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«Mister Berufsbildung» verlässt das BBT

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Aktuell<br />

Berufsbildung Schweiz<br />

Aktuell<br />

<strong>«Mister</strong> <strong>Berufsbildung»</strong> <strong>verlässt</strong> <strong>das</strong> <strong>BBT</strong><br />

6 2002<br />

23<br />

Mit dem langjährigen Chefbeamten Heinrich Summermatter <strong>verlässt</strong> eine markante Persönlichkeit<br />

<strong>das</strong> <strong>BBT</strong>, die während Jahren die Entwicklung der schweizerischen Berufsbildung stark geprägt hat.<br />

Summermatter wurde zum stellvertretenden Generalsekretär des KV-Schweiz ernannt und wird<br />

dort die Abteilung Berufsbildung leiten.<br />

BCH: Als Sie vor 23 Jahren ins BIGA<br />

eingetreten waren, trafen Sie dort wohl<br />

einen ruhigeren Arbeitsalltag an als<br />

im heutigen <strong>BBT</strong>?<br />

Heinrich Summermatter: Ganz und gar nicht!<br />

Ich erinnere mich noch recht gut, <strong>das</strong>s ich an<br />

meinem ersten Arbeitstag am Abteilungsrapport<br />

vernommen habe, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Kapitel 6, Bundesbeiträge,<br />

des Verordnung-Entwurfes zum<br />

heutigen BBG beim Finanzdepartement nicht<br />

auf Gegenliebe gestossen war und wir in aller<br />

Hektik eine Neuformulierung liefern mussten.<br />

Heute, mehr als 20 Jahre später, ist <strong>das</strong> Amt<br />

wieder daran, eine Vollzugsverordnung zum<br />

nBBG zu entwerfen, bei der der schwierigste<br />

Teil wohl wieder die Finanzen sein werden.<br />

A<br />

Nicht der gesetzliche Rahmen bringt die Berufsbildung<br />

weiter, sondern <strong>das</strong> sehr vitale System<br />

selber, mit all seinen Akteuren in den Berufsschulen,<br />

Betrieben und Verbänden, ist der<br />

eigentliche Motor der Berufsbildung. Das Gesetz<br />

hinkt immer etwas nach. Es sollte aber<br />

zumindest die Entwicklung der Berufsbildung<br />

nicht behindern, sondern fördern und unterstützen.<br />

Der Gesetzesentwurf, wie er eben in<br />

den eidg. Räten behandelt wird, ist ein modernes<br />

Rahmengesetz, <strong>das</strong> vor allem auch in der<br />

Bildungssystematik deutliche Verbesserungen<br />

gegenüber dem heutigen Gesetz aufweist.<br />

Ende 1997 hat eine Arbeitsgruppe unter<br />

Ihrer Leitung einen ersten Entwurf zu<br />

einem neuen BBG erstellt. Erkennen Sie<br />

im heute diskutierten Gesetzesentwurf<br />

noch die Spuren Ihrer Arbeit?<br />

Interview:<br />

Silvia<br />

Baumgartner<br />

A propos nBBG, aus Ihrer Sicht der<br />

grosse Wurf, der die Berufsbildung der<br />

Schweiz weiter bringt?<br />

Teilweise – dieser Entwurf stützte sich auf den<br />

Bericht des Bundesrates über die Berufsbildung<br />

vom Herbst 1996 ab und hat bis heute einen<br />

steten Abschleifungsprozess durchlaufen. Zuerst<br />

in der Expertenkommission, dann im Vernehmlassungsverfahren<br />

und am Schluss in den<br />

parlamentarischen Mühlen.


Aktuell<br />

Aktuell<br />

Berufsbildung Schweiz<br />

24<br />

6 2002<br />

Swisscontact ist in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

tätig und betreut Projekte in<br />

Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa.<br />

Für <strong>das</strong> Berufsbildungsprojekt im Kosovo<br />

suchen wir eine/n<br />

Projektleiter/in<br />

Stellenantritt:<br />

Arbeitsort:<br />

Dauer:<br />

1. Juli 2002 oder<br />

nach Vereinbarung<br />

Prishtina, Kosovo<br />

Bis Ende 2004, mit Option<br />

auf Verlängerung<br />

Detailinformationen erhalten Sie unter:<br />

www.swisscontact.org<br />

Bewerbung an:<br />

Was von den eigentlichen Innovationen hat<br />

diesen Prozess bis heute überstanden?<br />

Swisscontact<br />

Schweizerische Stiftung<br />

für technische Entwicklungszusammenarbeit,<br />

Personalverantwortliche<br />

Döltschiweg 39<br />

Postfach<br />

8055 Zürich<br />

Der Entwurf des Bundesrates ging noch davon<br />

aus, <strong>das</strong>s am oberen und am unteren Ende<br />

der beruflichen Grundbildung Handlungsbedarf<br />

besteht. Er schlug darum als Innovationen<br />

eine berufspraktische Ausbildung als Ersatz für<br />

die Anlehren vor und für die modernen Dienstleistungsberufe<br />

als neue Form der Grundbildung<br />

Berufsfachschulen vor. Dieser Schultyp<br />

sollte die Systemgrenzen der reinen Betriebslehre<br />

erweitern und stark schulgeprägten Ausbildungen<br />

den Weg über <strong>das</strong> Berufsbildungssystem<br />

öffnen, immer verbunden aber auch<br />

mit einem betriebspraktischen Einschub. Die<br />

Berufsfachschulen sollten aber auch eine Alternative<br />

aus dem Angebot der beruflichen<br />

Grundbildung werden, für Jugendliche, die<br />

eigentlich eine allgemein bildende Schule für<br />

ihre weitere Ausbildung ins Auge fassten. Um<br />

diese Neuerung entspannte sich eine heftige<br />

Diskussion. Jedermann verstand unter diesen<br />

Berufsfachschulen etwas anderes. Aus gewerblichen<br />

Kreisen wurde gar der Untergang der<br />

dualen Berufsbildung befürchtet. Im letzten<br />

Sommer liess dann <strong>das</strong> Interesse an dieser Kontroverse<br />

deutlich nach und beim so genannten<br />

Sommerkompromiss fielen diese Berufsfachschulen<br />

aus Abschied und Traktanden. Aus meiner<br />

Sicht eigentlich schade. Diese Grundbildungsform,<br />

explizit im Gesetz erwähnt, hätte<br />

sicher zu einer Aufwertung unserer Berufsbildung<br />

geführt.<br />

Angelpunkt des neuen Gesetzes wird<br />

der Finanzrahmen sein. Was ist uns die<br />

Berufsbildung wert?<br />

Ein Punkt, der mir echt Sorgen macht. Wenn<br />

ich sage, <strong>das</strong>s die Berufsbildung Schweiz ein<br />

sehr vitales System ist, <strong>das</strong> sich zum Glück dem<br />

bundesbehördlichen Steuerungsgeschick meistens<br />

entzieht, so sind doch finanzielle Mittel<br />

auf Stufe Bund unabdingbar, um grösseren Innovationen<br />

schnell zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Wegen der knappen Bundesmittel braucht<br />

es eine starke Berufsbildungslobby, um im Verteilkampf<br />

der Bildungsstufen für sich genügend<br />

Mittel zu ergattern. Diese starke Lobby habe<br />

ich noch nicht ausgemacht.<br />

In all den Jahren haben Sie eine Vielzahl<br />

von Entwicklungsprojekten gestartet oder<br />

zum Durchbruch verholfen. Was war die<br />

Triebfeder für Ihren Elan?<br />

Mich hat die «Lehrstellenkrise» Mitte der neunziger<br />

Jahre stark beschäftigt. Zu Recht oder<br />

zu Unrecht wurde dem BIGA vorgeworfen, es<br />

hätte die Entwicklungen in der Berufsbildung<br />

verschlafen. Das Parlament hatte dem Bund in<br />

der Folge grosszügig Mittel für ein Impulsprogramm<br />

Lehrstellen zur Verfügung gestellt und<br />

die Bereitschaft im BIGA war gross, in eine aktivere<br />

Rolle zu wechseln. Die Erfahrungen aus<br />

der Weiterbildungsoffensive haben uns geholfen,<br />

auf grosser Breite innovative Programme<br />

zu unterstützen oder eben selber zu starten.<br />

Das war meine Stunde.


Aktuell<br />

Berufsbildung Schweiz<br />

Aktuell<br />

Nach Ihrem Weggang, bleibt diese<br />

Innovationslust im <strong>BBT</strong> erhalten?<br />

Ich hoffe es.<br />

Das tönt nicht sehr überzeugend?<br />

In den letzten anderthalb Jahren hat sich <strong>das</strong><br />

Amt mit internen Reorganisationen und vor<br />

allem mit sich selber beschäftigt.<br />

Wo besteht aus Ihrer Sicht in den<br />

nächsten Jahren Handlungsbedarf<br />

in der Berufsbildung?<br />

Ich komme immer mehr zur Einsicht, <strong>das</strong>s unsere<br />

berufliche Grundbildung auf gutem Wege<br />

ist. Nach Abschluss dieser Phase gilt es aber, die<br />

Arbeitsmarktfähigkeit ständig zu erhalten, und<br />

<strong>das</strong> ist kein leichtes Unterfangen! Es ist einfacher,<br />

geregelte Ausbildungsgänge der sekundären<br />

und tertiären Berufsbildungsstufe zu erlassen<br />

und durchzuführen, als sicherzustellen,<br />

<strong>das</strong>s der individuelle berufliche Weiterbildungsbedarf<br />

erkannt wird und der Zugang zu den<br />

Veranstaltungen der beruflichen Weiterbildung<br />

leicht ist und <strong>das</strong> Angebot transparent. Das<br />

Individuum hat hier eine grosse Eigenverantwortung,<br />

der Staat muss dazu aber Strukturen<br />

schaffen, die den Massnahmen der Arbeitslosenversicherung<br />

deutlich vorgelagert sind. Es<br />

ist noch einiges zu tun und ich sehe hier ein<br />

wichtiges Beschäftigungsfeld für die Berufsschulen.<br />

Das führt mich zur Frage, wie Sie den<br />

Stellenwert der Berufsschulen künftig<br />

sehen?<br />

Im Entwurf des nBBG ist heute eine deutliche<br />

Aufwertung der Berufsschulen festzustellen.<br />

Neben dem klassischen Angebot, ABU und<br />

Berufstheorie, können die Schulen künftig auch<br />

praktische Bildung vermitteln, in einer Art, wie<br />

wir <strong>das</strong> heute bei den Lehrwerkstätten kennen.<br />

Auf der anderen Seite ist anzunehmen, <strong>das</strong>s<br />

über kurz oder lang private Anbieter ebenfalls<br />

die Möglichkeit erhalten werden, den heute<br />

den öffentlichen Schulen vorbehaltenen Unterricht<br />

zu vermitteln und somit in Konkurrenz zu<br />

diesen treten werden.<br />

Wie sehen Sie als künftiger Bildungsverantwortlicher<br />

beim KV Schweiz<br />

die Trennung in kaufmännische und<br />

gewerblich-industrielle Berufsschulen?<br />

Ich bin schon seit langem überzeugt, <strong>das</strong>s diese<br />

beiden Welten zusammenrücken müssen. Die<br />

Entwicklung in der Berufswelt lässt uns da<br />

gar keine andere Wahl. Schön wäre es natürlich<br />

auch, wenn die Lehrer- und Lehrerinnenorganisationen<br />

hier mit einem guten Beispiel vorangehen<br />

würden und sich in einer Organisation<br />

zusammenfinden würden. Aus meiner Sicht<br />

wäre <strong>das</strong> ein Gewinn für beide Seiten.<br />

Zum Schluss würde es mich interessieren,<br />

was im <strong>BBT</strong> los ist. Eine eigentliche<br />

Kündigungswelle scheint dieses Amt<br />

erfasst zu haben?<br />

Es ist in der Tat so, <strong>das</strong>s die Folgen der Reorganisationen,<br />

die seit der Auflösung des BIGA<br />

entstanden sind, noch nicht ausgestanden sind.<br />

Solche Veränderungen gehen selten ohne Probleme<br />

über die Bühne. Nicht normal aber ist,<br />

wie die heutige Amtsleitung mit dieser Situation<br />

umgeht.<br />

Können Sie etwas deutlicher werden?<br />

Die betreffenden Personen sind scheinbar der<br />

festen Überzeugung, <strong>das</strong>s alles, was vor ihrer<br />

Amtsübernahme gemacht worden ist, falsch ist.<br />

Projekte werden auf halbem Weg und ohne<br />

Not gekappt oder gebremst, nur weil die seinerzeitigen<br />

Initianten heute nicht mehr genehm<br />

sind. Dazu kommt ein Unvermögen der Leitung,<br />

mit Kritik umzugehen. Das hat dazu geführt,<br />

<strong>das</strong>s im Amt, und vor allem im Bereich<br />

der Berufsbildung, ein Klima der Angst und der<br />

Verunsicherung entstanden ist. Wer kann, ist<br />

gegangen oder auf dem Weg dazu. Leider fördert<br />

ein solches Arbeitsklima die Flucht in die<br />

innere Emigration und ein Duckmäusertum,<br />

alles Eigenschaften, die in einem Bildungsamt<br />

eigentlich fehl am Platze sind.<br />

Sie schildern eine wenig erfreuliche<br />

Situation, können wir in absehbarer Zeit<br />

auf Besserung hoffen?<br />

Der heutige Zustand ist unhaltbar. Ich gehe davon<br />

aus, <strong>das</strong>s die politischen Verantwortlichen<br />

über kurz oder lang handeln müssen. Der parlamentarische<br />

Vorstoss, auf Bundesebene nur<br />

ein Bildungsamt zu haben, wird sicher auch zu<br />

einer Bereinigung der Verhältnisse beitragen.<br />

6 2002<br />

25

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