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Schreibworkshop Kreatives Schreiben an der EUV

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Projektbericht zum Workshop<br />

„<strong>Kreatives</strong> <strong>Schreiben</strong>“<br />

im Rahmen des Seminars Schreibdidaktik / Katrin Girgensohn<br />

06.07.2007-07.07.2007<br />

von<br />

Sebasti<strong>an</strong> Schönbeck und Anja Voigt<br />

Inhalt:<br />

5. Idee und Konzept<br />

6. Vorbereitung, Pl<strong>an</strong>ung, Org<strong>an</strong>isatorisches<br />

7. Programmpunkte und Durchführung<br />

8. Evaluation <strong>der</strong> Teilnehmer und persöliche Auswertung<br />

9. Schlussged<strong>an</strong>ken und Ausweitung


1. Idee und Konzept<br />

Die Schreibgruppenarbeit im Rahmen des Seminars „Schreibdidaktik“ sollte ein<br />

Workshop sein, <strong>der</strong> sich <strong>an</strong> zwei Tagen mit den Schreibgewohnheiten <strong>der</strong><br />

Teilnehmer beschäftigt. Dieses Treffen sollte die Möglichkeit bieten, sich mit<br />

Menschen auszutauschen, die ebenfalls schreiben und sollte den Teilnehmern durch<br />

kreatives Arbeiten neue und alternative Schreibprozesse aufzeigen, die ihnen die<br />

eigene Schreibarbeit facettenreicher gestalten k<strong>an</strong>n.<br />

Die Idee <strong>der</strong> Schreibprozessvari<strong>an</strong>ten schöpfte sich aus unseren eigenen<br />

Schreiberfahrungen. Oft stellten wir beim <strong>Schreiben</strong> fest, dass wir <strong>an</strong>haltend um den<br />

gleichen Themenbereich kreisten, dass wir immer die gleichen Worte zu bestimmten<br />

Sachverhalten f<strong>an</strong>den und <strong>der</strong> eigene Fokus oftmals stark eingeschränkt scheint.<br />

Deswegen erachteten wir es als sinnvoll, zu versuchen, diese Strukturen<br />

aufzubrechen. Wir strebten dabei keine Stilverän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Stilfindungsprozesse<br />

bei den Autoren <strong>an</strong>, son<strong>der</strong>n wollten durch verschiedene Schreibübungen zum<br />

Nachdenken über den eigenen Schreibprozess <strong>an</strong>regen. Unser Ziel war es,<br />

Variationen innerhalb <strong>der</strong> Textarbeit <strong>an</strong>zubieten, die für das <strong>Schreiben</strong> <strong>an</strong>wendbar<br />

sind. Dabei war es uns wichtig, Übungen zu wählen, die die jeweiligen<br />

Schreibgewohnheiten auf die Probe stellen, in dem sich je<strong>der</strong> Teilnehmer mit<br />

sprachlich-rhythmischer Gestaltung genauso wie Form- o<strong>der</strong> Themenvorgaben<br />

beschäftigen sollte. Das Hauptaugenmerk lag jedoch nicht auf <strong>der</strong> Produktion von<br />

Texten, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> Selbstüberprüfung <strong>der</strong> Teilnehmer. Unser Anliegen war es,<br />

den Schreibern immer die Wahl zu lassen, inwieweit sie sich auf die jeweiligen<br />

Aufgaben einlassen wollen und ihnen zu vermitteln, dass es in diesem Workshop kein<br />

„Muss“, son<strong>der</strong>n immer nur ein „K<strong>an</strong>n“ gibt.<br />

Des Weiteren sollte sich dieser Workshop etwa mit dem <strong>Schreiben</strong> über das<br />

<strong>Schreiben</strong> und mit Feedback-Situationen beschäftigen. Wir wollten über Probleme<br />

sprechen, die sich beim <strong>Schreiben</strong> ergeben und versuchen, die Strukturen <strong>der</strong><br />

einzelnen Texte zu lokalisieren und zu bearbeiten.<br />

Die Thematik des <strong>Schreiben</strong>s bildete den Anlass und somit den Mittelpunkt dieser<br />

Ver<strong>an</strong>staltung.<br />

Zur Konzeptidee gehörte außerdem die gemeinsame Unterbringung <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

in einer Unterkunft, um den Prozess <strong>der</strong> Reflektion nicht durch Alltagsbegebenheiten<br />

zu unterbrechen und um den Austausch auch im Anschluss <strong>an</strong> die eigentliche<br />

Schreibarbeit zu ermöglichen.<br />

Dieser Workshop sollte eine intensive Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit dem Gegenst<strong>an</strong>d des<br />

<strong>Schreiben</strong>s gewährleisten.


2. Vorbereitung, Pl<strong>an</strong>ung, Org<strong>an</strong>isatorisches<br />

Im Folgenden soll auf die Vorbereitungsphase des Workshops eingeg<strong>an</strong>gen werden,<br />

wobei sich die Hinweise und Tipps meist spezifisch auf das vor<strong>an</strong>gestellte Konzept<br />

beziehen werden.<br />

Die Räumlichkeit<br />

Zunächst war es unser Anliegen, Fr<strong>an</strong>kfurt (O<strong>der</strong>) als Ort unserer Ver<strong>an</strong>staltung zu<br />

wählen, da wir den Teilnehmerkreis vor allem aus Studierenden <strong>der</strong> Viadrina<br />

gewinnen wollten und mit dem Schreibzentrum ein geeigneter Ort vorh<strong>an</strong>den ist.<br />

Die Belegung des Schreibzentrums für <strong>der</strong>artige Zwecke ist äußerst erwünscht und<br />

trägt nach unserem Ermessen sehr zur Belebung dieser Einrichtung bei. Das<br />

Schreibzentrum bietet eine <strong>an</strong>genehme Schreibatmosphäre und ist als Einrichtung<br />

innerhalb des Sprachenzentrums vielen Studenten bek<strong>an</strong>nt. Die Reservierung des<br />

Schreibzentrums ist unkompliziert und sollte bei <strong>der</strong> Leiterin o<strong>der</strong> den studentischen<br />

Hilfskräften vorgenommen werden. Weiterhin ist bei <strong>der</strong> Nutzung zu beachten, dass<br />

m<strong>an</strong> die Sicherheitskräfte des Sprachenzentrums frühzeitig über die Dauer des<br />

Aufenthalts informiert, da diese immer <strong>an</strong>wesend sein müssen, wenn sich Leute im<br />

Sprachenzentrum aufhalten, das gilt vor allem für außer reguläre Zeiten, also am<br />

Wochenende und Abends. Wenn <strong>der</strong> Workshop eine Verpflegung <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

vorsieht, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> zu gewöhnlichen Öffnungszeiten die Cafeteria nutzen und<br />

<strong>an</strong>sonsten gegen eine geringe Gebühr Geschirr dort ausleihen. Wir hatten uns dazu<br />

entschlossen ein wenig Verpflegungsgeld von den Teilnehmern zu verl<strong>an</strong>gen, um<br />

davon Lebensmittel zu kaufen, die m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Teeküche auf <strong>der</strong> Etage lagern k<strong>an</strong>n.<br />

Die Unterkunft<br />

Für die Unterbringung <strong>der</strong> Teilnehmer hatten wir das Wohnheim in Slubice<br />

reserviert. Zu diesem Zweck wendet m<strong>an</strong> sich am Besten <strong>an</strong> das Collogium<br />

Polonicum, die den Kontakt zum Wohnheim herstellen. Lei<strong>der</strong> sprechen die<br />

Angestellten des Wohnheims nur polnisch, so dass einem auch die ausgefallensten<br />

Sprachkünste nicht weiterhelfen. Die Angestellten des CP sind jedoch sehr freundlich<br />

und hilfsbereit und übernehmen gern die Reservierung. Eine Kontaktadresse zum CP<br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> bei Katrin Girgensohn erfragen. Es ist ausreichend sich eine Woche vor <strong>der</strong><br />

Ankunft im CP <strong>an</strong>zumelden. Die Übernachtung, ohne Frühstück, kostet ca. 10 Euro<br />

und die Zimmer sind sauber und ausreichend ausgestattet. Das Wohnheim kommt<br />

also für eine kostengünstige und <strong>an</strong>sprechende Unterkunft allemal in Frage.<br />

Der Termin<br />

Die Terminfindung des Workshops ist sehr von persönlichen Dingen und dem<br />

Konzept abhängig. Wir hatten uns entschlossen, den Workshop gegen Ende des


Semesters laufen zu lassen, da wir sehr viel Wert auf einen ausgefeilten<br />

Programmpl<strong>an</strong> legten, <strong>der</strong> relativ zeitaufwendig war. M<strong>an</strong> muss bedenken, dass die<br />

Motivation <strong>der</strong> Studenten gegen Ende des Semesters schon nachlassen k<strong>an</strong>n bzw.<br />

Klausur-und Hausarbeitendruck den Zeitpl<strong>an</strong> vieler potentieller Teilnehmer<br />

einschränkt. Da wir uns wirklich intensives Arbeiten mit wenigen Teilnehmern<br />

(höchstens 10) vorgestellt hatten, war es nicht problematisch diese Wenigen zu<br />

finden. Wichtig ist, dass m<strong>an</strong> den Termin frühzeitig findet, um genügend Zeit für die<br />

Vorbereitung zu haben und um ausreichend Werbung machen zu können. Eine<br />

mindestens zweimonatige Vorbereitungsphase sollte für diesen Workshops eingepl<strong>an</strong>t<br />

werden.<br />

Die Werbung<br />

Einleitend ist zu erwähnen, dass die Werbung immer möglichst am Anf<strong>an</strong>g <strong>der</strong><br />

Projektphase wichtig ist, da eine gewisse „Buschfunkverbreitung“ gewährleistet sein<br />

sollte. Sinnvoll ist es zunächst, immer den Workshop mit einem Plakat o<strong>der</strong> mit<br />

Flyern direkt im Schreibzentrum <strong>an</strong>zukündigen. Am <strong>Schreiben</strong> Interessierte können<br />

dort <strong>an</strong> einer Pinnw<strong>an</strong>d alle wichtigen Termine rund ums <strong>Schreiben</strong> einsehen.<br />

Außerdem sollte m<strong>an</strong> bereits vorh<strong>an</strong>dene Verteiler nutzen. Katrin Girgensohn<br />

verfügt über einen großen email-Verteiler von Leuten, die schon einmal <strong>an</strong> einem<br />

ihrer Seminare teilgenommen haben und potentielle Teilnehmer sein könnten. Es<br />

macht Sinn, eine nett formulierte, interess<strong>an</strong>te Email über diesen Verteiler heraus zu<br />

schicken. Wir haben die meisten Teilnehmer darüber gewonnen. Außerdem haben<br />

wir Plakate <strong>an</strong> allen maßgeblichen Punkten <strong>der</strong> Universität aufgehängt (Pinnw<strong>an</strong>d<br />

im Gräfin-Dönhoff-Gebäude, Bibliothek, Sprachenzentrum usw.). M<strong>an</strong> sollte jedoch<br />

ein wenig darauf achten, dass die Plakate immer gut sichtbar sind, da diese<br />

Pinnwände gut und gern genutzt werden und m<strong>an</strong> schnell einmal „überh<strong>an</strong>gen“ wird.<br />

Wir haben auch die Möglichkeit des Internet-Posting genutzt, für das die Uni eine<br />

Homepage zur Verfügung stellt. Auf <strong>der</strong> „Calendrina-Seite“ k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> alle<br />

Ver<strong>an</strong>staltungen finden, die <strong>an</strong> <strong>der</strong> Uni stattfinden. Nach unkompliziertem Anmelden<br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> dort in <strong>der</strong> entsprechenden Rubrik seinen Eintrag machen.<br />

An unserem Workshop haben am ersten Tag neun Leute teilgenommen und am<br />

zweiten sechs.


3. Programmpunkte und Durchführung<br />

Hier wollen wir zunächst den von uns festgelegten Programmpl<strong>an</strong> in seiner zeitlichen<br />

Abfolge darstellen um d<strong>an</strong>n die einzelnen Aufgabenstellungen zu erläutern.<br />

Freitag, 06.07.2007<br />

10 - 11Uhr Ankunft, Erläuterungen zum Workshop (inkl. Feedback-<br />

Vorstellungen erläutern) Warm-Up in Verbindung mit<br />

Vorstellung<br />

11 – 13Uhr 1. Schreibaufgabe: „Ein Treffen mit…“<br />

(Wie sieht ein solches Zusammentreffen aus? Was wird<br />

besprochen? Ist die Person real <strong>an</strong>wesend? Welche Stellung<br />

nehme ich zu ihr ein? Was will ich wissen? usw., Form und<br />

Inhalt egal, soll die Schreibgewohnheiten noch mal aufzeigen,<br />

dient als Arbeitsgrundlage)<br />

1Stunde <strong>Schreiben</strong> + 1 Stunde Feedback<br />

Personen: Günther Jauch, Jürgen Klinsm<strong>an</strong>n, J<strong>an</strong> Ullrich,<br />

Steven King, Fr<strong>an</strong>z Kafka, Bob Marley, Super Mario, Alf, Bibi<br />

Blocksberg, The Beatles, Lady Di, Thomas Gottschalk, Klaus<br />

Kinski, Michel Friedm<strong>an</strong>n<br />

13 – 14.30Uhr Mittagspause (Essen in <strong>der</strong> Mensa)<br />

14.30 – 16.30Uhr 2. Schreibaufgabe: „Lost in Tr<strong>an</strong>slation“<br />

Bei dieser Aufgabe wird nachein<strong>an</strong><strong>der</strong> Bild und Ton in Text<br />

übersetzt. Den Teilnehmern steht es frei, welche Form sie für<br />

Ihre Übersetzung wählen. Ziel ist es, auditive und visuelle<br />

Eindrücke in Worte zu fassen, zu einer „<strong>an</strong><strong>der</strong>en“ Sprache, als<br />

<strong>der</strong> vorgefundenen zu finden. Inhaltlich wird hier schon die<br />

Verbindung zum „Negativ“ <strong>an</strong>gedeutet. Gut wäre es, <strong>der</strong><br />

Stimmung nach sehr unterschiedliche Vorlagen zu verwenden.<br />

30 min. für Bild + 30 min. für Musik + 1 Stunde Feedback<br />

16.30 – 17.30Uhr 3. Schreibaufgabe: „Marcel Proust Fragebogen”<br />

Es gibt dabei keine Vorgabe, „wer“ den Fragebogen ausfüllt.<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n seine eigene Person darstellen, eine fiktive Person<br />

erfinden o<strong>der</strong> seine Lieblingsrom<strong>an</strong>figur sprechen lassen.<br />

(Ausfüllen des Fragebogens als Grundlage für Warm-Up am


nächsten Tag)<br />

17.30 – 19Uhr Abendessen ( Brotzeit)<br />

19 – 21Uhr 4. Schreibaufgabe: „Ursonate“<br />

(Anmo<strong>der</strong>ation, Anspielen <strong>der</strong> Ursonate ca. 5min.)<br />

M<strong>an</strong> soll zu einem Gefühl (Bsp. Hunger, Trauer, Wut,<br />

Leidenschaft) selbst Töne erfinden. Die Aufgabe zielt auf die<br />

sprachlich-rhythmische Gestaltung von Texten ab, weniger<br />

abhängig vom Inhalt, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> einzelne Wörter, die dieses<br />

Gefühl beschreiben rhythmisch <strong>an</strong>ein<strong>an</strong><strong>der</strong> reihen, o<strong>der</strong> selbst<br />

eine Ursonate gestalten, die das Gefühl beschreibt. Am besten in<br />

Kleingruppen.<br />

1Stunde Bearbeitung + 1 Stunde Vorstellung<br />

21 – 22Uhr Diskussion <strong>der</strong> Aufgaben, Feedback (Blitzlicht)<br />

Samstag, 07.07.2007<br />

10 – 10.30Uhr Begrüßung, Warm-Up (Gedicht zum Fragebogen) entwe<strong>der</strong><br />

zum Gesamteindruck des Fragebogens o<strong>der</strong> zu Teilfragen o<strong>der</strong><br />

zu einer Frage, 30 min Bearbeitung<br />

10.30 – 13 Uhr 1. Schreibaufgabe „ Sinne schärfen“ + „Negativ“<br />

Je<strong>der</strong> Teilnehmer zieht nachein<strong>an</strong><strong>der</strong> einen Sinn und ein<br />

Thema. Das Thema (z.B. Zeit) wird d<strong>an</strong>n mit dem gezogenen<br />

Sinn, o<strong>der</strong> in Verbindung zum Sinn, beschrieben. Wie die<br />

Verbindung von Sinn und Thema aussieht, bleibt freigestellt.<br />

Nach 30min rotieren die Sinne und die Teilnehmer sollen ihr<br />

Thema mit dem neuen Sinn beschreiben. Nach <strong>der</strong> Auswertung<br />

soll das „Negativ“ eines <strong>der</strong> beiden Texte entstehen. Ob m<strong>an</strong><br />

unter „Negativ“ eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Form o<strong>der</strong> ein <strong>an</strong><strong>der</strong>es Thema o<strong>der</strong><br />

einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Stil versteht, bleibt frei.<br />

Themen: Heimat, Disko, Zeit, Müdigkeit, Kälte, Nacht,<br />

Ph<strong>an</strong>tasie, L<strong>an</strong>geweile, Einsamkeit, Geschichte, Muse, Melodie,<br />

Grenze, Warten, Blume.<br />

15 min für 1. Sinn, 15 min für 2. Sinn, 30 min Auswertung, 45<br />

min „Negativ“ + 45 min Vorlesen<br />

13 – 14Uhr Mittagspause


14 – 15Uhr 2. Schreibaufgabe „Rotationsaufgabe“<br />

Je<strong>der</strong> TN nimmt ein Stück Papier zur H<strong>an</strong>d und schreibt zu zwei<br />

vorgegebenen Themen in 5 Minuten einen Anf<strong>an</strong>g, d<strong>an</strong>ach<br />

rotieren die Texte und es soll versucht werden, den Anf<strong>an</strong>g des<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>en weiter zu schreiben und dabei dessen Stil bestmöglich<br />

zu übernehmen. Am Ende soll je<strong>der</strong> Teilnehmer den Text<br />

vorlesen, dessen Anf<strong>an</strong>g er geschrieben hat.<br />

Ziel <strong>der</strong> Aufgabe ist es, sich <strong>an</strong> verschiedenste Stile innerhalb<br />

kürzester Zeit <strong>an</strong>zupassen und im Sinne <strong>der</strong> Qualität des Textes<br />

zu schreiben. Die eigenen Schreibgewohnheiten sollen dabei<br />

außen vor bleiben.<br />

Thema: Ausblick<br />

Je nach Teilnehmerzahl 5-10 min Schreibzeit<br />

15 – 16Uhr Vorlesen <strong>der</strong> Rotationsaufgabe (kurz)<br />

Ausfüllen des Evaluationsbogens 10 min.<br />

Abschlussdiskussion - je<strong>der</strong> darf etwas zum Workshop sagen<br />

und sein Gedicht vortragen<br />

16 Uhr ENDE<br />

Es folgen detaillierte Erläuterungen zu den Zielstellungen und <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong><br />

einzelnen Aufgaben, die <strong>an</strong> dieser Stelle noch keine Wertung finden sollen.<br />

1.Tag<br />

Aufgabe 1<br />

Das Problem des Kennenlernens und das Umschiffen bek<strong>an</strong>nter Spiele stellte sich in<br />

<strong>der</strong> Vorbereitung des Programms als Schwierigkeit heraus. Um diese Schwierigkeit zu<br />

umgehen, sollte dem Kennenlernen keine herausragende Bedeutung beigemessen<br />

werden, sollte je<strong>der</strong> Teilnehmer kurz erläutern, weshalb er einen Workshop zum<br />

Thema <strong>Kreatives</strong> <strong>Schreiben</strong> besucht, um im folgenden ohne Umwege zum <strong>Schreiben</strong><br />

selbst zu kommen.<br />

Die erste Aufgabe h<strong>an</strong>delte von einem Treffen mit einer prominenten Persönlichkeit.<br />

Diese wurden von uns bewusst so gewählt, dass sie mit bestimmten Klischees behaftet<br />

sind. Die Idee dahinter war, sich nicht von großen Themen bedrücken zu lassen,<br />

son<strong>der</strong>n ohne Umwege in das eigene Schreibmuster zu fallen und in relativ kurzer<br />

Zeit einen Text zu schreiben, <strong>der</strong> den Autor darauf aufmerksam (wenn auch<br />

unterbewusst) machen sollte, auf welchen Wegen er sich beim <strong>Schreiben</strong> bewegt


zw. dass die Wege sich ähneln. Die dabei <strong>an</strong>gesprochenen Klischees sind selbst<br />

schon ein Muster, in das Ged<strong>an</strong>ken fallen. Als Analogie zum Schreibprozess, sollte die<br />

Aufgabe ein spielerischer Stoß in bereits bestehende Muster sein. Außerdem sollten<br />

die kontroversen Persönlichkeiten eine entsp<strong>an</strong>nte Atmosphäre schaffen, in <strong>der</strong> alle<br />

Teilnehmer sich wohl fühlen. In welcher Form das Treffen mit <strong>der</strong> jeweiligen Person<br />

dargestellt wird, wurde den Teilnehmern überlassen.<br />

Aufgabe 2<br />

Lost in Tr<strong>an</strong>slation – Mit <strong>der</strong> Ankündigung, dass jetzt nachein<strong>an</strong><strong>der</strong> Ton und Bild in<br />

Text übersetzt werden sollen, ließen wir ein Lied <strong>der</strong> isländischen B<strong>an</strong>d Sigur Ros<br />

laufen, in welchem orchestrale, l<strong>an</strong>ggezogene Töne sich mit einer von <strong>der</strong> B<strong>an</strong>d selbst<br />

erfundenen Sprache paaren. Höchstens einige Fetzen dieser neuen Sprache erinnern<br />

noch <strong>an</strong> bek<strong>an</strong>nte Worte. Der Titel wurde deshalb gewählt da er durch das Fehlen<br />

von Inhalt (nicht von Sprache) die Imagination des Hörers for<strong>der</strong>t, in diesem Falle<br />

sogar mit <strong>der</strong> Vorgabe, aufzuschreiben, was m<strong>an</strong> als Hörer empfindet, bzw. auf eine<br />

bestimmte Art eine Übersetzungsarbeit leistet. Wie die Übersetzung aussehen sollte,<br />

ließen wir offen. Der Titel vermittelt eine g<strong>an</strong>z beson<strong>der</strong>e Atmosphäre, diese auch<br />

mittels <strong>der</strong> Sprache zu erzeugen, war die Aufgabe.<br />

Im zweiten Teil wurde den Teilnehmenden eine Malerei gezeigt, dabei wurde <strong>der</strong><br />

Schwierigkeitsgrad erhöht, da nun die Sprache vollständig abwesend war und die<br />

Teilnehmenden sie trotzdem finden sollten.<br />

Ziel <strong>der</strong> Aufgaben war, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich ähnliche<br />

Wirkungen unterschiedlich herstellen lassen. Dass Empfindungen und Gefühle<br />

unterschiedlich hergestellt werden können, und dabei g<strong>an</strong>z offen bleibt, welche Form<br />

für welche Wirkung am geeignetsten erscheint.<br />

Aufgabe 3<br />

Vorbild für die 33 Fragen des ist <strong>der</strong> berühmteste Fragebogen <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> den<br />

Namen des fr<strong>an</strong>zösischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat<br />

ihn aber nicht entworfen, son<strong>der</strong>n nur ausgefüllt, das heißt, genau genommen sogar<br />

zwei Mal: Um die Jahrhun<strong>der</strong>t-Wende war es ein beliebtes Gesellschaftsspiel, Gäste<br />

<strong>an</strong> einer gehobenen Party einen persönlichen „Questionnaire“ ausfüllen zu lassen. So<br />

auch den 13-jährigen Proust <strong>an</strong> einer Geburtstagsparty von Antoinette Faure, Tochter<br />

des späteren fr<strong>an</strong>zösischen Präsidenten Felix Faure. Einer ihrer Söhne veröffentlichte<br />

die Antworten 1924 zum ersten Mal. Im Alter von etwa 20 Jahren hatte Proust einen<br />

ähnlichen Fragebogen ausgefüllt, dem er selber den Titel „Marcel Proust par luimême“<br />

(„Marcel Proust über sich selbst“) gab. Die Teilnehmer sollte den Fragebogen<br />

ausfüllen, wobei wir offen ließen, zu welchem Zweck. Einerseits konnte <strong>der</strong><br />

Fragebogen eine Her<strong>an</strong>gehensweise, <strong>an</strong> das schwierige Feld des persönlichen<br />

<strong>Schreiben</strong>s sein und <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits zum Entwurf einer fiktiven Person beitragen.


Aufgabe 4<br />

Die Aufgabe zur Ursonate stellte den Rhythmus, den Wortkl<strong>an</strong>g, die Akzentuierung<br />

eines Textes in den Mittelpunkt. Zu Beginn wurde die „Ursonate“ von Kurt<br />

Schwitters <strong>an</strong>gespielt, die in ihrer Gestaltung <strong>der</strong> von Schwitters kreierten Merzkunst<br />

(gleichzeitig dem Dadaismus), Sprache zerlegt, neue Laute erfindet und dies alles in<br />

die Form einer streng formellen Sonate projiziert. Schwitters selbst hat diese Ursonate<br />

seinen Freunden <strong>der</strong> Künstlerkreise vorgetragen, was oft mit einem Lächeln<br />

hingenommen wurde. Kurt Schwitters wurde hier gewählt, weil <strong>der</strong> Umg<strong>an</strong>g mit den<br />

Lauten intensiv hörbar ist, weil Inhaltliches scheinbar in den Hintergrund gerät und<br />

die Einstimmung auf rhythmisches <strong>Schreiben</strong> nahe liegt. Den Teilnehmern wurde<br />

vorgeschlagen, selbst einmal nach den Rhythmen in ihren Texten zu suchen, nach<br />

den Rhythmen, die sie beim <strong>Schreiben</strong> im Kopf haben. Es wurde ihnen freigestellt, ob<br />

sie ihre eigene Ursonate mit den Lauten, die sie verwenden schreiben o<strong>der</strong> ob sie eine<br />

Ph<strong>an</strong>tasiesprache erfinden wollen o<strong>der</strong> Wörter einfach nur umdrehen o<strong>der</strong> neu<br />

zusammenfügen. Als Vorgabe haben wir verschiedene Gefühle <strong>an</strong>geben, die mit Hilfe<br />

von Lauten und Wörtern skizziert werden sollen. So konnte m<strong>an</strong> zum Beispiel zum<br />

Thema Hunger schreiben o<strong>der</strong> über Traurigkeit o<strong>der</strong> L<strong>an</strong>geweile. Wichtig war, dass<br />

m<strong>an</strong> versucht, ein Gefühl für die Vorgänge zu bekommen, die sich beim Moment des<br />

Fühlens ergeben und diese daraufhin in Laute zu übersetzen. Die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dabei ist, tief in sich selbst hineinzuhören und herauszufinden, welches Geräusch die<br />

eigene Traurigkeit zum Beispiel macht. Die Aufgabe sollte darauf abzielen in einer<br />

Extrembetrachtung des eigenen Sprachgefühls die Natürlichkeit und<br />

Selbstverständlichkeit von Worten auf die Probe zu stellen, Einblicke geben,<br />

inwieweit unser <strong>Schreiben</strong> von den Laut-und Wortfindungsprozessen in uns<br />

abhängig ist um beim <strong>Schreiben</strong> gezielt damit arbeiten zu können.<br />

2.Tag<br />

Warm-Up<br />

Aus den Anregungen, die <strong>der</strong> Fragebogen in <strong>der</strong> dritten Aufgabe des letzten Tages<br />

liefern sollte bzw. aus den Antworten des Fragebogens sollte <strong>an</strong> diesem Morgen ein<br />

Gedicht geschrieben werden. Wir haben uns als Einstieg in den Tag bewusst diese<br />

Aufgabe gewählt, da die Teilnehmer das Material schon am Vortag kreiert hatten, sie<br />

mussten ihm also nur noch eine Form geben.


1.Aufgabe<br />

Den eigentlichen theoretischen Kern bildet diese Aufgabe in unserem Konzept. In <strong>der</strong><br />

Mitte des Tisches liegen zwei Berge Zettel, von denen die Autoren jeweils einen<br />

ziehen müssen. Die Zettel beinhalten zum einen Sinne und zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en Begriffe.<br />

Bei <strong>der</strong> Aufgabe werden die Sinne geschärft, indem m<strong>an</strong> sie mit dem jeweiligen<br />

Begriff verschachtelt. Wie genau <strong>der</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen Sinn und Begriff<br />

aussieht, bleibt unben<strong>an</strong>nt. Die Begriffe haben wir allgemein gewählt, obwohl die<br />

Beschaffenheit <strong>der</strong> Begriffe auch eine Überlegung wert ist, deshalb haben wir neben<br />

Begriffen wie z.B. Zeit und Einsamkeit einen konkreten Begriff, nämlich Disko<br />

gewählt. Die Zeit für das Lösen <strong>der</strong> Aufgabe wird auf fünfzehn Minuten beschränkt.<br />

Nachdem diese Zeit abgelaufen ist, wird <strong>der</strong> zweite Teil <strong>der</strong> Aufgabe erläutert,<br />

nämlich, dass die Sinne rotieren, dass je<strong>der</strong> also den Sinn seines Nachbarn erhält, mit<br />

dem er jetzt in erneuten fünfzehn Minuten seinen Begriff bearbeitet. Diese<br />

Teilaufgabe bereitet unterbewusst schon den nächsten Teil <strong>der</strong> Aufgabe vor. Im<br />

nächsten Schritt wird verl<strong>an</strong>gt, ein Negativ von einem <strong>der</strong> beiden vorigen Texte zu<br />

schreiben. Einige Erläuterungen zum Begriff Negativ sind sinnvoll, wie jedoch das<br />

jeweilige Negativ aussehen soll, bleibt wie<strong>der</strong> unbestimmt, um den <strong>Schreiben</strong>den<br />

genug Freiheit zu lassen. Formal betrachtet könnte das Negativ eines Gedichts ein<br />

Prosatext sein, könnte ein klassisches Sonett in ein fragmentarisches postmo<strong>der</strong>nes<br />

Konstrukt verw<strong>an</strong>delt werde, und eigentlich könnte das Negativ eines Gedichts alles<br />

sein. Nun lässt sich das Negativ auch sem<strong>an</strong>tisch begreifen, dem individuellen<br />

Verfahren sind keine Grenzen gesetzt. In <strong>der</strong> Feedback-Situation sollte das<br />

Auditorium <strong>an</strong>alysieren, um welche Art Negativ es sich h<strong>an</strong>delt. Ziel <strong>der</strong> Aufgabe war<br />

es, sich des Facettenreichtums bewusst zu werden, um sich <strong>der</strong> Vielzahl von<br />

Möglichkeiten eines Textes vor Augen zu führen.<br />

2. Aufgabe<br />

Die Schlussaufgabe zielt auf die beson<strong>der</strong>e Situation, in <strong>der</strong> m<strong>an</strong> sich in einer<br />

Schreibgruppe befindet. <strong>Schreiben</strong>, als ein Akt, bei dem m<strong>an</strong> gewöhnlich allein ist,<br />

gewinnt in <strong>der</strong> Schreibgruppe <strong>an</strong> gesellschaftlicher Qualität. Um diese Situation nicht<br />

ungenutzt zu lassen, sollte die letzte Aufgabe, die Möglichkeit eines Mitein<strong>an</strong><strong>der</strong>s<br />

benutzen, um gemeinsam <strong>an</strong> <strong>an</strong> einem, in diesem Falle <strong>an</strong> mehreren Texten zu<br />

arbeiten. Dabei wurde von den Teilnehmern verl<strong>an</strong>gt, einen Text zu einem von ihnen<br />

gewählten Thema in kurzer Zeit zu erstellen. Als Thema wählten die Teilnehmer den<br />

Begriff „Ausblick“. Nach fünf Minuten rotieren die Zettel mit den Texten, sodass<br />

je<strong>der</strong> den Text seines Nachbarn weiter schreiben musste. Das g<strong>an</strong>ze wurde fünf Mal<br />

durchgeführt, sodass je<strong>der</strong> Teilnehmer am Ende den Text zurück erhält, mit dem er<br />

<strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen hatte. Bei <strong>der</strong> Fortsetzung eines Textes sollten sich die Autoren vor allem<br />

die Stil-Fragen stellen. Um den Text nicht disparat werden zu lassen, um die Poetik


des Textes nicht zu zerstören, konnte je<strong>der</strong> Teilnehmer von jedem Teilnehmer<br />

profitieren, indem ihm <strong>an</strong>geboten wurde, im Sinne des Textes, sich vom eigenen Stil<br />

zu lösen. So sollte <strong>der</strong> Abst<strong>an</strong>d zur eigenen Gewohnheit vergrößert werden. Zudem<br />

wussten wir aus eigener Erfahrung, dass dabei ungeheuer lustige Texte entstehen<br />

können, die die Autoren mit einem guten Gefühl aus den zwei Tagen Schreibarbeit<br />

entlassen sollte.<br />

4. Evaluation <strong>der</strong> Teilnehmer und persönliche Auswertung<br />

Eigene Ansätze: In den Feedback-Situationen fiel es den Teilnehmenden meist<br />

schwer, zu den Texten <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Stellung zu beziehen, bzw. fehlte bei den<br />

Ratschlägen d<strong>an</strong>n im Laufe des Workshops die Zeit, weiterführend am jeweiligen<br />

Text zu arbeiten. Hilfreich wäre etwa ein Modus, über die Texte zu sprechen, für den<br />

Fall, dass es nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s funktioniert. Zum Beispiel die Festlegung, dass je<strong>der</strong> reihum<br />

einen Satz über den Text sagen darf. Vielleicht könnten die Teilnehmer die<br />

Gesichtspunkte, die sie <strong>an</strong> <strong>der</strong> Textarbeit beson<strong>der</strong>s interessieren, am Anf<strong>an</strong>g des<br />

Seminar selber erarbeiten, als Seil <strong>an</strong> dem sie sich während ihrer Kritik<br />

entl<strong>an</strong>gh<strong>an</strong>geln können. Die Motivation <strong>der</strong> Teilnehmer <strong>an</strong> diesem Workshop<br />

variierte zwischenzeitlich stark, sodass einige gerne weiter <strong>an</strong> bestimmten Texten<br />

gearbeitet hätten und deswegen Aufgaben wie die zum „Negativ“ als sehr sinnvoll<br />

erachteten, <strong>an</strong><strong>der</strong>e jedoch das „Sich-Inspirierenlassen“ bevorzugten und deshalb<br />

Übungen zur Wahrnehmung als beson<strong>der</strong>s positiv empf<strong>an</strong>den. Das bedeutet für das<br />

Workshopkonzept, dass es klarer und detaillierter Mittelpunkte suchen und setzen<br />

muss, die in <strong>der</strong> Ankündigung beschreibend erläutert werden müssen. Die<br />

Schwerpunkte müssen genauer festgelegt werden, in dem m<strong>an</strong> den Workshop klar<br />

„feedbacklastig“ o<strong>der</strong> klar „inspirierend“ konzipiert, um dem Teilnehmerkreis gerecht<br />

werden zu können. Möchte m<strong>an</strong> diese Einschränkungen nicht vornehmen, erachten<br />

wir es als sinnvoll, den Teilnehmern zu einem gewissen Zeitpunkt innerhalb des<br />

Workshops die Wahl zu lassen, in welche Richtung sie weiter mit ihren Texten<br />

arbeiten wollen und dementsprechend Übungen (vor)auszuwählen, die den<br />

Wünschen entsprechen könnten.<br />

Aufgabenspezifisch gilt es, die „Ursonate“ in ihrer Ausführung noch einmal zu<br />

überdenken. Es fiel fast allen Teilnehmern schwer sich darauf einzulassen, was am<br />

wahrscheinlichsten durch die Vielschichtigkeit <strong>der</strong> Aufgabenstellung hervorgerufen<br />

wurde. Am vorstellbarsten ist, dass die klare Vorgabe des Themas durch das<br />

Anspielen <strong>der</strong> Ursonate vielleicht schon eine bestimmte Form von<br />

„Erwartungserfüllungsdr<strong>an</strong>g“ impliziert, was eher blockierend als inspirierend<br />

gewirkt haben könnte. Außerdem ist für das Vortragen <strong>der</strong> Ergebnisse eine wirklich


gelockerte Stimmung notwendig, da sich bei den Teilnehmern schnell ein<br />

Schamgefühl einstellt, wenn sie „komische“ Laute von sich geben, was auch wie<strong>der</strong><br />

durch die Einstimmung mit <strong>der</strong> Ursonate in beson<strong>der</strong>er Weise vorgegeben wurde. Die<br />

Erläuterungen unsererseits, dass dies nur als ein Beispiel des Umg<strong>an</strong>gs mit Rhythmik<br />

<strong>an</strong>zusehen ist, halfen nicht weiter und auch die weiteren Vorschläge zur<br />

rhythmischen Gestaltung eines Textes, die wir den Teilnehmern unterbreitet haben,<br />

wurden augenscheinlich von dem stärkeren Eindruck des Schwitterschen Werkes<br />

überlagert. Vielleicht wäre es sinnvoll noch weitere Audiobeispiele zur Einstimmung<br />

<strong>an</strong>zuführen, damit m<strong>an</strong> nicht das Gefühl bekommt auf einen Weg gebracht zu<br />

werden o<strong>der</strong> die Aufgabe in mehrere Teilaufgaben aufzuspalten, um das Gefühl <strong>der</strong><br />

Überstrapaziertheit zu vermeiden.<br />

Die Stimmung während des Workshops wurde als <strong>an</strong>genehm und kreativ bewertet.<br />

Der ernsthafte Umg<strong>an</strong>g mit den Texten <strong>der</strong> Teilnehmern wurde von den<br />

Teilnehmern gut aufgenommen. Größtenteils empf<strong>an</strong>den sie die Aufgabenstellungen<br />

als geeignet, wurden wie <strong>an</strong>gedacht, auf Formfragen einerseits und auf Möglichkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Gestaltung von Texten aufmerksam.<br />

Es folgen einige Textbeispiele von den Ergebnissen, die bei den einzelnen Aufgaben<br />

entst<strong>an</strong>den sind. Die Ergebnisse dokumentieren am besten, wie die einzelnen<br />

Aufgaben funktioniert haben.


Beschreibung eines Bildes von Kathleen Schum<strong>an</strong>n<br />

Kopfsache / Herzscheiße<br />

Der Vogel pfeift dir ins Hirn<br />

und hörnt deine geblümten Ged<strong>an</strong>ken<br />

rosa – rot<br />

tschitscherin – grün<br />

blut – or<strong>an</strong>ge<br />

und neigt deinen schweren Kopf<br />

ins Wirrwarr aus<br />

rosa – rot<br />

tschitscherin – grün<br />

blut – or<strong>an</strong>ge.<br />

Der Hase schweigt dir ins Herz<br />

und härtet deine gefalteten Hände<br />

gegen<br />

rosa – rot<br />

tschitscherin – grün<br />

blut – or<strong>an</strong>ge<br />

und greift beim Griff nach dem Herz<br />

ins Leere aus<br />

rosa – rot<br />

tschitscherin – grün<br />

blut – or<strong>an</strong>ge.<br />

Übung: Musik übersetzen von Je<strong>an</strong>-Paul Olivier<br />

Geworfen sein, ist es nicht. Es ist ein geschossen werden o<strong>der</strong> ein heraus geschleu<strong>der</strong>t sein.<br />

Gewehrkugelgleich. Peng, Peng ich durchbohre die Luft Überschallflugzeugartig – nein, es ist eher<br />

ein schiuung. Jem<strong>an</strong>d muss eine Schwarzpulverzündung unter meinen Fersen vorgenommen<br />

haben.<br />

Meine Augen streifen L<strong>an</strong>dstriche – hinstraffiert wie Kohleskizzen. Linien liegen kreuz und quer.<br />

Oben ein blauer Faden – das muss <strong>der</strong> Himmel sein und unten ein grünes Merzb<strong>an</strong>d mit weißen<br />

Butterblumensprenklern: ist Natur. Nur normalerweise ziehen Häuser, Bäume, Fel<strong>der</strong>, Wege,<br />

Windmühlen, Kühe, Schafe, Katzen nicht so ein Gesicht: schmal wie ein Puppenmund. Strich um<br />

Strich verdecken und verzerren sie sich im Angesicht einer schier unfassbaren Geschwindigkeit.<br />

Gedicht zum Fragebogen von Kai Lachm<strong>an</strong>n<br />

Vielleicht<br />

Mir bewusst machen,<br />

was vorher nicht bewusst war<br />

Die Schwere des<br />

Nicht-Konstruierens<br />

natürlicher Gebilde


Der Bogen laugt aus<br />

zerrt es aus <strong>der</strong> Nase,<br />

rupft es aus dem Bauch,<br />

wringt mein Herz<br />

um jedes Satzes willen<br />

Schütt hin, Dein Ge<strong>an</strong>tworte!<br />

Wenn nicht hierzu, d<strong>an</strong>n aber<br />

dazu und dazu auch<br />

und dazu auch<br />

Los, Offenbarung bitte!<br />

Nacht fühlen von Kathleen Schum<strong>an</strong>n<br />

Sacht, g<strong>an</strong>z sacht<br />

g<strong>an</strong>z flach legt sich die Nacht auf uns<br />

g<strong>an</strong>z leicht, g<strong>an</strong>z weich<br />

bedeckt sie unsre bleiche Haut<br />

g<strong>an</strong>z nackt, g<strong>an</strong>z wach<br />

fühlen wir die Nacht<br />

sol<strong>an</strong>g <strong>der</strong> gesichtelte Mond hier wacht<br />

und g<strong>an</strong>z bedacht<br />

fühlen wir die Nacht<br />

und fühlen wie weich, g<strong>an</strong>z seicht<br />

sie über uns streicht -<br />

die Nacht.<br />

Das Negativ<br />

Das eine stellte sich ab, das <strong>an</strong><strong>der</strong>e stellte sich ein und unterwegs trafen sich beide <strong>an</strong> <strong>der</strong> Ecke und<br />

stießen umhüllt vom Dunkel <strong>an</strong>ein<strong>an</strong><strong>der</strong>, ohne es zu merken. Bis sie es bemerkten.<br />

Und d<strong>an</strong>n br<strong>an</strong>nte die Dunkelheit in ihren Augen, br<strong>an</strong>nte sich ihnen in die Poren, machte sie rasend,<br />

hetzte sie gegenein<strong>an</strong><strong>der</strong> auf.<br />

Sich selbst des Schmerzes entledigend den An<strong>der</strong>n zu schmerzen, unter dem stechenden Licht des<br />

Mondes, reißt das eine die Sichel vom Himmel und rammt sie ins Herz des <strong>an</strong><strong>der</strong>n, den Wi<strong>der</strong>haken<br />

wi<strong>der</strong>hakend.<br />

Und reibt sich ein mit dem Blut, das fließt, um die brennende Haut zu beruhigen.<br />

Und das <strong>an</strong><strong>der</strong>e sammelt seine letzte Kraft, das letzte Bewusstsein um Rache zu nehmen und greift<br />

nach den Sternen mit den scharf stechenden Zacken, kratzt damit das Gesicht des einen, <strong>der</strong> das<br />

fließende Blut verschmiert, um die brennende Haut zu beruhigen.<br />

D<strong>an</strong>n prasselt <strong>der</strong> schwarzblaue Himmel schneidend auf sie hernie<strong>der</strong> und wo sich das eine abstellt,<br />

stellt sich das <strong>an</strong><strong>der</strong>e ein, ohne, dass sie es bemerken.


Ausblick: von <strong>der</strong> Schreibgruppe<br />

Oben auf dem Dach sitze ich und blicke aus. Am Himmel ein Streifen und noch einer und noch einer,<br />

in weiß, in hellblau, in hellgrau und ein Kondensstreifen vom Flugzeug gen Süden.<br />

„Gute Reise“, rufe ich, mir dessen bewusst, dass es niem<strong>an</strong>d hört, dass mich niem<strong>an</strong>d hört.<br />

Ich frage mich, wohin das Flugzeug geht, wer drin sitzt und warum sie wohl wegfliegen? Und ich<br />

denke darüber nach, ob ich auch gern weg wäre und ob es im Reise<strong>an</strong>kunftsl<strong>an</strong>d besser wäre?<br />

K<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> im Warmen schlechter denken als im Kalten?<br />

Oben auf dem Dach sitze ich und bleiche aus. Wer deckt eigentlich so ein Dach? Mich zu?<br />

Von hier bis zum Himmel ist keine, während von hier bis auf die Straße eine Entfernung ist.<br />

Sein Tattrich hat sich auch nicht gerade gut entwickelt in den letzten Tagen. Das k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> <strong>an</strong> den<br />

Wolken ablesen.<br />

Was sind das für Aussichten. Die Boings fliegen tief und es sieht so jämmerlich nach Regen aus. Bei<br />

gutem Mittwochswetter könnte m<strong>an</strong> Parkinson noch mal aus seiner Stube locken, aber bei Regen ist<br />

ihm die Entfernung zu weit. Der Tattrich macht ihn ja nicht gerade schneller, im Regen.<br />

Ich versuche, zu sortieren, mich zu pl<strong>an</strong>en. Nein, hat keinen Zweck. Ich bleibe lieber hier sitzen.<br />

Vögel komponieren geschickte Flugformationen über meinem Kopf und wissen nicht, wie sehr sie<br />

mich beeindrucken und mit Sehnsucht erfüllen. Vögel können sich so verhalten, in Formation, ohne<br />

zu sprechen. Sie wissen auch immer, wo's l<strong>an</strong>ggeht. Menschen müssen sich dafür <strong>an</strong>schreien, damit es<br />

wenigstens ein bisschen klappt. Menschen sind echte Versager!<br />

Menschen sind richtige Pisser, Hosenscheißer, Kontrarevolutionäre, Teppichhändler und FDP-<br />

Wähler! Sie können we<strong>der</strong> fliegen, noch die Klappe halten. Sie müssen sich ständig über alle stellen.<br />

Hosenscheißerarsch, du bist ein Niem<strong>an</strong>d! Die Kategorien könnten in die Unendlichkeit weitergeführt<br />

werden.<br />

Ich entscheide mich aber für Tee und meditieren. Später werde ich Fisch zubereiten.

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