Irren ist menschlich! Lernen aus Fehlern - Heilberufe
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<strong>Irren</strong> <strong>ist</strong> <strong>menschlich</strong>!<br />
<strong>Lernen</strong> <strong>aus</strong> <strong>Fehlern</strong><br />
23. Januar 2009<br />
14. Pflege – Recht – Kongress
Übersicht:<br />
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Definition Fehler – Beinahefehler<br />
Ursachen von <strong>Fehlern</strong><br />
Dimensionen von <strong>Fehlern</strong><br />
Umgang mit <strong>Fehlern</strong><br />
Fehlerkultur<br />
Systematische Risikoanalyse<br />
Fehlermeldesysteme<br />
Team - (Fehler-) Kultur
Definition Fehler (error):<br />
Eine geplante Handlung schlägt fehl oder<br />
ein falscher Plan wird gebraucht.<br />
(Aktionsbündnis Patientensicherheit)<br />
Eine festgelegte Forderung wird nicht<br />
erfüllt. (DIN EN ISO, Begriffe)<br />
Eine geplante Handlung erreicht nicht das<br />
gewünschte Ziel. (James Reason, Engl. Psychologe)
Beinahe-Fehler:<br />
Ein Beinahe-Fehler <strong>ist</strong> ein Fehler, bei dem<br />
das Abweichverhalten rechtzeitig erkannt<br />
und somit ein tatsächlicher Fehler<br />
vermieden wird.<br />
Auch als near miss bekannt.
„Unerwünschtes Ereignis:<br />
Vorkommnisse, die möglicher Weise, aber<br />
nicht zwangsläufig zu einem Schaden für<br />
den Patienten führen (adverse(<br />
events).<br />
Aus:<br />
www.azq.de, Glossar Patientensicherheit, Definitionen und<br />
Begriffsbestimmungen
Ursachen von <strong>Fehlern</strong>:<br />
Die Hauptursachen von <strong>Fehlern</strong> und Unfällen sind<br />
in fehlerhaften Systemen zu suchen. Daher die<br />
Empfehlung für die Gesundheitsorganisationen:<br />
Weg von der Personifizierung hin zur<br />
Systemsicht.<br />
Durch Neugestaltung der Systeme die Sicherheit<br />
fördern.
Ursachen von <strong>Fehlern</strong>:<br />
Nicht wer <strong>ist</strong> Schuld,<br />
sondern was war Schuld.<br />
Situation<br />
Patient<br />
Personal
Quelle: Schweizerische Ärztezeitung/Bulletin des médicins Suisse<br />
Abbildung 4: Komplexer Ursprung gefährlicher Situationen und das Einsetzen oder Versagen Ihrer<br />
Abwehrmechanismen<br />
Ursprung<br />
Mensch<br />
Organisation<br />
Technik<br />
System<br />
Umgebung<br />
Gefährliche Situationen<br />
Kritische Ereignis<br />
Bewältigungsstrategie<br />
funktioniert<br />
Bewältigungsstrategie<br />
nicht vorhanden<br />
versagt<br />
Near Miss<br />
(Beinaheunfall)<br />
(Beinahefehler)<br />
Schaden<br />
Unfall<br />
Komplikation<br />
Tod<br />
ca. 50%<br />
vermeidbar
Ursachen von <strong>Fehlern</strong>:<br />
Zeitmangel<br />
Zu wenig Personal<br />
Mangelnde Qualifikation<br />
Mangelnde Kommunikation/Information<br />
Unklare Zuständigkeiten/ Verantwortlichkeiten<br />
Müdigkeit, Stress, Überlastung<br />
Mangelnde Konzentration<br />
Mangelndes Reaktionsvermögen<br />
Starre Hierarchien
Ursachen von <strong>Fehlern</strong>:<br />
Fehlende /mangelhafte Dokumentation<br />
Unleserliche Schrift<br />
Verschreiben<br />
Verrechnen<br />
Übertragungsfehler<br />
Verwechselungen (z.B. Patienten, Seiten,<br />
Medikamente)
Dimensionen von (Behandlungs-)<strong>Fehlern</strong><br />
US-Studie <strong>aus</strong> dem Jahr 1999:<br />
„To Err is human“ Jährlich 44.000 bis 98000 Todesfälle<br />
durch unerwünschte Ereignisse in US-Kliniken<br />
05/05 BMGS-Studie Behandlungsfehler:<br />
4450 Vorwürfe mit tödlichem Ausgang<br />
in 5,7% Behandlungsfehler Ursache für<br />
tödlichen Ausgang<br />
in 34,1% berechtigter Vorwurf eines<br />
Behandlungsfehlers mit nichttödlichem Ausgang
Robert-Koch-Institut: Jährlich ca. 40.000<br />
offizielle Schadensfälle in Deutschland.<br />
Bei 5% bis 10% der im Krankenh<strong>aus</strong> behandelten<br />
Patienten kommen uner-<br />
wünschte Ereignisse vor. Hiervon sind<br />
30% - 50% vermeidbar.
Dimension von <strong>Fehlern</strong><br />
Schwerwiegender<br />
Fehler<br />
Geringfügiger Fehler<br />
(minor error)<br />
Zwischenfall<br />
Beinahe-Zwischenfall
Fehlerquellen
Fehler (-quellen)
Beispiele für Behandlungs- und Pflegefehler:<br />
Falsche Medikamente<br />
Unzureichende Hygiene<br />
Keine Prophylaxen (Dekubitus)<br />
Patient <strong>aus</strong> Sessel gestürzt<br />
Nosokomiale Infektionen (500.000 Pat./Jahr)<br />
Verbrennungen<br />
Transfusionszwischenfälle<br />
Thrombose<br />
Pneumonien<br />
Exsikose<br />
Kontrakturen
Umgang mit <strong>Fehlern</strong><br />
Da wo Menschen arbeiten passieren Fehler.<br />
Auch wenn man perfekt sein möchte, Fehler passieren<br />
jedem.<br />
Niemand macht absichtlich Fehler.<br />
Entscheidend <strong>ist</strong>, wie man mit <strong>Fehlern</strong> umgeht,<br />
vertuschen, tabuisieren, bestrafen, oder<br />
analysieren und <strong>aus</strong> <strong>Fehlern</strong> lernen!
Fehlerkultur als zentrales Element<br />
Ziel muss es sein, von der bisher retrospektiven<br />
Schuldkultur (blame culture) zu einer nach vorne<br />
gerichteten Kultur des <strong>Lernen</strong>s, einer Sicherheitskultur<br />
(saftey culture) zu kommen:<br />
Kulturwandel<br />
Vorr<strong>aus</strong>etzung hierfür <strong>ist</strong> eine Atmosphäre des<br />
Vertrauens. . Nur in einer vertrauensvollen Atmosphäre<br />
sind die Mitarbeiter bereit Fehler ohne Angst vor<br />
negativen Folgen zu melden.<br />
Wichtig: Es darf keine Sanktionen geben.
Fehlerkultur<br />
Um Fehler als Verbesserungsgrundlage zu nutzen, neue<br />
Prozesse und Systeme zu installieren und bessere<br />
Zusammenarbeitsformen zu lernen haben sich<br />
unkonventionelle Lernformen bewährt.<br />
Beispiele:<br />
Teamtraining<br />
Simulationen<br />
Rollenspiele<br />
Quer-Denk-Methoden<br />
Melde- und Feedbacksysteme<br />
worst case scenarios<br />
Fallbesprechungen
Pflegen Sie eine optimale<br />
Fehlerkultur in Ihrem Team?<br />
Grundregeln der Fehlerkultur:<br />
Wer - ohne vorsätzliche Missachtung der Ziel-<br />
vorgaben oder der vereinbarten Spielregeln –<br />
Fehler macht, sollte milde beurteilt werden,<br />
solange er nicht versucht hat, den Fehler zu<br />
vertuschen.
Kulturen<br />
Patientensicherheit<br />
Risikokultur<br />
Risikokultur<br />
Fehlerverarbeitungskultur<br />
Vertrauenskultur<br />
Schuldkultur„culture ulture of<br />
blame“<br />
No-Fault-Kultur<br />
Quelle: Medizinische Qualität und klinisches<br />
Risikomanagement / Prof.A. Tobler, Inselspital<br />
Bern
Wie werden Risiken entdeckt?<br />
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Positiver Umgang mit <strong>Fehlern</strong> und Beinahefehler<br />
Bonusmodel (mehr Meldungen werden belohnt)<br />
Analytischer Umgang mit unerwünschten Ereignissen und<br />
Adverse Events<br />
Quantifizierung der Risiken<br />
(Anwendung/Vorstellung der 3F-Methode:<br />
R= A x H x W (A = Auswirkungen/Ausmaß)<br />
(H = Häufigkeit)<br />
(W = Wahrscheinlichkeit)
Wie werden Risiken entdeckt?<br />
Schritte einer systematischen Analyse:<br />
1. Identifikation von Ereignissen und Entscheidung zur<br />
Untersuchung<br />
2. Auswahl der Mitglieder des Analyseteams<br />
3. Zusammentragen aller Informationen<br />
4. Chronologischen Ablauf des Ereignisses festlegen<br />
5. Unsichere Handlungen identifizieren<br />
6. Beeinflussende Faktoren identifizieren<br />
7. Empfehlungen entwickeln und Umsetzungsplan erstellen<br />
Quelle: nach Taylor-Adams und Vincent, 2004
Beispiele für Fehlermeldesysteme<br />
www.kritische-ereignisse.de<br />
www.jeder-fehler-zählt.de<br />
www.pasis.de<br />
www.cirsmedical.de<br />
Medical Error Reporting Systems<br />
Critical Incident Reporting System CIRS
PaSIS
Ablauf einer Fehlermeldung:<br />
1. Zwischenfall 1. Meldung<br />
(EDV gestützt)<br />
4. Zeitnahe Rückmeldung<br />
an meldende Person<br />
3. Auswertung des<br />
Expertengremiums
Vorr<strong>aus</strong>etzungen für die Implementier-<br />
ung eines Fehlermeldesystems<br />
Einführung wird von Geschäftsführung mit getragen<br />
Einbindung Personalrat<br />
Anonymität wird zugesichert<br />
Sanktionsfreiheit<br />
Meldeverfahren <strong>ist</strong> einfach und verständlich, sowie leicht<br />
zugänglich<br />
EDV-Unterstützung (Datenschutz!!) wünschenswert<br />
Zeitnahe Rückmeldung an die Mitarbeiter<br />
(Berichtswesen – Auswertung)<br />
Schnelle Reaktion bei bedeutsamen <strong>Fehlern</strong>/Meldungen
Vorteile durch ein<br />
Fehlermeldesystem:<br />
Praevention: Fehler vermeiden statt Schaden<br />
bekämpfen<br />
Risiken werden frühzeitig erkannt<br />
Schwerwiegende Fehler und Auswirkungen<br />
können vermieden werden<br />
Gefahr dieselben Fehler mehrmals zu machen<br />
wird reduziert<br />
Haftpflichtprämie (sinkt, bleibt stabil)<br />
Besseres Image - Marketinginstrument
Checkl<strong>ist</strong>e:<br />
Pflegen Sie eine optimale Fehlerkultur?<br />
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Haben Sie Ihren Mitarbeitern verdeutlicht, dass Ihnen ein <strong>Lernen</strong><br />
mit <strong>Fehlern</strong> lieber <strong>ist</strong> als ein Stillstand ohne Fehler?<br />
Konzentrieren Sie bei <strong>Fehlern</strong> die Aufmerksamkeit vor allem auf<br />
die Lektionen, die gelernt werden können, und nicht auf den<br />
entstandenen Schaden.<br />
Geht es bei Ihrer Fehleranalyse vor allem um Wege zur<br />
Vermeidung zukünftiger Fehler, statt um Schuldzuweisungen?<br />
Belohnen Sie die Offenheit von Mitarbeitern auch dann, wenn der<br />
Inhalt unangenehm <strong>ist</strong>?<br />
Sind Sie bereit Fehler einzugestehen, anstatt sie auf Mitarbeiter<br />
abzuwälzen?<br />
Stellen Sie sich vor Ihre Mitarbeiter und übernehmen gegenüber<br />
Ihren Vorgesetzten die Verantwortung für Fehler, die ihr Team<br />
gemacht hat?
Sollten Sie Fragen haben stehe ich<br />
Ihnen gerne zur Verfügung:<br />
Pflegedirektion<br />
Klinikum Darmstadt<br />
Grafenstrasse 9<br />
64283 Darmstadt<br />
Tel. 06151/1075701<br />
vera.lux@klinikum-darmstadt.de