johann Medimbach. Hatten ihr Kunst in<br />
geheimb und nammen von ihren Dienern ein Eyd, solche niemandt zu<br />
offenbaren. Wann unser Vorfahren vor 1000 oder 1500 jaren diese Kunst hätten<br />
gehabt, was hett sie trefflich Gelehrte und Kunstreiche Männer geben, was<br />
gewaltiger Historien und Geschichten weren in der Gedechtnuß der Menschen<br />
blieben, die nun diesen weg gar in vergeß kommen sind."<br />
Was waren dies im späten 15. Jahrhundert für "Historien und Geschichten", die<br />
im "gedechtnuß" der Menschen bleiben sollten. Und wie sah die politische<br />
Situation im Landes des Erfinders des Buchdrucks - in Deutschland - aus?<br />
<strong>Der</strong> weitaus größte Teil Mitteleuropas, weit über das Territorium der heutigen<br />
Bundesrepublik Deutschland hinausgehend, gehörte im späten Mittelalter zum<br />
"Heiligen Römischen Reich deutscher Nation". Dies aus einer Unzahl von<br />
Herrschaften, Reichsabteien, Grafschaften, Herzogtümern und geistlichen<br />
Gebieten bestehende Gebilde war im Hinblick <strong>auf</strong> seine nationalstaatliche<br />
Sonderung und Sammlung hinter der Entwicklung im übrigen Europa<br />
zurückgeblieben – vor allem im Vergleich zu England, Frankreich und Spanien.<br />
Dennoch unternahmen <strong>Kaiser</strong> und Reichsstände im späten 15. Jahrhundert<br />
mancherlei Anstrengungen, um der Auflösung des korporativen Zusammenhalts<br />
des Reiches entgegenzuwirken und dessen Grenzen festzulegen und zu festigen.<br />
Die Debatten um eine Reichsreform, um Reichssteuern, Reichsregiment und
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Reichsgesetzgebung, bestimmten die Innenpolitik in der Zeit um 1500 und<br />
führten zu Auseinandersetzungen zwischen dem <strong>Kaiser</strong> einerseits und den<br />
Reichsständen, vor allem den Kurfürsten, andererseits.<br />
<strong>Der</strong> Bestand der äußeren Grenzen des Reiches war in der Zeit um 1500 in der<br />
Hauptsache an drei Stellen Veränderungen ausgesetzt oder gefährdet, die auch<br />
in der Folgezeit die Brennpunkte der europäischen Politik sein sollten.<br />
<strong>Das</strong> war zunächst einmal die Südostgrenze des Reiches, die sich einer<br />
zunehmenden Bedrohung durch das osmanische Reich der Türken ausgesetzt<br />
sah. Seit dem Fall von Konstantinopel 1452 nahm der türkische Vormarsch <strong>auf</strong><br />
dem Balkan rasante Züge an und bedrohte neben Ungarn mit den Herzogtümern<br />
Österreich, Steiermark und Kärnten auch Reichsterritorien.<br />
Ein weiterer Konfliktherd lag an der Westgrenze des Reiches, wo im Verl<strong>auf</strong><br />
des 14. und 15. Jahrhunderts das mächtige Burgunderreich entstanden war, das<br />
zwischen Deutschland und Frankreich lag und mit seinen Territorien zu beiden<br />
Nachbarn in einem konfliktbeladenen rechtlichen Verhältnis stand. Mit dem Tod<br />
des letzten Burgunderherzogs Karl der Kühne 1477 begann hier die<br />
Auseinandersetzung um das burgundische Erbe zwischen Deutschland und<br />
Frankreich.<br />
<strong>Der</strong> dritte Konfliktherd lag an der Südgrenze des Reiches und betraf vor allem<br />
die Schweizer Eidgenossenschaft, die sich am Ende des 15. Jahrhunderts<br />
endgültig darum bemühte, aus dem Reichsverband auszuscheiden, was in<br />
mehreren blutigen Kriegen gelang, die den gesamten Südwesten des Reiches in<br />
Mitleidenschaft gezogen hatten. Hinzu kamen Kriege in Oberitalien, wo die<br />
alten Ansprüche des Reiches einerseits von den italienischen Staaten selbst,<br />
andererseits von den französischen Königen in Frage gestellt wurden.<br />
Im Zentrum all dessen stand ein Mann, um den es hier vor allem gegen soll, um<br />
den seit 1493 allein regierenden <strong>Kaiser</strong> Maximilian aus dem Hause Habsburg.<br />
Dieser zu seinen Lebzeiten vielleicht populärste deutsche <strong>Kaiser</strong> überhaupt war<br />
ein Mann, der an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert moderne mit
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althergebrachten Zügen vereinte. (darin vielleicht vergleichbar mit Wilhelm II.)<br />
Politische Rationalität, moderne Herrschaftspraxis und militärischer<br />
Sachverstand waren bei ihm gepaart mit einer reaktionären Vorliebe für<br />
imperiale Expansion und die Wiedererweckung längst obsoleter<br />
Rechtsansprüche. Er war Vater der damals militärisch hochmodernen<br />
Landsknechte und zugleich auch der letzte Ritter, der eine Vorliebe für<br />
Turnierspiele hatte, wie sie das Mittelalter kannte.<br />
Maximilian hat seine eigenen österreichischen Erbländer modernisiert und<br />
reorganisiert, um deren Ressourcen besser nutzen zu können. Er hat im Rahmen<br />
der Reichsreform die Ansprüche des <strong>Kaiser</strong>tums wahren können und ist zugleich<br />
den Vorstellungen der Reichsstände entgegengekommen, was dem Reich ein<br />
Minimum an moderner Staatlichkeit für die Zukunft brachte. Vor allem hat er<br />
durch seine Heirat mit Maria von Burgund, der Tochter Karls des Kühnen, den<br />
wertvollsten Teil des burgundischen Erbes, die burgundischen Niederlande mit<br />
Flandern und Brabant, dauerhaft an das Haus Habsburg gebracht. Er hat die<br />
dynastische Verbindung seiner Familie mit Spanien geknüpft und damit die<br />
Fundamente für das Weltreich Karls V., seines Enkels, gelegt, in dem “die<br />
Sonne nicht unterging.” Vollständig gescheitert ist er in Italien, wo er als erster<br />
<strong>Kaiser</strong> seit dem frühen 14. Jahrhundert wieder eine aktive Reichspolitik<br />
betreiben wollte, in dem er die alten Reichslehen, insbesondere das mächtige<br />
und reiche Herzogtum Mailand, wiederzugewinnen und zu verteidigen<br />
versuchte.<br />
<strong>Kaiser</strong> Maximilian hatte ein unstetes, ja fast abenteuerliches Leben geführt. Er<br />
hat viel erreicht, doch fast ebensoviel auch wieder verloren und noch viel mehr<br />
geplant.<br />
Die meisten seiner Pläne fanden ein ähnliches Schicksal: traten Hindernisse <strong>auf</strong>,<br />
stockte das ganze Unternehmen und blieb für immer liegen, während sich der<br />
<strong>Kaiser</strong> längst neuen Projekten zugewandt hatte.
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Zu den Dingen, denen er sich mit einer gewissen Beharrlichkeit gewidmet hat,<br />
gehört die Pflege seines "gedächtnuses", um ein Wort aus seinem eigenen<br />
Sprachgebrauch und aus dem Sprachgebrauch seiner Zeit zu verwenden. Es<br />
meint in diesem Zusammenhang, das Bild seiner Person durch die Darstellung<br />
der eigenen Taten für die Nachwelt festzulegen. "...wer...in seinem leben kain<br />
gedachtnus macht der hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben<br />
menschen wird mit dem glockendon vergessen ..." (autobiographischer Roman<br />
“Weisskunig”).<br />
Durch Unternehmungen literarischer und künstlerischer Art versuchte er, dieses<br />
'Gedächtnus' zu erreichen. Maximilian bediente sich ästhetisch geformter Dinge,<br />
um seinen politischen Ideen Gestalt zu verleihen und um sie zu verbreiten,<br />
wobei der Inhalt immer wichtiger erschien als die künstlerische Form, in der er<br />
verwirklicht wurde. Johannes Stabius, der kaiserliche Hofhistoriograph, hatte<br />
die Aufgabe übernommen, diese umfangreichen Unternehmungen zu<br />
koordinieren. Einige Zeit nach des <strong>Kaiser</strong>s Tod im Jahre 1519 wandte sich<br />
Stabius an Karl V., den Enkel und Nachfolger <strong>Maximilians</strong>, und legte die lange<br />
Liste der Projekte vor, die der Pflege des kaiserlichen "Gedächtnuses" dienen<br />
sollten. Er begehrte Auskunft darüber, wie nun weiter zu verfahren sei, denn die<br />
meisten dieser Arbeiten waren noch nicht abgeschlossen. Ein Vorhaben hob<br />
Stabius besonders hervor und nannte es an erster Stelle, weil es bereits<br />
abgeschlossen war und weil es "genau nach den Anweisungen" des verstorbenen<br />
<strong>Kaiser</strong>s ausgeführt worden sei. Er meinte die <strong>Ehrenpforte</strong>.<br />
Was ist nun unter diesem Projekt, das dem <strong>Kaiser</strong> so am Herzen gelegen hatte,<br />
und das er, Stabius, "secundum ordinationem" des <strong>Kaiser</strong>s, wie er schrieb,<br />
durchgeführt hatte, zu verstehen und was hatte Maximilian genau damit zu tun?<br />
Die <strong>Ehrenpforte</strong> ist nicht etwa ein architektonisches Monument, sondern sie ist<br />
aus <strong>Papier</strong>. Eine Realisierung als Bauwerk war nie geplant und wohl auch nicht<br />
möglich. Sie ist eine monströse Schauwand; ein Riesenholzschnitt, der sich aus
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einzelnen Blättern zusammensetzt. Einige technische Daten: Die <strong>Ehrenpforte</strong><br />
besteht aus 192 Druckstöcken; zusammengesetzt ergeben die Blätter eine Höhe<br />
von etwa dreieinhalb und eine Breite von fast drei Metern. Die Pforte erhebt sich<br />
über einem erklärenden Schriftband <strong>auf</strong> einem Sockel. Drei Tore gewähren<br />
Durchlaß. Wie das gesamte Bauwerk staffeln sich die Tore in ihrer Höhe zur<br />
Mitte hin. Über dem mittleren Bogen, der "Porten der eeren und der Macht",<br />
steht ein von einer welschen Haube bekrönter Turm, während die seitlichen<br />
Durchgänge, die "Porten des lobs" links und die "Porten des adels" rechts von<br />
Giebeln überfangen werden, die mit kreisförmigen Gebilden abschließen. Auf<br />
Postamenten stehende Säulen gliedern die Architektur kraftvoll in der<br />
Vertikalen und geben gleichzeitig räumliche Tiefe, während die horizontale<br />
Gliederung nur schwach wahrzunehmen ist. Als seitliche Begrenzungen sind<br />
Rundtürme angefügt. Die architektonische Struktur wird verunklärt durch eine<br />
Fülle von bildlichen Darstellungen, die durch Verse erläutert fast die gesamte<br />
Oberfläche der Pforte bedecken. Wie kein anderes Auftragswerk <strong>Maximilians</strong><br />
vereinen diese Darstellungen alle Aspekte seiner Gedankenwelt. Die meisten<br />
Themen der anderen literarischen Projekte finden sich hier wieder: die<br />
Genealogie seines fürstlichen Hauses, die überhöhte Schilderung der eigenen<br />
politischen, militärischen und frommen Taten, die Darstellung einer eigens zu<br />
diesem Zweck entwickelten Symbolik. Über dem mittleren Tor sind ausgehend<br />
von den Gestalten der Francia, Sigambria und Troja, beginnend mit Chlodwig,<br />
die Ahnen <strong>Maximilians</strong> abgebildet. An der Spitze des Stammbaumes thront er<br />
selbst, von seiner Familie umgeben. Flankiert wird der Stammbaum einerseits<br />
von den Wappen der österreichischen, anderseits der burgundisch-spanischen<br />
Besitzungen des Hauses Habsburg. Über den beiden Seitenpforten sind die<br />
wichtigsten kriegerischen Erfolge und dynastischen Ereignisse dargestellt.<br />
Umgeben werden die Szenen von den Porträts der römischen <strong>Kaiser</strong>, von Julius<br />
Cäsar bis <strong>Kaiser</strong> Siegmund, und der vornehmen Verwandtschaft <strong>Maximilians</strong>,<br />
beginnend mit europäischen Monarchen der Zeit bis hin zu Grafen aus dem
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Reich, jeweils unter Angabe des Verwandtschaftsgrades. Auf den Seitentürmen<br />
schließlich finden sich Szenen aus dem Privatleben des <strong>Kaiser</strong>s. Hier werden<br />
Taten dargestellt, die Maximilian über die gewonnenen Schlachten hinaus zum<br />
vorbildlichen Herrscher qualifizieren: Maximilian als Jäger, als Turnierritter, als<br />
Geschützmeister, als zukünftiger Kreuzfahrer und als frommer Christ. An der<br />
bekrönenden Kuppel ist der <strong>Kaiser</strong> ein weiteres Mal, hier unter einer Ädikula,<br />
abgebildet und diesmal inmitten von Symbolen, die der Hieroglyphica des<br />
Horus Apollo entnommen sind und die in verschlüsselter, pseudo-ägyptischer<br />
Form seine Herrschertugenden preisen. Außerdem ist die gesamte Architektur<br />
von Ornamenten, mythologischen Gestalten, Herrschaftsinsignien und -<br />
symbolen überzogen, so daß kaum ein Platz frei bleibt. Stabius hat einige dieser<br />
fast schon barock anmutenden Embleme in seiner descriptio am Fuße der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> erläutert. Doch er schreibt selbst "...Auch sein noch...vill annder<br />
getzerden, davon vil zu schreiben were, die ein yeder beseher selbs auslegen und<br />
interpretieren mag, die ich von kurtz wegen ytz unterlasse."<br />
Die komplizierte Entstehungs- und Planungsgeschichte der EP muß hier nicht<br />
im einzelnen referiert werden. Nur soviel: <strong>Das</strong> Datum 1515 <strong>auf</strong> dem Sockel der<br />
Seitentürme nennt nicht das Jahr der Fertigstellung, sondern bezieht sich <strong>auf</strong> das<br />
Ende der Vorbereitungen, also gewissermaßen <strong>auf</strong> die Grundsteinlegung. Erst<br />
1518 lag eine gedruckte Fassung vor, die den Ansprüchen des <strong>Kaiser</strong>s genügte.<br />
Maximilian selbst hat sich etwa seit 1505 mit den Plänen einer <strong>Ehrenpforte</strong><br />
befaßt. Die anderen beteiligten Personen sind durch ihre Wappen <strong>auf</strong> dem<br />
Sockel der Pforte kenntlich gemacht: Johannes Stabius, Jörg Kölderer und<br />
Albrecht Dürer. Seit 1507 war der Humanist Johannes Stabius für Maximilian<br />
als Historiograph tätig. Von ihm stammt das literarische und vor allem das<br />
genealogische Programm der Pforte. Die erste Fixierung des Bildgedankens der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> erfolgte von 1507 bis 1511 in zeichnerischer Form durch den<br />
Innsbrucker Hofmaler Jörg Kölderer. Im Februar 1512 weilte Maximilian für<br />
einige Tage in Nürnberg. Durch Vermittlung Willibald Pirckheimers be<strong>auf</strong>tragte
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er Albrecht Dürer mit der Umsetzung der gezeichneten Vorlage Kölderers in<br />
den Holzschnitt.<br />
Im folgenden soll versucht werden, durch die Herleitung der Formen den Anteil<br />
der einzelnen Beteiligten näher zu bestimmen.<br />
Maximilian selbst hat das Projekt in ungewöhnlich engagierter Weise verfolgt<br />
und vorangetrieben. Eingedenk seines Anspruchs, auch in den Künsten der Erste<br />
zu sein, hat er sich mehr als andere Auftraggeber seiner Zeit immer wieder in<br />
Detailfragen der <strong>Ehrenpforte</strong> eingemischt. Als Maximilian im Jahr 1517 die<br />
ersten Abzüge der <strong>Ehrenpforte</strong> vorgelegt bekam, waren diese nicht nach seinen<br />
Vorstellungen ausgefallen. Er sandte ein wütendes Schreiben an Stabius, aus<br />
dem ich hier zitieren möchte, weil es deutlich das Engagement des <strong>Kaiser</strong>s zeigt:<br />
Maximilian schreibt am 5. Juni 1517 an Stabius: "Wir haben die Ernporten und<br />
dabey dein Schreiben...emphangen; und so wir die bemelt Eernporten gesehen<br />
und dar<strong>auf</strong> dein schreiben vernomen, haben wir befunden, daz solhe eernporten,<br />
inhalt unseres bevelhs und nach dem Exemplar das du bey deinen handen hast<br />
und darnach du dich richten solltest, nit gestellt ist, daz uns gantz mißfelt; sein<br />
auch an diser arbait gedachter Eernporten nit zufriden, und sein dar<strong>auf</strong> der<br />
maynung dich derohalben selbs zu uns zuerfordern, damit wir genugsamlich mit<br />
dir davon reden und dir lauter underricht, damit du ferrer nit fälen mugest, geben<br />
mugen. Und ist demnach unser ernstlicher bevelh, daz du mit der arbait<br />
obberurter Eernporten stillsteest und unser weitern beschaids und erforderung<br />
gewartest und dich dermassen schickhest, wann wir dich erfordern, daz du dich<br />
von stund an erhebest und zu uns kumest...So wellen wir dir alsdann antzaigen,<br />
was uns daran manglt und wie wir dieselbig zu fertigen vermainen. <strong>Das</strong> ist unser<br />
ernstliche mahnung."<br />
<strong>Maximilians</strong> Brief zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, wie ernst er seine Rolle<br />
als Auftraggeber nahm und wie vernehmlich er die Verbindlichkeit eines einmal
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gefaßten Plans einforderte. Maximilian erweist sich hier als anspruchsvoller und<br />
emotional beteiligter Auftraggeber. Doch insistierte er dabei nicht nur <strong>auf</strong><br />
Kleinigkeiten, sondern verfolgte sein ureigenes Projekt.<br />
Nicht nur um Details hat sich Maximilian gekümmert. Die Idee, einen<br />
Triumphbogen zu errichten, wenn auch nur aus <strong>Papier</strong>, stammt von ihm selbst.<br />
Anregungen gaben ihm die tatsächlich ausgeführten <strong>Ehrenpforte</strong>n, denen<br />
Maximilian in Italien begegnet war. <strong>Ehrenpforte</strong>n gehören zur ephemeren<br />
Festarchitektur, die zu bestimmten Anlässen errichtet und danach wieder<br />
abgetragen wurde. <strong>Der</strong>en Vorbild wiederum waren die antiken Triumphbögen,<br />
die aber im Gegensatz dazu alles andere als ephemer waren, denn sie wurden<br />
aus Marmor gebaut und stehen bekanntlich noch heute an vielen Plätzen des<br />
römischen Imperiums. Triumphbögen entstanden im republikanischen Rom und<br />
fanden ihre feste Gestalt in der Zeit des Augustus. <strong>Das</strong> Reallexikon der<br />
Klassischen Altertumswissenschaften definiert sie als "Statuen tragende Bögen,<br />
die einer Person (in den meisten Fällen dem <strong>Kaiser</strong>) von einer dritten oder von<br />
einer Körperschaft zum Dank für eine Wohltat oder dem Gedächtnis an ein<br />
Ereignis von besonderer Tragweite errichtet wurden." Zu einem Triumphbogen<br />
gehört ein Triumphzug. <strong>Der</strong> Triumph war die Siegesfeier des römischen<br />
Imperators. Dem siegreichen Feldherrn wurde vom Senat der feierliche Einzug<br />
nach Rom gewährt. Römische Triumphbögen gab es mit einem oder mit drei<br />
Toren. Zu den übereinstimmenden Merkmalen gehören die vertikale Gliederung<br />
durch vorgelagerte Säulen und die horizontale Gliederung durch ein Gesims, <strong>auf</strong><br />
dem sich eine zur Aufnahme des Reliefprogramms eingerichtete Attikazone<br />
befand, <strong>auf</strong> der wiederum Statuen standen.<br />
Nach den Worten des Stabius <strong>auf</strong> der descriptio zu Füßen der maximilianischen<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> sei auch dieses Monument errichtet worden "in der gestalt wie vor<br />
alten zeiten die Arcus triumphales den Romischen <strong>Kaiser</strong>n in der stat Rom, der<br />
etlich zerbrochen sein und etlich noch gesehen werden".
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Doch tatsächlich ist diese <strong>Ehrenpforte</strong> in ihrer Gestalt weit entfernt von den<br />
römischen Triumphbögen. Vergleichbar sind allenfalls die drei Tore und die<br />
vorgelagerten Säulen, die sich ähnlich beim Konstantinsbogen finden, den der<br />
römische Senat für <strong>Kaiser</strong> Konstantin im Jahre 315 errichtet hatte. Es fehlen die<br />
horizontalen Gliederungselemente wie auch die Attika, denn die<br />
maximilianischen Säulen tragen Statuengehäuse und Greifen, aber kein Gesims.<br />
Auch gibt es kein bekrönendes Statuenprogramm.<br />
Um mit Erwin Panofskys Worten zu sprechen "Im Aufbau unterscheidet sich die<br />
EP von einem klassischen Triumphbogen etwa in dem Grade wie das<br />
Heidelberger Schloß von dem Diokletianspalast in Spalato."<br />
Doch was wußte man in Deutschland um 1500 von römischen Triumphbögen?<br />
In Italien war die Tradition der römischen Triumphzüge und -bögen nie ganz in<br />
Vergessenheit geraten; ich erinnere an das Capuaner Brückentor Friedrichs II.<br />
aus dem 13. Jahrhundert. Bereits gegen Ende des 14. Jahrhunderts hatte unter<br />
dem Einfluß des frühen Humanismus eine Aufwertung des klassischen<br />
Triumphzuges stattgefunden. <strong>Der</strong> Festzug selbst war zu einem äußerst<br />
symbolträchtigen Ausdrucksmittel geworden. Die Entwicklung war um 1500<br />
soweit fortgeschritten, daß quasi archäologisch korrekt antike Züge nachgestellt<br />
wurden. Zu diesen Triumphzügen gehörten auch Bögen als ephemere<br />
Festarchitektur, deren Bau von namhaften Architekten übernommen wurde und<br />
deren Entwicklung im Einklang mit der übrigen Profanarchitektur verlief. Um<br />
die Mitte des 15. Jahrhunderts findet eine neues Verständnis für die römischantike<br />
Architektur erste eigenständige Verwirklichung in der italienischen<br />
Baukunst. Die Auseinandersetzung mit der Antike findet besonders in Gestalt<br />
des Triumphbogens statt, der sich in vielerlei Hinsicht, als Torfront, als<br />
Kirchenfassade oder als Grabmal verwenden läßt. An ihm wird die<br />
Wiederbelebung antiker B<strong>auf</strong>ormen deutlich. Ein Beispiel dafür ist die Fassade<br />
der Kirche S.Andrea in Mantua, die Leone Battista Alberti gegen 1472
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begonnen hatte. Den entscheidenden Schritt zu einer methodischen Erschließung<br />
der römischen Wandarchitektur unternahm Alberti in seinem Traktat "10 Bücher<br />
über Baukunst", mit dem er gleichsam das theoretische Fundament zur<br />
Gestaltung von Außenfronten nach Vorbildern der Antike legte, und das so<br />
etwas wie ein Bestseller der Renaissance werden sollte. Seine eigenen<br />
Kirchenfassaden greifen <strong>auf</strong> Gliederungssysteme des römischen Triumphbogens<br />
zurück. Auch in Roberto Valturios kriegswissenschaftlichem Traktat "De Re<br />
Militari" findet sich eine längere Abhandlung über Triumphbögen mit genauen<br />
Maß- und Proportionsangaben. All diese Texte und mit ihnen die meisten<br />
klassischen wie Livius und Plutarch lagen um 1485 gedruckt vor. Es ist<br />
wahrscheinlich, daß auch Maximilian, dem ein waches Interesse für militärische<br />
Dinge nachgesagt werden kann, diese Schriften kannte.<br />
Außerdem hatte er mehrfach Triumphzüge und <strong>Ehrenpforte</strong>n in Italien gesehen,<br />
deren Aussehen allerdings nicht bekannt ist. Bei der Hochzeit <strong>Maximilians</strong> mit<br />
seiner zweiten Frau, Bianca Maria Sforza, der Erbin des Herzogtums Mailand,<br />
wurde 1493 im Dom zu Mailand ein Triumphbogen errichtet. Standbilder<br />
Francesco Sforzas und <strong>Maximilians</strong> sowie Wappen, Devisen, antike<br />
Darstellungen und reiche Ornamente waren dort gemalt zu sehen. Eine weitere<br />
nachweisbare Begegnung mit einer <strong>Ehrenpforte</strong> hatte Maximilian 1496 bei<br />
seinem ersten Italienzug. Bei der Rückkehr von seinem Feldzug gegen Pisa hatte<br />
Ludovico Sforza ihm in Mailand <strong>auf</strong> der Piazza del Castello einen Ehrenbogen<br />
nach Entwürfen von Leonardo da Vinci errichten lassen. <strong>Das</strong> Aussehen dieses<br />
Bogens ist unbekannt. Die Quellen sprechen davon, daß es ein "eminentissimo<br />
arco trionfale al rito romano" gewesen sei.<br />
Maximilian war zudem mit Herzog Francesco Gonzaga von Mantua bekannt,<br />
der ihm in Italien mehrfach als Heerführer gedient hatte; er hat wahrscheinlich<br />
in der Mantuaner Residenz die Folge der neuen großen Leinwandbilder mit dem<br />
"Triumphzug Cäsars" kennengelernt, die Andrea Mantegna 1486 für Ludovico<br />
Gonzaga vollendet hatte. <strong>Der</strong> gemalte Triumphbogen dieses Zuges zeigt sehr
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gut, wie weit die Antikenrezeption in Italien in der Zeit schon gediehen war.<br />
Mantegnas Triumphbogen orientierte sich offenbar sehr eng an den<br />
überkommenen Monumenten der Antike wie dem Sergierbogen in Pola aus dem<br />
ersten nachchristlichen Jahrhundert.<br />
Von diesen durch die Antike inspirierten Bögen unterscheidet sich die<br />
maximilianische <strong>Ehrenpforte</strong>n durch ein hinzugefügtes architektonisches<br />
Element: zur Aufnahme der Genealogie in Form eines Stammbaumes und<br />
zweier Wappenreihen ist der Teil über der mittleren Durchfahrt als Turm<br />
eingerichtet. <strong>Das</strong> Turmmotiv ist von hoher ikonographischer Bedeutung. <strong>Der</strong><br />
Turm galt seit jeher als Sinnbild irdischen Ruhms. Die Westwerke<br />
hochmittelalterlicher Kirchen gehören in diesen Zusammenhang und auch die<br />
Geschlechtertürme, die sich italienische Adelige im 12. und 13. Jahrhundert<br />
über ihren Palästen errichteten sowie die zahlreichen nordalpinen Stadttürme<br />
und die Einturmfassaden vieler städtischer Pfarrkirchen. Rathaustürme gelten als<br />
kommunales Würdezeichen und Ausdruck städtischen Selbstbewußtseins, und<br />
auch in der Schloßbaukunst nimmt der Turm als adeliges Standes- und<br />
Repräsentationszeichen eine wichtige Rolle ein. Es gilt als sicher, daß der<br />
Mittelturm der <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>auf</strong> Jörg Kölderer zurückgeht, der den ersten<br />
zeichnerischen Entwurf der Pforte angefertigt hatte. Wappenwände <strong>auf</strong> Türmen<br />
sind in den österreichischen Ländern verbreitet. Um 1453 ist die Wappenwand<br />
an der Georgskirche in der Burg zu Wiener Neustadt entstanden 107<br />
Wappenreliefs gruppieren sich hier an der Hoffront des westlichen Burgtors um<br />
das Standbild des Auftraggebers, <strong>Kaiser</strong> Friedrich III., der Vater <strong>Maximilians</strong>.<br />
Einige Schilde zeigen die Wappen habsburgischer Länder, die meisten sind<br />
indes Phantasiewappen. In Vöcklabruck in Oberösterreich existiert ein<br />
Wappenturm aus dem Jahre 1502. Er ist mit dem Porträt <strong>Maximilians</strong> und den<br />
Wappen seiner Besitzungen geschmückt.<br />
Eine wichtige Vorstufe der <strong>Ehrenpforte</strong> stellt der Wappenturm der Innsbrucker<br />
Hofburg dar. Seine ursprüngliche Gestalt - der Turm ist im 18. Jahrhundert
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einem Umbau zum Opfer gefallen - kann einem Stich aus dem Jahre 1750<br />
entnommen werden. Seine Bemalung mit 54 Wappen der bis dahin<br />
habsburgischen Länder und den Wappen von Maximilian und seiner zweiten<br />
Gemahlin Bianca Sforza war im Jahr 1499 vollendet worden. Zwischen den<br />
Wappenreihen war das Porträt des Malers angebracht, von dem vermutlich der<br />
gesamte Entwurf stammte: Jörg Kölderer.<br />
Über Kölderer ist nicht viel bekannt. Er stammte aus Tirol. Seit 1493 wurde er<br />
von Maximilian beschäftigt, im Jahre 1494 ist er als Hofmaler genannt. Er starb<br />
1540. Anscheinend hat er nie Arbeiten außerhalb Tirols ausgeführt. Kölderer<br />
war Architekt und Maler gleichermaßen, aber offenbar kein besonders<br />
herausragender Künstler und Neuerer. 1501 wurde er als Hofmaler bestellt mit<br />
dem Satz, er sei zuständig für "dasjänig Hofgemäl so nit so gar köstlich ist".<br />
Dem entsprechen alle ihm zugeschriebenen Arbeiten. Er war ein Praktiker und<br />
der richtige Mann, um den sprunghaften Ansprüchen und wechselhaften<br />
Aufgaben <strong>Maximilians</strong> zu entsprechen. Sein Einfluß <strong>auf</strong> die architektonische<br />
Gestalt der <strong>Ehrenpforte</strong> sollte deshalb nicht zu hoch bewertet werden. Er ging<br />
sicherlich nicht über den Entwurf des zentralen Wappenturms hinaus.<br />
Wir haben gesehen, daß nur einzelne Teile der EP <strong>auf</strong> das erklärte Vorbild der<br />
römischen Triumphbögen zurückgehen und daß der Wappenturm von Kölderer<br />
beigesteuert wurde. Woher stammen die gestaffelten Giebel, die den oberen Teil<br />
der Pforte bestimmen? Es ließe sich verweisen <strong>auf</strong> Vorbilder aus der profanen<br />
Architektur Nordeuropas. Gestaffelte Giebel finden sich in Deutschland<br />
beispielsweise an spätmittelalterlichen Bürgerhäusern und auch an<br />
repräsentativen Stadttoren. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist das<br />
Lübecker Holstentor, das gegen 1480 vollendet wurde. Doch gibt es an der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> neben Anleihen bei römischen Triumphbögen auch Merkmale, die<br />
<strong>auf</strong> den neuen Stil der Renaissance verweisen. Die ausgeprägten Gesimse, die<br />
eine horizontale Gliederung vornehmen, die Rundgiebel und die Faltkuppeln,
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die ornamentalen Formen mit Balustern, Festons, Putten und Girlanden sind<br />
Merkmale eines neuen Stils, für den es in der Zeit um 1515 in Deutschland noch<br />
keine Anzeichen gibt. Aussichtsreicher erscheint deshalb die Suche im<br />
Ursprungsland der römischen Triumphbögen, in Italien, genauer in der<br />
Architektur der norditalienischen Frührenaissance.<br />
Dort gibt es Bauten des späteren 15. Jahrhunderts, die ähnliche architektonische<br />
Merkmale wie die <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>auf</strong>weisen und die folglich als Vorbild in Frage<br />
kommen. <strong>Das</strong> gilt beispielsweise für die Certosa di Pavia, deren Bau in der<br />
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von der Mailänder Herzogsdynastie der<br />
Sforza vorangetrieben wurde. Mit den Sforza war Maximilian eng verbunden,<br />
seit er 1493 Bianca Maria, die Nichte des Ludovico il Moro, geheiratet hatte.<br />
Möglicherweise kannte er die Certosa auch vom Italienzug des Jahres 1496 her.<br />
Die um 1500 noch unvollendete und in den Formen der lombardischen<br />
Frührenaissance gehaltene Westfassade der Kirche S.Maria delle Grazie ist der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> nicht nur in der Höhenstaffelung zur Mitte hin ähnlich. <strong>Das</strong> Portal<br />
nimmt zudem mit seinen vorgelagerten Säulen ein Triumphbogenmotiv <strong>auf</strong>.<br />
Außerdem finden sich wie an der <strong>Ehrenpforte</strong> halbrunde Giebel über den<br />
Mauerstreifen neben den seitlich abschließenden Flankentürmen sowie ein<br />
umfangreiches, <strong>auf</strong> der gesamten Fassade verteiltes Relief- und<br />
Statuenprogramm.<br />
Doch bessere Vergleichsbeispiele lassen sich finden, wenn das dritte der<br />
Wappen, die am Sockel der <strong>Ehrenpforte</strong> die an der Entstehung beteiligten<br />
Personen bezeichnen, ins Spiel gebracht wird, nämlich das Wappen Albrecht<br />
Dürers.<br />
Durch die Vermittlung Willibald Pirckheimers wurde Dürer 1512 mit der<br />
weiteren Durchführung des maximilianischen Projekts der <strong>Ehrenpforte</strong> betraut.<br />
Diese Aufgabe war nicht nur technischer Natur - die Ausführung und<br />
Umsetzung in Holzschnitte wurde ohnehin vor allem von Dürers Werkstatt<br />
geleistet; <strong>auf</strong> Ausführungen über den jeweiligen Anteil der Werkstattmitarbeiter
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und das Problem der Händescheidung möchte ich hier verzichten. Dürer hat den<br />
Entwurf Kölderers verändert und erweitert. Von ihm stammen das<br />
architektonisches Gerüst und die dekorativen Teile.<br />
Im Gegensatz zu Kölderer wissen wir von Dürer genau, daß er zweimal für<br />
längere Zeit in Italien gewesen ist, nämlich von 1494 bis 1495 und von 1505 bis<br />
1507 in Venedig. Dürer hat sich dort nicht nur mit den Entwicklungen und<br />
Fortschritten der Malerei und Graphik befaßt, sondern er hat auch ein waches<br />
Auge für die Architektur der venezianischen Frührenaissance gehabt, wie seinen<br />
nachgelassenen Zeichnungen zu entnehmen ist. Es existiert eine Skizze des<br />
Hauses, in dem er bei seinem zweiten Aufenthalt 1505 Quartier genommen<br />
hatte. Diesem Haus ist ein Rundbogengiebel <strong>auf</strong>gesetzt. <strong>Das</strong> Motiv des<br />
Rundbogengiebels war, konfigurativ von den Öffnungen der antiken<br />
Triumphbögen abgeleitet, ein entscheidendes Merkmal der venezianischen<br />
Frührenaissance in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Als sogenannter<br />
"welscher Giebel" wird er später auch an frühen deutschen Renaissancebauten<br />
des 16. Jahrhunderts zu finden sein, so ab 1521 an der Stiftskirche in Halle.<br />
Rundbogengiebel zieren auch die <strong>Ehrenpforte</strong>. Doch es finden sich noch weitere<br />
Übereinstimmungen mit venezianischen Bauten.<br />
An der Fassade der Scuola Grande di San Marco, 1495 vollendet, sind die<br />
Giebel wie bei der <strong>Ehrenpforte</strong> zur Mitte hin gestaffelt. Auch hier wird das<br />
Triumphbogenmotiv bei der Portallösung <strong>auf</strong>gegriffen, wie bei der <strong>Ehrenpforte</strong><br />
mit vorgelagerten Säulen und kleinen Rundblenden. Auch ist die Wandfläche<br />
ähnlich gegliedert; es fehlt allerdings die Aufteilung in einzelne Bildfelder.<br />
An einem anderen herausragenden Bau der venezianischen Frührenaissance<br />
finden sich die charakteristischen Faltkuppeln der <strong>Ehrenpforte</strong> wieder, an der<br />
Kirche S.Maria dei Miracoli, die 1489 geweiht wurde. Hier gibt es einen<br />
seitlichen Campanile, dessen Gestalt den Flankentürmen der <strong>Ehrenpforte</strong><br />
ähnlich sieht.
15<br />
Schließlich sei noch <strong>auf</strong> den Uhrturm am Markusplatz verwiesen. <strong>Der</strong> hohe<br />
Torbogen, zwischen 1496 und 1499 errichtet, und die zwischen 1500 und 1506<br />
gebauten Seitenjoche bilden so etwas wie das Stadttor Venedigs, denn damals<br />
wie heute beginnt hinter dem Turm die Merceria, eine der wichtigsten<br />
Geschäftsstraßen der Stadt. Vor der Erweiterung der Seitenjoche im 18.<br />
Jahrhundert wirkte der Uhrturm nicht so stark in die benachbarten Häuser<br />
eingegliedert, sondern eher wie ein Triumphbogen. Den alten Zustand zeigt ein<br />
Gemälde Francesco Guardis, das um 1775 entstanden ist. Doch nicht nur in<br />
funktionaler Hinsicht als Tor und "Auftakt" der Stadt einer <strong>Ehrenpforte</strong><br />
verwandt, hat Dürer hier offensichtlich das Zifferblatt der Uhr übernommen und<br />
über den Seitentoren der <strong>Ehrenpforte</strong> als bloßes Ornament angebracht.<br />
Es entbehrt nicht ganz der Ironie, daß gerade die Architektur Venedigs, der<br />
großen Widersacherin der Italienpolitik <strong>Maximilians</strong>, der <strong>Ehrenpforte</strong><br />
entscheidende Akzente <strong>auf</strong>gesetzt hat.<br />
Aber warum zeigt die <strong>Ehrenpforte</strong> trotz dieser direkten italienischen Bezüge<br />
keine wirklich antiken Formen? Dürer besaß ein Exemplar der<br />
Hypnerotomachia Polyphili, einer illustrierten Altertumsromanze von Francesco<br />
Colonna, die Aldus Manutius 1499 herausgab, und die eine volkstümliche<br />
Manifestation durchaus ernstzunehmender Ergebnisse war, die die<br />
Altertumsforschung im 15. Jahrhundert erbracht hatte. Dort ist eine mit<br />
typischen Elementen römischer Architektur versehene Bogenkonstruktion<br />
abgebildet. Davon findet sich keine Spur <strong>auf</strong> der <strong>Ehrenpforte</strong>. <strong>Der</strong> Grund dafür<br />
liegt in der eigentümlichen Weise, in der Dürer die italienische Kunst<br />
<strong>auf</strong>genommen hatte. <strong>Das</strong> Antike hat Dürer ins Elegante und Zierliche<br />
transponiert. Er hat sich dabei nicht selber um die Antike bemüht, um sie<br />
unmittelbar zu studieren; er hat sie in der Form übernommen, die ihr die<br />
Frührenaissance gegeben hatte. Und so hatten die venezianischen Maler schon<br />
recht, wenn sie Dürer vorwarfen, was er male, "sey nit antigisch art", wie er
16<br />
erbost über seine mißgünstigen venezianischen Kollegen an Pirckheimer<br />
schrieb.<br />
Triumphzüge und Triumphbögen in der Tradition der Antike hat es nördlich der<br />
Alpen im Mittelalter nicht gegeben. Es gab jedoch ähnliche Formen des<br />
feierlichen Einzugs eines Herrschers, die in Frankreich als "joyeuse entrée" und<br />
in den burgundischen Niederlanden als "blijde inkomst" bezeichnet wurden. In<br />
Nordeuropa, wo der feierliche Einzug im 15. Jahrhundert seine umfassendste<br />
Ausprägung erreichte, blieb dieser in der Hauptsache der mittelalterlichen<br />
Tradition verpflichtet. <strong>Der</strong> feierliche Einzug in Frankreich und in den<br />
Niederlanden unterscheidet sich grundsätzlich von einem italienischen<br />
Triumphzug. Im Norden empfingen der Klerus, die Stadtbeamten, Vertreter des<br />
Bürgertums und der Gilden den Herrscher und sein Gefolge am Stadttor und<br />
führten ihn in die Stadt. Die Stadt richtete den Festzug aus, nahezu die gesamte<br />
Bevölkerung war daran beteiligt, wenn es darum ging, Gebäude zu schmücken,<br />
Tore zu illuminieren und vor allem dem Herrscher ein bestimmtes<br />
Schauspielprogramm darzubieten. <strong>Der</strong> Zug von Würdenträgern mit dem<br />
Herrscher in der Mitte hielt beim Umritt an bestimmten Stellen, an denen<br />
Gerüste <strong>auf</strong>gebaut waren. Auf diesen Bühnen waren tableaux vivants - lebende<br />
Bilder - zu sehen, die der Übermittlung von Botschaften an den Herrscher<br />
dienten. Aspekte des Rechtslebens, des wirtschaftlichen, politischen, religiösen<br />
und kulturellen Lebens waren die Themen dieser "lebenden Bilder", die zwar<br />
einem festen Kanon entnommen, aber jeweils <strong>auf</strong> die Person des Herrschers<br />
oder den historischen Anlaß zugeschnitten waren. Als Herzog Philipp der Gute<br />
von Burgund 1458 in Gent einzog, war die Stadt gezwungen, den Herzog milde<br />
zu stimmen, denn einige Jahre zuvor war ein blutiger Aufstandsversuch gegen<br />
ihn gescheitert: <strong>Das</strong> von der Stadt veranstaltete Programm der lebenden Bilder<br />
trug dem Rechnung, denn es stand ganz unter dem Generalthema "Vergeben und
17<br />
Vergessen". Aufgeführt wurde unter anderem das Gleichnis vom verlorenen<br />
Sohn und Julius Cäsar, wie er Gefangene begnadigt.<br />
Sinn dieser Einzug-Programme war es, nach Art eines Fürstenspiegels dem<br />
Herrscher vorzuhalten, was die Stadt von ihm erwartete: <strong>Der</strong> Herrscher soll<br />
Frieden und Gerechtigkeit mittels seiner von Mäßigung und Klugheit geprägten<br />
Stärke bringen. Am Ende der Prozedur legte der Fürst den Eid <strong>auf</strong> die<br />
traditionellen Stadtrechte ab; er garantierte die Privilegien der Bürger.<br />
Beim nordeuropäischen Einzug lag das Hauptgewicht außerhalb des Zuges, bei<br />
den dargebotenen Schauspielen, während der italienische Triumphzug <strong>auf</strong> die<br />
Zuschauer orientiert war, daß heißt seine Hauptbedeutung lag im Festzug selbst,<br />
der an den Zuschauern vorbeidefilierte.<br />
Wie aber lassen sich die Fürsteneinzüge, die es in dieser Form in England,<br />
Frankreich und den burgundischen Niederlanden, nicht aber in Deutschland<br />
gegeben hat, mit der <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Maximilians</strong> in Verbindung bringen? Dürer<br />
selbst scheint mit der Tradition der niederländischen Herrschereinzüge nicht<br />
vertraut gewesen zu sein. <strong>Das</strong> geht jedenfalls aus den Äußerungen im Tagebuch<br />
seiner niederländischen Reise hervor, mit denen er die Vorbereitungen für den<br />
Einzug Karls V. in Antwerpen im Jahre 1520 und die geplanten lebenden Bilder<br />
beschreibt, die er als "kamerspiel" bezeichnete und die von Unverständnis über<br />
das, was da vorgehen soll, zeugen. Offenbar stand ihm nicht einmal ein<br />
passendes Wort in seinem eigenen Sprachschatz dafür zur Verfügung.<br />
Die Verbindung liegt vielmehr in der Person des Auftraggebers Maximilian, der<br />
seit seiner Vermählung mit Maria von Burgund, der Erbin Karls des Kühnen, im<br />
Jahr 1477 Zugang zum burgundisch-niederländischen Kulturkreis hatte. Die<br />
burgundische Hochzeit des Jahres 1477 bedeutete nicht nur einen plötzlichen<br />
Prestigegewinn und einen nachhaltigen Machtzuwachs für das Haus Habsburg,<br />
sie erlaubte auch dem jungen Erzherzog Maximilian persönlich den Wechsel<br />
vom “Frontstaat” Österreich in eines der Zentren der damaligen europäischen<br />
Zivilisation. Jenseits der gefährlichen Kriege mit den Ungarn und den Türken,
18<br />
jenseits der langwierigen Händel mit den deutschen Reichsständen und jenseits<br />
der engen finanziellen Verhältnisse seiner alpenländischen Heimat begegnete er<br />
hier einer Region, die von einer reichen städtischen und höfischen Kultur<br />
zugleich geprägt war. Dieser Kontakt hinterließ bei ihm dauerhafte Spuren.<br />
Mehrfach waren ihm zu Ehren derartige Einzüge veranstaltet worden. So 1477<br />
in Gent anläßlich der Verlobung mit Maria von Burgund, 1486 als römischer<br />
König in fast allen Städten Flanderns und vor allem 1508 wiederum in Gent.<br />
Damals wurden lebende Bilder <strong>auf</strong>geführt, die Häuser und Tore mit Wappen,<br />
Stoffen und Fackeln geschmückt und auch <strong>Ehrenpforte</strong>n errichtet, über deren<br />
Aussehen leider keine Angaben vorliegen.<br />
Im Jahr 1516 hatte Maximilian seiner Tochter Margarethe von Österreich, die<br />
als Statthalterin in den Niederlanden residierte, noch einmal den Entwurf der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> zugeschickt, damit sie ihn, wie er schrieb, "korrigieren, vermehren<br />
oder verkleinern solle, bis er ihr günstig und angemessen erschiene."<br />
Ausdrücklich suchte er den Rat seiner Tochter, damit die <strong>Ehrenpforte</strong> "en belle<br />
et ample form" zum ewigen Ruhm des Hauses Habsburg geriet. Margarethe<br />
fühlte sich als Sachwalterin des burgundischen Erbes und es ist bezeichnend,<br />
daß Maximilian gerade sie um Rat in dieser Angelegenheit anging. Bei ihr<br />
konnte er das Wissen um Tradition und Bedeutung der feierlichen Einzüge in<br />
den Niederlanden und um die Größe des eigenen Hauses voraussetzen.<br />
Welche Motive hat nun die <strong>Ehrenpforte</strong> mit den Dekorationen der<br />
niederländischen Einzüge gemein?<br />
Aus Beschreibungen ist bekannt, daß die Darstellung von Genealogie und<br />
Stammbaum des Fürsten zu den festen Bestandteilen der Einzüge gehörte. Nicht<br />
ungewöhnlich war es, die Abstammung bis nach Troja zurückzuverfolgen. Dies<br />
findet sich auch am Mittelturm der <strong>Ehrenpforte</strong>.<br />
<strong>Der</strong> erste Einzug, über den nicht nur schriftliche Nachrichten vorliegen, ist der,<br />
den die Prinzessin Johanna von Kastilien, die später den Beinamen "die<br />
Wahnsinnige" erhielt, im Dezember 1496 aus Anlaß ihrer Hochzeit mit
19<br />
<strong>Maximilians</strong> Sohn Philipp dem Schönen in Brüssel gehalten hat. Eine<br />
Handschrift mit Federzeichnungen, die Teile des Einzugs wiedergeben, hat sich<br />
im Berliner Kupferstichkabinett erhalten.<br />
Sie ist wohl bald nach dem Ereignis von einem Brüsseler Maler gefertigt worden<br />
und schildert zum einen den Festzug selbst, der aus einer Abfolge verschiedener<br />
Personengruppen bestand. Zum anderen beschreibt die Handschrift ausführlich<br />
die zu Ehren der Prinzessin <strong>auf</strong>gestellten Balkengerüste mit lebenden Bildern.<br />
Drittens zeigt sie die Wappen Spaniens und Habsburg-Burgunds und nahm<br />
damit Bezug <strong>auf</strong> die Hochzeit Johannas mit Philipp dem Schönen, dem Sohn<br />
<strong>Maximilians</strong>, die kurz zuvor stattgefunden hatte. Dieses Ereignis war der Grund<br />
für den festlichen Einzug Johannas in Brüssel, und so nimmt es nicht Wunder,<br />
daß auch die aus diesem Anlaß errichteten lebenden Bilder inhaltlich dar<strong>auf</strong><br />
bezogen waren. Antike und biblische Hochzeitsszenen, erotische Szenen sowie<br />
bedeutende Frauen aus Mythologie und Geschichte waren dabei die wichtigsten<br />
Themen.<br />
In Programm und Dekoration unterschied sich der Brüsseler Einzug von 1496<br />
nicht von den "Joyeuses Entrées", die in den schriftlichen Quellen beschrieben<br />
werden. Auch bei dieser Gelegenheit wurden die Häuser geschmückt und mit<br />
Fackeln illuminiert. Bei mindestens zwei Häusern wurden sogar die Fassaden<br />
vollständig verhängt und dadurch zur Aufnahme des Wappenprogramms<br />
vorbereite. Die beiden entsprechenden Blätter der Berliner Handschrift zeigen<br />
an ihrem oberen Rand nämlich die Dreiecksgiebel mit einbeschriebenen<br />
Dreipaß- oder Kleeblattformen unterhalb der Innenkante des Dachanschlags,<br />
wie sie charakteristisch für die Fassaden flämischer Bürgerhäuser des 15. und<br />
frühen 16. Jahrhunderts waren. Die Giebel waren bei der Dekoration offenbar<br />
sichtbar geblieben und sind deshalb in der Handschrift als Bekrönung der<br />
Wappen zu sehen. Aufgrund ihrer stark hochrechteckigen Form erscheinen diese<br />
Hausfassaden mit ihrem in Kolumnen und Zeilen angeordneten umfangreichen
20<br />
Wappenprogramm sowohl dem Innsbrucker Wappenturm Kölderers als auch<br />
dem Mittelturm der <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>auf</strong>fallend verwandt. Ähnlich dekorierte Häuser<br />
oder Türme können auch Bestandteil des Festschmucks der Einzüge<br />
<strong>Maximilians</strong> gewesen sein. Im Jahr 1477 fanden sie aus Anlaß seiner Verlobung<br />
mit Maria von Burgund statt, einer mit der Hochzeit Johannas mit Philipp<br />
durchaus vergleichbaren Begebenheit. <strong>Maximilians</strong> Einzügen in den Jahren<br />
1486 und 1508 gingen jeweils Rangerhöhungen zum Römischen König bzw.<br />
zum <strong>Kaiser</strong> voraus, deren Veranschaulichung ausgezeichnet mit Hilfe<br />
umfangreicher Wappenprogramme vorgenommen werden konnte. Die aus<br />
Anlaß der festlichen Einzüge mit Wappenfolgen dekorierten flämischen<br />
Bürgerhäuser kommen deshalb ebenso wie der Innsbrucker Wappenturm und<br />
seine österreichischen Pendants als mögliche Vorbilder der <strong>Ehrenpforte</strong> in<br />
Betracht.<br />
<strong>Der</strong> Brüsseler Einzug unterschied sich auch in einem weiteren Bestandteil nicht<br />
von den früheren niederländischen "Entrées", denn auch 1496 wurden wiederum<br />
eigens für diesen Anlaß lebende Bilder <strong>auf</strong> ephemeren Gerüsten zur Schau<br />
gestellt. Den aquarellierten Federzeichnungen der Berliner Handschrift sind<br />
nicht nur inhaltliche Einzelheiten ihres Programms zu entnehmen, sondern auch<br />
die Beschaffenheit ihres technischen Aufbaus. Er ist besonders gut zu erkennen<br />
an einem Gerüst, das die bisher ungedeutet gebliebene Szene "Tres virgines"<br />
<strong>auf</strong>nahm. Den Unterbau bildete eine einfache und offenbar roh gezimmerte<br />
Balkenkonstruktion, die anscheinend so hoch <strong>auf</strong>gestellt war, daß sie<br />
unterschritten werden konnte. Kopfbänder verstärkten die Ständer am oberen<br />
Ende und stützten die Bühnenbretter. <strong>Der</strong> eigentliche Bühnenraum schloß mit<br />
einem Baldachin ab, der mit Fransen verziert war. An den Bühnen waren<br />
lateinische Tituli mit den Bezeichnungen der entsprechenden Szenen<br />
angebracht. Seitlichen Vorhänge konnten das Dargestellte verhüllen;<br />
wahrscheinlich wurden sie erst bei der Ankunft des Einziehenden am jeweiligen<br />
Gerüst geöffnet.
21<br />
In einigen Fällen boten die Gerüste nicht nur einem lebenden Bild Platz, sondern<br />
gleich mehreren Szenen nebeneinander, ja sogar übereinander. Eine Miniatur<br />
der Berliner Handschrift zeigt ein Gerüst mit Bildern zum alttestamentlichen<br />
Bericht über die Verlobung Isaaks mit Rebekk. Gleich drei Bühnenbilder sind<br />
hier parallel <strong>auf</strong> einem einzigen Gerüst angeordnet. In der mittleren Szene erteilt<br />
Abraham Eliezer den Auftrag zur Brautwerbung, die beiden seitlichen schildern<br />
die Begegnung und die Vermählung Isaaks und Rebekkas. Über der mittleren ist<br />
zudem eine etwas kleinere Darstellung der Dreifaltigkeit angeordnet. Die<br />
Szenen wurden überfangen von drei Wimpergen, die in ihrer Höhe zur Mitte hin<br />
gestaffelt und mit Maßwerkformen sowie Sonnensymbolen gefüllt und mit<br />
Kerzen illuminiert waren. Im dreiteiligen Aufbau und vor allem im zur Mitte<br />
gestuften Umriß ergibt sich eine deutliche Übereinstimmung zur Gestalt der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Maximilians</strong>.<br />
Doch erschöpfen sich damit die Analogien zwischen der Aufführungspraxis der<br />
lebenden Bilder und einzelnen Teilen der <strong>Ehrenpforte</strong> noch nicht. <strong>Der</strong>en Fassade<br />
ist <strong>auf</strong> den Wandstreifen, die den Mittelturm flankieren, und <strong>auf</strong> den<br />
Rundtürmen, die das Bauwerk zu den Seiten hin abschließen, mit einer Unzahl<br />
von bildlichen Darstellungen übersäht. Nun waren aber auch die erklärten<br />
Vorbilder der <strong>Ehrenpforte</strong>, die "arcus triumphales der romischen kaiser in der<br />
stat Rom" – wie Johannes Stabius sie nannte - , durch ihre Relieffelder mit<br />
Darstellungen aus dem Leben des Triumphators oder bedeutender politischer<br />
Ereignisse Träger eines spezifischen Bildprogramms. Doch waren<br />
höchstwahrscheinlich auch in dieser Hinsicht nicht die römischen<br />
Triumphbögen das eigentliche Vorbild, denn Johannes Stabius verwendete in<br />
seinem erklärenden Text am Fuße der <strong>Ehrenpforte</strong> stets das Wort "stellagia",<br />
wenn er <strong>auf</strong> die "materien" der Bildfelder zu sprechen kam. "Stellagium" ist<br />
keine lateinische Vokabel, sondern die Latinisierung des französischniederländischen<br />
Mischwortes "stellagie" oder "stellage", dessen Verwendung<br />
schon im 15. Jahrhundert in den Niederlanden nachweisbar ist, erst im Verl<strong>auf</strong>
22<br />
des folgenden Jahrhunderts ins Deutsche drang und ein "transportables,<br />
provisorisches Gerüst" meinte. Es wurde in den spätmittelalterlichen<br />
Niederlanden aber vor allem als Bezeichnung für ephemere Bühnengerüste<br />
verwendet, <strong>auf</strong> denen Einzelbühnen mit Darstellungen lebender Bilder sowohl<br />
nebeneinander als auch übereinander angeordnet werden konnten. <strong>Der</strong> Gebrauch<br />
dieses niederländischen terminus technicus' aus der Welt des Theaters durch den<br />
österreichischen Humanisten Johannes Stabius zeigt, daß offenbar eine<br />
Verbindung zwischen den Inszenierungsformen lebender Bilder <strong>auf</strong> größeren<br />
Gerüsten und den Bildfeldern der <strong>Ehrenpforte</strong> bestand. Die Kombination<br />
verschiedener "stellagien" und damit mehrerer Darstellungen neben- und<br />
übereinander, wie sie als Bestandteile der "Joyeuses Entrées" nur in den<br />
burgundischen Niederlanden zu sehen gewesen sind, hat der Bilderstruktur der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> Pate gestanden. Die <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Maximilians</strong> kann demnach als ein<br />
riesiges "stellagium" für "materien" begriffen werden, das verschiedene Szenen<br />
eines gemeinsamen Programms simultan präsentierte. Die Tatsache, daß die<br />
lebenden Bilder auch <strong>auf</strong> Bühnen Platz fanden, die so hoch <strong>auf</strong>gebaut waren,<br />
daß sie von den Betrachtern auch unterschritten werden konnten, macht die<br />
Verbindung um so deutlicher.<br />
<strong>Der</strong> Vergleich der Komposition einzelner Bildfelder der <strong>Ehrenpforte</strong> mit den<br />
lebenden Bildern vom Brüsseler Einzug des Jahres 1496 offenbart weitere<br />
Gemeinsamkeiten. Die Schlacht- und Belagerungsszenen der Pforte scheiden für<br />
diese Gegenüberstellung selbstverständlich aus, denn ihr Personal hätte die<br />
Aufnahmekapazität jeder ephemeren Bühne gesprengt, doch kann ein Bildfeld<br />
der Pforte wie "Kongreß und Doppelverlobung in Wien" durchaus dem lebenden<br />
Bild "Salomon empfängt die Tochter des Pharaos” vom Einzug<br />
gegenübergestellt werden. In beiden Szenen verharren die Darsteller in der<br />
gleichen Statuarik; beide sind in Komposition, Gestik und Blickrichtungen <strong>auf</strong>
23<br />
die Mitte ausgerichtet; beide lassen ein historisches Ereignis gleichsam zur<br />
Moment<strong>auf</strong>nahme erstarren.<br />
<strong>Der</strong> nächste Einzug, von dem eine bildliche Überlieferung existiert, fand im Jahr<br />
1515 in Brügge statt, also etwa zeitgleich mit der Entstehung der <strong>Ehrenpforte</strong>.<br />
Damals wurde der spätere <strong>Kaiser</strong> Karl V. als Graf von Flandern willkommen<br />
geheißen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorbereitungen für die Gestaltung der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Maximilians</strong> bereits weitgehend abgeschlossen. <strong>Das</strong> Brügger<br />
Dekorationsprogramm kann demnach keinen Einfluß mehr dar<strong>auf</strong> genommen<br />
haben, doch vermittelt es eine anschauliche Vorstellung davon, was in dieser<br />
Zeit in den Niederlanden bei einer derartigen Gelegenheit üblich gewesen ist.<br />
Eine Beschreibung des feierlichen Einzugs, den der junge Karl V. als<br />
Thronfolger am 18. April 1515 in Brügge gehalten hat, existiert aus der Hand<br />
des Hofhistoriographen Remy du Puys, also des Nachfolgers von Stabius. Diese<br />
Beschreibung liegt in zwei Fassungen vor: einmal als kunstvolle Handschrift mit<br />
flämischer Buchmalerei und außerdem als Druck mit eher unbeholfenen<br />
Holzschnitten, der für eine weite Verbreitung gedacht war. Es ist eine<br />
detaillierte Beschreibung des Empfangs des Prinzen durch die Bürgerschaft, der<br />
zu diesem Zweck vorgenommenen Dekorationen, der errichteten <strong>Ehrenpforte</strong>n,<br />
Brunnen und lebenden Bilder. Die Themen der allegorischen Darstellungen<br />
waren auch hier Herrschertugenden und Szenen der Stadtgeschichte. Wie bei<br />
vielen früheren Einzügen wurden hier zunächst die Stadttore mit Wappen und<br />
Fackeln festlich geschmückt. Bei diesem Umzug existierten aber auch ephemere<br />
<strong>Ehrenpforte</strong>n, die der Beschreibung des Remy du Puys zufolge im römischen<br />
Stil errichtet worden sein sollen, tatsächlich aber nur wenig damit zu tun haben.<br />
Eine andere <strong>Ehrenpforte</strong>, die die in Brügge vertretenen K<strong>auf</strong>leute der<br />
kastilischen Nation errichtet hatten, orientierte sich an den vorhandenen<br />
Stadttoren. Auch diese ephemere Architektur trägt Wappenschmuck, was sie mit<br />
der maximilianischen <strong>Ehrenpforte</strong> gemein hat. Die Brügger Hansek<strong>auf</strong>leute
24<br />
steuerten dem Einzug auch ein Bild ihrer Wahl bei: eine Darstellung des <strong>Kaiser</strong>s<br />
mit Wappen und umgeben von den sieben Kurfürsten. Dieses Bild ist einem Tor<br />
<strong>auf</strong>gesetzt, es kann also unterschritten werden. Waren die lebenden Bilder des<br />
Einzuges von 1494 nur <strong>auf</strong> hohen Gerüsten postiert, so wurde 1515 die<br />
Verbindung mit einem ephemeren Tor, mit einer <strong>Ehrenpforte</strong> gefunden. In der<br />
Kombination von Tor, lebendem Bild, <strong>Kaiser</strong> an der Spitze und Wappen ist es<br />
der maximilianischen <strong>Ehrenpforte</strong> eng verwandt. Weitere Gemeinsamkeiten<br />
ließen sich in der Komposition der Einzelszenen von <strong>Ehrenpforte</strong> und Einzug<br />
finden.<br />
Schluß:<br />
Die <strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Kaiser</strong> <strong>Maximilians</strong> war sicherlich durch Triumphzüge nach<br />
römischem Vorbild angeregt worden, wie sie im Italien der Renaissance<br />
wiederentdeckt worden waren. In ihrer Gestalt aber sind nur marginale<br />
Ähnlichkeiten mit römischen Triumphbögen oder italienischen <strong>Ehrenpforte</strong>n<br />
all'antica zu verzeichnen. Stärker wirkten hingegen die traditionellen<br />
habsburgischen Wappentürme und vor allem Vorbilder aus der Architektur der<br />
venezianischen Frührenaissance nach, deren Formen wahrscheinlich über<br />
Albrecht Dürer vermittelt worden sind. Doch ebenso wichtig war die Tradition<br />
der feierlichen Fürsteneinzüge der Niederlande mit ihren ephemeren<br />
Festdekorationen. Hier war es zu Beginn des 16. Jahrhunderts üblich geworden,<br />
<strong>Ehrenpforte</strong>n zu errichten, die in ihrem gesamten Aufbau wie in Komposition<br />
und Erzählstruktur ihrer lebenden Bilder große Ähnlichkeiten mit der<br />
<strong>Ehrenpforte</strong> <strong>Maximilians</strong> <strong>auf</strong>weisen, so daß deren Entstehung auch im<br />
niederländischen Kontext gesehen werden muß. Die <strong>Ehrenpforte</strong> verbindet<br />
Formen aus Norditalien, den habsburgischen Erblanden und den burgundischen<br />
Niederlanden. Die Brennpunkte der Politik <strong>Maximilians</strong> spiegeln sich hier<br />
wieder. Er war es, <strong>auf</strong> den nicht nur die Idee zurückging, sondern er gab als
25<br />
engagierter Auftraggeber zugleich die Grundstruktur wie einzelne Details vor.<br />
Die <strong>Ehrenpforte</strong> ist, wie es Stabius vermerkt hat, "secundum Suae Maiestatis<br />
ordinationem" errichtet worden.<br />
Maximilian verwendete für die <strong>Ehrenpforte</strong>, seinen eigenen Triumphbogen, das<br />
Medium der Druckgraphik und als Material <strong>Papier</strong>. Er tat dies nicht nur aus<br />
Gründen der Ökonomie und Sparsamkeit oder weil ihm seine begrenzten<br />
finanziellen Möglichkeiten keine andere Wahl ließen. Er hatte vielmehr die<br />
neuartigen Möglichkeiten der Druckkunst schon zu Beginn seiner Herrschaft<br />
erkannt. <strong>Das</strong> galt eben nicht nur für seine literarischen und künstlerischen<br />
Projekte, sondern genauso für amtliche und propagandistische Schriften.<br />
Maximilian war damit der erste "<strong>Kaiser</strong> im Zeitalter seiner technischen<br />
Reproduzierbarkeit” – um damit eine Formulierung Walter Benjamins<br />
weiterzutreiben. Doch nahm er mit der Wahl dieses Mediums auch Rücksicht<br />
<strong>auf</strong> die verfassungspolitischen Realitäten im Heiligen Römischen Reich. Er hat<br />
sich seinen Triumphbogen selbst gesetzt. Ein römischer Triumphbogen wurde<br />
dem Herrscher vom Senat und vom Volk von Rom errichtet. Es war dagegen<br />
aber kaum vorstellbar, daß die Kurfürsten oder gar der Reichstag dem <strong>Kaiser</strong> ein<br />
derartiges Monument errichtet hätten. Hinzu kam die verfassungstopographische<br />
Wirklichkeit des Reiches. Wo hätte ein Triumphbogen aus so dauerhaften<br />
Material wie ein römischer und mit einem derartig ambitionierten Programm<br />
wie der maximilianische stehen sollen in einem Reich, das im Spätmittelalter<br />
keine eigentliche Hauptstadt kannte, dessen politische Zentren sich ständig<br />
verlagerten und an den jährlich wechselnden Tagungsorten der Reichsstände<br />
fokussiert wurden? Ein Triumphbogen aus <strong>Papier</strong> konnte dagegen dem Intinerar<br />
des <strong>Kaiser</strong>s folgen; er ist eine konsequente Umsetzung eines Gedankens der<br />
römischen Antike in die Gegebenheiten des spätmittelalterlichen deutschen<br />
Reisekönigtums.
26<br />
Die <strong>Ehrenpforte</strong> ist ein Dokument der persönlichen <strong>Kaiser</strong>- und Reichsidee<br />
<strong>Maximilians</strong>. Die alten Verfassungsorgane, die Kurfürsten, die in der<br />
kaiserlichen Kanzlei immerhin als "Säulen" des Reiches bezeichnet wurden,<br />
fanden im Programm ebensowenig Berücksichtigung wie die neuen<br />
Reichsinstitutionen Reichstag und Kammergericht, die seit dem ausgehenden<br />
15. Jahrhundert und vor allem nach dem Reichstag zu Worms im Jahr 1495<br />
Wirklichkeit geworden waren. Und die übrigen Reichsfürsten, die "Glieder des<br />
Reiches", wurden an der <strong>Ehrenpforte</strong> nur gebraucht, um <strong>Maximilians</strong> edle<br />
Verwandtschaft und Herkunft zu dokumentieren. Bei aller Anknüpfung an die<br />
<strong>Kaiser</strong> des frühen und hohen Mittelalters fehlt in Programm und Erscheinung<br />
der <strong>Ehrenpforte</strong> zudem jeglicher Hinweis <strong>auf</strong> die sakrale Würde des <strong>Kaiser</strong>tums.<br />
Sie hat für Maximilian keine Rolle mehr gespielt. Seine <strong>Ehrenpforte</strong> war ganz<br />
<strong>auf</strong> das “gedächtnus” seiner eigenen Taten und <strong>auf</strong> den höheren Ruhm des<br />
Hauses Habsburg ausgerichtet, dem selbstverständlich allein der Glanz des<br />
<strong>Kaiser</strong>tums des Heiligen Römischen Reiches zukam.