als pdf - Hanfjournal
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4 #118 / 05.10<br />
#118 / 05.10 5<br />
club med<br />
guerilla growing<br />
Cannabis und tardive Dystonie:<br />
Ein Fall aus der Türkei<br />
In einem Leserbrief an eine Zeitschrift<br />
für Psychiatrie berichteten zwei Ärzte<br />
aus einem Krankenhaus in Izmir (Türkei) über einen ihrer Patienten<br />
mit paranoider Schizophrenie, der <strong>als</strong> Nebenwirkung auf<br />
seine Medikamente eine so genannte tardive Dyskinesie (Dyskinesie<br />
bedeutet wörtlich übersetzt: „Fehlbewegung“) und eine<br />
tardive Dystonie (wörtlich übersetzt: „Fehlspannung“) entwickelt<br />
hatte. Bei der tardiven Dyskinesie handelt es sich um<br />
Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich (Zuckungen, Kaubewegungen)<br />
oder unwillkürliche Bewegungen der Gliedmaßen.<br />
Diese Bewegungsstörungen sind nach Behandlungen mit<br />
Neuroleptika und anderen Psychopharmaka oft irreversibel,<br />
bleiben <strong>als</strong>o auch nach Absetzen der Medikamente bestehen,<br />
und sind häufig kaum zu behandeln. In zwei großen internationalen<br />
Studien mit schizophrenen Patienten wurde bei 16 bzw.<br />
12 Prozent der Teilnehmer eine tardive Dyskinesie festgestellt.<br />
Bei den Betroffenen wurde ein hohes Selbstmordrisiko beobachtet.<br />
In dem konkreten Fall aus der Türkei handelte es sich um einen<br />
48 Jahre alten Mann, der seit zwanzig Jahren unter einer Schizophrenie<br />
litt. Etwa zwei Jahre nach Einsetzen der Symptome<br />
wurde die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt.<br />
Er hörte Stimmen, hatte visuelle Halluzinationen, berichtete<br />
von seiner Fähigkeit der Gedankenübertragung und anderer<br />
übermenschlicher Fähigkeiten und litt unter Wahnvorstellungen.<br />
Etwa acht Monate nach Beginn einer anti-psychotischen<br />
Therapie mit drei Medikamenten entwickelte er unwillkürliche<br />
Bewegungen im Bereich des Gesichts und des Mundes mit Problemen,<br />
Nahrung zu kauen und herunter zu schlucken (tardive<br />
Dr. med. Franjo Grotenhermen<br />
Mitarbeiter des nova Institutes in Hürth bei Köln und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis <strong>als</strong> Medizin (ACM).<br />
Dyskinesie). Zur gleichen Zeit traten unwillkürliche anhaltende<br />
Anspannungen der Nackenmuskulatur auf (tardive Dystonie).<br />
Diese unwillkürlichen Bewegungen nahmen in den nächsten<br />
Monaten zu, bis seine Sprache kaum noch zu verstehen und<br />
sein Nacken stark beeinträchtigt war. Dann begann er, Cannabis<br />
zu verwenden, und stellte fest, dass die unwillkürlichen Bewegungen<br />
signifikant abnahmen. Er rauchte daher zwei Jahre<br />
lang drei bis viermal wöchentlich Cannabis, um sich selbst zu<br />
behandeln, bis er wegen Drogenschmuggels verhaftet wurde.<br />
Während einer siebenmonatigen Haftzeit traten die Symptome<br />
mit der ursprünglichen Stärke wieder auf.<br />
Als er sich mit 48 Jahren in dem Krankenhaus vorstellte, deren<br />
Ärzte den Bericht über seinen Fall an die Zeitschrift schickten,<br />
versuchten sie die Nebenwirkungen der antipsychotischen<br />
Therapie durch einen Wechsel der Medikamente zu reduzieren.<br />
Tatsächlich begannen die unwillkürlichen Bewegungen<br />
im Bereich von Mund und Gesicht vier Wochen nach einem<br />
Wechsel auf ein atypisches Antipsychotikum abzunehmen.<br />
Die Symptome in seinem Nacken blieben jedoch unverändert<br />
bestehen. Die Autoren versuchten nacheinander verschiedene<br />
Medikamente (Diazepam, Baclofen, Injektionen mit Botulinus-<br />
Toxin in die Muskulatur, Sormodren, Gabapentin), die jeweils<br />
ein bis zwei Monate lang ausprobiert wurden, es gelang jedoch<br />
mit keinem Medikament, die tardive Dystonie, d. h. die Muskelanspannungen<br />
im Nacken zu beeinflussen.<br />
Der Mechanismus der Entstehung von tardiven Dyskinesien<br />
und Dystonien ist bisher nicht gut verstanden, und es gibt verschiedene<br />
Theorien, darunter Störungen im Bereich von Neurotransmittern<br />
(Botenstoffen im Nervensystem) in Hirnregionen,<br />
die für Bewegungen zuständig sind. Das körpereigene<br />
Endocannabinoidsystem spielt eine Rolle bei der Kontrolle von<br />
Bewegungen. Cannabinoidrezeptoren finden sich in Hirnregionen,<br />
die für diese Kontrolle wichtig sind, und viele Studien<br />
mit Tieren, aber auch beim Menschen haben gezeigt, dass<br />
von außen zugeführte Cannabinoide überwiegend hemmende<br />
Wirkungen auf die Bewegungsaktivität haben. Dies wurde beispielsweise<br />
bei der Spastik von Multiple-Sklerose-Kranken und<br />
beim Tourette-Syndrom nachgewiesen.<br />
Es gibt bisher allerdings wenig Erfahrung mit der Verwendung<br />
von Cannabinoiden bei tardiven Dystonien und tardiven<br />
Dyskinesien, <strong>als</strong>o Bewegungsstörungen <strong>als</strong> Nebenwirkungen<br />
von Medikamenten gegen schizophrene Störungen. Die Autoren<br />
des Falles aus der Türkei schreiben, dass sie keine Möglichkeit<br />
gehabt haben, dem Patienten Cannabinoide zu verabreichen<br />
und die Wirkungen zu beobachten, weil es in der Türkei<br />
keine legalen Möglichkeiten für solch eine Therapie gibt. Sie<br />
weisen jedoch darauf hin, dass „wir denken, dass Cannabinoidagonisten<br />
eine angemessene Wahl bei der Behandlung nicht<br />
behandelbarer tardiver Dystonien darstellen könnten“. Damit<br />
drücken die Ärzte in einer zurückhaltenden akademischen<br />
Sprache aus, dass sie unglücklich darüber sind, dem Patienten<br />
diese Behandlung nicht ermöglichen zu können.<br />
Der Bericht beschreibt zum einen die medizinischen Möglichkeiten<br />
von Cannabis bei dieser schweren Erkrankung und<br />
demonstriert zugleich die ganze Tragik und Brutalität, die mit<br />
dem Verbot der medizinischen Verwendung in den meisten<br />
Ländern der Erde verbunden ist.<br />
Zugegeben, wir haben schon viele Growberichte erhalten, die sich ein wenig vom „Normgrow“ unterschieden haben.<br />
Was da aber vergangene Woche im Mailfach war, sah schon irgendwie sehr ungewöhlich aus: Drei Meter hohe<br />
Graspflanzen unter Kunstlicht, auf den ersten Blick haben die Redaktionsmitglieder gedacht, es handle sich um einen<br />
Indoor-Versuch mit Faserhanf. Allerdings waren da nicht nur die Fotos angehängt, sondern auch dieser kurze Brief,<br />
der die ungewöhlichen Schnappschüsse ein wenig näher erläutert:<br />
Fast wie draußen<br />
Der Leser hat das Wort<br />
igentlich wollte ich vergangenes Jahr ein paar Pflänzchen<br />
zu Hause vorziehen und nach draußen stellen. So<br />
„E<br />
hab‘ ich sie schön vorwachsen lassen und <strong>als</strong> es dann endlich so<br />
weit war, hatte der Förster im Frühjahr just an einer Stelle einen<br />
neuen Hochstand errichtet, von der aus man meine sonnige<br />
Ecke genau einsehen konnte. Also hab ich mir gedacht: „bleibste<br />
halt drinnen und blühst die da aus.“ Das Problem hierbei<br />
war, dass die Mädels bereits fast 12 Wochen alt und somit weit<br />
über einen Meter hoch waren. Also habe ich mir ein paar Riesentöpfe<br />
gebastelt und sie in meinen ehemaligen Proberaum<br />
gestellt, weil da die Decke über drei Meter hoch ist. Trotzdem<br />
musste ich beide zur Blüteende runterbiegen. Die Sorte kenne<br />
ich nicht, ich habe beide Samen aus einem sehr leckerem Homegrown<br />
mit intensivem Haze-Aroma gezogen. Beleuchtet habe<br />
ich sie mit einer 400 Watt und einer 600 Watt Lampe, insgesamt<br />
standen sie fast sechs Monate unter Licht. Natürlich habe ich<br />
so eine relativ hohe Stromrechnung, aber dafür ist der Ertrag<br />
bei drei Metern Höhe ein wenig besser <strong>als</strong> bei kleinen Pflanzen.<br />
Das Aroma hat mich stark an Outdoorgras erinnert, das war ja<br />
eigentlich Sinn und Zwecks dieses halb-freiwilligen Versuchs.<br />
Um das Nebenlicht auszunutzen habe ich immer kleinere Mädels<br />
aus meinen gesammelten Samenbeständen dazwischen<br />
gestellt und ausblühen lassen. So hatte ich kontinuierlich ein<br />
wenig zu rauchen, ohne all zu großen Aufwand zu betreiben.<br />
Mit dem Dünger bin ich sehr sparsam, weil ich draußen immer<br />
nur natürlich gedüngt habe. Aber das stinkt ja so im Haus und<br />
ganz ohne geht halt auch nicht. Klar weiß ich, dass die Methode<br />
nicht so effektiv ist wie ein professioneller SOG oder Scrogg-<br />
Durchgang, aber das ist ja gar nicht Sinn und Zweck. Ich sehe<br />
das nicht <strong>als</strong> Arbeit, sondern <strong>als</strong> entspannende Alternative zur<br />
Gartenarbeit, wenn man gerade keinen Garten hat. Und beim<br />
Hobby denkt man nicht unbedingt ans Geld. Ich würde mich<br />
freuen, wenn Ihr das hier abdruckt.<br />
Viele Grüße,<br />
Eure Klondrone“<br />
Der Jungle zuhause<br />
3,15 m in voller Pracht, das ist mal Outdoor Indoor! - Fotos: Klondrone<br />
Doktor Hanf alias Lars Scheimann leidet an Tourette<br />
sowie ADHS und ist seit Anfang 2009 Besitzer einer<br />
Erlaubnis, seine Symptome mit Cannabis zu lindern<br />
Liebe Leser und Leserinnen,<br />
Vor ein paar Monaten berichteten wir euch von der<br />
Möglichkeiten der Erlaubnisinhaber nach §3 BtMG Abs. 2 , die<br />
im Sinn hatten, erlaubte Cannabis-Blüten, die zum Zweck der<br />
Behandlung jeweiliger Erkrankung dienen, mit in den Urlaub<br />
zu nehmen. Dies bedeutete für einen Großteil der betreffenden<br />
Patienten eine wesentliche Erleichterung und die Hoffnung<br />
auf zunehmende Lebensqualität. Nach mehreren Nachfragen<br />
bei der Bundesopiumstelle wurde uns in der Zeit, zu der der<br />
damalige Artikel entstand, zugesichert, dass eine Mitnahme,<br />
unter der Voraussetzung der Dokumentation und einer Handhabung<br />
vergleichbar mit der Mitführung verordneter gängiger<br />
Betäubungsmittel, durchaus machbar wäre. Alleine diese Tatsache<br />
war für noch mobile Patienten, die einfach mal in den<br />
Urlaub möchten, oder wie in meinem Fall <strong>als</strong> jemand, der aus<br />
beruflichen Gründen auf geschäftliche Auslandsaufenthalte<br />
nicht verzichten kann, eine große Erleichterung, da man während<br />
dieser Zeit nicht auf seine Medikation verzichten müsste.<br />
Wie auch in meinem Fall liegt es auf der Hand, dass niemand,<br />
der die Erlaubnis dazu hat medizinisches Cannabis zu nutzen,<br />
auf sein Medikament verzichten kann. Denn auch keine anders<br />
behandelte Erkrankung gerechtfertigt den Verzicht auf ein<br />
Medikament während eines Aufenthaltes im Ausland. Heute<br />
müssen wir betroffene Patienten darüber informieren, dass<br />
die damalige Information der Bundesopiumstelle eine Fehlinformation<br />
war, die sich leider nicht auf die gültige Gesetze<br />
stützen könne. Mehrere Mitteilungen betroffener Patienten zur<br />
Folge sei die Möglichkeit der Mitnahme von medizinischem<br />
Cannabis unter oben genannten Voraussetzungen leider nun<br />
Doktor-Hanfs Patienten Ecke 10<br />
Betäubungsmittel auf Reisen II<br />
doch nicht so gegeben. Ich habe daraufhin Kontakt zur Bundesopiumstelle<br />
aufgenommen, um nachzufragen, wie es dazu<br />
kommen konnte. Die Grund, der nun doch unter der Berücksichtigung<br />
formeller Schritte eine Mitnahme ins Europäische<br />
Ausland verbietet, sei: Cannabis, auch wenn es medizinisch<br />
verwendet wird, ist <strong>als</strong> Stoff anzusehen, der sich noch unter<br />
Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetztes befindet. Eine grenzüberschreitende<br />
Mitnahme von Cannabis zu medizinischen<br />
Zwecken sei nur möglich, wenn dieser Stoff zuvor in Anlage 2<br />
oder Anlage 3 umgestuft wurde. Desweiteren könne man sich<br />
seitens der Bundesopiumstelle nicht auch nicht auf eine derzeit<br />
entsprechendes Regelung berufen, die eine Ausnahme möglich<br />
macht. Um entsprechende Patienten vor einer unerlaubten Einund<br />
Ausfuhr zu schützen, und somit diesen Patienten etwaige<br />
Probleme beim grenzüberschreitenden Verkehr zu ersparen,<br />
arbeite man nun mit Hochdruck an einer Lösung, um das zur<br />
Zeit bestehende Problem zu lösen. Des weiteren räumt die<br />
Bundesopiumstelle ein, dass man sich zu damaliger Zeit keine<br />
Gedanken darüber gemacht habe, wie ein grenzüberschreitender<br />
Verkehr durchführbar sei, ob ein dieser möglich gemacht<br />
werden müsse oder überhaupt nötig sei. Vielmehr sei man davon<br />
ausgegangen, dass betreffende Patienten die Grenze nicht<br />
überschreiten würden, da es ihnen gesundheitlich zu schlecht<br />
ginge. Auch dies ist und bleibt eine absolute Fehleinschätzung.<br />
Ein großer Teil von uns Erlaubnisinhabern ist sehr wohl mobil.<br />
Das wäre bei den meisten von uns wahrscheinlich nicht<br />
so, wenn wir nicht das Glück gehabt hätten, die richtige Medizin<br />
gefunden zu haben. Wie lange die Behörde nun nach einer<br />
Lösung sucht, ist derzeit noch ungewiss, eine Entscheidung<br />
wird aber voraussichtlich nicht in den nächsten vier Wochen<br />
zu erwarten sein. Wir werden dieses Thema weiter beobachten<br />
und euch zu gegebener Zeit über Neuigkeiten informieren. In<br />
der nächsten Ausgabe möchten wir euch gerne einen jungen<br />
Mann vorstellen der mittlerweile selbst auch Erlaubnisinhaber<br />
ist ,und uns freundlicherweise seine Patientengeschichte für<br />
euch, zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.<br />
Bis dahin wünschen wir Euch eine schöne Zeit.<br />
Wege entstehen, indem man sie geht.<br />
Euer Doktor Hanf,<br />
www.doktor-hanf.de<br />
Ja was ist denn das...?<br />
Gras-Ernte im Schnee<br />
In Mendocino County baut das Grow-Collectiv „Zahnrad“<br />
legal medizinisches Marihuana für Cannabispatienten an.<br />
Wer sich nicht verstecken muss, kann seine gesamte Energie in<br />
die Entwicklung neuer Ideen stecken. Zwar ist es in Kalifornien<br />
ein wenig wärmer <strong>als</strong> hierzulande, entgegen so mancher Vorstellung<br />
gibt es jedoch gerade im Norden in den bergigen Regionen<br />
einen ordentlichen Winter, wie auf dem Foto unschwer<br />
zu erkennen ist. Das hindert das Kollektiv jedoch nicht daran,<br />
auch im Winter das vorhandene Licht zu nutzen und ganzjährig<br />
im „Greenhouse“ anzubauen- es kombiniert die Wintersonne<br />
mit künstlicher Beleuchtung und nutzt so selbst im<br />
Winter das vorhandene Tageslicht. Man beachte auch die Abdeckkonstruktion,<br />
die nach der gewünschten Beleuchtungszeit<br />
durch einen Elektromotor die Pflanzen mit einer lichtdichten<br />
Plane abdeckt. So sind in frostfreien Gegenden sogar ganzjährige<br />
Outdoorernten, unabhängig von Tages-und Nachtzeiten,<br />
möglich. Mehr zu dieser interessanten Entwicklung findet sich<br />
unter www.grobots.com .<br />
Die Legalität treibt wunderschöne Blüten, die Illegalität eher skurrile<br />
wie verbleites Gras.....<br />
Kalt aber dafúr das ganze Jahr - Foto: grobots.com<br />
Johannes Honecker<br />
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht<br />
Badensche Straße 33<br />
D-10715 Berlin<br />
TEL (030) - 86 20 17 87<br />
FAX (030) - 86 20 17 86<br />
e-mail: anwalt.honecker@t-online.de