Globale Wertschöpfungsketten - Die Volkswirtschaft
Globale Wertschöpfungsketten - Die Volkswirtschaft
Globale Wertschöpfungsketten - Die Volkswirtschaft
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Spotlight<br />
<strong>Globale</strong> <strong>Wertschöpfungsketten</strong>: Eine neue Sicht auf die aussenwirtschaftliche<br />
Verflechtung der Schweiz?<br />
<strong>Die</strong> These von der abnehmenden<br />
Wertschöpfungstiefe in der<br />
Schweiz und die Vorstellung von<br />
der Verlängerung der Werkbank<br />
durch die Auslagerung arbeitsintensiver<br />
Tätigkeit aus der Schweiz<br />
in weniger entwickelte Länder<br />
sind altbekannt. Auch bekannt<br />
ist, dass dank enormer Fortschritte<br />
der Informatik und der Telekommunikation<br />
die Produktion<br />
in immer kleinere Arbeitsschritte<br />
zerlegt und über verschiedene<br />
Länder und Produzenten aufgeteilt<br />
werden kann. Zunehmend<br />
hat ein Produkt dabei bis zum<br />
Endkunden bereits mehrfach nationale<br />
Grenzen in Form von eingekauften<br />
Vorleistungen passiert.<br />
Was bisher fehlte, sind statistische<br />
Belege für das Ausmass dieser<br />
Prozesse, welche als globale<br />
<strong>Wertschöpfungsketten</strong> (Global<br />
Value-Added Chains, GVC) bezeichnet<br />
werden. Dank Arbeiten<br />
von internationalen Organisationen<br />
liegen nun einschlägige statistische<br />
Ergebnisse auf globaler<br />
Basis vor. 1<br />
1 Vgl. z.B. das Inter Country Input Output Model (ICIO) der<br />
OECD, basierend auf nationalen Input-Output-Tabellen<br />
(IOT) für 40 Länder, 18 Industrien und für die Jahre<br />
2005, 2008 und 2009 oder die Unctad-Eora GVC Database<br />
basierend auf nationalen Aufkommens- und Verwendungstabellen<br />
sowie IOT für 187 Länder, 25–500 Industrien<br />
und für die Jahre 1990–2010.<br />
2 So z.B. Pascal Lamy, WTO-Generaldirektor, Rede<br />
vom15. Oktober 2010: Lamy says more and more<br />
products are «Made in the World».<br />
0.9<br />
0.8<br />
0.7<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
Grafik 1<br />
Wie viel Wertschöpfung und Beschäftigung in der Schweiz generieren Exporte von 1 Mrd. Franken<br />
in verschiedenen Branchen?<br />
Wertschöpfung (linke Skala)<br />
In Mrd. CHF<br />
Nahrungsmittel<br />
<br />
Einige internationale Organisationen sagen<br />
bereits, dass mit den neuen Zahlen zu<br />
den globalen <strong>Wertschöpfungsketten</strong> die aussenwirtschaftliche<br />
Verflechtung der Staaten<br />
neu eingeschätzt werden müsse. 2 Wie kommt<br />
es zu einer solchen Einschätzung? Und lässt<br />
sie sich auch im Fall der Schweiz vertreten?<br />
Dr. Christian Busch<br />
Ressort Wachstum und<br />
Wettbewerbspolitik,<br />
Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft SECO, Bern<br />
Chemie/Pharma<br />
Vollzeitbeschäftigte (rechte Skala)<br />
Metalle<br />
Maschinen<br />
Dr. Isabelle Schluep<br />
Campo<br />
Stv. Leiterin Ressort<br />
Wachstum und Wettbewerb,<br />
Staatssekretariat<br />
für Wirtschaft SECO, Bern<br />
Präzisionsinstrumente<br />
Hotels und<br />
Restaurants<br />
In 1000 Vollzeitbeschäftigte<br />
Finanzdienste<br />
Quelle: BFS, Input-Output-Tabelle für die Schweiz 2008; SECO / <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />
Verringerte Wertschöpfungstiefe<br />
verändert die konjunkturelle<br />
Widerstandsfähigkeit<br />
Betrachten wir zunächst den Aspekt der<br />
Wertschöpfungstiefe, also den Anteil der in<br />
einem Land erbrachten Wertschöpfung im<br />
Exportwert. Was hat dieser Aspekt während<br />
der jüngsten Finanz- und Schuldenkrise und<br />
der damit verbundenen Frankenaufwertung<br />
für die Exporte der Schweiz bedeutet?<br />
<strong>Die</strong> Schweiz kam vergleichsweise unbeschadet<br />
durch die Krise. Insbesondere die<br />
Chemie-/Pharmaexporte erwiesen sich als<br />
widerstandsfähig, dies aus zwei Gründen: Einerseits<br />
sind deren Produkte im Allgemeinen<br />
relativ wenig konjunkturabhängig. Andererseits<br />
weist diese Branche aufgrund der umfangreichen,<br />
aus dem Ausland bezogenen<br />
Vorleistungen auch einen überdurchschnittlich<br />
hohen Anteil an ausländischer Wertschöpfung<br />
in ihren Exportprodukten auf.<br />
<strong>Die</strong>s kann eine «natürliche Absicherung» gegen<br />
Schwankungen der Wechselkurse bedeu-<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
47 <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong> Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2013
Spotlight<br />
Grafik 2<br />
Internationale Wertschöpfungskette des iPhone<br />
(in Mio. USD)<br />
<br />
Kasten 1<br />
USA<br />
229<br />
Komponenten<br />
Endprodukt<br />
1875<br />
Das Beispiel iPhone<br />
China<br />
Montage<br />
65<br />
207<br />
413<br />
161<br />
800<br />
Das in Grafik 2 gezeigte Beispiel des iPhone<br />
illustriert, dass die Handelsbilanz der USA<br />
neu gelesen werden muss, wenn sie auf Wertschöpfungszahlen<br />
basiert. Wird die gängige<br />
Handelsstatistik herangezogen, resultiert<br />
beim iPhone mit China ein Handelsbilanzdefizit<br />
von 1646 Mio. US-Dollar. Auf Wertschöpfungsbasis<br />
gemessen schrumpft dieses auf 65<br />
Mio. US-Dollar, da in China fast nur die Endmontage<br />
erfolgt, welche nur einen Bruchteil<br />
der Herstellungskosten ausmacht. Dafür resultieren<br />
Handelsbilanzdefizite der USA mit<br />
Taiwan, Deutschland, Korea und anderen Ländern,<br />
die Vorleistungsprodukte für die Fertigung<br />
des iPhone in China liefern. Nicht gezeigt<br />
werden in der Abbildung u.a. die diesen<br />
Lieferantenländern weiter vorgelagerten Liefer-<br />
oder Produktionsketten sowie die Vorleistungen<br />
dieser Vorleistungen. Für eine vertiefte<br />
Analyse braucht es daher eine globale Input-Output-Tabelle<br />
mit bilateralen Handelsverflechtungen.<br />
Das Beispiel zeigt auch, dass über Handelsdaten<br />
hinaus mehr Informationen zu anderen<br />
Einkommensflüssen nötig sind, um die<br />
Frage zu beantworten, wer schlussendlich<br />
vom Handel profitiert. Insbesondere die Nutzung<br />
geistiger Eigentumsrechte ist hier relevant.<br />
Korkeamäki und Takalo (2012) schätzen,<br />
dass patentierbare Technologien allein rund<br />
25% des Werts eines iPhones bestimmen.<br />
Aber auch die Besitzverhältnisse spielen eine<br />
wichtige Rolle: <strong>Die</strong> Firma Foxconn, welche die<br />
iPhones in China fertigt, ist taiwanesischen<br />
Ursprungs. Ein Teil der chinesischen Wertschöpfung<br />
fliesst deshalb in Form von Beteiligungserträgen<br />
nach Taiwan. Berücksichtigt<br />
man – neben den Vorleistungen in den USA –<br />
auch die Löhne der konzeptionellen Tätigkeiten,<br />
die Gewinne der Firma Apple sowie die<br />
Einnahmen aus dem Vertrieb, so verbleibt<br />
insgesamt der grösste Teil der Wertschöpfung<br />
nach wie vor in den USA.<br />
Quellen: OECD (2011), Revisiting Trade in a Globalised<br />
World: Current and Future Work on Measuring Trade in<br />
Value Added Terms, Working Paper; OECD, (2012), Trade in<br />
Value-Added: Concepts, Methodologies and Challenges<br />
(Joint OECD/WTO Note); Korkeamäki, Timo und Takalo,<br />
Tuomas (2012), Valuation of Innovation: The Case of<br />
iPhone, Research Discussion Papers 24/2012, Bank of<br />
Finland.<br />
Taiwan<br />
Deutschland<br />
Korea<br />
Rest der Welt<br />
?<br />
Vorgelagerte<br />
Lieferanten<br />
Quelle: OECD / <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />
ten, indem eine Aufwertung der Währung<br />
durch eine Verbilligung der Importe teilweise<br />
kompensiert wird.<br />
Je nach Branche unterschiedliche<br />
Wertschöpfungstiefe<br />
Deutlich über die Hälfte des Werts der<br />
Schweizer Chemie-/Pharmaexporte wird im<br />
Ausland generiert. Im Vergleich dazu sind es<br />
rund 30% für die gesamte Schweizer Exportwirtschaft.<br />
3 <strong>Die</strong> fortgeschrittene Integration<br />
in die globalen <strong>Wertschöpfungsketten</strong> (GVC)<br />
bedeutet, dass von jeder Milliarde Franken<br />
Exporteinnahmen der Chemie-/Pharmabranche<br />
nur 370 Mio. Franken an Wertschöpfung<br />
in der Schweiz verbleiben und<br />
dabei eine Beschäftigung von weniger als<br />
2000 Stellen schaffen (siehe Grafik 1). Anders<br />
die Finanzbranche: Hier generiert jede Milliarde<br />
Franken Exporteinnahmen eine Wertschöpfung<br />
von 851 Mio. Franken und 3700<br />
Arbeitsplätze in der Schweiz. <strong>Die</strong> Wertschöpfung<br />
pro Arbeitsplatz – und damit der wichtigste<br />
Bestimmungsgrund der Löhne – ist in<br />
beiden Branchen sehr hoch. Gegenpol ist der<br />
wenig in die GVC eingebundene Tourismussektor,<br />
der für eine hohe Wertschöpfung von<br />
670 Mio. Fr. je Mrd. Exporte in der Schweiz<br />
eine Beschäftigung von über 9100 Arbeitsplätzen<br />
mit eher tiefen Löhnen schafft.<br />
Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur<br />
<strong>Die</strong> internationale Fragmentierung der<br />
Produktion hat nach gängiger Auffassung<br />
anfangs vor allem zur Auslagerung von Tätigkeiten<br />
in Niedriglohnländer geführt, die<br />
mit der eigentlichen Fertigung in der Industrie<br />
in Verbindung stehen. Industriefirmen<br />
sind zwar in den fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en<br />
nach wie vor präsent. Sie beschränken<br />
sich dort jedoch in erster Linie auf<br />
wissensintensive <strong>Die</strong>nstleistungstätigkeiten,<br />
die in der Wertschöpfungskette der eigentlichen<br />
Fertigung – wie etwa Design, Forschung<br />
und Entwicklung – vorgelagert und – wie<br />
Marketing oder Logistik – nachgelagert sind.<br />
Studien 4 bestätigen, dass durch Auslagerungen<br />
bislang nicht die gesamte Beschäftigung,<br />
sondern nur bestimmte Arbeitsplätze<br />
und Qualifikationen unter Druck geraten<br />
sind. Das Offshoring arbeitsintensiver Tätigkeiten<br />
trägt vielmehr dazu bei, dass die verbleibenden<br />
Tätigkeiten eher in Hochlohnländern<br />
gehalten werden können, und dass<br />
es dadurch in den fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en<br />
– mindestens je Arbeitsplatz gerechnet<br />
– zu höherer Wertschöpfung und<br />
höheren Löhnen kommen kann. Das Beispiel<br />
der Firma Apple zeigt auf, dass die in den<br />
fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en verbleibende<br />
Wertschöpfung auch nach Auslagerung<br />
des grössten Teils der Fertigung nach<br />
China sehr hoch ist (siehe Kasten 1 und Grafik<br />
2). Allerdings sind mit den Fortschritten<br />
in der Informationstechnologie vermehrt<br />
auch Wissenstätigkeiten an jedem beliebigem<br />
Ort auf der Welt erstellbar und einfach<br />
in die Wertschöpfungskette zu integrieren.<br />
Parallel dazu wächst das Wissenskapital in<br />
aufstrebenden <strong>Volkswirtschaft</strong>en.<br />
<strong>Die</strong> Wettbewerbsfähigkeit eines Landes<br />
lässt sich vor diesem Hintergrund nicht<br />
mehr rein anhand der exportierten Güter beurteilen.<br />
Vielmehr ist zu berücksichtigen, wie<br />
sehr sich ein Land innerhalb von GVC nachhaltig<br />
auf Tätigkeiten und Arbeitsplätze mit<br />
hoher Wertschöpfung und damit hohen<br />
Löhnen spezialisieren kann. Für die Aussenhandelsströme<br />
bedeutet dies, dass es immer<br />
unwichtiger wird, was man exportiert, sondern<br />
eine Betrachtung an dem ansetzen sollte,<br />
was man tut, respektive welche inländischen<br />
Tätigkeiten und Wertschöpfung in<br />
einem exportierten Produkt enthalten sind.<br />
Grafik 3 illustriert, dass auch in der Schweiz<br />
ein Strukturwandel weg von traditionellen<br />
Tätigkeiten der Industrie hin zu in der Wertschöpfungskette<br />
vor- und nachgelagerten,<br />
oft hochqualifizierten <strong>Die</strong>nstleistungen stattgefunden<br />
hat. Das bedeutet zum Beispiel weniger<br />
Her stellen und Bearbeiten von Produkten<br />
oder Einrichten, Bedienen, Unterhalten<br />
von Maschinen und mehr Begutachten, Beraten<br />
oder Beurkunden.<br />
Handel innerhalb von Firmen und<br />
Produktionsnetzwerken<br />
Der weltweite Handel ist zunehmend<br />
Handel von Vorleistungsgütern, der innerhalb<br />
von Firmen abgewickelt wird. Gemäss<br />
einer Studie der Unctad 5 stehen rund 80%<br />
des globalen Handels in Zusammenhang mit<br />
48 <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong> Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2013
Spotlight<br />
5.0<br />
3.0<br />
1.0<br />
–1.0<br />
–3.0<br />
–5.0<br />
Grafik 3<br />
Veränderung der wirtschaftlichen Tätigkeiten und Löhne in der Schweiz<br />
(ausgewählte Tätigkeiten)<br />
In Prozentpunkten<br />
Herstellen und bearbeiten<br />
von Produkten<br />
Sekretariats- und Kanzleiarbeit<br />
<br />
Kasten 2<br />
Veränderung Arbeitskräfte nach Tätigkeit 1996/2010 (linke Skala)<br />
Maschinen einrichten, bedienen,<br />
unterhalten<br />
(Ver-)Kauf von Grundstoffen und<br />
Investitionsgütern<br />
Transport von Personen, Waren, Nachrichten<br />
Messung der globalen <strong>Wertschöpfungsketten</strong><br />
Rechnungs- und Personalwesen<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, dass ein Endprodukt in Form<br />
von Vorleistungen mehrfach als Handelsstrom<br />
erfasst wird, erlaubt immer weniger,<br />
Rückschlüsse von der Exportnachfrage auf die<br />
Wertschöpfung und damit auf die Konjunktur<br />
in einem Land zu ziehen. <strong>Die</strong> Unctad schätzt,<br />
dass der globale Handelswert wegen der<br />
Erfassung der importierten Vorleistungen im<br />
Handel von Endprodukten um etwa 28%<br />
(rund 5 Bio. US-Dollar) überschätzt wird.<br />
<strong>Die</strong> Messung der globalen <strong>Wertschöpfungsketten</strong><br />
basiert darauf, dass man berücksichtigt,<br />
welche Vorleistungen bei der Produktion<br />
eines Gutes oder einer <strong>Die</strong>nstleistung aus dem<br />
Ausland kommen. Üblicherweise werden hierfür<br />
Input-Output-Tabellen (IOT) verwendet.<br />
Werden die IOT der einzelnen Länder mit<br />
Daten zu deren Handelsströmen verknüpft,<br />
lassen sich die wirtschaftlichen Wechselwirkungen<br />
zwischen den einzelnen Ländern<br />
berechnen.<br />
Ziel- und Strategiedefinition von<br />
Unternehmen<br />
3 Eigene Berechnungen auf Basis der Schweizer IOT für das<br />
Jahr 2008. Gemäss Tiva-Datenbank der OECD liegt der<br />
Anteil ausländischer Wertschöpfung der Chemie-/Pharma<br />
Branche der Schweiz bei knapp 50%.<br />
4 Siehe OECD (2013), Interconnected Economies:<br />
Benefiting from Global Value Chains, Kapitel 1.<br />
5 Vgl. Unctad (2013), Global Value Chains and Development,<br />
Investment and Value Added Trade in the Global<br />
Economy.<br />
6 Dazu rechnet die Unctad Intrafirmenhandel, Handel<br />
ohne direkte Beteiligung der MNU (z.B. Lohnfertigung,<br />
Lizenzproduktion, Franchising) oder marktübliche<br />
Transaktionen, die mindestens ein MNU betreffen.<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Logistik, Stabsaufgaben<br />
Verkauf von Konsumgütern und DL im Detailhandel<br />
Durchschnittlicher Lohn 2010 (rechte Skala)<br />
Begutachten, Beraten, Beurkunden<br />
Analysieren, Programmieren, Operating<br />
In CHF<br />
17 000<br />
12 000<br />
7000<br />
2000<br />
–3000<br />
–8000<br />
–13 000<br />
–18 000<br />
Quelle: BFS, LSE 1996–2010; SECO / <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />
internationalen Produktionsnetzwerken<br />
multinationaler Unternehmen (MNU). 6 Dabei<br />
sind die ausländischen Direktinvestitionen<br />
(Foreign Direct Investment, FDI) dieser<br />
Unternehmen eine wichtige Triebfeder weltweiter<br />
Handelsflüsse. Gemäss Unctad hat<br />
sich das Verhältnis zwischen den globalen<br />
Beständen an FDI und den globalen Handelsströmen<br />
von rund 50% in den 1990er-<br />
Jahren auf mehr als 100% im Jahr 2010 verdoppelt.<br />
<strong>Die</strong> Analyse der Unctad zeigt, dass sich die<br />
Länder mit den grössten inländischen FDI<br />
Beständen relativ zur Grösse der <strong>Volkswirtschaft</strong><br />
durch drei Aspekte abheben:<br />
––<br />
Sie haben höhere Anteile ausländischer<br />
Wertschöpfung in ihren Exporten.<br />
––<br />
Sie sind stärker beteiligt an den GVC.<br />
––<br />
Ihr Aussenhandel, gemessen an der im Inland<br />
ausgelösten Wertschöpfung, leistet<br />
einen grösseren Beitrag zum BIP.<br />
In diesen drei Feststellungen kommt die<br />
vertiefte Einbindung einer <strong>Volkswirtschaft</strong> in<br />
die internationale Arbeitsteilung zum Ausdruck,<br />
welche nach Erkenntnissen der<br />
Wachstumstheorie mit höheren Pro-Kopf-<br />
Einkommen einher geht.<br />
Bedeutsam ist hierbei, dass FDI nicht auf<br />
Investitionen in die Fertigung und auf die<br />
Auslagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer<br />
zu reduzieren ist. Mit FDI fliessen<br />
nicht nur Kapital, sondern vor allem<br />
auch Wissen und Technologie zwischen Ländern.<br />
Hierzu passt, dass im Gegensatz zum<br />
Handel, welcher nach wie vor vorwiegend<br />
den Austausch von Gütern umfasst, der<br />
grösste Teil (rund zwei Drittel) der globalen<br />
FDI-Bestände im <strong>Die</strong>nstleistungssektor investiert<br />
ist.<br />
Unterschätzte Bedeutung der<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen<br />
Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
exportorientierter Unternehmen ist indessen<br />
nicht nur die Möglichkeit des Zugriffs<br />
auf die – oft aus FDI resultierenden und in<br />
der eigenen Firma erbrachten – internationalen<br />
Vorleistungsgüter. Auch dem Preis-/<br />
Leistungsverhältnis der aus dem Inland bezogenen<br />
Vorleistungen kommt für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
grosse Bedeutung zu. So<br />
sind namentlich auch <strong>Die</strong>nstleistungen für<br />
die Industrie lebensnotwendig. Misst man<br />
die «effektiv» in den Exporten enthaltenen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen, so zeigt sich, dass in der<br />
Schweiz rund die Hälfte der Wertschöpfung<br />
des Gesamtexports (d.h. Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen)<br />
durch <strong>Die</strong>nstleistungstätigkeiten<br />
erbracht wird, wobei dieser Anteil selbst in<br />
der Maschinenindustrie 35% beträgt. Für die<br />
Positionierung der Schweiz in den GVC ist<br />
somit auch die Leistungsfähigkeit weiter Teile<br />
der Binnenwirtschaft von Bedeutung.<br />
Was ist noch «Swiss Made»?<br />
Der systematisch unterschätzte Gehalt<br />
von <strong>Die</strong>nstleistungen in den Güterexporten,<br />
der zunehmende Anteil von Vorleistungsgütern<br />
im Handel und die Relevanz des Intrafirmenhandels<br />
zeigen, dass der internationale<br />
Wettbewerb vielschichtiger geworden ist.<br />
In Zukunft dürfte sich der Wettbewerb zunehmend<br />
auf Ebene bestimmter Tätigkeiten<br />
(Trade in Tasks) und weniger auf Ebene der<br />
Produktion abspielen. Mit der Spezialisierung<br />
auf Tätigkeiten mit hoher Wertschöpfung<br />
verlieren die Herstellungskosten der<br />
verwendeten Komponenten als Kennzeichen<br />
von «Swiss Made» an Bedeutung. Immer<br />
wichtiger wird hingegen, dass die Idee für eine<br />
Prozess- oder Produktinnovation (Konzeption)<br />
unter Schweizer Ägide entsteht, und<br />
dass die <strong>Die</strong>nstleistungen nach dem Verkauf<br />
ab dem Standort Schweiz erfolgen oder von<br />
hier aus koordiniert werden.<br />
<br />
49 <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong> Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2013