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Thesenpapier Karsten Bunk, Bundesagentur für Arbeit [PDF, 169KB]

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Symposium des BMAS zum Thema Werkverträge am 11. März 2013<br />

- Thema der Podiumsdiskussion: „Durchsetzung und Kontrolle des geltenden Rechts“<br />

- Einführung Prof. Dr. Peter Schüren: „Scheinwerk- und Scheindienstleistungsverträge<br />

mit <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassungserlaubnis – Vorschlag zu einer Korrektur des AÜG“<br />

Statement der <strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>:<br />

Leiharbeit - Grenzen der Kontrollbefugnisse der <strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

A) Vorbemerkung:<br />

Ende Juni 2012 waren in Deutschland 908.113 Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Unabhängig von konjunkturellen<br />

Schwankungen in der Zahl der beschäftigten Zeitarbeitnehmer, sind die <strong>für</strong> die <strong>Bundesagentur</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> (BA) bei der Durchführung des AÜG maßgeblichen Fallzahlen kontinuierlich<br />

gestiegen: Die Zahl der zu bearbeiteten Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis stiegen um 16 Prozent<br />

von 9.931 Anträgen im Jahr 2009 auf 11.494 im Jahr 2012. Der Bestand der zu kontrollierenden<br />

Erlaubnisinhaber nahm um 20 Prozent von 16.659 in 2009 auf 20.049 in 2012 zu. Gleichwohl<br />

konnte das Volumen der zwischen 2009-2012 durchgeführten Betriebsprüfungen auf durchschnittlich<br />

rund 2750 pro Jahr gesteigert werden. Das entspricht einem Anstieg von rund 95 Prozent (in<br />

den Jahren 2005-2008 waren es noch rund 1.400 Betriebsprüfungen pro Jahr). 55 Prüfkräfte der<br />

BA sollen im Jahr 2013 über 4.000 Betriebsprüfungen bei Erlaubnisinhabern durchführen. Hier<strong>für</strong><br />

hat die BA im Jahr 2012 ihre Organisationsstrukturen im Bereich <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung optimiert.<br />

In der Summe der vier Jahre von 2009 bis 2012 wurden von der BA 7.060 Ordnungswidrigkeitsverfahren<br />

eingeleitet. Bußgelder in Höhe von rund 337.000,- € wurden verhängt. Es erfolgten 333<br />

Widerrufe bzw. Rücknahmen von Erlaubnissen. In 411 Fällen wurde eine beantragte Erlaubnis<br />

versagt.<br />

Diese absolut gesehen zwar hohen Fallzahlen relativieren sich vor der Menge am Markt zugelassener<br />

Erlaubnisinhaber und erweckt den Anschein weitgehend ordnungsgemäßer Umsetzung des<br />

AÜG durch die Erlaubnisinhaber. Wenngleich keine validen Zahlen zur Häufigkeit des Missbrauchs<br />

von Werkverträgen mit Ziel der Umgehung des AÜG bekannt sind, stellt sich die BA vor diesem<br />

Hintergrund und dem der aktuellen politischen Diskussion dennoch die Frage, ob nicht trotz der<br />

hohen Zahl durchgeführter Kontrollen der Leiharbeit eine gewisse Dunkelziffer von verdeckten,<br />

eventuell auch als Scheinwerkverträge getarnten <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassungen existiert.<br />

B) Interessenlage der BA im Kontext der <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung<br />

Der Auftrag der BA zur Durchführung des AÜG zielt auf den Schutz der Leiharbeitnehmer. Insbesondere<br />

stehen dabei die Einhaltung der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und tariflichen Pflichten<br />

durch die Verleiher im Fokus. Im Prüfprozess der zugelassenen Verleiher ist die BA aus § 7 Abs. 2<br />

Satz 1 AÜG auf die Prüfung der Unterlagen des Betriebs beschränkt, die zur Durchführung des<br />

AÜG erforderlich sind. Inwieweit die BA sich auch die geschäftlichen Unterlagen des Verleihers<br />

vorlegen lassen kann, die nicht dem Bereich der <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung zu zuordnen sind, ist in<br />

der Literatur umstritten. Somit bleiben der BA insbesondere bei Mischbetrieben jene Unterlagen<br />

vorenthalten, die die Betätigung des Erlaubnisinhabers außerhalb seiner Verleihtätigkeit dokumentieren.<br />

Zu prüfen, wie der Verleiher seine Mitarbeiter im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen<br />

einsetzt, fällt nicht unter den Auftrag der BA.<br />

<strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>, Zentrale - OS12; Ansprechpartner: Gerd Worm; 0911/179-5446 1-4


B.I.) Bewertung des Vorschlags von Prof. Dr. Schüren:<br />

Der aktuelle Vorschlag von Prof. Dr. Schüren zu einer Korrektur des AÜG (NZA 2013, 176), der<br />

sich auch in der Gesetzesinitiative der SPD-Fraktion (BTDrs. Nr. 17/12378) niederschlägt, lässt<br />

sich unter dem Aspekt seiner Folgen <strong>für</strong> die Durchführung des AÜG wie folgt kurz zusammenfassen:<br />

Es werden <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse der ein Werk ausführenden <strong>Arbeit</strong>nehmer mit einem Werkbesteller<br />

fingiert, wenn <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung vorliegt und trotz bestehender <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassungserlaubnis<br />

des Verleihers/Werkauftragnehmers keine Klarstellung im Vertrag zwischen Auftragnehmer<br />

und Besteller erfolgte, dass es sich um <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung handeln soll. Jeder<br />

faktische <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassungsvertrag ist demnach also als solcher zu kennzeichnen, andernfalls<br />

wird der Auftraggeber zum <strong>Arbeit</strong>geber der mit der Ausführung des „Werks“ befassten<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmer. Der Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht ist auch <strong>für</strong> den Verleiher bußgeldbewehrt.<br />

Die vom Verleiher präventiv eingeholte Überlassungserlaubnis schützt den Auftraggeber nicht<br />

mehr. Die nach bisheriger Rechtslage als Leiharbeitsverhältnisse mit dem Zeitarbeitsunternehmen<br />

angesehenen Verträge der Leiharbeitnehmer werden gegenstandslos. Die Konsequenzen der Entlarvung<br />

des Scheinwerkvertrags (höhere Personalkosten bis hin zu § 266a StGB) treffen nicht<br />

mehr den Verleiher, sondern den Werkbesteller. Insoweit geht der Vorschlag über den Antrag der<br />

Fraktion DIE LINKE vom 29.09.2011 (BTDrs.Nr. 17/7220) hinaus. Demnach wäre die Konsequenz<br />

letztlich die Geltung des AÜG <strong>für</strong> das weiterhin bestehende <strong>Arbeit</strong>sverhältnis zwischen Verleiher<br />

und Leiharbeitnehmer gewesen.<br />

B.I.1.) Positive Auswirkungen des Vorschlags:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Bei der Tarnung von <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassungen als Werkverträge entsteht ein höheres<br />

(„Beschäftigungs“-)Risiko <strong>für</strong> scheinbare Werkbesteller.<br />

Im Idealfall würde auf Scheinwerkverträge verzichtet und die Durchführung von vornherein<br />

als Leiharbeit konzipiert. Es entstünde eine Präventionswirkung.<br />

Die von einzelnen Mischbetrieben eventuell nur präventiv eingeholte Überlassungserlaubnis<br />

entfaltete keine „Seriositätsvermutung“ mehr, weil sie <strong>für</strong> den Fall der Entdeckung verschleierter<br />

Überlassung nicht mehr wirken würde.<br />

Alternativ kann auch von einer stärkeren, tatsächlichen Nutzung der Erlaubnisse durch<br />

Mischbetriebe, die eine Erlaubnis bisher nur vorhalten, aber keine Verleihvorgänge an die<br />

Statistik melden (sog. „Nullverleiher“), ausgegangen werden.<br />

B.I.2.) Folgen einer im Einzelfall nicht entstehenden Präventionswirkung:<br />

In einer ex ante nicht zu quantifizierenden Fallzahl wird die geschilderte Rechtsänderung die erhoffte<br />

Präventionswirkung nicht entfalten. In der Prüfsituation beim Verleiher entstünde <strong>für</strong> die BA<br />

hinsichtlich der potentiell weiter existierenden und nicht als <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung gekennzeichneten<br />

Scheinwerkverträge kein Vorteil. Die BA wäre weiterhin auf das gesetzmäßige Handeln<br />

und die moralische Verpflichtung des Verleihers angewiesen.<br />

B.II.) Vorschlag einer Kompetenzerweiterung <strong>für</strong> die Prüfkräfte der BA<br />

Das Problem liegt weiterhin in der Entlarvung der nicht als <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung bezeichneten<br />

Scheinwerkverträge. Diese Tarnung ließe sich durch eine gesetzliche Erweiterung der Prüfkompetenzen<br />

der BA zumindest erschweren. Eine Ausdehnung der Prüfkompetenz der BA auf Entleiher<br />

oder Werkbesteller ist hierzu nicht erforderlich. Weder Prof. Dr. Schüren noch der Vorschlag der<br />

SPD-Fraktion bringen jedoch hier<strong>für</strong> einen Ansatz.<br />

<strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>, Zentrale - OS12; Ansprechpartner: Gerd Worm; 0911/179-5446 2-4


Bisher haben die Verleiher den Prüfkräften der BA lediglich die geschäftlichen Unterlagen, die zur<br />

Durchführung der <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung erforderlich sind (s.o.), vorzulegen. Damit beim Verleiher<br />

bereits im Rahmen der üblichen Prüfdichte der BA Scheinwerkverträge enttarnt werden können,<br />

ist die Ausweitung des Prüfgegenstandes i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz1 AÜG bei der Kontrolle von<br />

Mischbetrieben auch auf jene Unterlagen, die die Betätigung des Erlaubnisinhabers außerhalb<br />

seiner Verleihtätigkeit dokumentieren, erforderlich. In der Regel werden diese Unterlagen vom Erlaubnisinhaber<br />

als Werk- oder Dienstverträge bezeichnet sein. Eventuell wäre hierzu auch die<br />

Schaffung eines investigativen Rechts der BA zur Ziehung von Stichproben beim ohnehin zu prüfenden<br />

Verleiher sinnvoll.<br />

Die Kriterien, anhand derer sich das Vorliegen eines Werkvertrags von <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung<br />

durch die Prüfkräfte der BA abgrenzen ließe, sind in der Rechtsprechung anerkannt. Sie lauten im<br />

Wesentlichen:<br />

die Ausübung des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts verbleibt dem Auftragnehmer,<br />

die ausführenden <strong>Arbeit</strong>nehmer sind nicht in die Betriebsorganisation des Auftraggebers<br />

eingegliedert<br />

der Auftragnehmer schuldet die Erstellung eines qualitativ individualisierbaren Werkes,<br />

er trägt die unternehmerische Haftung und Gewährleistung.<br />

In umgekehrter Form werden diese und weitere Kriterien auch als Indikatoren <strong>für</strong> die Annahme von<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung im Vorschlag der SPD-Fraktion (BTDrs. Nr. 17/12378) zur Schaffung<br />

eines § 1 Abs. 1a AÜG angeführt. Bereits die Erfüllung von drei 1 Indikatoren soll demnach dem<br />

Auftragnehmer die Beweislast aufbürden, dass es sich bei seiner Betätigung dennoch nicht um<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung handelt. Diese Regelung würde die inhaltlichen Feststellungen der Prüfkräfte<br />

der BA weiter erleichtern.<br />

Würde das erweiterte Prüfrecht zusammen mit dieser Vermutungsregelung verwirklicht, könnte die<br />

Zahl der bei Prüfungen von Verleihern durch die BA vorgefundenen Verdachtsfälle von Scheinwerkverträgen<br />

maßgeblich erhöht werden. Dem Vorschlag der SPD entsprechend hätte künftig der<br />

Auftragnehmer zu seiner eigenen Entlastung in entsprechenden Verdachtsfällen die tatsächliche<br />

Ausgestaltung der <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse vor Ort beim behaupteten Werkbesteller zu beweisen. Solange<br />

er dies nicht schafft, träte die Konsequenz von <strong>Arbeit</strong>sverhältnissen zwischen Werkbesteller<br />

und überlassenen <strong>Arbeit</strong>nehmern ein.<br />

Auch wenn der Vorschlag der SPD zur o.g. Vermutungsregelung nicht vom Gesetzgeber realisiert<br />

würde, brächte die Kompetenzerweiterung der BA bereits mehr Licht ins Dunkel. Die BA würde in<br />

festgestellten Verdachtsfällen, wie schon bisher, die Zollverwaltung informieren und eine Prüfung<br />

vor Ort beim Werkbesteller veranlassen. Die Vorgänge um Amazon haben jüngst gezeigt, dass BA<br />

und Zoll durchaus in der Lage sind, schnell und koordiniert zu handeln.<br />

C) Fazit<br />

Der Ansatz von Schüren und SPD kann tendenziell be<strong>für</strong>wortet werden. Allerdings besteht die<br />

Maßgabe, dass die Möglichkeiten der Prüfung der BA hinsichtlich der (Schein-) Werkvertragsunterlagen<br />

beim Verleiher ebenfalls gesetzlich festgeschrieben werden.<br />

Hierdurch bedingte höhere Ressourcenaufwände <strong>für</strong> die Durchführung von einzelnen Prüfungen<br />

bei Erlaubnisinhabern dürfen aber keine Verringerung der Gesamtmenge der von der BA geplanten<br />

und durchzuführenden Prüfungen bewirken. Zur Kompensation wäre daher eine entsprechend<br />

1 Das geltende österreichische „AÜG“ erzeugt eine Vermutung <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmerüberlassung bereits bei Vorliegen nur<br />

eines Kriteriums, das <strong>für</strong> Leiharbeit spricht. Die Vorschrift ist zwischen Rechtsprechung und Verwaltung umstritten. Dem<br />

österreichischen VGH genügt das Vorliegen des einen Kriteriums. Das österreichische Bundesministerium zieht eine<br />

Gesamtabwägung, ähnlich wie bislang in Deutschland, vor.<br />

<strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>, Zentrale - OS12; Ansprechpartner: Gerd Worm; 0911/179-5446 3-4


erhöhte Zahl von Prüfkräften erforderlich. Deren Finanzierung könnte potentiell über adäquat erhöhte<br />

Gebührensätze <strong>für</strong> die Erteilung von Erlaubnissen sicher gestellt werden.<br />

Unabhängig von letztlich politisch zu entscheidenden Erweiterungen der gesetzlichen Vorschriften:<br />

Wir brauchen flexible Instrumente wie Zeitarbeit und Werkverträge, um die Wettbewerbsposition<br />

unserer Wirtschaft zu erhalten! Wir brauchen aber auch – ganz im Sinne „guter“ Unternehmensführung<br />

– einen verantwortungsbewussten, „anständigen“ Umgang damit.<br />

<strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>, Zentrale - OS12; Ansprechpartner: Gerd Worm; 0911/179-5446 4-4

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