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W ir sind Friedberg hat's Mehr als 70 Aussteller und die Geschäfte der

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„Bald kommt <strong>der</strong> Zar, Hurrah, Hurrah…!“<br />

Anlässlich des 100jährigen Jubiläums<br />

des Besuchs <strong>der</strong> Zarenfamilie in <strong>Friedberg</strong><br />

<strong>und</strong> Bad Nauheim dokumentiert<br />

<strong>die</strong> Stadt <strong>Friedberg</strong> <strong>die</strong>sen Aufenthalt<br />

mit einer Fotoausstellung im Burggarten.<br />

Man stelle sich vor, <strong>der</strong> amerikanische Präsident Barack Obama<br />

verkündet, dass er seinen <strong>die</strong>sjährigen Sommerurlaub in <strong>Friedberg</strong><br />

verbringen möchte. Die Kreisstadt würde in einen Ausnahmezustand<br />

geraten. Sicherheitsleute an allen Ecken, <strong>die</strong> Presse<br />

bezöge Quartier <strong>und</strong> rührige Geschäftsleute versuchten sich<br />

im Souvenierhandel – neudeutsch Merchandising. Und genau<br />

<strong>die</strong>s geschah vor 100 Jahren. Nur dass nicht <strong>der</strong> amerikanische<br />

Präsident, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> russische Zar Nikolaus II mit Familie<br />

<strong>und</strong> Gefolge am 30. August um 15.25 Uhr mit dem kaiserlichen<br />

Hofzug im <strong>Friedberg</strong>er Bahnhof anrollte.<br />

Das Renaissanceschloss in <strong>der</strong> <strong>Friedberg</strong>er Burg, einst Amtssitz<br />

des Burggrafen, war seit 1817 eines <strong>der</strong> großherzoglichen<br />

Schlösser, in dem Ernst Ludwig (Ernie), Großherzog von Hessen<br />

<strong>und</strong> bei Rhein, gelegentlich mit seiner Familie Hof hielt. So auch<br />

im Sommer 1910. Die jüngste Schwester von Ernst Ludwig, <strong>die</strong><br />

Zarin Alexandra Feodorowna, verweilte mit ihrem Mann, dem<br />

Zaren Nikolaus II <strong>und</strong> ihren Kin<strong>der</strong>n, den Großfürstinnen Olga,<br />

Tatjana, Marie <strong>und</strong> Anastasia <strong>und</strong> dem Zarewitsch Alexej mehrere<br />

Wochen bei ihrer hessischen Verwandtschaft in <strong>Friedberg</strong>.<br />

Zuvor wurde das Schloss gründlich renoviert, <strong>die</strong> Zimmerzahl<br />

von 100 auf 115 erhöht <strong>und</strong> somit auch Platz geschaffen für Verwandte<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e des Großherzogs. Anlass für den wochenlangen<br />

Besuch in <strong>Friedberg</strong> war <strong>die</strong> angegriffene Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong><br />

Zarin. Sie litt unter einem Nervenleiden, das <strong>als</strong> Ursache für <strong>die</strong><br />

Erschlaffung ihrer Herzmuskulatur diagnostiziert wurde. Eine Kur<br />

im benachbarten Bad Nauheim sollte Abhilfe schaffen.<br />

Ohne Berührungsängste<br />

Heute fast unvorstellbar. Aber <strong>die</strong> Familien des Zaren <strong>und</strong> des<br />

Großherzogs bewegten sich in <strong>Friedberg</strong> relativ ungezwungen.<br />

Man sah sie auf <strong>der</strong> Kaiserstraße <strong>und</strong> in den Nebengassen<br />

promenieren o<strong>der</strong> beim Drachensteigen auf <strong>der</strong> Seewiese. Vom<br />

kleinen Alexej, dem Zarewitsch, w<strong>ir</strong>d überliefert, dass er im Garten<br />

des Hofmetzgermeisters Söllner Äpfel pflücken <strong>und</strong> einige<br />

Tage später bei dem Abgeordneten Hofheim am Dorheimer<br />

Übergang Kartoffeln ausmachen durfte. Die großherzogliche<br />

Familie besuchte <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste in <strong>der</strong> Stadtk<strong>ir</strong>che o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Dankesk<strong>ir</strong>che in Bad Nauheim; <strong>die</strong> Zarenfamilie in <strong>der</strong> russischen<br />

K<strong>ir</strong>che in Bad Nauheim <strong>und</strong> Bad Homburg. Und fast jeden Tag<br />

brach <strong>der</strong> herrschaftliche Besuch in den Nachmittagsst<strong>und</strong>en<br />

auf, um Ausflüge in <strong>die</strong> Region zu unternehmen.<br />

Verstanden sich gut: Die Cousins Erbgroßherzog Georg Donatus, Zarewitsch<br />

Alexej <strong>und</strong> Prinz Ludwig von Hessen (von links nach rechts)<br />

Die Presse<br />

Es gab zwar noch kein Pressecenter <strong>und</strong> auch keine täglichen<br />

Pressekonferenzen, trotzdem berichteten Tageszeitungen<br />

aktuell, wie nachstehende Zitate beweisen:<br />

„Die <strong>Friedberg</strong>er tragen jetzt allenthalben Stehkragen bis an <strong>die</strong><br />

Ohren, seit sie Residenzler geworden <strong>sind</strong>“, spottet <strong>der</strong> Bad<br />

Nauheimer Anzeiger am 2. September.<br />

Einen Tag später berichtet <strong>die</strong> Bad Nauheimer Zeitung, dass <strong>die</strong><br />

Stadtverwaltungen <strong>die</strong> Einwohner <strong>und</strong> Besucher immer wie<strong>der</strong><br />

ermahnen „<strong>die</strong> Gäste nicht wie im Zoo anzustarren“. Das müssen<br />

sich <strong>die</strong> <strong>Friedberg</strong>er zu Herzen genommen haben. Denn sechs<br />

Tage später berichtet <strong>die</strong> Bad Nauheimer Zeitung:<br />

„Anlässlich eines Spazierganges <strong>der</strong> Prinzessinnen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

beiden großherzoglichen Kin<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Kaiserstraße zeigte das<br />

<strong>Friedberg</strong>er Publikum eine vornehme Haltung. Das Bad Nauheimer<br />

Publikum könnte sich hieran ein Beispiel nehmen.“<br />

Der Abschied<br />

Am 24. Oktober 1910 verabschiedete sich <strong>die</strong> Zarenfamilie von<br />

<strong>Friedberg</strong>. Die nächsten drei Wochen verbrachten sie bei Großherzog<br />

Ernst Ludwig auf Schloss Wolfsgarten. Am 14. November<br />

1910 traten sie <strong>die</strong> Heimreise an, nichts ahnend, dass <strong>die</strong>s ihr<br />

letzter Besuch in Darmstadt war <strong>und</strong> es kein Wie<strong>der</strong>sehen mehr<br />

geben würde. Die Zarenfamilie wurde am 17. Juli 1918 im Verlauf<br />

des russischen Bürgerkriegs durch <strong>die</strong> Bolschewiki erschossen.<br />

Konzeption: Stadtarchiv <strong>Friedberg</strong> <strong>und</strong> Wetterau-Museum<br />

Öffnungszeiten: Vom 10. April bis zum 16. Oktober<br />

im Burggarten in <strong>Friedberg</strong>, täglich von 9 – 20 Uhr.<br />

Montags geschlossen.

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