Leseprobe als PDF - E-cademic
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Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz?<br />
Beiträge zu einer Theorie-Praxis-Diskussion<br />
Literacy, Basic Education or Reading Competencies?<br />
Aspects of a discussion between theory and practice<br />
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Lite
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Anke Grotlüschen/Andrea Linde (Hrsg.)<br />
Literalität, Grundbildung<br />
oder Lesekompetenz?<br />
Beiträge zu einer Theorie-Praxis-Diskussion<br />
Literacy, Basic Education<br />
or Reading Competencies?<br />
Aspects of a discussion between theory and practice<br />
Waxmann Münster / New York<br />
München / Berlin<br />
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Lite<br />
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
ISBN 978-3-8309-1654-3<br />
© Waxmann Verlag GmbH, 2007<br />
Postfach 8603, D-48046 Münster<br />
www.waxmann.com<br />
E-Mail: info@waxmann.com<br />
Umschlaggestaltung: Christian Averbeck, Münster<br />
Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, Münster<br />
Druck: Hubert & Co., Göttingen<br />
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier,<br />
säurefrei gemäß ISO 9706<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Printed in Germany<br />
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Inhalt<br />
Vorbemerkung ............................................................................................................9<br />
Anke Grotlüschen<br />
Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz? Zur Einführung............................11<br />
Erhard Schlutz<br />
PISA für Erwachsene – Kompetenzerweiterung und zweite Chance?.....................15<br />
Dieter Gnahs<br />
Kompetenzmessung bei Erwachsenen – zum Stand von PIAAC ............................25<br />
Sven Nickel<br />
Familienorientierte Grundbildung im Sozialraum <strong>als</strong> Schlüsselstrategie<br />
zur breiten Teilhabe an Literalität ............................................................................31<br />
Rudolf Kretschmann<br />
Auf Umwegen zum Ziel. Motivierende Lese- und Schreibförderung<br />
bei älteren Schülerinnen und Schülern .....................................................................42<br />
Anke Grotlüschen, Andrea Linde<br />
Literalität nach der Schulzeit. Kooperation von Primarstufe, Lehrerbildung<br />
und den Grundbildungsangeboten der Erwachsenenbildung......................48<br />
Jean-Pierre Jeantheau<br />
IVQ-Erhebung 2004/2005: Schwerpunkt ANCLI-Modul und erste Ergebnisse .....57<br />
Birte Egloff<br />
Biografieforschung und Literalität. Ursachen und Bewältigung von<br />
funktionalem Analphabetismus aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive......70<br />
Szilvia Kis<br />
Zigeuner und Analphabetismus in Ungarn...............................................................81<br />
Andrea Linde<br />
Alphabetisierung, Grundbildung oder Literalität? ...................................................90<br />
Finn Egil Toennessen<br />
Gedächtnis, Computer und Leseprobleme .............................................................100<br />
Bjorg Solstad Rustad<br />
Illiteralität in modernen Gesellschaften. Ein Durchgang durch<br />
Ansätze verschiedener Disziplinen.........................................................................110<br />
5
Lite<br />
Catherine le Cunff<br />
Sprache, das Projekt: Sozialisation und Einführung ins Schreiben........................121<br />
Almut Schladebach<br />
Ein rotes Tuch: Formulare und Fragebögen! Auswertung der<br />
Teilnehmerbefragung im 2. Semester 2004 im Grundbildungszentrum<br />
der Hamburger Volkshochschule ...........................................................................140<br />
Ralf Kellershohn<br />
Alphabetisierung online – Lesen und Schreiben lernen mit dem Internet.<br />
Das E-Learning-Portal „ich-will-schreiben-lernen.de“..........................................147<br />
Contents<br />
Preface ....................................................................................................................161<br />
Anke Grotlüschen<br />
Literacy, Basic Education or Reading Competencies? An Introduction ................163<br />
Erhard Schlutz<br />
PISA for Adults – Extension of Competences and Second Chance?.....................167<br />
Dieter Gnahs<br />
Adult Competence Measurement – On the State of PIAAC ..................................177<br />
Sven Nickel<br />
Family-Orientated Basic Education in the Social Space as a<br />
Key-Strategy for Extended Participation in Literacy.............................................182<br />
Rudolf Kretschmann<br />
Reaching Our Goal the Roundabout Way. Motivating Support of<br />
Reading and Writing with Older Students..............................................................193<br />
Anke Grotlüschen, Andrea Linde<br />
Literacy after School – Cooperation of Primary Level/Teachers’ Education<br />
and Basic Educational Offers for Adults................................................................199<br />
Jean-Pierre Jeantheau<br />
IVQ Survey 2004/2005 – Focus on the ANCLI Module and First Results ...........208<br />
Birte Egloff<br />
Biography Research and Literacy. Causes of Functional Illiteracy<br />
and how to overcome it from the Perspective of Educational Studies...................217<br />
6
Szilvia Kis<br />
The Gipsy and Illiteracy in Hungary......................................................................229<br />
Andrea Linde<br />
“Alphabetisierung”, Basic Education, or Literacy? ...............................................237<br />
Finn Egil Toennessen<br />
Brains, Computers and Reading Problems.............................................................246<br />
Bjorg Solstad Rustad<br />
Illiteracy in Modern Societies. An Overview of Approaches by<br />
Different Disciplines...............................................................................................255<br />
Catherine le Cunff<br />
Speech, the project: socialisation and entry into writing........................................265<br />
Almut Schladebach<br />
A Red Rag to a Bull: Forms and Questionnaires.<br />
Evaluation of the survey among attendants of the 2 nd semester, 2004,<br />
at the Grundbildungszentrum der Hamburger Volkshochschule<br />
(Centre for Basic Education of the Hamburg Adult Education Centre).................282<br />
Ralf Kellershohn<br />
Literacy Work Online – Learning How to Read and<br />
Write by Help of the Internet. The E-Learning Homepage<br />
“ich-will-schreiben-lernen.de” (I want to learn how to read and write) ................289<br />
ng<br />
Autorenübersicht/List of Authors...........................................................................299<br />
7
8<br />
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Vorbemerkung<br />
In einem internationalen Projekt zum Thema „Literalität“ stößt man schnell auf<br />
Begriffsunklarheiten, Stigmatisierungen und Verständigungsprobleme. Es scheint<br />
zwar zunächst, <strong>als</strong> wüssten alle Beteiligten, wovon die Rede ist: Schließlich gehe es<br />
um scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Lesen und Schreiben. Doch dann beginnen<br />
schon die Fragen: Wer ist eigentlich gemeint, wenn von Literalität die Rede<br />
ist? Sind Schulkinder, Menschen mit Behinderungen, Migrantinnen und Migranten,<br />
Nichtsesshafte, Berufstätige oder Ruheständler die Adressaten, deren Lesekompetenz<br />
zur Debatte steht? Was ist außerdem unter Lesekompetenz zu verstehen,<br />
wenn die Vorstellungen von Buchstabierkenntnis bis zur Reflexionsfähigkeit auf<br />
eigene Bildungsprozesse reichen?<br />
Es sind <strong>als</strong>o Kernfragen zu identifizieren.<br />
Adressatenkreise sind zu identifizieren, deren Literalität erforscht werden<br />
müsste, um daraufhin entsprechende Angebote zu gestalten. Dazu ist auch Wissen<br />
über die Erreichbarkeit solcher Kreise notwendig.<br />
Inhalte der Literalität(en) bleiben notgedrungen strittig: Ist Computer Literacy<br />
unverzichtbar und genügt Reading Literacy oder braucht es auch Science Literacy<br />
oder gar Health Literacy? Die Bandbreite ist vielfältig und führt in das gegenwärtig<br />
breit diskutierte Dilemma, was denn zu testen sei, wenn internationale Vergleichserhebungen<br />
vorbereitet werden. Bildungstheoretisch steht immer noch ein materialer<br />
Kanon verbindlicher Kompetenzen im Konflikt zu der formalen Anforderung,<br />
reflektierend Lernen zu lernen.<br />
Finanzierung, Zeitregelungen und didaktische Zugänge sind zu klären, die den<br />
Adressatenkreisen angemessen sind und die Gegenstände in ihrer Bedeutsamkeit<br />
aufnehmen.<br />
Akteure und Aktivitäten sind im Zusammenhang mit nationalen und supranationalen<br />
Trends zu betrachten. Dabei sind Fragen neuer Vernetzungen und<br />
Bündnisse sowie aktuelle bildungsrelevante Politiken relevant.<br />
Ein aus Mitteln der Europäischen Kommission gefördertes Projekt kann Ansätze<br />
zusammentragen und Good Practices aufzeigen. Dabei ist es im Programm<br />
„Leonardo da Vinci“ entscheidend, berufsbildungsrelevante Konzepte und Resultate<br />
zu erarbeiten und zu erproben. Hier zeigt sich bereits eine wichtige Trendverschiebung:<br />
Literalität wird nicht allein <strong>als</strong> Thema der Allgemeinbildung gefördert,<br />
sondern in seiner neuen Ausprägung <strong>als</strong> berufsorientierte Grundbildung 1 an Arbeitsmarktchancen<br />
angekoppelt.<br />
Partner aus Ungarn, Griechenland, Norwegen, Belgien, Frankreich und<br />
Deutschland kamen über drei Jahre hinweg zusammen und haben eine Reihe von<br />
Modellen erstellt, die in englischer und französischer Sprache auf der Projektwebsite<br />
www.ceppac.org erhältlich sind. Das Spektrum der Praktiken, die im Projekt<br />
„CEPPAC“ (Coopération européenne sur les pratiques pédagogiques pour<br />
amélior les compétences des acteurs de formation continue et initiale) bearbeitet<br />
wurden, reicht von schriftferner Kultur in Ungarn über neurologische Forschung zu<br />
dem umstrittenen Begriff „Dyslexie“ in Norwegen bis hin zu Kursevaluationen in<br />
1 Tröster, Monika (Hrsg.): Berufsorientierte Grundbildung. Bielefeld 2002.<br />
9
Lite<br />
Deutschland. Diese Schilderungen und Praktiken wurden für eine Abschlusstagung<br />
in Rennes um Beiträge aus der Forschung und zum E-Learning ergänzt. Für diese<br />
Zusammenstellung wurden weiterhin Einschätzungen hinsichtlich der vergangenen<br />
und anstehenden internationalen Erhebungen (PISA, IALS, ALL) und der verschiedenen<br />
Ansätze der Kompetenzmessung hinzugezogen.<br />
Innerhalb der gegenwärtigen Diskussion um Lesekompetenz, Grundbildung<br />
oder Literalität sollen somit Anschlüsse zwischen Lehrerbildung und Weiterbildung,<br />
zwischen Diagnostik und Kompetenzmessung, zwischen Linguistik, Neuropsychologie<br />
und Bildungswissenschaft zur Sprache kommen. Damit verbunden<br />
ist die Chance interdisziplinärer Diskussionen um widerständig Lernende zu begreifen<br />
und ihren Interessen näher zu kommen.<br />
Peter Faulstich<br />
10
Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz? Zur Einführung<br />
Anke Grotlüschen<br />
Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz?<br />
Zur Einführung<br />
Der hier vorgelegte Sammelband soll den aktuellen Diskussionsstand verschiedener<br />
Theoriestränge, empirischer Ergebnisse und praktischer Aktivitäten zusammenfassen<br />
und auf spezifische Weise verknüpfen. Einige Beiträge sind am Ende eines<br />
dreijährigen Literalitäts-Projekts auf einer Fachtagung in Rennes (Frankreich) gemeinsam<br />
diskutiert worden. Andere Aufsätze dienen dazu, aktuellere Themengebiete<br />
und solche aus anderen Disziplinen abzudecken.<br />
Einleitend werden bildungspolitische und zukünftige Trends diskutiert. Anschließend<br />
werden Erhebungen zu Literalität vorgestellt, gefolgt von qualitativen<br />
Studien. Wir diskutieren dann anknüpfende Themengebiete (Computer,<br />
Gehirnforschung, Linguistik, Sozio-Konstruktivismus). Ausgewählte Projekt-<br />
Aktivitäten vervollständigen das Bild und stellen die Verbreiterung des Diskurses<br />
sicher.<br />
Die Fachtagung in Rennes hat gezeigt, dass ein erhebliches Interesse der<br />
Theoretiker/-innen an der praktischen und empirischen Erfahrung besteht, während<br />
die Praktiker/-innen über die drei Projektjahre hinweg immer wieder theoretische<br />
Beiträge eingefordert und erhalten haben. Eine weitere Tagung, die Hochschultage<br />
2006, hat eine erneute Zusammenkunft von Akteuren aus dem Literacy- und Lesekompetenzbereich<br />
erlaubt (Berufliche Bildung, Innovation und Soziale Integration<br />
2006). Hier lag der Schwerpunkt auf dem Gebiet der Kompetenzmessung und<br />
Diagnostik. Vor dem Hintergrund einer international bevorstehenden PIAAC<br />
Studie (auch: PISA für Erwachsene oder PISA LIFELONG) ist mit einer erheblichen<br />
Dynamik des Themas in den kommenden Jahren zu rechnen. Doch wird es<br />
gelingen, Erwachsene, die nicht im Klassenraum festgesetzt der Lehreranweisung<br />
unterliegen, zu einer Beteiligung an Literalitätstests zu bewegen?<br />
Hinsichtlich des Forschungsstandes und seiner Entwicklung eröffnet Erhard<br />
Schlutz den ersten Teil des Bandes und macht deutlich, wie sehr die Schulleistungsstudien<br />
den Blick auf Schule zentrieren und dabei die Frage übersehen,<br />
was aus den vielen Fünfzehnjährigen wird, die vor sechs Jahren nicht genügend<br />
Basiskompetenzen aufwiesen, um das unterste von fünf Lesekompetenzniveaus zu<br />
überschreiten (womit sie hierzulande <strong>als</strong> funktionale Analphabeten einzustufen<br />
wären, siehe Nickel in diesem Band). Schlutz kritisiert die Ideologie eines selbst<br />
organisierten Abbaus von Unterschieden im Zeitalter informellen Lernens und<br />
identifiziert Forschungsfelder sowie strategische Aufgaben der Praxis.<br />
Dieter Gnahs referiert aus dem laufenden Prozess den Stand der Dinge zur<br />
geplanten Erhebung „Programm for International Assessment of Adult Competencies“<br />
(PIAAC). Sowohl die Beispielaufgaben <strong>als</strong> auch die Stichproben- und<br />
Panelanlage zeigen die Schwierigkeit, einen Kanon verbindlicher, testbarer<br />
Kompetenzen zu vereinbaren, der internationale Gültigkeit beanspruchen kann und<br />
darf. Die Entscheidungen, an IALS, ALL oder PIAAC teilzunehmen, obliegen bei<br />
jeder Untersuchung den nationalen Strukturen. Hier ist bisher nicht absehbar, welche<br />
Strategien von Seiten der verschiedenen Regierungen eingeschlagen werden.<br />
11
Anke Grotlüschen<br />
Den Bogen zur „Alphabetisierung Erwachsener“ schlägt daran anschließend<br />
Sven Nickel mit der besonderen Perspektive auf Literalität <strong>als</strong> „lebenswegbegleitenden<br />
Prozess“. Hier wird die kontinuierliche Entwicklung von Literalität in<br />
täglicher Praxis deutlich, die auch im Beitrag von Andrea Linde hervorgehoben<br />
wird. Nickel wechselt jedoch die Perspektive zur Weiterentwicklung von Eltern mit<br />
dem Ziel der Verbesserung der Literalität der Kinder. Diese doppelte Perspektive<br />
macht zurzeit Karriere unter dem Titel „Family Literacy“. Neben der Einbettung in<br />
die familiäre Situation stellt Nickel den Zusammenhang zu sozi<strong>als</strong>trukturellen<br />
Gegebenheiten her und schützt damit das Konzept „Literalität“ vor dem Verdacht,<br />
soziale Segmentierungen fälschlich <strong>als</strong> individualisierte Risiken zu diskutieren.<br />
Nunmehr stellt sich auch die Frage, wer <strong>als</strong> illiterat zu gelten hat und welche<br />
Bereiche des Lesens und Schreibens beeinträchtigt sind. Eine für Lehrende in der<br />
Alphabetisierungsarbeit immer wieder schwierige Fragestellung betrifft die Einschätzung<br />
der spezifischen Lese- und Schreibschwierigkeiten. Hier ist eine genaue<br />
Kenntnis der Sprache, Grammatik und Schrift notwendig. Mit dem Fokus auf die<br />
Diagnostik Jugendlicher stellt Rudolf Kretschmann ein qualitatives Instrument vor,<br />
das auf Testaufgaben und Beobachtungen basiert. Ziel des Vorgehens ist die spezifische<br />
Förderung, zu der wertvolle Anregungen gegeben werden.<br />
Nach dieser Hinführung werden im zweiten Teil laufende oder abgeschlossene<br />
empirische Erhebungen referiert. Dabei stellen Andrea Linde und Anke Grotlüschen<br />
einen kurzen Einblick in die Forschungsergebnisse dar, der besonders die<br />
projektbeteiligten Länder betrifft. Auf Basis eines Expertengesprächs wurden Eindrücke<br />
der länderspezifischen Aufnahme von PISA-Ergebnissen zu einem ‚gefühlten<br />
PISA-Ergebnis‘ zugespitzt und mit nationalen Politiken konfrontiert. Es entsteht<br />
der Eindruck, international vergleichende Leistungsmessungen dienten weniger<br />
der politischen Steuerung <strong>als</strong> der Legitimation supranationaler Trends.<br />
Einen alternativen Weg ist Frankreich gegangen, indem es nach dem Ausstieg<br />
aus der IALS-Erhebung eine eigene nationale Erhebungsstruktur installiert hat.<br />
Eine besondere Rolle spielt die dortige Agence Nationale de Lutte contre<br />
l’Illetrisme, welche den Kampf gegen Illiteralität aufgenommen hat. Jean-Pierre<br />
Jeantheau zeigt die Vorgehensweise und Ergebnisse der IVQ-Erhebungen. Spezifisch<br />
ist in der IVQ-Erhebung der gelungene Zugang zu bildungsfernen Gruppen,<br />
die sonst in Großerhebungen häufig unterrepräsentiert sind, da sie die Beteiligung<br />
an schriftlichen Fragen verweigern.<br />
Qualitativ und biografieorientiert ergänzt Birte Egloff den empirischen Zugriff<br />
auf Literalität, indem sie Verlaufskurven zu Mustern verdichtet und ihre Zusammenhänge<br />
diskutiert. Von zentralen Elementen der Kindheit und Schulzeit über<br />
typische Versteckspiele bis hin zu Lebenssituationen, die den Ausbruch aus dem<br />
Dasein Leseunkundiger auslösen, zeigt Egloff die Höhen und Tiefen solcher Biografien<br />
auf. Sie modifiziert das Modell der individualtheoretischen Genese der<br />
Illiteralität, 1 indem sie vorenthaltene Kindheit, Schulverlaufskurve und Berufsfindung<br />
pointiert.<br />
1 Döbert/Nickel: Ursachenkomplex von Analphabetismus in Elternhaus, Schule und Erwachsenenalter.<br />
In: Döbert, Marion; Hubertus, Peter: Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus<br />
und Alphabetisierung in Deutschland. Herausgegeben vom Bundesverband Alphabetisierung<br />
e.V. Stuttgart 2000, S. 52.<br />
12
Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz? Zur Einführung<br />
Mit Bezug auf soziale Gruppen wendet sich Szilvia Kis der Frage nach nichtsesshaften<br />
Ungarn zu. Dabei entstehen erhebliche Differenzierungen, denen gerecht<br />
zu werden nicht immer einfach ist. Für diesen Band wählen wir die Sammelbezeichnung<br />
„Zigeuner/-in“, der von der deutschen Sintiallianz der Vorzug<br />
gegeben wird. Kis macht deutlich, welche historischen Bemühungen es gab,<br />
Zigeuner/-innen zum Schulbesuch und zum Schriftspracherwerb zu zwingen, und<br />
dass diese Versuche systematisch an den Widerständen der Kinder scheitern.<br />
Weder Gesetz noch Verfolgung eignen sich, eine schriftferne Kultur zu literaler<br />
Praxis zu zwingen. Erfolgreiche Beispiele greifen demgegenüber auf die Akzeptanz<br />
von Mehrsprachigkeit und Heterogenität zurück.<br />
Hier zeigt sich erneut, dass Literalität ein interdisziplinäres Thema darstellt.<br />
Der dritte Teil des Bandes versammelt daher verschiedene theoretische Diskurse<br />
und Zugriffe. Dabei wird von Andrea Linde die Komplexität der Begrifflichkeit –<br />
zumal in internationaler Zusammenarbeit – herausgearbeitet. Primärer und<br />
sekundärer vs. totaler und funktionaler Analphabetismus, Grundbildung, Basic<br />
Skills und Literalität, Literacy oder Illetrisme stellen ein verwirrendes und immer<br />
durch implizite Stigmatisierungen vermintes Gebiet dar, in welchem Linde eine<br />
differenzierte Analyse vorlegt. Anhand der „New Literacy Studies“ (NLS) aus dem<br />
angelsächsischen Raum plädiert sie dafür, Literalität <strong>als</strong> soziale Praxis zu fassen.<br />
Mit Blick auf zwei aktuelle Diskurse greift Finn Egil Toennessen in die Debatte<br />
ein. Er zeigt die Irrtümer einer Gleichsetzung von „Brains & Computers“ auf, die<br />
seit den 1960er Jahren die Diskussion immer wieder durchziehen. Tonnessen diskutiert<br />
das Verhältnis von Behaviorismus und Konnektivismus sowie die informationstechnologischen<br />
Veränderungen der Gesellschaft <strong>als</strong> Hintergrund von<br />
(mangelnder) Literalität.<br />
Eine Erneuerung hat die Diskussion durch die neurobiologische Forschung<br />
erhalten, die Dyslexie – ohnehin schon ein umstrittenes Konzept – <strong>als</strong> cerebral verursacht<br />
diskutiert. Diesen Diskurs sowie die linguistische und kognitivistische<br />
Tradition referiert Bjorg Solstad Rustad in einem notgedrungen oberflächlichen<br />
Durchgang durch Forschungsgebiete und Ergebnisse bezüglich des Lesens und<br />
Schreibens. Sie konfrontiert uns mit einem Spektrum von Einzelergebnissen, die<br />
ihrerseits für weitere Forschung und Praxis ausgewertet werden müssen.<br />
Einen linguistischen und sozialisationstheoretischen Blickwinkel nimmt<br />
Catherine Le Cunff ein, die Sprache auf Lernhürden bezieht und hierzu eine Systematisierung<br />
vorlegt. Der Beitrag greift auf ein soziokonstruktivistisches Theoriekonzept<br />
zurück und bettet Schriftkenntnis in ein Set von Forschungsergebnissen<br />
zur gesprochenen Sprache ein. Sprachdidaktische Hinweise runden den Beitrag ab.<br />
Der vierte Teil des Bandes nimmt zwei wichtige Praxisbeiträge auf. Dabei<br />
widmet sich Almut Schladebach einem ‚roten Tuch‘, das diesen Band wie ein Roter<br />
Faden durchzieht, nämlich dem Ausfüllen von Fragebögen. Jegliche Forschung zu<br />
Literalität landet letztlich bei den Betroffenen selbst und bittet um qualitative Interviews<br />
oder um die Bearbeitung von Tests oder die Beantwortung von Fragebögen.<br />
Auch die zukünftigen Erhebungen stehen vor diesem Problem. Insgesamt 147 Teilnehmende<br />
von Alphabetisierungskursen des Grundbildungszentrums der Hamburger<br />
Volkshochschule haben sich an dem Vorhaben beteiligt, ihre Kurse mit<br />
Hilfe von Fragebögen zu beurteilen.<br />
13
Anke Grotlüschen<br />
Hinsichtlich der Frage, inwiefern E-Learning-Systeme auch für bildungsferne<br />
Gruppen geeignet sind, liefert Ralf Kellershohn Einblicke in das Lernportal „ichwill-schreiben-lernen.de“,<br />
welches mehrfach preisgekrönt und in der deutschen<br />
Community sehr verbreitet ist. Er postuliert e-inclusion <strong>als</strong> Auftrag, der somit auch<br />
Digital Literacy in den Fokus der Grundbildung rückt. Damit ist die Frage nach<br />
verbindlichen Grundkenntnissen – einem Kanon – wieder aufgeworfen. Kellershohn<br />
zeigt die Digitale Spaltung auf und diskutiert die Möglichkeiten des Projekts<br />
und seines Ausbaus zum Portal „Zweite Chance Online“.<br />
Ein internationaler, interdisziplinärer Themenband ist vielen Akteuren verpflichtet.<br />
Wir bedanken uns vor allem bei Katalin Finta und Francis Laveaux, die<br />
mit AGORA EOLE Lorient (Frankreich) die Koordination des Gesamtprojekts<br />
übernommen haben. Weiterhin bedanken wir uns bei unseren Partnern aus sechs<br />
verschiedenen europäischen Ländern für die intensive und produktive Zusammenarbeit.<br />
Für diesen Band, der erst im Nachgang und angestoßen durch das Projekt<br />
seinen Weg fand, bedanken wir uns besonders an den Universitäten Hamburg und<br />
Bremen bei allen, die zum Layout, zu Korrekturen und editorischen Aufgaben, zur<br />
Übersetzung und zur Organisation des Bandes beigetragen haben, nämlich (alphabetisch)<br />
bei Anne Bock, Vanessa Rieck, Constantin Schmitt, Kirsten Vittali und<br />
Mirko Wittwar.<br />
Die Struktur der Bremer „Juniorprofessur mit Perspektive“ erlaubt einen aufwändigen<br />
zweisprachigen Band, den wir aufgrund der erprobten Zusammenarbeit<br />
gern bei Waxmann verlegen lassen. Das Projekt „CEPPAC“, das den Anstoß für<br />
diese Publikation gab, ist im EU-Programm „Leonardo da Vinci“ von 2002–2005<br />
gefördert worden und wurde von den Partnerinstitutionen kofinanziert. Die Projektaktivitäten<br />
führen heute zu intensiven Forschungsaktivitäten im Gegenstandsbereich<br />
und haben auch auf diese Weise nachhaltige Ergebnisse hervorgebracht.<br />
14
PISA für Erwachsene<br />
Erhard Schlutz<br />
PISA für Erwachsene –<br />
Kompetenzerweiterung und zweite Chance?<br />
PISA betrifft anscheinend nur die Schule, und zwar die Verbesserung einer künftigen<br />
Schule. Jedenfalls wird in Deutschland bisher nicht gefragt, was aus den<br />
vielen 15-jährigen Testabsolventen wird, die Jahrgang für Jahrgang ohne genügend<br />
Kompetenzen zur Teilhabe an Arbeit und Wirtschaft, an Gesellschaft und Kultur<br />
ins Leben entlassen werden. Dies allein müsste eine Herausforderung an Erwachsenenbildung<br />
und Forschung darstellen, mit PISA die Voraussetzungen von<br />
Weiterbildungsbeteiligung und die Bedeutung des ‚Nachholens‘ durch Weiterbildung<br />
neu zu überdenken.<br />
1. Was bedeutet PISA für das deutsche Bildungswesen?<br />
Die PISA-Studien (2001, 2002, 2004, 2005) haben vor allem ein pädagogisches<br />
Defizit enthüllt: die mangelnden Basiskompetenzen von allzu vielen Schülern.<br />
Nach der ersten PISA-Studie (2001) kann über ein Zehntel unserer 15-jährigen<br />
Schüler einen einfachen lebens- und jugendnahen Informationstext zur Qualität von<br />
Turnschuhen nicht entschlüsseln. Fast ein Viertel kann zwei Leitbegriffe in einem<br />
Strukturdiagramm zur arbeitslosen Bevölkerung nicht wiederfinden und ablesen.<br />
Ähnliches gilt im Hinblick auf die übrigen überprüften Kompetenzbereiche: neben<br />
dem Leseverständnis die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung<br />
sowie die Fähigkeiten zum selbstregulierten Lernen. Die „Risikogruppe“ beträgt je<br />
nach Kompetenzart 10–25% der getesteten Schüler, übersteigt <strong>als</strong>o bei weitem die<br />
Zahl derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen. PISA bestätigt damit<br />
entsprechende Klagen der Arbeitgeber.<br />
Wirtschaftspolitisch gesehen – und so wurden die Ergebnisse in Deutschland<br />
zuerst diskutiert – erscheint das internationale Ranking <strong>als</strong> besonders belastend,<br />
<strong>als</strong>o der mangelnde Wissensvorsprung, der nach heutigem Verständnis Wettbewerbsnachteile<br />
in Konkurrenz mit anderen Staaten nach sich zieht. So lag<br />
Deutschland 2000 in allen Leistungen der 15-Jährigen unterhalb des OECD-Durchschnitts,<br />
bei der Lesekompetenz etwa auf Platz 22 von 32 Ländern, und erreichte in<br />
der zweiten Überprüfung von 2003 außer in der Lesekompetenz knapp den Durchschnitt<br />
(vgl. PISA 2001 und 2004).<br />
Für jeden, der noch die bildungspolitischen Hoffnungen auf die Bildungsreform<br />
der 1970er Jahre miterlebt oder späterhin geteilt hat, ist aber die Verstärkung<br />
sozialer Ungleichheit der schlimmste Befund. In keinem anderen Land war in den<br />
PISA-Studien der Abstand zwischen „schwachen“ und „starken“ Leistungsgruppen<br />
so groß wie bei uns.<br />
Dabei war in den 60er Jahren in Westdeutschland ein „Bildungsnotstand“ ausgerufen<br />
worden – Deutschland habe viel zu wenig Abiturienten und Studienanfänger<br />
–, der zu weitreichenden Reformen im Schulsystem führte und zur gesetz-<br />
15
Erhard Schlutz<br />
lichen Förderung der Weiterbildung. Das wissenschaftliche Gutachten „Begabung<br />
und Lernen“ (Roth 1968) lieferte die pädagogisch-psychologische Berechtigung für<br />
die Hoffnung, dass man Kinder ‚begaben‘ könne, auch unabhängig vom sozialen<br />
Hintergrund der Eltern.<br />
Tatsächlich konnten in den Jahrzehnten seitdem der allgemeine Bildungsstand<br />
angehoben und die Zahl der höheren Schulabschlüsse vermehrt werden. Zwischen<br />
1960 und 2000 erhöhte sich der Anteil der Abiturienten von 6% auf 36,6% eines<br />
Jahrgangs, während der Anteil der Hauptschulabschlüsse ebenso gesunken ist wie<br />
der der Schüler ohne jeden Abschluss (von 17,2% auf 9,6% eines Pflichtschuljahrgangs).<br />
Ob dieser Bildungsaufstieg zugleich mehr Chancengleichheit gebracht hat,<br />
<strong>als</strong>o weitgehend unabhängig von der sozialen Lage genutzt werden konnte, ist<br />
allerdings unter Wissenschaftlern umstritten geblieben. So wird immer wieder darauf<br />
hingewiesen, dass der Fortschritt im Wesentlichen durch die Beteiligung der<br />
Mädchen aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten erzielt worden sei,<br />
nicht aber durch höhere Abschlüsse von Kindern der unteren Schichten.<br />
PISA zeigt nun gnadenlos, dass Bildungschancen in Deutschland (inzwischen<br />
wieder?) hochgradig von der sozialen und ethnischen Lage abhängen. In kaum<br />
einem anderen Land ist der Abstand zwischen dem untersten Viertel und dem<br />
obersten Viertel der Getesteten so groß wie in Deutschland. Er beträgt über 100<br />
Punkte, in Finnland dagegen über 50, in Japan über 25 (PISA 2001). International<br />
gesehen ist die Zahl derjenigen, die nicht einmal die erste Kompetenzstufe in allen<br />
Disziplinen erreichen, in Deutschland besonders hoch. Dies betrifft in großer Zahl<br />
auch ‚deutschstämmige‘ Jugendliche, vor allem aber solche mit Migrationshintergrund.<br />
Das heißt, irgendwie hat Deutschland nicht zur Kenntnis genommen,<br />
dass es seit Jahren ein Einwanderungsland ist mit besonderer Verantwortung für<br />
Förderung und Integration dieser Familien und Jugendlichen.<br />
PISA enthüllt dazu eine gewisse Verblendung im Bildungssystem. Viele Fachleute<br />
sagen heute, man hätte die schlechten Ergebnisse vorausgesehen, nur nicht<br />
deren Ausmaß. Man kann da Zweifel haben: Nach PISA erkennen Lehrer die<br />
Risikogruppen nicht gut genug. Zudem haben die meisten Lehrplanexperten in<br />
Kenntnis der PISA-Aufgaben irrtümlicher Weise erwartet, dass etwa 80 Prozent der<br />
Schüler alle Tests schaffen würden. Tatsächlich sind es – je nach Kompetenzart –<br />
nur zwischen 12 und 33 Prozent gewesen. Schließlich sind es gerade die Ziele, die<br />
seit der Bildungsreform besonders im Vordergrund stehen sollten, die nicht erreicht<br />
werden: Deutsche Schüler zeigen vor allem Mängel im Reflektieren und Bewerten,<br />
<strong>als</strong>o in taxonomisch höherwertigen Leistungen <strong>als</strong> etwa Informationsentnahme oder<br />
textbezogenes Interpretieren. Ihre Freude am Lesen ist deutlich geringer ausgeprägt<br />
<strong>als</strong> in den meisten anderen Ländern.<br />
Der Schleier solcher Verblendung hat sich offensichtlich auch über weite Teile<br />
der Pädagogen und Bildungspolitiker gelegt, die Kritik am bestehenden Schulsystem<br />
mit bestimmten Formen von Reformpädagogik verbunden haben. So zeigt<br />
der deutschlandinterne Vergleich zwischen den Bundesländern (vgl. PISA 2002<br />
und PISA 2005) für die im Sinne der Bildungsreform eher „traditionellen“ Bundesländer<br />
relativ gute Durchschnittsleistungen, während anscheinend „progressivere“<br />
im hinteren Feld landen. Auch im internationalen Vergleich rangiert das<br />
beste Bundesland, Bayern, im vorderen Drittel, während das Schlusslicht Bremen<br />
weit hinten rangiert. Dabei werden in Bayern nicht nur mehr Bestleistungen er-<br />
16
PISA für Erwachsene<br />
reicht <strong>als</strong> in Bremen, sondern die „Risikogruppe“ derjenigen, die nicht über Kompetenzstufe<br />
I hinausgelangen, ist in Bayern nur halb so groß wie in Bremen! Diese<br />
Unterschiede relativieren sich allerdings, wenn man Chancengleichheit nicht am<br />
erreichten Kompetenzwert, sondern an der Möglichkeit misst, eine weiterführende<br />
Schule zu erreichen. Hier zeigt der zweite Vergleich zwischen den deutschen Ländern<br />
(PISA 2005): Kinder aus Unterschichten haben diese Chance in der Bundesrepublik<br />
in höchst unterschiedlichem Maße: in Bayern deutlich unterdurchschnittlich,<br />
die entsprechenden Kinder aus Bremen jedoch überdurchschnittlich! Vergleicht<br />
man die Kriterien für Chancengleichheit, so kommt man für die Bundesrepublik<br />
<strong>als</strong>o auf eine fatale Alternative: „Kompetenz ohne Berechtigung“ (<strong>als</strong>o<br />
ohne entsprechenden Schulabschluss) scheint das Motto in Bayern und andernorts<br />
zu sein, „Berechtigung ohne Kompetenz“ die Alternative im Nordwesten.<br />
PISA stellt für Deutschland eine Kränkung jahrelanger Reformabsichten dar<br />
und die schmerzhafte Korrektur eines öffentlichen Selbstbildes einer gebildeten<br />
Nation mit relativ gut verteilten Bildungschancen. Ohne Zweifel ist der Reformwille<br />
in Bezug auf die Schule vorhanden. Aber bestimmte (alte) Reformvorschläge,<br />
etwa die Schaffung einer gemeinsamen Ganztagsschule für alle, können gar nicht<br />
mehr pragmatisch verhandelt werden, weil es ursprünglich Forderungen der heutigen<br />
„Verlierer-Länder“ gewesen sind. Die Weiterbildung, deren staatliche Förderung<br />
seit den 1980er Jahren stagniert oder zurückgeht, erscheint überhaupt nicht<br />
mehr im bildungspolitischen Blickwinkel. Denn das Geld ist schon für die Reform<br />
der Schulen allzu knapp, und die Gesamtausgaben für Bildung, die in Deutschland<br />
gemessen am Bruttosozialprodukt unterdurchschnittlich sind, lassen sich anscheinend<br />
nicht mehr steigern (aufgrund der Kosten der deutschen Vereinigung von<br />
1990 oder der jahrelangen niedrigen Konjunktur).<br />
Dabei wäre Weiterbildung doch gerade im Hinblick auf die über 15-Jährigen,<br />
die Nach-PISA-Generationen, <strong>als</strong> zweite Chance anzusehen. Oder?<br />
2. Gegenwärtige Potenziale und Grenzen der<br />
deutschen Weiterbildung<br />
Nehmen wir es vorweg: Erwachsenenbildung wird nicht „flächendeckend“ kompensieren<br />
können, was in der Jugendbildung grundlegend versäumt wurde.<br />
Dagegen sprechen die Erfahrungen mit drei Jahrzehnten mehr oder weniger systematischer<br />
Weiterbildung, dagegen sprechen aber auch psychologische und neurobiologische<br />
Forschungen, die uns darüber informieren, dass zwar von allen noch<br />
Vieles nachzuholen ist, dass dies jedoch umso schwieriger wird, je weniger bestimmte<br />
Strukturen in den dafür sensiblen Entwicklungsphasen vorgebildet worden<br />
sind. Es gibt einen berufsmäßigen Optimismus unter Pädagogen und in Teilen der<br />
Öffentlichkeit, die Möglichkeit lebenslangen Lernens betreffend, der sich kaum <strong>als</strong><br />
tragfähig erweisen wird. Ebenso wenig nachzuvollziehen ist allerdings ein neuerer<br />
Optimismus, der dem informellen Lernen, dem selbst organisierten alles zutraut,<br />
auch dass sich PISA-Defizite einfach auswachsen werden (vgl. Arnold/Pätzold<br />
2004, S. 13f.). Im Übrigen stellten sog. Defizite eigentlich nur wertneutrale Unterschiede<br />
dar. Das entspricht nun wiederum einer romantisierenden Pädagogik der<br />
1970er Jahre, wonach die Schule in den restringierten Code der Unterschicht nicht<br />
17
Erhard Schlutz<br />
eingreifen könne und solle, eine Haltung, die nach höchst subjektiver Vermutung<br />
des Verfassers mit zum deutschen PISA-Dilemma beigetragen hat. 1 Nicht ausreichende<br />
Schriftfähigkeit etwa – das wissen wir aus Forschungen zur<br />
Alphabetisierung – bedeutet subjektiv vielfältiges Leid und objektiv Exklusion, die<br />
in unserer Gesellschaft z.Z. zunimmt.<br />
Selbstverständlich nimmt der semantische Bestand der Sprache mit lebenslangen<br />
Erfahrungen zu. Wenn man einer repräsentativen Gruppe von Erwachsenen<br />
standardisierte Tests für Hauptschulabgänger vorlegt, so werden sie im Schnitt weit<br />
über dem Durchschnitt liegende Leistungen im Hinblick auf Wortschatz und Leseverständnis<br />
zeigen (Schlutz 1976). Fehlen ihnen aber basale Strukturen des Schreibens<br />
und Textverstehens, dann ist ein spontaner oder gar systematischer Lernzuwachs<br />
in diesem Bereich unwahrscheinlicher, zumal sprachliche Defizite ganz<br />
eng an mangelnde Selbstregulation des Lernens gekoppelt sind (PISA 2001).<br />
Das heißt, wir werden im Hinblick auf die große Gruppe der PISA-Getesteten<br />
mit sehr geringen Kompetenzniveaus nicht davon ausgehen, dass bei allen jede<br />
‚Korrektur‘ nachträglich ‚machbar‘ ist, wir werden aber – nach allen Erfahrungen<br />
mit dem zweiten Bildungsweg, mit der Alphabetisierung, mit Kursen für Jugendliche<br />
ohne Berufsausbildung, mit der progressiven Erwachsenenbildung in Skandinavien<br />
– sehr wohl davon ausgehen, dass kompetenzerweiternde Maßnahmen von<br />
sehr, sehr vielen Heranwachsenden und Erwachsenen produktiv genutzt würden,<br />
jedenfalls von mehr Menschen, <strong>als</strong> dies ohne ein organisiertes Bildungsangebot<br />
möglich wäre.<br />
Die erste Hürde für solch ein Vorhaben ist selbstverständlich die Weiterbildungsbeteiligung<br />
<strong>als</strong> solche. Die traditionsreiche Erforschung der Weiterbildungsteilnahme<br />
in Deutschland zeigt übereinstimmend auf, dass diese hochgradig<br />
zusammenhängt mit der Höhe der formalen Bildung, mit dem beruflichen<br />
Status und der sozialen Herkunft (Schulenberg 1978; BMBF 2003/05; Tippelt<br />
2003). Den bisher genannten Ursachen dafür, wie z.B. Selbstwirksamkeits-Stereotypen,<br />
Milieuferne zur Bildungskultur oder gar Widerstand gegen Bildung usw.,<br />
fügt PISA nun eine mögliche weitere, aber unmittelbar nachvollziehbare hinzu: die<br />
Möglichkeit, dass Weiterbildungsabstinente einfach wissen oder Sorge darum<br />
haben, dass ihnen formale Kompetenzen zur Teilnahme fehlen. Kompetenzmangel<br />
wird vielfach „Weiterbildungsängstlichkeit“ begünstigen, die wiederum in eine Abstiegsspirale<br />
lebenslangen Nicht-Lernens (im Sinne nachweisbarer Kompetenzentwicklung)<br />
einmünden kann. Forschung und Praxis, insbesondere soweit sie an<br />
Grundbildung für Erwachsene interessiert sind, dürfen diese Möglichkeit nicht<br />
länger tabuisieren. Die jahrzehntelange Erfahrung der deutschen Erwachsenenbildung<br />
mit Alphabetisierung und Grundbildung zeigt aber auch, dass solche verhängnisvollen<br />
Zirkel durchbrochen werden können.<br />
Wie sieht nun die Beteiligung am Arbeitsfeld „Grundbildung und Schulabschlüsse“<br />
zurzeit aus, jenem Weiterbildungsbereich, der am ehesten dafür geeignet<br />
wäre, eine Weiterentwicklung von Basiskompetenzen für Erwachsene nach<br />
PISA zu befördern?<br />
1 Freilich war die von Bernstein getroffene Unterscheidung von restringiertem und elaboriertem<br />
Code allzu polarisierend und an der formalen Grammatik orientiert: Eine schädliche<br />
Restriktion tritt m.E. in der Verständigung vor allem dann auf, wenn auch Sprechakte nicht<br />
variabel eingesetzt werden, <strong>als</strong>o Metakommunikation nicht genügend zur Verfügung steht<br />
(dazu Schlutz 1984).<br />
18
PISA für Erwachsene<br />
Zwischen Grundbildung und Schulabschlüssen ist eine Spannung angelegt,<br />
nämlich die zwischen der Bildung bzw. den Kompetenzen, über die man tatsächlich<br />
verfügt, einerseits und dem formalen Abschlussnachweis, der Berechtigungen verleiht,<br />
andererseits. Dass dazwischen nicht mehr praktische Übergangsmöglichkeiten<br />
bestehen, könnte eine gewisse Schwierigkeit für die Weiterentwicklung<br />
dieses Arbeitsgebietes bedeuten.<br />
Trotzdem sind die jährlichen Teilnehmerzahlen bedeutend: An nachträglichen<br />
Schulabschlusskursen nehmen z.Z. sicher über 60.000 Personen teil, wobei diese je<br />
zur Hälfte in den Schulen des zweiten Bildungsweges und in der nicht-staatlichen<br />
Erwachsenenbildung betreut werden (Umrechnung nach BMBF 2002 und DIE<br />
2003). Die Teilnahme an den übrigen Grundbildungsprogrammen – hauptsächlich<br />
Deutsch <strong>als</strong> Muttersprache, Alphabetisierung und Rechnen – wird noch etwas<br />
höher sein (vgl. Statistik der Volkshochschulen in DIE 2003). Schwieriger<br />
statistisch zu isolieren ist die Beteiligung von Migranten an Grundbildung, da diese<br />
in der Regel pauschal dem Gebiet „Deutsch <strong>als</strong> Zweitsprache“ zugerechnet wird.<br />
Das vorhandene qualitative Potenzial der Weiterbildung möchte ich am Beispiel<br />
der Alphabetisierung andeuten.<br />
Die Notwendigkeit, „deutschstämmigen“(!) Erwachsenen elementare Schreibfähigkeiten<br />
beizubringen, wurde von der Weiterbildungspraxis Ende der 1970er<br />
Jahre entdeckt. Sie ist <strong>als</strong>o Ergebnis innovativer Praxis, die ihre soziale Zielgenauigkeit<br />
zu verbessern suchte, kein Forschungsergebnis. Umstritten geblieben ist das<br />
Etikett „Analphabetismus“, das zwar aufhorchen lässt, das Problem aber ungewollt<br />
auf das einer vermeintlichen Randgruppe reduziert, die nicht einmal signierfähig<br />
erscheint. Dabei geht es von Anfang an um eine Schriftfähigkeit für alle, die der<br />
Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft dient. Analphabetismus und Alphabetisierungsnotwendigkeit<br />
erscheinen nicht <strong>als</strong> fest abgrenzbare Größen, sondern <strong>als</strong><br />
relative Bestände innerhalb eines Kontinuums von kulturellen Anforderungen. Entsprechend<br />
der Zieldefinition der UNESCO (nach Gray 1956), wonach eine functionally<br />
literate person (nicht ein „funktionaler Analphabet“, wie es in deutschen<br />
Adaptionen manchmal heißt!) jemand ist, der sich mit Hilfe der Kulturtechniken<br />
Lesen, Schreiben, Rechnen, an den Aktivitäten seiner Gemeinschaft beteiligen und<br />
sich dadurch selbst weiterentwickeln kann.<br />
Damit werden Literacy oder Alphabetisierungsbedarf zu relativen Größen, die<br />
sich an dem bemessen, was in der eigenen Kultur an Schriftsprachbeherrschung<br />
erwartet wird. Und diese Erwartung steigt ständig, zwar nicht linear, aber schon<br />
aufgrund der Informatisierung, der Bürokratisierung der Lebensführung und der<br />
Abnahme sogenannter einfacher Arbeitsplätze (Löbe/Severing 2004). Berufsmotive<br />
zum Besuch eines Alphabetisierungskurses scheinen im letzten Jahrzehnt stark zuzunehmen.<br />
Umfragen bei Kursleiterinnen und Kursleitern (zusammenfassend<br />
Döbert/Hubertus 2000) und Betroffenen (Luta-Studie in APOLL 2003) unterstreichen,<br />
dass Jugendliche ohne Schulabschluss eine besondere Risikogruppe darstellen<br />
(schätzungsweise 60% der Alpha-Teilnehmenden).<br />
Entsprechend schwanken die Größenangaben für möglicherweise Betroffene:<br />
In der alten Bundesrepublik gab es nach Schätzungen der UNESCO schon 1988<br />
zwischen 500.000 und 3.000.000 erwachsene Analphabeten. Der verdienstvolle<br />
Bundesverband für Alphabetisierung (Döbert/Hubertus 2000) geht für die heutige<br />
Bundesrepublik von 4 Millionen Menschen ohne angemessene Schreibfähigkeit<br />
19
Erhard Schlutz<br />
aus, eine Zahl, die nun, aufgrund der Kompetenzquoten der PISA-Studie (die allerdings<br />
die Lese-, nicht die Scheibkompetenz prüft), gar nicht mehr phantastisch erscheint.<br />
Über 25.000 Betroffene nehmen jährlich an Apha-Kursen in Präsenzform teil,<br />
an den verhältnismäßig neuen Online-Kursen schätzungsweise noch einmal 50%<br />
mehr. Angesichts der vermuteten Grundgesamtheit von 3–4 Millionen Betroffenen<br />
mag die Zahl der Teilnehmenden gering erscheinen, angesichts des damit verbundenen<br />
Arbeits- und Teilnahmeaufwandes (Kosten, innovative Didaktik/Lehrbelastung,<br />
Motivierung/Marketing) handelt es sich jedoch um einen beachtlichen<br />
Erfolg!<br />
Auch der Anteil der Migrantinnen und Migranten an Alphabetisierung nimmt<br />
zu, wobei Nachfragen nach Alphabetisierung in der deutschen Sprache gegenüber<br />
einer möglichen Alphabetisierung in der Herkunftssprache sich auffällig mehren.<br />
Insgesamt haben wir heute aber kein klares Bild im Hinblick auf Nachfragen von<br />
Personen mit Migrationshintergrund, aufgrund der oben genannten statistischen<br />
Probleme. Dazu würden sich weitere Recherchen lohnen, schon wegen der hier besonders<br />
zu vermutenden „Begabungsreserven“.<br />
Die Alphabetisierung ist in Ursachenforschung, notwendiger Kompetenzbreite<br />
und didaktischer Entwicklungsarbeit durch mehrere Modellversuche des Bundesministeriums<br />
einige Zeit unterstützt worden, es hat aber nie eine besondere Förderung<br />
der Breitenarbeit gegeben. Die Alphabetisierung konnte allerdings in Praxis<br />
und Literatur (s. dazu auch die Zeitschrift „Alpha-Forum“) eine erstaunlich eigenständige<br />
Didaktik ausbilden, die auch für andere Bereiche der Erwachsenenbildung<br />
vorbildlich sein könnte. Man ist sich heute weitgehend einig darin, dass die Bildungsarbeit<br />
zwingend sowohl biografische Aspekte der Identitätsbildung <strong>als</strong> auch<br />
eine systematische Progression in der Schriftlichkeit (bzw. eine gezielte Arbeit an<br />
unterschiedlichen Teilfähigkeiten) umfassen muss. Eine stärkere Betreuungsdichte<br />
soll ermöglichen, sich eigener Spracherfahrungen bewusst zu werden und Selbstbeobachtung<br />
und Selbstregulation zu lernen, deren Bedeutung jetzt durch PISA<br />
bestätigt wird.<br />
Inzwischen geht man davon aus, dass die Arbeit an Basiskompetenzen, wie<br />
Lesen und Schreiben, zu einem Gesamtkonzept von Grundbildung, auch berufsbezogener,<br />
erweitert werden muss (vgl. Tröster 2000). Die dazu nötige Forschungsund<br />
Entwicklungsarbeit konnte aber wegen mangelnder Förderung nicht fortgesetzt<br />
werden.<br />
3. PISA für Erwachsene <strong>als</strong> Entwicklungsschub?<br />
In Praxis und Entwicklungsarbeit ist <strong>als</strong>o Grund gelegt für eine umfassendere Erweiterung<br />
von Basiskompetenzen für Erwachsene. Zu deren Verwirklichung fehlt<br />
es in Deutschland aber vor allem an durchgängiger Förderung von weiterer Entwicklungsarbeit/Forschung,<br />
Implementation/Realisierung.<br />
Für die Aufgabe „Basiskompetenzen für Erwachsene – nach PISA“ muss es<br />
einen nationalen Sonderfonds geben (oder Sonderfonds auf allen öffentlichen<br />
Ebenen), der dieses Ziel deutlich heraushebt und aufwertet und dessen Mittel<br />
zweckgebunden vergeben werden.<br />
20
PISA für Erwachsene<br />
Grundbildung für Erwachsene wird nämlich bisher nicht besonders gefördert,<br />
sondern muss aus den allgemeinen Weiterbildungszuschüssen von Ländern und<br />
Gemeinden bzw. aus anderweitig erwirtschafteten Einnahmen der Weiterbildungsanbieter<br />
(überwiegend Volkshochschulen) entnommen werden. Die allgemeinen<br />
Zuschüsse sinken aber, zum Teil kontinuierlich, zum Teil durch plötzliche Einschnitte.<br />
Zur Zeit haben wir eine Situation – wie wir aus Experteninterviews zu<br />
Veränderungen der Weiterbildung soeben ermittelt haben –, in der öffentliche Aufgabenstellungen<br />
für die Weiterbildung aufs äußerste gefährdet erscheinen und<br />
Privatinitiative diese Ausfälle in keiner Weise ersetzt. So sinkt die Weiterbildungsbeteiligung<br />
seit Ende der 90er Jahre (BMBF 2003 und 2005). In dieser Situation<br />
liegt es für viele Anbieter nahe, relativ kostspielige Angebotsbereiche, wie Alphabetisierung<br />
und Basiskompetenzen, fallen zu lassen. Die Forderung nach einem<br />
Sonderfonds für diese Aufgabe soll diesem Trend entgegenwirken.<br />
In der Bundesrepublik ist zur Zeit aber keine politische Kraft zu erkennen, die<br />
Bildung – wie es wohl die skandinavischen Länder getan haben – an die Spitze<br />
einer Reformagenda setzt. Die Kultusminister der Länder, die vor einiger Zeit ihren<br />
Ausschuss für Weiterbildung abgeschafft haben, sehen offensichtlich keinen<br />
Grund, einer Forderung nach Entschädigung für entgangene bzw. nicht erbrachte<br />
Leistungen des Schulsystems durch moderate Zusatzförderung der Weiterbildung<br />
nachzukommen. (Möglicherweise könnte sich in der neuen Bundesregierung etwas<br />
tun, da es dort eine Bildungsministerin gibt, die fast ausschließlich für die berufliche<br />
Bildung und die Weiterbildung zuständig ist.)<br />
Nicht wenige erhoffen sich in dieser Situation von einer PISA-Nachfolge-Untersuchung<br />
eine ähnliche öffentliche Wirkung und entsprechende politische Aufgeregtheit<br />
zugunsten der Erwachsenenbildung, wie sie die PISA-Studien zugunsten<br />
der Schule erreicht haben.<br />
Abgesehen von der Frage, ob eine solche Folgenkette realistisch erscheint,<br />
muss gefragt werden, ob sich die PISA-Studien einfach auf Erwachsene übertragen<br />
lassen und ob diese zur Unterstützung einer entsprechenden Bildungspraxis ausreichten.<br />
Zunächst ein paar Überlegungen zur Machbarkeit einer PISA-Studie für<br />
Erwachsene, dann zur Relevanz.<br />
Die OECD plant seit Herbst 2003, eine Art PISA für Erwachsene durchzuführen,<br />
eine Untersuchung, die in Zyklen oder Wellen unterschiedliche Altersgruppen<br />
der erwachsenen Bevölkerung überprüft hinsichtlich Lese- und Problemlösungskompetenzen,<br />
sozialen Kompetenzen und Weiterbildungsbereitschaft.<br />
Es gibt allerdings zur Lesekompetenz Erwachsener bereits einen internationalen<br />
Test, der schon einige Schwierigkeiten einer PISA-Studie für Erwachsene erkennen<br />
lässt. Der International Adult Literacy Survey (= IALS, OECD und Kanada 1995<br />
und 2000) wollte den Grad der Literalität in der Bevölkerung feststellen und<br />
Risikogruppen identifizieren, um Hilfsmaßnahmen anzuregen. Für Deutschland<br />
ergeben sich dabei durchaus positivere Ergebnisse <strong>als</strong> im Falle von PISA. Mit PISA<br />
ist diese Untersuchung allerdings wegen der Anlage und wegen der Verschiebungen<br />
zwischen den Generationen (ethnische Zusammensetzung, Länge des<br />
Schulbesuchs usw.) nicht direkt zu vergleichen. Allzu positive Interpretationen<br />
werden zudem durch genaueres Hinsehen gedämpft: Die guten mittleren Leistungen<br />
sind wesentlich auch auf eine Facharbeitergeneration mittleren Alters zurückzuführen.<br />
Man könnte auch folgern, dass sich die Schulverhältnisse und Leistungen<br />
21
Erhard Schlutz<br />
der jüngeren Generation inzwischen verschlechtert haben. 30% der Erwachsenen<br />
haben gar nicht teilgenommen, weil sie den Test verweigert haben (18,4%) oder<br />
ausgeschlossen wurden (etwa Analphabeten). Die große Gruppe der Nicht-Teilnehmer<br />
weist zudem ähnliche Hintergrundmerkmale auf wie die Personen, die im<br />
Test nicht mehr <strong>als</strong> Kompetenzstufe I erreicht haben, <strong>als</strong>o nur rudimentäre Lesefähigkeiten<br />
haben. Und schließlich ist in der Studie beobachtet worden, dass gerade<br />
schwache Leser ihre eigenen Lesefähigkeiten häufig überschätzen, was der Motivation<br />
zum Weiterlernen nicht zuträglich sein dürfte.<br />
Ein Problem einer PISA-Studie für Erwachsene ist <strong>als</strong>o die Erreichbarkeit der<br />
gesamten Population (beim Test und durch Bildungsmaßnahmen), ein anderes die<br />
Frage des Referenzrahmens für erwachsenengemäße Kompetenzen und die Validität<br />
entsprechender Aufgabenstellungen. Kompetenzen stehen nach PISA unter dem<br />
Anspruch der Bewährung „in authentischen Anwendungssituationen“ (PISA 2001,<br />
S. 19). Da Robinsohns Adepten bei der Identifikation solcher Lebenssituationen<br />
daran bereits gescheitert sind, setzen sich die PISA-Autoren explizit von ihm ab,<br />
huschen aber bei der Frage, wie sie denn eigentlich zu ihren Aufgaben gekommen<br />
sind, mit der methodischen Nebenbemerkung „relativ pragmatisch“ (PISA 2001,<br />
S. 19; PISA 2002, S. 15) über das Problem hinweg. Man kann aber davon ausgehen,<br />
dass dabei Vorstellungen von Altersgemäßheit und von Durchschnittserwartungen<br />
der nationalen Lehrpläne durchaus eine Rolle gespielt haben werden.<br />
Gemeinsames Alter der Untersuchten, entsprechende Kompetenzerwartungen<br />
und das Schulsystem, dessen Leistungsfähigkeit im Wesentlichen getestet wurde,<br />
bilden beim Schul-PISA einen übergreifenden Referenzrahmen. Da in der Erwachsenenwelt<br />
dieser gemeinsame Horizont fehlt, wären Zielsetzung, Durchführbarkeit<br />
und Sinn entsprechender Studien sorgfältig abzuwägen. Negativ geurteilt: PISA für<br />
Erwachsene <strong>als</strong> weltweites Bench-Marking mit Hinweisen auf nationale Wettbewerbsvorteile<br />
aufgrund der Leistungsfähigkeit der gesamten Bevölkerung erschiene<br />
wenig folgenreich und förderlich. Positiv akzentuiert: Aufwändigere Untersuchungen<br />
zum Thema „PISA für Erwachsene“ könnten sinnvoll sein, wenn auch<br />
die erreicht würden, die besonders gefördert werden müssten, wenn Risiken identifiziert,<br />
aber auch mögliche Bildungsmotivation und kompetenzspezifisches<br />
Problembewusstsein erhellt würden, wenn ein Referenzhorizont für notwendige<br />
Kompetenzen beschrieben und Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten mitbedacht<br />
würden. Am Allerbesten wäre es, wenn zugleich wirkungsvolle Reaktionsund<br />
Interventionsmöglichkeiten politisch und praktisch entwickelt und gefördert<br />
würden.<br />
Blicken wir von dieser Sinnbestimmung eines umfassenden Tests nochmal auf<br />
den Entwicklungsstand der Praxis bzw. deren Entwicklungsbedarfe zurück.<br />
Abgesehen von der nötigen Finanzierung der relativ aufwändigen Bildungsarbeit<br />
an Basiskompetenzen fehlen m.E. der heutigen Erwachsenenbildungspraxis<br />
vor allem Perspektiven der Verbreiterung der bisherigen Kompetenzpalette, ein<br />
programmatischer Zusammenhang der Aufgabe und ihre stärkere Output-Orientierung.<br />
Wenn man einen Grundbildungskanon abstrakt ausdenkt, wird man jenseits der<br />
Kulturtechniken, wie Lesen, Schreiben, Rechnen (Umgang mit Symbolen) und<br />
Lernstrategien keine Einigung auf einen Kompetenzkatalog für Erwachsene erreichen,<br />
der nicht beliebig wirkte oder sich im Dunst wolkig benannter Schlüssel-<br />
22
PISA für Erwachsene<br />
qualifikationen verlöre. M.E. müsste Forschung anhand von Kriterien wie Bürgerkompetenz<br />
und Berufsfähigkeit hier weiterhelfen. Hinzuzuziehen wären dabei die<br />
bisherigen deutschen Arbeiten an einer (auch berufsbezogenen) Grundbildung und<br />
vergleichende Bildungsforschung. Nicht zuletzt müssten Problembewusstein und<br />
Motivation bei Betroffenen untersucht werden, die <strong>als</strong> Erwachsene nur freiwillig<br />
weiterlernen könnten.<br />
Zugleich fehlt mir allerdings – zumal bei den größeren Einrichtungen, die dies<br />
überhaupt leisten könnten – ein stärkerer programmatischer Zusammenhang für die<br />
Aufgabe „Kompetenzerweiterung für Erwachsene“. Die bisher entwickelten<br />
Arbeitsfelder (Alphabetisierung, Deutsch <strong>als</strong> Muttersprache und <strong>als</strong> Zweitsprache,<br />
Jugendliche ohne Abschluss, Schulabschlüsse) sollten mit neu zu entwickelnden<br />
Gebieten gemeinsam <strong>als</strong> eine große erwachsenenpädagogische, bildungspolitische<br />
und gesellschaftliche Aufgabe dargestellt werden. Eine solche Programmatik diente<br />
auch den möglichen Adressaten durch eine einheitlichere Zuständigkeit und eine<br />
mögliche Durchlässigkeit des Programms. Sie wäre aber auch für die Bildungspolitik<br />
ein Signal für die Notwendigkeit einer eigenständigen Förderung dieses Bereichs.<br />
Dazu gehörte überhaupt eine größere Output- und Außenorientierung des<br />
Arbeitsfeldes. Die bisherige Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Alphabetisierung<br />
und Grundbildung hatte ihre Stärken vor allem im Erfassen und Begleiten der<br />
Binnenperspektive von Teilnehmenden und Lehrkräften. Das hatte seine Berechtigung,<br />
weil es in erster Linie um Kennenlernen der Adressaten, um Ermutigung<br />
und fachliche Hilfe gehen musste.<br />
Diese Binnenperspektive sollte aber ergänzt werden durch Außenperspektiven.<br />
So müssten die beobachteten Gewinne an Schreibkompetenz mit Außenanforderungen<br />
abgeglichen werden, z.B. mit solchen an Arbeitsplätzen, zumal an solchen<br />
mit „einfacher Arbeit“ unterhalb des Facharbeiterbriefes (vgl. Löbe/Severing<br />
2004), mit nötigen Bürgerkompetenzen oder erreichbaren Abschlüssen. Es geht<br />
<strong>als</strong>o um externe Bezugspunkte, die Zwischenziele definieren lassen, Teilerfolge<br />
belegen und positiv auf die Motivation zurückwirken.<br />
Das heißt, die praktische, politische und wissenschaftliche Arbeit braucht<br />
Standards, nicht um Vorhandenes abzuwerten, sondern fördern zu können, mit<br />
Aussicht auf Außenerfolg. Diese Standards können nicht einfach in Anlehnung an<br />
ein erwünschtes Jahrgangsniveau, wie im Hinblick auf die Schule, gesetzt werden.<br />
Sondern sie müssen sich auch an Außenkriterien orientieren, um zur Teilhabe an<br />
Arbeit, Kultur und Gesellschaft beitragen zu können. Sie müssten im ‚unteren‘ Bereich<br />
differenzierter gestaltet werden <strong>als</strong> die Kompetenzstufen von PISA, um Fortschritte<br />
und Fähigkeiten im Elementaren festhalten und schließlich zertifizieren zu<br />
können. Standards ersetzen nicht die nötige Subjektorientierung der pädagogischen<br />
Arbeit, aber sie könnten die Erfolgsmöglichkeiten der Teilnehmer erweitern helfen<br />
und nicht zuletzt dazu beitragen, die Alphabetisierung über ihre innere Qualität<br />
hinaus stärker ins politische Interesse zu rücken.<br />
Kompetenzen sind nämlich – im Gegensatz zu Abschlüssen, Berechtigungsnachweisen<br />
und Zertifikaten – sehr schwer greifbar, und zwar sowohl für diejenigen,<br />
die sie erweitern wollen, <strong>als</strong> auch für diejenigen, die sie finanziell und bildungspolitisch<br />
fördern sollen. Unter beiden Aspekten könnte man vielleicht weiter<br />
23
Erhard Schlutz<br />
kommen, wenn man konkreter angeben könnte, welcher persönliche und gesellschaftliche<br />
Gewinn mit der Erweiterung von Basiskompetenzen zu bewirken ist.<br />
In der Bildungsreform der 1970er Jahre ging es – neben einer Investition in<br />
Wissen – um mehr Chancengleichheit und um Teilhabe aller am ökonomischen und<br />
kulturellen Reichtum. PISA hat uns darüber aufgeklärt, wie ungleich Bildungschancen<br />
immer noch oder schon wieder verteilt sind. Heute ginge es darum, die<br />
drohende, bereits unübersehbare Spaltung unserer Gesellschaft abzubremsen – soweit<br />
Bildung das kann. Das ist keine Frage der rechten Gesinnung oder des Belehrenwollens,<br />
sondern eine der Überlebensfähigkeit der demokratischen Gesellschaft.<br />
Literatur<br />
APOLL (Alfa-Portal Literacy Learning) (2003): Ergebnisse der LuTA-Studie. Bonn.<br />
Arnold, Rolf/Pätzold, Henning (2004): PISA und Erwachsenenbildung – Verlockungen<br />
und offene Fragen. In: Report 4, S. 9-17.<br />
BMBF (Hrsg.) (2003/2005): Berichtssystem Weiterbildung Bonn.<br />
BMBF (Hrsg.) (2002): Grund- und Strukturdaten 2001/2002. Bonn.<br />
DIE (Hrsg.) (2003): Volkshochschul-Statistik 2002. Bonn.<br />
Döbert, Marion/Hubertus, Peter (2000): Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und<br />
Alphabetisierung in Deutschland. Münster/Stuttgart.<br />
Gray, W. S. (1956): The Teaching of Reading and Writing. Paris.<br />
Löbe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg.) (2004): Zukunft der einfachen Arbeit – Von der<br />
Hilfstätigkeit zur Prozessdienstleistung. Bielefeld.<br />
OECD (1995): Grundqualifikationen, Wirtschaft und Gesellschaft. Ergebnisse der ersten<br />
internationalen Untersuchung von Grundqualifikationen Erwachsener. Paris, Ottawa.<br />
OECD/Statistics Canada (2000): Literacy in the Information Age. Final Report of the<br />
International Adult Literacy Survey. Paris, Ottawa.<br />
PISA (2001) = Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von<br />
Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen.<br />
PISA (2002) = Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000 – Die Länder der Bundesrepublik<br />
Deutschland im Vergleich. Opladen.<br />
PISA (2004) = Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der<br />
Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des 2. Internationalen Vergleichs. Münster.<br />
PISA (2005) = Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2003. Der zweite Vergleich<br />
der Länder in Deutschland – Was wissen und können Jugendliche? Münster.<br />
Roth, Heinrich (Hrsg.) (1968): Begabung und Lernen. Ergebnisse und Folgerungen neuer<br />
Forschungen. Stuttgart (= Deutscher Bildungsrat: Gutachten und Studien der Bildungskommission<br />
Bd., 4).<br />
Schlutz, Erhard (1976): Deutschunterricht in der Erwachsenenbildung. Stuttgart.<br />
Schlutz, Erhard (1984): Sprache, Bildung und Verständigung. Bad Heilbrunn.<br />
Schulenberg, Wolfgang et al. (1978): Soziale Faktoren der Bildungsbereitschaft Erwachsener.<br />
Eine empirische Untersuchung. Stuttgart.<br />
Tippelt, Rudolf et al. (2003): Weiterbildung, Lebensstil und soziale Lage in einer Metropole.<br />
Studie zu Weiterbildungsverhalten und -interessen der Münchner Bevölkerung.<br />
Bielefeld.<br />
Tröster, Monika (Hrsg.) (2000): Spannungsfeld Grundbildung. Bielefeld.<br />
24
Kompetenzmessung bei Erwachsenen<br />
Dieter Gnahs<br />
Kompetenzmessung bei Erwachsenen –<br />
zum Stand von PIAAC<br />
1. Lebenslanges Lernen <strong>als</strong> Kontext für Kompetenzmessung<br />
Die Umsetzung des Konzepts vom „lebenslangen Lernen“ hat weltweit zu ambitionierten<br />
Anstrengungen geführt, Lernleistungen sichtbar zu machen, die nicht im<br />
Rahmen formaler Bildungsprozesse entstanden sind (vgl. Björnavold 2000). In<br />
diesem Zusammenhang sind Initiativen zu erwähnen, die die Individuen anregen<br />
sollen, über eigene Kompetenzen nachzudenken, sie zu erkennen, zu bewerten und<br />
einzuordnen (z.B. über Portfolio- und Pass-Ansätze) (vgl. DIE/DIPF/IES 2004).<br />
Des Weiteren wird versucht, Qualifikationen und Kompetenzen zu vergleichen<br />
bzw. vergleichbar zu machen. Hier sind u.a. der Europäische Qualifikationsrahmen<br />
(EQF) (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005) und das Europäische<br />
Kreditpunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) (vgl. Berufsbildungsbericht<br />
2005, S. 269-272) zu erwähnen.<br />
Bei den EU-Strategien zum lebenslangen Lernen gibt es eine Reihe weiterer<br />
Aktivitäten wie die Anerkennungsverfahren für informell erworbene Kompetenzen,<br />
die Projekte zu sektoralen Qualifikationen oder die Ansätze zur Qualität in der beruflichen<br />
Bildung (vgl. Berufsbildungsbericht 2005, S. 270/271). Durchgängig wird<br />
hier eine Umorientierung von Input- zu Outputsystemen beobachtet, <strong>als</strong>o die<br />
Orientierung an Lernergebnissen (learning outcomes). Diese Tendenz ist ebenfalls<br />
bei vielen nationalen Initiativen vorhanden, insbesondere dann, wenn die im Prozess<br />
des „lebenslangen Lernens“ erworbenen individuellen Kompetenzen erfasst<br />
und gewichtet werden sollen. Das gilt in der Zwischenzeit für die meisten europäischen<br />
Länder und nicht nur für die ‚traditionell‘ so ausgerichteten Staaten wie<br />
Irland oder das Vereinigte Königreich.<br />
In all diesen genannten Aktivitäten wird das Messen von Kompetenzen ein<br />
zentrales Element. Hinzu kommen Anstrengungen für international vergleichende<br />
Kompetenzerhebungen wie der von der OECD angestoßene PIAAC-Prozess, der<br />
im Ergebnis dazu führen soll, dass spätestens 2010 weltweit eine Erhebung bei<br />
Erwachsenen durchgeführt wird (vgl. OECD 2005a und 2005b).<br />
Bei der Entwicklung und Planung neuer Aktivitäten und bei der Analyse von<br />
Erhebungserfahrungen spielt der Adult Literacy and Life Skills Survey (ALL) eine<br />
zentrale Rolle, weil er von Umfang, Reichweite und Differenziertheit bisher die<br />
ambitionierteste Untersuchung im Feld der Erhebung von Erwachsenen-Kompetenzen<br />
darstellt (vgl. Murray/Clermont/Binkley 2005). ALL ist somit ein unverzichtbarer<br />
Referenzpunkt für die weitere Arbeit in diesem Feld. Dies gilt umso<br />
mehr, <strong>als</strong> zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar ist, in welchen Bahnen der<br />
PIAAC-Prozess weiterlaufen wird. Zu erwarten ist, dass 2006 eine Entscheidung<br />
auf OECD-Ebene getroffen wird. Sollte PIAAC durchgeführt werden, so hätte dies<br />
sicher ein hohes Maß an Prägekraft für die internationale Diskussion. Dies würde<br />
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