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(10), 18. Juni - Prof. Dr. Anna-Bettina Kaiser

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Anna</strong>-<strong>Bettina</strong> <strong>Kaiser</strong>, LL.M.<br />

Examensklausurenkurs im Sommersemester 20<strong>10</strong><br />

Klausur im Öffentlichen Recht (<strong>10</strong>), <strong>18.</strong> <strong>Juni</strong> 20<strong>10</strong>, 9-14 Uhr<br />

Sachverhalt:<br />

Der iranische Staatsangehörige I war über Griechenland in die Bundesrepublik geflohen und hatte<br />

hier erfolglos Asyl beantragt. Nun soll er zwangsweise über den Frankfurter Flughafen nach Griechenland<br />

abgeschoben werden. Die Menschenrechtsaktivistin A erfährt von der geplanten Abschiebung<br />

und ist empört. Immerhin sei die Menschenrechtslage im Iran sehr angespannt und I könne<br />

von den griechischen Behörden kein faires Asylverfahren erwarten; dies sei ja auch erst kürzlich<br />

von deutschen Gerichten festgestellt worden.<br />

Am Tag der geplanten Abschiebung begibt sich A mit vier weiteren Personen der Frankfurter Pro<br />

Asyl-Ortsgruppe am frühen Morgen zum öffentlich zugänglichen Abfertigungsschalter des Lufthansa-Fluges,<br />

mit dem T abgeschoben werden soll. Während zwei der Aktivisten ein Transparent mit<br />

dem Schriftzug „Lufthansa deportation class: Wir fliegen Sie raus“ entrollen, beginnen A und zwei<br />

ihrer Mitstreiter mit den Worten „Abschiebestopp nach Griechenland – sofort!“ und „Helfen Sie!<br />

Verhindern Sie die Abschiebung des I!“ an die wartenden Fluggäste und umstehende Personen<br />

Flugblätter zu verteilen.<br />

Auf den Flugblättern ist die Geschichte des I geschildert und eine kritische Einschätzung der deutschen<br />

Abschiebepraxis von Pro Asyl abgedruckt. Weiterhin finden sich auf den Flugblättern unter<br />

der Überschrift „Zeigen Sie Zivilcourage – was Sie als Fluggast tun können“ Hinweise darauf, wie<br />

Passagiere z. B. durch die Weigerung, ihr Mobiltelefon auszuschalten, gegen die Abschiebung protestieren<br />

und ggf. den Start des Flugzeugs verzögern können.<br />

Innerhalb weniger Minuten ist der Flughafensicherheitsdienst vor Ort, hindert die Aktivisten und<br />

Aktivistinnen am weiteren Verteilen der Flugblätter und fordert sie auf, das Transparent einzurollen.<br />

Unter Berufung auf Nr. 4.2 der Flughafenbenutzungsordnung wird ihnen ein „unbefristetes bedingtes<br />

Hausverbot“ erteilt: Sie werden aufgefordert, das Flughafengelände umgehend zu verlassen<br />

und es außer zur Teilnahme am Flugverkehr nicht mehr zu betreten.<br />

Während ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen der Aufforderung Folge leisten, weigert sich A lautstark,<br />

aber ohne körperlich Widerstand zu leisten, das Flughafengebäude zu verlassen. Sie wolle die<br />

Fluggäste weiterhin auf die Abschiebung aufmerksam machen und die Flugblätter verteilen. Dar-<br />

1


aufhin vom Flughafensicherheitsdienst herbeigeholte Beamte der Bundespolizei führen A ohne<br />

Weiteres unter Anwendung von „Polizeigriffen“ aus dem Flughafengebäude.<br />

A will das so nicht hinnehmen. Sie wolle auch zukünftig ähnliche Aktionen am Frankfurter Flughafen<br />

durchführen. Immerhin lebe man in einem „freien Land“, in dem man wohl noch gemeinsam<br />

protestieren und seine Meinung äußern dürfe – schließlich gelte auch auf dem Flughafengelände das<br />

Grundgesetz. Zwar handele es sich bei der Flughafenbetreiberin Fraport AG um eine privatrechtlich<br />

organisierte Aktiengesellschaft. Diese befinde sich jedoch (was zutrifft) mit über 51 % Staatsanteilen<br />

überwiegend im Staatseigentum. Es sei in einem demokratischen Staat nicht hinnehmbar, dass<br />

Demonstrationen hier völlig untersagt würden und man selbst für das Verteilen von Flugblättern<br />

erst eine Erlaubnis brauche. Das so begründete Hausverbot sei deswegen rechtswidrig.<br />

Zudem sei das gewaltsame Vorgehen der Bundespolizei völlig überzogen gewesen. Jedenfalls hätten<br />

die Beamten sie aber vorher zum Gehen auffordern müssen.<br />

A erhebt beim Frankfurter Verwaltungsgericht eine Klage gegen das Hausverbot der Fraport AG.<br />

Daneben reicht sie eine weitere Klage gegen das Vorgehen der Bundespolizei ein.<br />

In ihrer Klageerwiderung entgegnet die Fraport AG, die Klage sei schon unzulässig – für diese rein<br />

privatrechtliche Auseinandersetzung seien nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die Zivilgerichte<br />

zuständig. Immerhin handele es sich bei ihr als Klagegegnerin um eine privatwirtschaftlich verfasste<br />

Aktiengesellschaft.<br />

Außerdem komme ihr selbstverständlich das uneingeschränkte Hausrecht über das Flughafengelände<br />

zu. Sie habe den reibungslosen Ablauf des Flugverkehrs zu gewährleisten; der Flughafen sei kein<br />

Ort für politische Auseinandersetzungen, sondern diene den Bedürfnissen des Flugverkehrs. Daran<br />

ändere sich auch dadurch nichts, dass sie die Abflughalle im Rahmen ihres „Frankfurt Airport City“-Konzepts<br />

grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich mache. Dieser Zugang sei nur für Fluggäste,<br />

ihre Begleiter und die Konsumenten und Konsumentinnen der dort ansässigen Geschäfte und<br />

Dienstleistungsbetriebe gedacht – und nicht um Aktivisten und Aktivistinnen ein politisches Forum<br />

zu bieten. Außerdem habe die A mit ihrer Aktion den Betrieb des Flughafens erheblich gestört.<br />

Zwar sei von der konkreten Aktion keine ernsthafte Störung des Flughafenbetriebs ausgegangen.<br />

Die Information der Fluggäste über die bevorstehende Abschiebung und insbesondere die Hinweise<br />

auf dem Flugblatt, z. B. Mobiltelefone nicht auszuschalten, hätten den ordnungsgemäßen Ablauf<br />

des Fluges jedoch erheblich gefährdet. Man lege ja schließlich nicht umsonst großen Wert darauf,<br />

Fluggäste möglichst nicht mit stattfindenden Abschiebungen zu konfrontieren.<br />

2


Die Bundesregierung nimmt für die Bundespolizei Stellung. Zum einen hätten die Beamten die A<br />

schon wegen des Hausverbots der Fraport AG aus dem Gebäude befördern dürfen. Aber selbst unabhängig<br />

davon habe durch das Verhalten der A eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden,<br />

die das Abführen rechtfertige.<br />

Fallfrage<br />

Nach dem Erhalt des Schriftsatzes der Fraport AG kommen der A, die sich bislang nicht hatte anwaltlich<br />

vertreten lassen, Bedenken insbesondere hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Klage gegen die<br />

Fraport AG. Sie kommt zu Ihnen in die Kanzlei und erbittet Ihren anwaltlichen Rat.<br />

1. Beurteilen Sie gutachterlich die Zulässigkeit der von A angestrengten Rechtsmittel. Was<br />

ist A nun zu raten?<br />

2. Beurteilen Sie gutachterlich unter Zugrundelegung Ihrer Ergebnisse zu 1. die Begründetheit<br />

der eingelegten Rechtsmittel.<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen ist ggf. hilfsgutachtlich einzugehen.<br />

Bei ggf. anwendbarem Landesrecht ist davon auszugehen, dass die Rechtslage im Land Hessen mit<br />

der in Berlin identisch ist.<br />

Von der Anwendbarkeit des BPolG gem. § 4 BPolG ist auszugehen.<br />

Auszug aus der Flughafenbenutzungsordnung:<br />

4.2 Demonstrationen, Sammlungen, Werbungen, Verteilen von <strong>Dr</strong>uckschriften<br />

Der Aufenthalt in den Gebäuden des Flughafens ist nur zu den Zwecken gestattet, zu denen die<br />

einzelnen Funktionsbereiche der Gebäude bestimmt sind. Insbesondere sind Demonstrationen sowie<br />

ähnliche Aktionen, das Übernachten, Betteln, Herumstreichen und Ähnliches unzulässig. Außerhalb<br />

von Gebäuden bedürfen Demonstrationen oder ähnliche Aktionen der Einwilligung des<br />

Flughafenunternehmers.<br />

Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern und sonstigen <strong>Dr</strong>uckschriften bedürfen<br />

der Einwilligung des Flughafenunternehmers. Dies gilt auch für das Verteilen von Werbeartikeln<br />

und Warenproben.<br />

Auszug aus der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO, Rechtsverordnung des Bundesinnenministeriums<br />

auf Grundlage von § 32 LuftVG):<br />

3


§ 43 Flughafenbenutzungsordnung<br />

(1) Vor Betriebsaufnahme hat das Flughafenunternehmen der Genehmigungsbehörde eine Flughafenbenutzungsordnung<br />

zur Genehmigung vorzulegen.<br />

(2) Die Flughafenbenutzungsordnung hat Verhaltenspflichten, die dem Auftreten von betriebsbedingten<br />

und sonstigen Gefahren entgegenwirken, für Personen vorzusehen, die den Flughafen benutzen oder betreten;<br />

insbesondere sind in Übereinstimmung mit dem Sicherheitsmanagementsystem des Flughafens<br />

Verhaltenspflichten der Flughafenbenutzer, einschließlich der Pflicht zur Befolgung von Einzelanweisungen,<br />

festzulegen.<br />

(3) Die Genehmigungsbehörde veranlasst die Bekanntmachung der Flughafenbenutzungsordnung in den<br />

Nachrichten für Luftfahrer.<br />

Rückgabe und Besprechung: Montag, den 28. <strong>Juni</strong> 20<strong>10</strong>, 12 bis 14 Uhr im Raum UL 9, 213.<br />

Hinweis: Eine nachträgliche Abgabe der Klausur ist im Sekretariat des Lehrstuhls, Raum 139,<br />

am Montag, den 21. <strong>Juni</strong> 20<strong>10</strong> bis 12 Uhr möglich. Alle Klausuren, die nicht unter Aufsicht<br />

geschrieben wurden, werden in einer gesonderten Gruppe korrigiert.<br />

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