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Geschichte des Rollkunstlauf von Rolf Noess - Deutscher Rollsport ...

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<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Rollschuhlaufens<br />

<strong>von</strong> <strong>Rolf</strong> <strong>Noess</strong><br />

Der Ursprung <strong>des</strong> Rollschuhlaufens ist nicht ganz geklärt. Während Carl Diehm ermittelte,<br />

daß der Rollschuhsport auf die Erfindung dieses Gerätes durch den Pariser<br />

Medaillenschneider Vanlede zurückzuführen sei, vermerkt man im englischen<br />

Sprachraum einen namentlich unbekannten Holländer als den Schöpfer eines ersten noch<br />

unfertigen Gerätes, das man sich " wie Schlittschuhe unter die Füße schnallen" konnte.<br />

Dies soll während der frühen Jahre <strong>des</strong> 18.Jahrhunderts gewesen sein. Die ersten<br />

Aufzeichnungen stammen aus dem Gothaschen Hofkalender <strong>von</strong> 1790. Die französische<br />

Bezeichnung patin-ä-terre wird dabei mit "Erdschlittschuhe" übersetzt. Obereinstimmung<br />

besteht dahingehend, daß etwa 1760 der Belgier Merlin aus Huy, der vorübergehend<br />

auch in London lebte, als der erste offizielle Rollschuhhersteller gelten kann. Die<br />

Weiterentwicklung ließ dann auf sich warten. Erst nachdem James L. Plimton (New York)<br />

1863 auf einen gefederten Vierrad-Rollschuh sein Patent erhalten hatte, war in den USA<br />

und Europa der erste Rollschuhboom zu verzeichnen. Die zuvor <strong>von</strong> dem Franzosen Jean<br />

Garcin (1815), dem Engländer Rob Ion Tyer (1825) und dem Wiener Uhrmacher Anton<br />

Löhner (1825) weiterentwickelten und auch patentierten Modelle hatten keine starken<br />

Aktivitäten auslösen können, sieht man vom temporären Betrieb eines angeblich schon im<br />

Jahre 1807 in Cincinatti (USA) eröffneten Skating-Rinks ab. Plirnton war es auch, der den<br />

ersten öffentlichen Rollschuh-Rink schuf und zwar 1866 in Newport (Rhode-Island). Kurz<br />

danach entstanden solche Anlagen auch in Paris und London. 1880 gab es in Paris 40<br />

Rollschuhbahnen, in London sogar 70. Eine dieser Anlagen, und zwar die größte<br />

<strong>Rollsport</strong>halle, die jemals betrieben worden ist, war die Londoner Grand Hall Olympia. Sie<br />

hatte eine Lauffläche <strong>von</strong> 68000 Squarefeet, also etwa die Größe eines Fußballplatzes<br />

(eröffnet 1890 für eine Saison, wieder betrieben 1909-1912). In Deutschland entstand<br />

1876 durch eine englische Gesellschaft in Berlin-Hasenheide die erste Rollschuhbahn.<br />

Weitere folgten im Zoologischen Garten, am Anhalter Bahnhof und in Charlottenburg.<br />

Auch Frankfurt hatte im Palmengarten sein )Rollodrom(; damals gab es in Deutschland<br />

etwa 50 Bahnen.<br />

Ein großer Anstoß zur Entwicklung <strong>des</strong> Rollschuhlaufens war vom Theater ausgegangen.<br />

Giacomo Meyerbeer (17911864) hatte in seine Oper "Le Prophäte" (1849) eine<br />

Eislaufszene ("Les Patineurs") eingebaut, die man auf den Bühnen mit Rollschuhen<br />

einstudierte. Gleiches geschah bei dem vom Choreographen und Komponisten Filippo<br />

Togliani ebenfalls 1849 geschriebenen Ballett "Wintervergnügen". Der amerikanische<br />

Ballettmeister Jackson Hains war es, der seine Kenntnisse als Eislauflehrer ab 1864 den<br />

Rollschuhen widmete, und seine Interpretationen bildeten die Grundlage für den späteren<br />

internationalen Stil nicht nur <strong>des</strong> Eis- sondern auch <strong>des</strong> <strong>Rollkunstlauf</strong>ens.Die ersten<br />

Rollen unter den Rollschuhen waren aus türkischem Buchsbaumholz. Später wurden gute<br />

Rollen aus altem kanadischen Ahorn gefertigt, bevor Kunststoff den Markt zu beherrschen<br />

begann. Ein ent-scheidender Meilenstein für die Entwicklung <strong>des</strong> Rollschuhs war die<br />

Verwertung <strong>des</strong> Kugellagerpatentes (1884).<br />

Vielgestaltig waren die Formen, in denen sich die Menschen mit dem Rollschuh als<br />

neuem Sportgerät betätigten. Die Rollschuhbahn wurde ein gesellschaftlich wichtiger<br />

Platz, wo man Menschen traf und selbst gesehen wurde, eine echte Freizeitsportstätte,<br />

wenn man so will. Darüber hinaus nahmen sich in Deutschland zuerst die Radfahrvereine<br />

der neuen Sportart an, und 1879 kam das Rollschuhfahren im Duo auf, bei dem sich wie<br />

im Radsport zwei Fahrer ablösten. Um die Jahrhundert-wende war der <strong>Rollsport</strong> nahe<br />

daran, dem Radfahren den Rang abzulaufen.Etwa ab 1878 begann man im sogenannten<br />

Denmark-Hill Rink in London auf Rollschuhen ein Ballspiel, das man Rink-Polo nannte.<br />

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Daraus entwickelte sich das Rollhockey, für das die Engländer 1905 ihre AmateurHockey-<br />

Association gründeten. Der Bund <strong>Deutscher</strong> Rollschuhvereine wurde 1910 in Leipzig<br />

gegründet. 1924 entstand in Montreux die Federation International de RollerSkating, der<br />

auch der deutsche Verband, beitrat.<br />

In den Anfängen <strong>des</strong> <strong>Rollsport</strong>s gab es sogar Wettbewerbe im Weitspringen, wobei man<br />

es bis auf 6,84 m brachte. Im Hochsprung überwand man 110 cm. Aus der Zeit vor dem<br />

Ersten Weltkrieg datiert der im Jahre 1913 <strong>von</strong> dem australischen Professor Eckard mit<br />

108 Stunden in Rockhampton (Queensland) aufgestellte Dauerlaufrekord. Die<br />

Begeisterung für den <strong>Rollsport</strong> ging so weit, daß ein führender englischer Arzt ihn als ein<br />

ausgezeichnetes Mittel gegen Bleichsucht und Nervenleiden bezeichnete.<br />

Im <strong>Rollkunstlauf</strong> werden Deutsche Meisterschaften seit 1911, Europameisterschaften seit<br />

1937 ausgetragen. Lydia Wahl und Fritz Händel (beide 1. FC Nürnberg) errangen die<br />

Europatitel sowohl im ersten Jahr als auch 1938, während bei den Paaren Deutschland<br />

ebenfalls erfolgreich war und zwar 1937 durch Liselotte Roth mit Bruno Walter (ebenfalls<br />

Nürnberg) und 1938 durch Margit Lauer mit Karl Waldeck (Dortmund). Der erste<br />

Auslandskontakt deutscher <strong>Rollsport</strong>ler ist im Jahre 1924 durch die Teilnahme <strong>des</strong> RSC<br />

Stuttgart an einer inoffiziellen Europameisterschaft zu verzeichnen, die in Montreux<br />

stattfand. Ab 1925 trat die deutsche Vertretung als Nationalmannschaft auf. Die besten<br />

Plazierungen erreichte sie 1932 und 1934, als sie in Herne Bay (England) jeweils die<br />

europäische Vizemeisterschaft errang. 1925, 1926, 1928 und 1930 wurde sie Dritter.<br />

Mannschaften aus Nürnberg, Frankfurt, Darmstadt, OberRamstadt, Krefeld, Berlin und<br />

anderen Städten belebten damals neben den starken Stuttgartern im nationalen Bereich<br />

die Szene. In allen internationalen Wettbewerben blieb <strong>von</strong> 1925 bis 1939 England<br />

ungeschlagen.Die erste Weltmeisterschaft, die mit sieben europäischen Nationen<br />

durchgeführt wurde, fand 1936 in Stuttgart statt. 1956, 1972, 1974, 1976 und 1978<br />

erreichte die deutsche Mannschaft ihre jeweils besten Plazierungen mit vierten Plätzen. In<br />

die Phalanx der Südländer und dabei insbesondere der Portugiesen, Spanier und<br />

Argentinier konnten die Deutschen nie einbrechen. Diese Weltmeisterschaften werden im<br />

Wechsel mit den Europameisterschaften alle zwei Jahre ausgetragen.<br />

Auch im Rollschnellauf gibt es seit 1911 Deutsche Meisterschaften, Weltmeisterschaften<br />

aber erst seit 1936. Wer in den Anfangsjahren zu Meisterehren kam, ist nicht festgehalten.<br />

Erst <strong>von</strong> 1937 wissen wir, daß Benno Faltermeyer, später als exzellenter Eisclown<br />

bekannt, in Nürnberg den deutschen Titel holte und Hilde Lang aus Nürnberg bei den<br />

Damen siegreich war. Ende der dreißiger Jahre, bis der Zweite Weltkrieg dann keine<br />

sportlichen Wettkämpfe mehr ermöglichte, waren es die beiden Nürnberger Alfons Heiß<br />

und Hilde Lang, die sich <strong>von</strong> 1938 bis 1940 keinen nationalen Titel nehmen ließen. 1938<br />

errang allerdings Lydia Wahl in Stuttgart neben der Goldmedaille als Europameisterin im<br />

Kunstlauf diesen Titel ebenfalls im Schnellauf. Alfons Heiß stellte 1939 einen Weltrekord<br />

über 500m (0,47,7) und sein Vereinskamerad Willy Stengel über 1000m (1,38,6) und<br />

10000m (19,42,9) auf, doch fanden diese Rekorde angesichts <strong>des</strong> Krieges beim<br />

internationalen Verband keine Anerkennung mehr.<br />

Auch im <strong>Rollsport</strong> war die große Pause eingetreten. Die USA veranstalteten 1947 die<br />

ersten Weltmeisterschaften im <strong>Rollkunstlauf</strong>, allerdings noch ohne die Deutschen, die sich<br />

erst wieder 1951 einschalten konnten. Von diesem Zeitpunkt an mußte es als eine<br />

Überraschung gewertet werden, wenn eine der vier Medaillen nicht an Deutschland ging.<br />

Überragender Kunstläufer aller Zeiten war Karl-Heinz Losch aus Heilbronn, der sich<br />

sieben Welttitel holte. Seit 1968 werden alle Titel im Zweikampf zwischen den USA und<br />

Deutschland vergeben.Ähnlich wie Karl-Heinz Losch im Kunstlauf dominierte im<br />

Schnellauf der Schweinfurter Günter Traub in den Jahren 1957-1968. Vierundzwanzigmal<br />

war er <strong>Deutscher</strong> Meister, bei Weltmeisterschaften holte er vier Goldmedaillen, zwei<br />

Silbermedaillen und neun Bronzemedaillen sowie bei Europameisterschaften eine Gold-<br />

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und eine Bronzemedaille. Er stellte fünf Weltrekorde und zahlreiche deutsche Rekorde<br />

auf.Heute mutet es geradezu phänomenal an, daß alle Weltrekorde der Damen und<br />

Herren, sowohl auf der Straße wie auf der Piste, ohne Ausnahme in Händen italienischer<br />

Sportler sind. Schnellster Läufer aller Zeiten war Giuseppe Cantarelle, der auf einer<br />

Straße bei Catania in Sizilien am 28.9.1963 500m in 43,7 Sekunden durchspurtete.<br />

Interessant sind einige heute nicht mehr offizielle Weltrekorde wie z. B. der Lauf über eine<br />

Stunde <strong>von</strong> Alberto Civolani (Italien) mit 37 km und 230 m, dem es seine Landsmännin<br />

Marisa Danesi im Jahre 1967 mit 32 km, 766 m fast gleichtat. Civolanis Rekord entstand<br />

im übrigen auf der Piste in Inzell/Obb., während )die Danesi, die alle Damen-Weltrekorde<br />

hält, in Bologna gelaufen war.Der erste Dauerlaufrekord wurde, wie erwähnt, 1913 in<br />

Rockhampton (Australien) mit 108 Stunden <strong>von</strong> Prof. Eckard aufgestellt. Heute hält<br />

Civolani seit dem Jahre 1967 den Rekord über 50000 m mit 1 Stunde 25 Minuten 43,7<br />

Sekunden.Den längsten Rollschnellauf, über den Aufzeichnungen vorhanden sind, lief ein<br />

Mister Clinton Shaw aus Victoria in British Columbien mit 4900 Meilen <strong>von</strong> St.Johns<br />

(Neufundland) über den Transcanadian-Highway nach Montreal. Er war vom 1.April bis<br />

zum 11. November unterwegs. Womit sich der ärztliche Rat, daß <strong>Rollsport</strong> die Bleichsucht<br />

vertreibe, an diesem Kanadier, der fast siebeneinhalb Monate durchs Land lief,<br />

bewahrheitet haben dürfte.<br />

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