testet der Weltmeister - Autobild.de

VERGLEICH
Drei Straßen-Ferrari im Rennfahrer-Test
Ferrari 360 Modena F1
Ferrari 456M GT
Ferraris Formel-1-Weltmeister 2000
90 AUTO BILD | Nr. 51/52 • 22. Dezember 2000

Ferrari F 550 Maranello
Hier testet
Ferraris Chef-Fahrer hat
Stress. Blasser als sonst ist er.
Seine markanten Falten links
und rechts der Nase sind tiefer
denn je. Ungewöhnlich auch die
Schweißperlen auf seiner Stirn.
Formel 1 macht heutzutage
selbst Champions alle. Sogar
hier in Mugello, auf Ferraris
zweiter eigener Teststrecke.
Und da soll der Meister auch
noch exklusiv für AUTO BILD
die drei Ferrari-Modelle fürs
Volk testen: den 360 Modena F1,
den 456M GT und den F 550
Maranello. Doch versprochen ist
versprochen. Da gibt es kein
Vertun für Michael Schumacher.
Zwei Runden mit jedem in der
Mittagspause. Das reicht Schumi.
Der kennt die Dinger eh wie
seine Overalltasche. Ein Problem
aber für AUTO BILD-Fotograf
Oliver Reck. Der ins Rotieren
kommt wie eine Libelle in
der Paarungszeit. Was Schumi
so zum Schmunzeln bringt wie
der V8-Motor des Modena.
„Der 360er hat noch einen
schönen Sound; der ist beim 456
und 550 durch die Lärmbeschränkungen
leider etwas eingeschränkt“,
rümpft Big Mick
dieNase.Habenwirdawasmissverstanden?
Hat Herr Schumacher
nicht immer wieder betont,
wie viel lieber er privat ruhige
Autos fährt?
Schumi relativiert: „Innen
muss es ruhig bleiben, vor allem
bei höheren Geschwindigkeiten
und auf weiteren Strecken. Das
heißt aber nicht, dass da nicht
mal ein bisschen Sound rein-
kommen darf. Wenn du zum
Beispiel bei langsamem Tempo
Vollgas gibst. Da fehlt mir beim
456er und 550er ein wenig das
Ansauggeräusch.“
Kein Wunder: Bei diesen beiden
Coupés made in Maranello
liegt der Motor vorn gut vermummt
unter der Motorhaube.
Beim 360 werkelt die Ferrari-
Maschine hinter der Rückwand
des Cockpits nah am Ohr von
Fahrer und Beifahrer.
Reden wir über die Beschleunigung.
Schumi: „Im Vergleich
zu den beiden andern hat der
360er etwas zu wenig Drehmoment,
in den oberen Drehzahlbereichen
allerdings genügend
Leistung.“ Die Drehfreude des
400 PS starken Mittelmotors
zaubert dem angespannten Formel-1-Star
ein breites Lächeln
unter die rote Kappe.
Fast entschuldigend fügt er
schnell noch hinzu: „Beim 456
und 550 ist die Elastizität extrem
gut, die haben ein schönes
Durchzugsvermögen.“ Gut die
Kurve gekriegt. Kein nettes Wort
über deren so traditionsreiche
Zwölfzylinder-Aggregate – 442
beziehungsweise 485 PS – wäre
Majestätsbeleidigung.
Doch wo Kritik angebracht ist,
da bringt sie Michael Schumacher
wie bei seinem Renner
auch bei den Straßen-Ferrari an.
Beispiel Schaltung: „Natürlich
sind die immer ein bisschen hakelig“,
zuckt er beim 456 und
550 die Schultern. Bei denen
Weiter auf Seite 94
Aber nicht mal so lässig nebenbei ...
Richtig ran nimmt Michael Schumacher die
drei Ferrari, die man für Geld kaufen kann.
Und wird dabei überraschend kritisch
der Weltmeister
Fotos: Oliver Reck
360 Modena F1 „Lieber immer mit ASR!“ Schumi
hielt sich nicht an seinen Rat für alle Ferrari-Kunden. Prompt
hängte der 360er in der Kurve sein Hinterteil raus
22. Dezember 2000 • Nr. 51/52 | AUTO BILD 91

VERGLEICH
Hier testet der Weltmeister
muss der Schaltknüppel nach
alter Sitte sorgsam in jedes einzelne
„Gangfach“ geschoben
werden. Das verlangt Konzentration
und kostet Zeit.
Doch Formel-1-Fahrer ticken
sowieso ganz anders. Das
beweist Schumis Spruch über
die Lenkrad-Schaltung, mit der
ausgestattet der 360 Modena
das Kürzel „F1“ hinterm Namen
führen darf: „Für meine
Begriffe noch ein bisschen zu
langsam.“
Noch übler stoßen ihm die
Gerüche auf, die sich beim 456
wie beim 550 von der Kupplung
den Weg in seine empfindliche
Nase bahnen. „Als ob
da etwas verbrennen würde“,
rollt er mit den Augen, „man
denkt schnell, man hätte das
Auto überfordert, wobei das gar
nicht der Fall ist.“ Deshalb
Schumis Rat an die Ferrari-Ingenieure:
„Diese Geruchsku-
360 Modena F1
Schnell-Schalter: über die
Wippen am Lenkrad.
Rückwärtsgang: per Hebel
auf dem Mitteltunnel
Der 360er: Coupé mit
Mittelmotor. Die
Lenkradschaltung samt
Namenszusatz „F1“ kostet
15 600 Mark extra.
Nachteil: Anders als im
Formel 1 drehen sich
die Schaltwippen beim
Lenken nicht mit
456M GT
Rassiger Race-Look: Cockpit
voller Leder, Chrom, Alu. Lenkrad
drei Speichen, ein Airbag
„Der V8-Motor des
360ers hat etwas
wenig Drehmoment“
lisse muss in Zukunft bitte
draußen bleiben.“
„Eigentlich extrem gut“ findet
der Weltmeister 2000 den Fahrkomfort
der drei Tief-Lieger.
Speziell dem F 550 Maranello
bescheinigt er auf Bodenwellen
ein „sehr gutes“ Feder/Dämpfer-Spiel.
Den 360er hält Schumacher
auf Buckeln indes für
„sehr gewöhnungsbedürftig“.
Das gilt auch für das Handling
dieses jüngsten Sprosses
der edlen Ferrari-Dynastie.
Schumi: „Speziell der 360 ist
trotz äußerst direkter, präziser
Lenkung am Limit kritisch, sobald
du die Traktionskontrolle
ausschaltest. Den zu kontrollieren,
musst du üben. Allerdings
fahren die meisten ja mit Antriebsschlupfregelung,
damit ist
er problemlos.“
Der Regenkönig der Formel 1
Weiter auf Seite 97
Der 456er: Coupé mit
Frontmotor. Bekam
1998 ein Facelift und
den Beinamen „M“ für
„Modificata“. Weiter
mit offener Schaltkulisse.
Neu: Lenkung,
Fahrwerk, Bremsen
agiler, Motor ruhiger
F 550 Maranello
Voller Durchblick: alle
Armaturen auf Augenhöhe
platziert. Ferrari-typisch:
die großen, runden
Frischluftschächte
Der 550er: Coupé mit
Frontmotor. Wie bei den
beiden andern kann die
Antriebsschlupfregelung
per Taste im Cockpit
ausgeschaltet werden
Fotos: Oliver Reck
94 AUTO BILD | Nr. 51/52 • 22. Dezember 2000

VERGLEICH
Hier testet der Weltmeister
So urteilt AUTO BILD
Was ist es wert, das Urteil eines
Formel-1-Profis? Wenn
der zivile Sportwagen bewertet,
redet er doch nur von
Leistung und Straßenlage.
Sorry, gilt nicht für Michael
Schumacher. Wie objektiv er
die Autos seines Arbeitgebers
betrachtet, erstaunte uns
doch. Das geht bei Kleinigkeiten
wie fehlenden Ablagen los
und passt auf den Punkt, soweit
es die Sitzposition in 456
und Maranello betrifft: Sie ist
tatsächlich verbesserungsbedürftig.
Eher aus 800-PS-Sicht
gesehen indessen das „gerin-
Maximaler Fahrspaß bei
„minimalem“ Preis:
Ferraris Kleiner, der 360
Genau auf den Punkt: Der 456er reagiert
äußerst willig und präzise auf jedes
Lenkmanöver von Michael Schumacher
„Am Lenkrad stimmt die Arm- und Beinposition nicht.Bei allen müsste das Steuer näher ran zum Fahrer“
Supersportwagen von
echtem Schrot und Korn:
der Maranello mit V12
ge Drehmoment“ beim 360.
Für Normalfahrer geht der
400-PS-Sportwagen ausjeder
Drehzahl teuflisch ab, ebenso
fantastisch seine Alltagseigenschaften.
Ein Fall für Fans
ist tatsächlich die Kulissenschaltung
in 456 und 550, die
besonders bei Kälte schwer
zu bedienen ist. Aber gerade
dieses „mechanische“ Gefühl
fasziniert. Noch faszinierender
ist aber die F1-Schaltung des
360. Die Zughebel am Lenkrad
passen ideal, das Zurückschalten
geht perfekt, hoch
dauert es tatsächlich eine
Idee zu lange. Überhaupt wäre
der moderne 360 mit seinem
sensationellen Klang und
der süchtig machenden Kurvengier
unser Auto. Der Maranello
ist der klassische
schwere GT mit brachialem
Motor. Für Sammler. Der 456
ist geräumig, aber in vielem zu
soft geraten.
po
456M GT Gut bemessen: 276 Liter oder ein Schumi
passen in den Kofferraum (oben). Der 5,4-Liter-V12 liegt
vorne längs, klingt recht dezent und nimmt einiges an Platz
weg, den eigentlich die Passagiere auf den hinteren Sitzen
brauchen könnten. Für glückliche Kinder reicht es aber
F 550 Maranello „Voll in Ordnung“ findet Michael Schumacher
die Kopffreiheit (oben). Kniffelig ist auch im 550 Einparken.
Schumi: „Die Rundumsicht im Ferrari ist immer etwas eingeschränkter.“
Unten: Der stärkste Ferrari-Serienmotor (485 PS)
stammt ab von einem Formel-1-V12. Eng: 185 Liter Kofferraum
Testchef Oberndorfer
mit dem Softie im
Programm: dem 456
96 AUTO BILD | Nr. 51/52 • 22. Dezember 2000

„Beim F 550 Maranello passt für mich alles. Deshalb fahr ich den auch privat“
Sehr gut: Mit dieser Note bewertet der Formel-1-Weltmeister das Kurvenverhalten des 550ers
warnt bei allen dreien vor zu viel
Übermut bei Nässe: „Weil sie
ziemlich viel Leistung und Heckantrieb
haben, sind sie da manchmal
etwas schwierig zu handeln.“
Erschwerend hinzu kommt die
Lenkradposition. Schumi bemängelt:
„Das Verhältnis zwischen
Arm- und Beinposition stimmt
nicht. Das Lenkrad müsste etwas
näher am Fahrer sein. Versucht
man das durch Vorrücken des
Sitzes zu erreichen, sind die
Beine verhälnismäßig stark angewinkelt.“
Missmutige Blicke des Ex-Kerpeners
ziehen im 360er wie im
550er die Ablagen auf sich. „Da
gibt es keinen guten Platz, wo ein
Telefon reinpasst“, mäkelt er, „die
Mittelkonsole ist jeweils ziemlich
klein.“ Dass nur im Quasi-Viersitzer
456 seine beiden Kinder mitfahren
dürfen, das bucht er milde
lächelnd ab unter „Sportwagen-
Schicksal“.
Wie aber gefallen Michael Schumacher
die drei Straßen-Ferrari
rein optisch? „Da lautet meine Reihenfolge
ganz klar: 550er, 360er
und 456er“, ruft Schumi im Weglaufen.
Bei den letzten Fotos hat er den
Rennanzug schon gegen Hemd
und Jeans getauscht. Vollgas geht’s
danach zum Hubschrauber. Und
ab hebt er zum nächsten Ferrari-
Dinner, der gestresste Test-Man.
Leo Wieland
Preise/Ausstattung 360 Modena F1 456M GT 550 Maranello
Karosserie/Türen Coupé/2 Coupé/2 Coupé/2
Länge/Breite/Höhe 4477/1922/1214 mm 4763/1920/1300 mm 4550/1935/1277 mm
Radstand 2600 mm 2600 mm 2500 mm
Wendekreis 10,8 m 12,0 m 11,6 m
Leergewicht 1390 kg 1790 kg 1690 kg
Motor V8 V12 V12
Hubraum 3586 cm 3 5474 cm 3 5474 cm 3
Leistung in kW (PS)/min 294 (400)/8500 325 (442)/6250 357 (485)/7000
max. Drehmoment/min 375 Nm/5000 550 Nm/4500 569 Nm/5000
Getriebe 6-Gang automatisiert 6-Gang manuell 6-Gang manuell
Beschleunigung 0–100 km/h 4,5 s 5,2 s 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit 295 km/h 300 km/h 320 km/h
Kraftstoffverbrauch auf 100 km (EU-Mix/Art) 20,2 l SP 22,2 l SP 18,7 l SP
Tankinhalt 95 l 110 l 114 l
ABS S S S
Airbag Fahrer/Beifahrer S/S S/S S/S
Reifen vorn – hinten 215/45 – 275/40 ZR 18 225/45 – 285/40 ZR 17 255/40 – 295/35 ZR 18
Preis Grundpreis 245 34 050 500 37 850 378 000 34 050 358 37500
850
Werksangaben; Preise in Mark
Fotos: Oliver Reck, Daniele Venturelli
Interview
„Ferrari ist immer ein Exot“
Was bedeutet für dich ein
Ferrari?
Michael Schumacher: Für
mich ist ein Ferrari ein absoluter
Hingucker. Ein wunderschönes
Auto. Sportlich, kraftvoll
und absolut ästhetisch.
Aber leider fehlt mir für die
Poesie der Bezug zur Historie.
Ich kannte das früher nicht, so
die alten Geschichten um den
Mythos Ferrari. Mir wurde das
als Kind nie nahe gebracht. Für
uns war ein Auto ein Auto. Ein
Nutzmittel, mehr nicht. Wir
hatten immer alte Autos. Die
haben wir zu Schrott gefahren,
dann kamen sie weg, und es
wurde wieder ein altes Auto
gekauft. Dass ein Auto auch
mehr bedeuten kann, dass es
einen gewissen Zauber besitzen
kann, lerne ich erst seit einigen
Jahren. Ein Ferrari ist da
bestes Anschauungsobjekt.
Inwiefern sind deine Gefühle
zum Formel-1-Auto anders als
zu den Straßen-Ferrari?
Na ja, zum Rennauto habe ich
schon eine ganz andere Beziehung.
Zum Beispiel bei der
Präsentation, wenn das Auto
da steht – schön, perfekt, alle
Sticker drauf. Dann schlägt
dein Herz höher. Du bist richtig
erwartungsvoll, dieses
Werk bald fahren zu können.
Wann fuhrst du zum ersten
Mal überhaupt Ferrari?
Das war zu Formel-3-Zeiten
am Nürburgring, so 1989/90.
Ich kann mich noch gut dran
erinnern. Es war ein Testarossa.
Der gehörte Willi (Weber,
seinem Manager; d. Red.).
Welcher der aktuellen drei
Ferrari ist dein Favorit?
Der 550 Maranello. Bei diesem
Auto passt für mich alles.
Es bildet den besten Kompromiss:
aus Leistung, Sportlichkeit
und komfortabler Fahrweise,
wenn man möchte.
Einziger Nachteil: Er ist nur
für zwei Personen gemacht.
Welchen Ferrari fährst du
privat?
Na, den 550 Maranello eben.
Wie sähe dein Ideal-Ferrari
für die Straße aus?
Den 550 Maranello finde ich
schon ziemlich ideal.
Was muss deiner Meinung
nach aus der Formel-1-Erfahrung
unbedingt mit in die
Entwicklung eines Straßen-
Ferrari einfließen?
Mehr Drehmoment wäre gut,
speziell bei den kleineren Autos
wie dem 360er Modena.
Und vielleicht müsste man
die Lenkrad-Schaltung noch
ein bisschen mehr der Formel-1-Schaltung
anpassen.
Das heißt: Sie müsste noch
schneller werden. Aber daran
arbeiten wir.
Was sonst an Formel-1-Technik
macht für dich Sinn in den
Ferrari-Sportwagen?
Ein Ferrari ist kein Drei-Liter-
Auto. Ein Ferrari ist eine Ausnahme
und wird immer irgendwo
ein Exot bleiben, den
nur eine gewisse Klientel
kauft. Die Abgas-Emissionen
werden sicherlich der Zeit angepasst,
aber andererseits
nie so gering sein, wie manche
das gerne hätten. Nun
werden auch nicht so viele
Ferrari gefahren, dass deren
Emissionen im Verhältnis
wirklich etwas ausmachen.
Und: Eine dicke Limousine
verbraucht genauso viel Benzin
wie ein Ferrari. Aber ein
Ferrari ist eben keine Vernunfts-,
sondern eine Gefühlssache.
Inwieweit wirst du bei Zukunftsentwicklungen
gefragt
und einbezogen?
Mir wird des Öfteren mal
ein getarntes neues Modell
gebracht, das ich Probe
fahre. Meine Eindrücke fließen
dann mit ein. Wie beim
360er und auch vorher
bei den 550ern. Und bald
kommt eine neue Version
vom F 50. Die werde ich dann
vorm Verkaufsstart auch wieder
testen.