09.01.2014 Aufrufe

Fortbildungsartikel verfügbar (1446 kB) - Heilberufe

Fortbildungsartikel verfügbar (1446 kB) - Heilberufe

Fortbildungsartikel verfügbar (1446 kB) - Heilberufe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris –<br />

Prophylaxen<br />

ZERTIFIZIERTE<br />

F O R T B<br />

Teil 1<br />

Ulcus cruris: Die Krankheit verstehen<br />

Selbstpflegekompetenz entwickeln<br />

3<br />

Punkte<br />

I L D U N G<br />

Teil 2<br />

Physikalische Thromboseprohylaxe<br />

Wassertreten, Taulaufen und Schwimmen<br />

Teil 3<br />

Varizen: Nur eine Frage der Schönheit?<br />

Entstehung und Therapie<br />

Zertifizierte Fortbildung in Zusammenarbeit mit<br />

© iStockphoto/Thinkstock<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

49


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

Selbstpflegekompetenz entwickeln<br />

Ulcus cruris:<br />

Die Krankheit verstehen<br />

Menschen mit chronischen Wunden leiden nicht nur unter<br />

der Wunde. Vielmehr sind es die Einschränkungen im Alltag,<br />

mit denen die Betroffenen zu kämpfen haben. Professionelle<br />

Klientenedukation ermöglicht Klienten, die Ursachen ihrer<br />

Krankheit zu erkennen, die Therapie zu verstehen und möglichst<br />

selbstständig zu leben.<br />

KEYWORDS<br />

Kommunikation<br />

Selbstpflegekompetenz<br />

Wundheilung<br />

Adhärenz<br />

Rezidiv<br />

Für viele Klienten sind die wund- und therapiebedingten<br />

Einschränkungen schwerer zu ertragen<br />

als die Wunde selbst. Sie leiden unter<br />

den Schmerzen, dem Geruch, der Exsudatbelastung,<br />

den Einschränkungen in der Bewegung und Mobilität,<br />

unter Juckreiz und Schlafstörungen. Auch die<br />

Abhängigkeit von Anderen, die Selbstwahrnehmung<br />

und das damit verbundene Schamgefühl schmälern<br />

die Lebensqualität. Insbesondere leiden betroffene<br />

Menschen mit Ulcus cruris venosum unter der<br />

Schwellung ihrer Beine und der notwendigen Kompression,<br />

die sie bei der Wahl ihrer Kleider und<br />

Schuhe einschränken. Sozialer Rückzug bis hin zur<br />

Depressionen können die Folge sein.<br />

Klientenedukation ist Aufgabe der Pflege<br />

Die Betroffenen kennen die Ursache der Erkrankung<br />

häufig nicht. Die Behandlung der Grunderkrankung,<br />

wie beispielsweise das Tragen einer Kompression mit<br />

der dazugehörigen Bewegung bei der chronisch venösen<br />

Insuffizienz (CVI), wird aufgrund mangelnden<br />

Wissens und subjektiver Symptome, wie „die Kompression<br />

ist unbequem“, oft vernachlässigt. Die Klienten<br />

fühlen sich im therapeutischen Team nicht<br />

wahrgenommen. Das Erleben von Rückschlägen während<br />

der Behandlung oder die Entwicklung eines<br />

Rezidivs führen zu Gefühlen wie Machtlosigkeit,<br />

Hilflosigkeit und Kontrollverlust.<br />

Im Verlauf des Krankheitsgeschehens entwickeln<br />

Klienten dann eigene Strategien, mit der Krankheit<br />

und den damit verbundenen Einschränkungen umzugehen,<br />

sie werden zu Experten ihrer Krankheit,<br />

kennen die Reaktion ihres Körpers und sammeln<br />

eigene Erfahrungen. Die Bedürfnisse der Klienten<br />

sind individuell verschieden. Das bedarf auch einer<br />

individuellen Auseinandersetzung mit dem Klienten.<br />

© DOI: 10.1007/s00058-012-0719-z<br />

50<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)


© Comstock/Thinkstock<br />

Pflegefachkräfte haben in diesem Zusammenhang<br />

die Aufgabe, den Klienten im Umgang mit ihrer Erkrankung<br />

zu unterstützen, ihm zu ermöglichen, den<br />

Alltag selbstbestimmt und selbstständig zu bewältigen.<br />

Richtiges Verhalten, das die Wundheilung fördert<br />

und Einschränkungen minimiert, setzt spezielle<br />

Kenntnisse voraus. Der Betroffene benötigt relevante<br />

Informationen und muss bestimmte Fertigkeiten erlernen.<br />

Er muss Selbstpflegekompetenz erlangen.<br />

Einheitliches Vorgehen schafft Vertrauen<br />

Klienten zu beraten, Fragen zu beantworten oder<br />

anleitende Tätigkeiten gehören zu den täglichen Aufgaben<br />

einer Pflegefachkraft. Kein anderer Beruf eignet<br />

sich besser für diese Aufgabe. Jedoch findet Klientenedukatio<br />

meist eher unstrukturiert und im Zuge<br />

anderer Tätigkeiten statt, z.B. während des Verbandwechsels.<br />

Dementsprechend erfolgt sie in den meisten<br />

Fällen nicht einheitlich, sondern intuitiv. Geben Pflegefachkräfte<br />

unterschiedliche Informationen oder<br />

Handlungsanweisungen, führt das häufig zu einer<br />

Verunsicherung des Klienten.<br />

Damit sich Pflegefachkräfte auf den Klienten einlassen<br />

können, ist es wichtig, dass eine vertrauensbildende<br />

und beschützte Gesprächssituation geschaffen<br />

wird. Die Dokumentation dieses Gespräches ist<br />

zwingend notwendig, damit der Klient keine widersprüchlichen<br />

Empfehlungen erhält. Kommunikative<br />

Kompetenz bei Pflegefachkräften ist von zentraler<br />

Bedeutung. Keine pflegerische Handlung, kein Verbandwechsel<br />

ist ohne Kommunikation möglich. Pflegefachkräfte<br />

sollten die Laiensprache des Klienten<br />

entsprechend berücksichtigen. Medizinische oder<br />

Lebensqualität erfassen<br />

Mit dem Selbsteinschätzungsinstrument „Würzburger<br />

Wundscore“ erfassen Sie Antworten auf<br />

diese Fragen:<br />

▶▶Haben Sie Schmerzen im Bereich der Wunde?<br />

▶▶Wie stark stört Sie Wundflüssigkeit und Geruch?<br />

▶▶Ist der Nachtschlaf durch die Wunde eingeschränkt?<br />

▶▶Hat Ihre Wunde den Kontakt zu Freunden und<br />

Verwandten eingeschränkt?<br />

▶▶Empfinden Sie sich wegen Ihrer Wunde als<br />

krank?<br />

▶▶Fühlen Sie sich im Vergleich zu Gesunden aufgrund<br />

Ihrer Wunde behindert?<br />

▶▶Wie leiden Sie unter Ihrer Wunde?<br />

▶▶Sind Sie davon überzeugt, dass Ihre Wunde zuheilen<br />

wird?<br />

pflegerische Fachsprache muss in diesem Kontext für<br />

den Klienten entsprechend übersetzt werden.<br />

Ziel und Inhalte definieren<br />

Übergeordnetes Ziel der Klientenedukation ist es, die<br />

Adhärenz gegenüber der Therapie zu steigern und<br />

den Klienten zu befähigen, Entscheidungen selbstbestimmt<br />

zu treffen, um beispielsweise unter Abwägung<br />

von Vor- und Nachteilen beurteilen zu können,<br />

ob eine Therapie sachgerecht ist. Deshalb benötigt er<br />

Informationen (gezielte Mitteilungen), Schulung<br />

(Vermittlung von Wissen/Fertigkeiten), Beratung<br />

(Thematisierung eines Problems im Gespräch zwischen<br />

Klient und Pflegefachkraft) und Anleitung<br />

beim Erlangen praktischer Fertigkeiten. Dabei geht<br />

es auch immer darum, soziale Kompetenzen und<br />

Ressourcen zu stärken.<br />

Klienten haben eine individuelle Biografie und ganz<br />

unterschiedliche Erfahrungen. Die persönlichen Vorkenntnisse<br />

des Einzelnen, seine Beziehungen und<br />

Emotionen müssen beachtet werden. Dabei ist die<br />

Pflegefachkraft gefordert, die Erfahrungen des Klienten<br />

und seine Krankheitsgeschichte zu reflektieren<br />

und die Therapie unter diesem Aspekt auf Effektivität<br />

zu überprüfen. Dabei wendet sie ihr eigenes Wissen,<br />

ihre Qualifikation und Erfahrung an. Im Expertenstandard<br />

„Pflege von Menschen mit chronischen<br />

Wunden“ wird gefordert, dass Pflegekräfte über Wissen<br />

zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie<br />

verfügen und, wenn notwendig, eine Pflegefachkraft<br />

mit Zusatzqualifikation (zertifizierte Wundassistenten<br />

oder zertifizierte Wundtherapeuten) hinzu<br />

zu ziehen.<br />

Tipps für die Schulung<br />

Einen günstigen Zeitpunkt auswählen. Der richtige<br />

Zeitpunkt kann gegeben sein, wenn der Klient eine<br />

Frage stellt oder seine Äußerungen einen Gesprächswunsch<br />

implizieren (z.B. „das hatte ich gestern auch“).<br />

Jede Frage sollte geklärt werden. Begründen Sie, warum<br />

eine Maßnahme notwendig ist.<br />

Wissen überprüfen. Eruieren Sie vorhandenes Wissen<br />

(was weiß der Klient über seine Wunde? Was hat er<br />

bisher getan, damit die Wunde heilt?). Dokumentieren<br />

Sie das vorhandene Wissen, um dann nach und<br />

nach die Wissenslücken zu schließen. Überfordern<br />

sie den Klienten nicht mit zu viel Wissen auf einmal.<br />

Fordern Sie ihn auf, von seiner Krankheitsverarbeitung<br />

und Krankheitserfahrung zu erzählen. Geben<br />

Sie ihm Sicherheit, wenn eine beschriebene Handlung<br />

gut ist oder begründen Sie ihm gegenüber, warum<br />

sich diese Handlung eher ungünstig auswirken<br />

könnte. Erfassen Sie immer die individuelle Problemlage<br />

im Rahmen der pflegerischen Anamnese. Dafür<br />

können Sie verschiedene Instrumente zur Erfassung<br />

(Assessmentinstrumente) einsetzen.<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

51


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

DAS SOLLTEN PATIENTEN WISSEN<br />

Kompression<br />

▶▶Kompressionstherapie, individuell auf den Klienten zugeschnitten,<br />

muss konsequent durchgeführt werden.<br />

▶▶Es gibt verschiedene Anziehhilfen, die man ausprobieren sollte.<br />

▶▶Kompressionsware muss korrekt gewaschen und getrocknet werden.<br />

▶▶Kompressionsware wird turnusmäßig gewechselt (alle sechs Monate<br />

Rezeptanforderung empfehlenswert und abrechenbar).<br />

▶▶Sitz und Qualität der Kompressionsstrümpfe sollte mindestens alle<br />

sechs Monate überprüft werden.<br />

Tipp: Bei hohen Temperaturen kann ein wenig Pfefferminzöl mit Wasser<br />

gemischt und über die Kompression gesprüht werden. Dafür muss die<br />

Haut intakt sein.<br />

Wund- und Schmerztherapie<br />

▶▶Medikamente mussen vorschriftsmäßig eingenommen werden.<br />

▶▶Lokale allergische Reaktionen (TOP TEN); erhöhtes Sensibilisierungsrisiko<br />

gegen extern angewendete Substanzen testen, ggf. Epicutantestung<br />

(Allergietest) und Auseinandersetzung mit externen Therapeutika.<br />

Gehtraining/Sport<br />

▶▶Intensives kontrolliertes Gehtraining unterstützt die Kompression.<br />

▶▶Krankengymnastische Therapie erhält die Sprunggelenksbeweglichkeit.<br />

Kleidung<br />

▶▶Strümpfe mit weiten Bündchen aus Baumwolle (keine Nylonsocken)<br />

auswählen.<br />

▶▶Enge Kleidung vermeiden (Verzicht auf enge Miederbündchen).<br />

▶▶Tragen von luftdurchlässigen weiteren Schuhen.<br />

▶▶Verbergen des Verbandes durch weite Hosen, dunkle Strümpfe (wenn<br />

der Klient nicht angesprochen werden möchte oder sich schämt).<br />

Körperpflege<br />

▶▶Zum Baden besser kühleres Wasser verwenden (gut ist auch kaltes<br />

Abbrausen der Beine nach dem Bad) und nicht zu lange baden, um<br />

ein Aufweichen der Haut zu vermeiden.<br />

▶▶Haut gut abtrocknen und Hautkontrolle.<br />

▶▶Tägliche Hautpflege mit einer W/Ö Emulsion, ggf. mit einer<br />

Hautfeuchtigkeit (Urea 5%).<br />

Sonstige Hinweise<br />

▶▶Stöße vermeiden (Blutungsgefahr).<br />

▶▶Langes Stehen oder Sitzen vermeiden.<br />

▶ ▶ Heben von Lasten vermeiden (Einkaufstaschen, Wäschekörbe,<br />

Getränkekisten).<br />

▶▶Bei Juckreiz vorsichtig reiben, nicht kratzen, damit die Haut nicht aufreißen<br />

kann.<br />

Kompressionsstrümpfe anzuziehen ist nicht einfach.<br />

Oft ermöglichen erst Anziehhilfen, die Strümpfe<br />

selbstständig zu wechseln und autonom zu leben.<br />

Lehrmittel, Anschauungsmaterial und Umgebung.<br />

Überlegen Sie, welche Materialien Sie bei den einzelnen<br />

Klienten zur Wissensvermittlung einsetzten<br />

können (kann der Klient lesen, kann er eine Klientenbroschüre<br />

selbst durcharbeiten?). Unruhe oder<br />

Lärm können stören und lenken ab. Auch besondere<br />

Ereignisse können die Konzentration und Aufnahmefähigkeit<br />

einschränken.<br />

Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Klientenedukation<br />

Im besten Fall bewirkt eine gezielte Edukation eine<br />

Steigerung der Selbstpflegekompetenz, die es dem<br />

Klienten ermöglicht, eigene Entscheidungen zu treffen<br />

und sein Verhalten so anzupassen, dass seine<br />

Lebensqualität gesteigert, die Wundheilung gefördert<br />

und Rückfällen vorgebeugt werden kann. Doch nicht<br />

immer verbinden Klienten damit etwas Positives. So<br />

kann es vorkommen, dass aus der Sicht der Betroffenen<br />

die negativen Folgen überwiegen. Sie haben<br />

Angst, ihren Anspruch auf Pflegeleistungen oder<br />

Pflegegeld zu verlieren, wenn sie selbstständiger werden.<br />

Oder sie befürchten den Verlust von sozialen<br />

Kontakten, weil die Pflegefachkraft seltener zu ihnen<br />

nach Hause kommt. Vor dem Hintergrund der Äng-<br />

<strong>Heilberufe</strong><br />

K O N G R E S S E<br />

10. Gesundheitspflege-Kongress<br />

Auf dem 10. Gesundheitspflege-Kongress, der<br />

am 26. und 27. Oktober 2012 in Hamburg stattfindet,<br />

stehen die Thromboseprophylaxe und<br />

Neue Methoden zur Versorgung chronischer<br />

Wunden im Mittelpunkt von Workshops.<br />

www.heilberufe-kongresse.de<br />

© Kerstin Protz<br />

52<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)


ste und Sorgen der Klienten ist es auch nicht verwunderlich,<br />

dass es ihnen mitunter an Adhärenz mangelt.<br />

Pflegefachkräfte sollten sich daher für diese Probleme<br />

sensibilisieren und sie gemeinsam mit dem Klienten<br />

thematisieren. Auch hier kommt es auf die richtige<br />

Information und Beratung an, um dem Klienten die<br />

positive Seite der Therapiebeteiligung näher zu bringen.<br />

Gegebenenfalls kann die Vermittlung an eine<br />

Selbsthilfegruppe notwendig sein.<br />

FA ZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

▶▶Eine möglichst hohe Selbstständigkeit, Entscheidungsfähigkeit<br />

und Autonomie des Klienten<br />

muss übergeordnetes Ziel der Pflege sein. Bei<br />

Menschen mit chronischen Wunden bedeutet<br />

das, mit den zahlreichen Einschränkungen, die die<br />

Krankheit mit sich bringt, umgehen zu lernen, die<br />

Lebensqualität zu steigern sowie durch adäquates<br />

Verhalten die Wundheilung zu fördern und<br />

Rezidiven vorzubeugen.<br />

▶▶Die Betroffenen benötigen die richtigen Informationen,<br />

Beratung oder Anleitung bei praktischen<br />

Handlungen. Dieses zu vermitteln ist die Aufgabe<br />

der Pflegefachkraft. Im Rahmen einer gezielten<br />

und individuellen Patientenedukation informiert<br />

und berät sie den Klienten oder vermittelt ihm<br />

spezielle Fertigkeiten.<br />

▶▶Damit die Klientenedukation wirksam werden<br />

kann, muss sie als eigenständige Aufgabe geplant,<br />

durchgeführt und dokumentiert werden.<br />

Entsprechende Instrumente können bei der Umsetzung<br />

helfen.<br />

Gonda Bauernfeind<br />

Pflegedienstleiterin, RbP; Mitglied der<br />

DNQP Expertenarbeitsgruppe „Pflege von<br />

Menschen mit chronischen Wunden“,<br />

Leitung AG-Pflegeentwicklung DGfW<br />

Mühlenstr. 1, 57577 Hamm/Sieg<br />

WTcert®DGfW (Pflege)<br />

g.bauernfeind@dgfw.de<br />

Steve Strupeit<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

HAW Hamburg, Diplom-Pflegewirt (FH),<br />

BA, WTcert®DGfW (Pflege)<br />

Alexanderstr. 1, 20099 Hamburg<br />

steve.strupeit@haw-hamburg.de<br />

Arne Buss<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

HAW Hamburg, BA Pflegewissenschaft<br />

(FH), WAcert®DGfW (Pflege)<br />

Alexanderstr. 1, 20099 Hamburg<br />

Arne.Buss@haw-hamburg.de<br />

MEIN 1. MAL<br />

Tropf, tropf, tropf ...<br />

In meinem zweiten Lehrjahr stand der Einsatz in<br />

der ambulanten Pflege an. Es klang interessant,<br />

Menschen endlich einmal in ihrer gewohnten<br />

Umgebung zu pflegen. In einer Umgebung, die ihnen vertraut ist und in<br />

der sie sich wohlfühlen. Diese Gedanken bestätigten sich in den ersten<br />

Tagen meines Einsatzes auch: Die Klienten schienen sich in ihrer häuslichen<br />

Atmosphäre wohl zu fühlen und freuten sich über die Besuche<br />

und die Hilfe des Pflegedienstes. Das war mal etwas ganz anderes als im<br />

Krankenhaus! Wie in der Theorie bereits gelernt, bedeutet ambulante<br />

Pflege auch, dass die Klienten selbst bestimmen, wo und wann die nötigen<br />

Pflegemaßnahmen durchgeführt werden. Was das bedeuten kann,<br />

hat mir ein Erlebnis – leider negativ – verdeutlicht.<br />

Eine Klientin, die von uns betreut wurde, litt schon seit einigen Monaten<br />

an einem Ulcus cruris des linken Unterschenkels. Trotz aller pflegerischen<br />

und ärztlichen Behandlungsmaßnahmen umfasste das Ulcus den gesamten<br />

Unterschenkel. Aufgrund massiver Exsudatmengen musste der Verbandswechsel<br />

täglich durchgeführt werden.<br />

Den ersten Verbandswechsel bei der Klientin werde ich wohl nie vergessen:<br />

Wir hatten uns mit ihr abgesprochen und wollten nach dem<br />

Mittagessen den Verband erneuern. Sie saß im Wohnzimmer und schaute<br />

fern. Als wir die Wohnung betraten, begrüßte sie uns und verkündete,<br />

dass sie gern weiterhin in ihrem Sessel sitzen bleiben wolle, während wir<br />

den Verband wechseln. Das Wohnzimmer war zugleich auch Esszimmer<br />

und es gab eine kleine Küche, die sich in einer Ecke des Zimmers befand.<br />

Der Raum war groß und komplett mit Teppich ausgelegt, der jedoch<br />

schon ziemlich fleckig und abgelaufen aussah.<br />

Verbandswechsel auf dem Hocker<br />

Da ich die Wunde der Klientin noch nie gesehen hatte, ging ich davon<br />

aus, dass für diesen Verbandswechsel eine keimarme Einmalunterlage<br />

reichen würde. Allerdings sind ja auch die pflegerischen Materialien in<br />

der häuslichen Pflege knapp bemessen. Die Klientin legte also ihr betroffenes<br />

Bein ohne Unterlage auf einen Sofahocker. Meine Anleiterin entfernte<br />

sorgsam und schmerzarm den alten Verband. Ein unangenehmer<br />

Geruch stieg von den alten Verbandsmaterialien auf, die Geruchslast<br />

wurde mit jeder abgewickelten Runde extremer. Der Verband war in den<br />

unteren Schichten komplett mit Exsudat durchfeuchtet. Einiges davon<br />

lief direkt auf den Polsterhocker, der Rest tröpfelte langsam auf den<br />

Wohnzimmerteppich.<br />

Ich schaute durch das Zimmer, um mich abzulenken, denn das hatte in<br />

der Vergangenheit immer ganz gut funktioniert. Mein Blick schweifte<br />

durch den Raum, über den fleckigen Teppich, und plötzlich überkam<br />

mich eine Welle des Ekels. Alle Flecken waren in meiner Vorstellung nur<br />

noch altes eingetrocknetes Exsudat, und ich wünschte mir sehnlichst,<br />

einen ausreichenden Abstand zwischen meinen Schuhen und diesem<br />

abstoßenden Bodenbelag bringen zu können. Ich hatte Gänsehaut am<br />

ganzen Körper und ein kloßartiges Gefühl im Hals. Natürlich wollte ich<br />

der Klientin nicht zeigen, wie sehr mich diese Situation ekelte. Ich wollte<br />

ja respektvoll wirken. Standhaft habe ich also den Verbandswechsel<br />

durchgehalten und war überaus froh, als wir die Wohnung wieder verlassen<br />

konnten. Mehr Details möchte ich den Lesern lieber nicht zumuten,<br />

und auch ich erinnere mich nicht gern daran. In meinem Kopf stellte<br />

sich permanent die gleiche Frage: „Wie kann sie denn an diesem Tisch<br />

noch Abendbrot essen?“<br />

Sarah Gründemann<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

53


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

Wassertreten, Taulaufen und Schwimmen<br />

Physikalische<br />

Thromboseprophylaxe<br />

Venengymnastik, entstauende Lagerung oder eine Hydrotherapie<br />

gehören zu den aktiven Möglichkeiten, um venösen Venenbeschwerden<br />

vorzubeugen oder bestehende Beschwerden zu lindern.<br />

Barbara Sporer erklärt, welche Maßnahmen durchzuführen sind.<br />

Kneippsche<br />

Anwendungen<br />

lassen sich<br />

ohne großen<br />

Aufwand auch im<br />

häuslichen Umfeld<br />

durchführen.<br />

Die Fließgeschwindigkeit des Blutes in den<br />

Venen der Beine und des Beckens kann<br />

durch geeignete pflegerische und physikalische<br />

Maßnahmen gefördert werden. Besonders<br />

hilfreich ist die gezielte Kräftigung der Beinmuskulatur,<br />

um die Muskelpumpe zu stärken und den aktiven<br />

Blutrücktransport aus Venen zu fördern.<br />

Aktivierung der Muskelpumpe<br />

Die Aktivierung der Muskelpumpe in der Beinmuskulatur<br />

stimuliert den venösen und lymphatischen<br />

Rückfluss. Ist die Beweglichkeit am Sprunggelenk<br />

reduziert oder fällt die Wadenmuskulatur aus, kann<br />

die Muskelpumpe nur eingeschränkt funktionieren.<br />

Dann kann auch eine Kompressionstherapie ineffektiv<br />

werden. Deshalb ist es sinnvoll, täglich mindestens<br />

30 Minuten Fußgymnastik zur Förderung und Aktivierung<br />

der Muskelpumpe bzw. der Sprunggelenksbeweglichkeit<br />

durchzuführen. Ein einfaches Auf- und<br />

Abbewegen der Füße und das Rotieren des Fußgelenkes<br />

können auch sehr betagte, in ihrer Mobilität<br />

eingeschränkte Menschen noch gut durchführen.<br />

Übungen zur Aktivierung der Muskelpumpe können<br />

im Liegen, Stehen oder Sitzen durchgeführt werden.<br />

Auch ein regelmäßiges Gehtraining unter eine Kompressionstherapie<br />

bewirkt eine Aktivierung der Muskelpumpe<br />

und hilft, eine Versteifung der Sprunggelenke<br />

zu vermeiden.<br />

Temporär wirksam: Entstauende Lagerung<br />

Diese effektive aber nur temporär wirkende Maßnahme<br />

lässt sich leicht durchführen. Die Beine werden<br />

mehrmals am Tag für wenige Minuten in einem Winkel<br />

von 20–30 Grad hochgelagert, um den Rückfluss<br />

des Blutstroms zu verbessern. Achtung: Die Beine<br />

dürfen nicht zu hoch gelagert werden, da die Leistengefäße<br />

sonst abgeknickt und der Abfluss behindert<br />

werden würde. Bei ausgeprägter Herzinsuffizienz<br />

sollte keine Hochlagerung erfolgen.<br />

Hydrotherapie beugt vor<br />

Verschiedene Hydroanwendungen fördern den venösen<br />

Abfluss. Wechselbäder und tägliches Abduschen<br />

der Beine mit kaltem Wasser, Kneippsche<br />

Güsse oder Wassertreten können ohne großen Aufwand<br />

durchgeführt werden.<br />

Der kalte Wasserguss nach Kneipp ist die wirksamste<br />

Maßnahme. Dabei wird das kühle, aber nicht eiskalte<br />

Wasser von unten nach oben bis etwa zur Mitte der<br />

Oberschenkel gegossen. Die Dauer kann von anfangs<br />

einer halben Minute auf bis zu drei Minuten gesteigert<br />

werden. Der Guss wirkt durchblutungsfördernd, entstauend,<br />

tonisierend und kräftigend auf die Venen.<br />

Zum Wassertreten füllt man die Badewanne oder<br />

eine Plastikwanne mit rutschfester Einlage bis eine<br />

Handbreit unter die Kniekehle mit leitungskaltem<br />

Wasser. Der Patient tritt nun auf der Stelle und hebt<br />

bei jedem Schritt das Bein völlig aus dem Wasser.<br />

Diese Anwendung aktiviert die Muskelpumpe. Das<br />

wiederum fördert die Durchblutung und kräftigt die<br />

Venen. Bei beiden Anwendungen sollten die Füße im<br />

Anschluss mit warmen Socken und Gymnastik oder<br />

Gehen solange bewegt werden, bis wieder ein angenehmes<br />

Wärmegefühl erreicht wird.<br />

Auch das Laufen durch taunasses Gras fördert die<br />

Durchblutung und wirkt sich positiv auf die Venentätigkeit<br />

aus. Achtung: Leidet der Patient an Diabetes<br />

mellitus, ist Barfußlaufen kontrainduziert. Eine Absprache<br />

mit dem behandelten Arzt ist unbedingt<br />

notwendig.<br />

© Ellen Valentin/fotolia.com; creAtive/fotolia.com<br />

DOI: 10.1007/s00058-012-0720-6<br />

54<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)


KEYWORDS<br />

Venengymnastik<br />

Hydrotherapie<br />

Entstauende<br />

Lagerung<br />

Hautpflege<br />

Wittener<br />

Aktivitätenkatalog<br />

Schwimmen ist ebenso zu empfehlen. Bei Wassertemperaturen<br />

bis 25°C besitzt es eine ähnlich positive<br />

Wirkung wie kalte Güsse. Durch den Wasserdruck<br />

erfolgt zusätzlich noch eine ideal angepasste Kompression.<br />

Diese Form der Hydrotherapie ist bei offenem<br />

Ulcus cruris nicht anwendbar. Auch andere<br />

medizinische Gründe können dagegen sprechen.<br />

Die Vorteile einer Bewegungstherapie bei höheren<br />

Wassertemperaturen sind noch strittig. Bis 29°C Wassertemperatur<br />

gilt sie als weitgehend positiv, da die<br />

Haut noch Wärme ans Wasser abgibt. Die Verträglichkeit<br />

des warmen Wassers hängt jedoch auch vom<br />

Stadium der chronisch venösen Insuffizienz ab und<br />

sollte mit dem Arzt abgeklärt werden. Heiße Bäder,<br />

direkte Sonneneinstrahlung und Wärmflaschenbenutzung<br />

sollten dagegen gänzlich vermieden werden.<br />

Kompression ist die Basis<br />

Eine gute Kompressionstherapie entscheidet maßgeblich<br />

über den Heilungsverlauf bei einem Ulcus<br />

cruris, ganz gleich in welchem Stadium einer chronisch<br />

venösen Insuffizienz sich der Patient befindet.<br />

Gute Beherrschung der Anlagetechnik und Kenntnisse<br />

über die benötigten Materialen sind allerdings<br />

die Voraussetzung, um eine effektive Kompressionstherapie<br />

durchführen zu können. Außerdem müssen<br />

die Betroffenen von Anfang an über die Wichtigkeit<br />

der Kompressionstherapie aufgeklärt und in die Therapie<br />

einbezogen werden.<br />

Die einfachste Möglichkeit eine Kompression der<br />

Beinvenen zu erreichen, ist das individuelle Anpassen<br />

eines medizinischen Strumpfes der jeweiligen erforderlichen<br />

Kompressionsklasse. Die Strümpfe müssen<br />

sehr genau angepasst werden, um einen hohen Nutzen<br />

zu erreichen. Erfahrungsgemäß akzeptieren viele<br />

Patienten ihre Strumpfversorgung nicht, da sie unzureichend<br />

über die Notwendigkeit der Kompressionstherapie<br />

informiert sind. Fragt man nach, warum<br />

die Strümpfe nicht getragen werden, wird oft über<br />

Drücken und Schmerzen beim Laufen oder über<br />

Schwierigkeiten beim Anziehen geklagt. Bei bestehenden<br />

Wunden ist es jedoch leichter, individuelle<br />

Kompressionsverbände anzulegen.<br />

Für immobile Patienten ist eine Apparative Intermittierende<br />

Kompression (AIK) geeignet. Um den<br />

des Abflusses aus dem Lymphsystem zu sichern, sollte<br />

eine manuelle Lymphdrainage durch einen Lymphtherapeuten<br />

erfolgen.<br />

Schuhe müssen passen<br />

Ungeeignetes Schuhwerk ist ein großes Hindernis für<br />

die Therapie. Deshalb benötigen Patienten angepasstes<br />

Schuhwerk mit möglichst flacher Sohle. Auch<br />

die Schuhgröße muss ausreichend sein, um Druckstellen<br />

am Fuß zu vermeiden. Vor allem bei Mehrlagenkompression<br />

ist die normale Schuhgröße meist<br />

nicht mehr ausreichend. Pflegende dürfen sich nicht<br />

darauf verlassen, dass der Patient Druck spürt, da bei<br />

neuropatisch veränderten Füßen kein Schmerzempfinden<br />

vorhanden ist. Über diese aus Wahrnehmungsstörungen<br />

resultierenden Gefahren müssen die Patienten<br />

unterrichtet werden. Egal zu welcher Jahreszeit,<br />

festes Schuhwerk ist unverzichtbar für den Therapieerfolg.<br />

Gut passendes,<br />

festes Schuhwerk ist<br />

unverzichtbar für<br />

den Therapieerfolg.<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

55


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

WIT TENER AKTIVITÄTENK ATALOG<br />

Nach der Selbstpflegedefizit-Theorie von Dorothea Orem wird die geforderte<br />

Mitarbeit des Patienten als Selbstpflege bezeichnet. Dort, wo die<br />

Selbstpflegefähigkeit eingeschränkt ist, wird professionelle Pflege notwendig.<br />

Erfahrungsgemäß ist es nicht einfach, genau herauszufinden,<br />

welche Fähigkeiten, Ressourcen und Defizite Patienten aufweisen. Oft<br />

läuft die Behandlung nach dem Muster der Akutversorgung ab und orientiert<br />

sich nicht an den Bedürfnissen des Patienten. Die individuelle Planung<br />

von Maßnahmen erfordert zunächst eine umfangreiche Pflegeanamnese:<br />

▶▶Welche Vorstellungen hat der Patient von der Wunde?<br />

▶▶Was denkt er über deren Ursache?<br />

▶▶Welche Heilungsmöglichkeiten kennt er?<br />

▶▶Wie spricht der Patient über seine Wunde?<br />

▶▶Woher kommt die Wunde?<br />

▶▶Wie geht der Patient mit den Einschränkungen durch die Wunde um?<br />

▶▶Wie integriert der Patient pflegerische Maßnahmen in seinen Alltag?<br />

▶▶Gibt es Möglichkeiten zur Erhaltung der gewohnten Aktivitäten?<br />

▶▶Welche Beschwerden belasten besonders im Alltag?<br />

▶▶Welche Einschränkungen durch die Wunde werden akzeptiert?<br />

Hautpflege nicht vergessen<br />

Der Patient sollte unbedingt von der Notwendigkeit<br />

der gesunden Hautflora und der Erhaltung der Elastizität<br />

überzeugt werden. Erfahrungsgemäß kümmern<br />

sich Patienten nur unzureichend um gefährdete<br />

Hautstellen und fördern so die Entstehung von Ulzera.<br />

Oft folgen sie veralteten Verhaltensregeln, wonach<br />

beispielweise Wasser auf Wunden verboten ist.<br />

Doch: Eine regelmäßige, schonende Hautreinigung<br />

sowie die Pflege der Wundumgebung mit verschiedenen<br />

Pflegecremes ist unerlässlich. Es gilt, den natürlichen<br />

Säureschutzmantel der Haut zu erhalten,<br />

am besten mit klarem Wasser, pH-neutralen Wasch-<br />

Syndets und schonenden Emulsionen. Zudem sind<br />

verschiedene hypoallergene Waschzusätze und Hautcremes<br />

auf dem Markt. Bewährt haben sich auch<br />

Cremes mit unterschiedlich hohen Urea-Anteilen,<br />

die die Stabilität der Haut fördern.<br />

Patienten sollten ihre Haut täglich kontrollieren<br />

und bei kleinsten Anzeichen einer Irritation eine geschulte<br />

Pflegefachkraft aufsuchen. Chronisch venöse<br />

Ulzera weisen eine sehr große Rezidivneigung auf.<br />

Deshalb muss bei der kleinsten Hautveränderungen<br />

sofort reagiert werden. Oft ist es für die Patienten<br />

schwer verständlich, dass sie auch nach der Akutbehandlung<br />

noch sehr viel Pflegeaufwand betreiben<br />

müssen, um eine dauerhafte Abheilung sicher zu<br />

stellen. Vielen ist nicht klar, wie schnell sich bei unzureichender<br />

Pflege eine erneute Wunde auftut.<br />

Ernährung unterstützt Heilung<br />

Eine ausgewogene Ernährung, die Zusammensetzung<br />

der Nahrung hinsichtlich Eiweißen, Vitaminen und<br />

Mineralstoffen dient in jedem Fall der Vorbeugung<br />

von Hautschäden und der Heilung. Nahrungsmittel,<br />

die Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B6 und Folsäuren<br />

enthalten (Seefisch, Nüsse, Vollkornprodukte und<br />

Gemüse aller Art), sind besonders wertvoll.<br />

Da ein hohes Gewicht die Entstehung eines „offenen“<br />

Beines fördern kann, muss das Erreichen des<br />

Normalgewichts ein Ziel für übergewichtige Patienten<br />

sein. Nicht vergessen werden darf aber, dass es Menschen<br />

gibt, die aus unterschiedlichen Gründen mangelernährt<br />

sind. Bedingt durch eine körperliche Behinderung<br />

können die Betroffene nicht einkaufen<br />

oder sich Essen zubereiten. Auch seelische und soziale<br />

Faktoren können den Appetit mindern. Schlechte<br />

Zähne oder eine mangelhafte Prothesenversorgung<br />

sind weitere Gründe für eine Mangelernährung. Doch<br />

auch ein normalgewichtiger Mensch kann einen Mangel<br />

an lebenswichtigen Nährstoffen aufweisen. Dadurch<br />

wird die Abwehr geschwächt und Wunden<br />

heilen langsamer oder gar nicht. Bei Hinweisen auf<br />

eine Mangel- oder Fehlernährung sollte unbedingt<br />

nach den Ursachen geforscht und diese wenn möglich<br />

behoben werden. Eine Nährstoffsubstitution (z.B.<br />

Trinknahrung) kann in Erwägung gezogen werden.<br />

Der Körper eines Erwachsenen besteht bis zu 70%<br />

aus Wasser. Er reagiert sehr empfindlich auf kleinste<br />

Veränderungen im Wasserhaushalt. Da das Durstgefühl<br />

im Alter abnimmt, muss unbedingt auf eine<br />

ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden.<br />

Bewährt hat sich ein Trinkplan, der für ältere Menschen<br />

individuell zusammengestellt werden sollte.<br />

FA ZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

▶▶Eine physikalische Thromboseprohylaxe beugt Venenbeschwerden vor<br />

oder lindert bestehende Beschwerden.<br />

▶▶Kompression, gesunde Ernährung, entsprechende Kleidung und passendes<br />

Schuhwerk, Hautpflege und temporäre Hochlagerung der Beine<br />

unterstützen die Heilung der Wunde.<br />

▶▶Ohne die Mithilfe des Patienten ist es nicht möglich, einen Ulcus cruris erfolgreich<br />

zu behandeln.<br />

Barbara Sporer<br />

Krankenschwester, Diabetesberaterin<br />

DDG, Wundexpertin ICW, Schwesternschaft<br />

Wallmenich-Haus vom BRK e.V.<br />

Klinikum St. Marien<br />

Mariahilfbergweg 7, 92224 Amberg<br />

sporer.barbara@klinikum-amberg.de<br />

56<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)


Interview<br />

Über Venenleiden<br />

aufklären<br />

Die Deutsche Venen-Liga e. V. wurde 1988 von<br />

Gustav Saam gegründet, dem aufgrund eines<br />

falsch behandelten Venenleidens eine Beinamputation<br />

drohte. Mittlerweile ist sie die größte<br />

Patientenorganisation im Bereich Venenerkrankungen<br />

Deutschlands, denn noch immer brauchen<br />

Betroffene Unterstützung.<br />

Petra Hager-Häusler,<br />

Geschäftsführerin der<br />

Deutschen Venen-Liga<br />

e.V., hat zahlreiche Tipps<br />

für die Betreuung Betroffener.<br />

© Deutsche Venenliga<br />

HEILBERUFE: Frau Hager-Häusler, was macht und<br />

wofür steht die Deutsche Venen-Liga?<br />

Hager-Häusler: Unsere Aufgabe ist, die Bevölkerung<br />

und Betroffene über die Risiken von Venenleiden, aber<br />

auch über Vorsorgemöglichkeiten, moderne und schonende<br />

Venen-Therapien zu informieren und aufzuklären.<br />

Es ist viel zu wenig bekannt, dass es bundesweit Phlebologen<br />

und spezialisierte Venenkliniken gibt. Das Highlight<br />

unserer Aktionen ist der Deutsche Venentag, die inzwischen<br />

bundesweit größte Aufklärungskampagne gegen<br />

die Volkskrankheit Krampfadern.<br />

Welche Fragen beschäftigen die Betroffenen?<br />

Hager-Häusler: Es erreichen uns jedes Jahr etwa 5.000<br />

Anfragen per E-Mail oder Telefon. Eine wichtige Botschaft<br />

für alle ist, dass heute auch die schwersten Krampfaderbefunde<br />

minimalinvasiv operiert werden können. Für ältere<br />

Patienten oder Patienten mit Begleiterkrankungen ist das<br />

außerordentlich wichtig. Viele möchten aber einfach auch<br />

nur wissen, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt.<br />

Da Krampfadern nicht nur ein Makel, sondern eine ernstzunehmende<br />

Erkrankung sind, übernehmen die Kassen<br />

selbstverständlich die Kosten, ambulant und stationär.<br />

Auch Ärzte und Pflegekräfte, die nicht auf die Gefäßtherapie<br />

spezialisiert sind, haben Wissenslücken.<br />

Wo sehen Sie die größten Defizite in der Aufklärung<br />

über Venenerkrankungen?<br />

Hager-Häusler: Durch die zunehmende medizinische<br />

Spezialisierung in fast allen Indikationsgebieten ist es<br />

Ärzten und Pflegekräften kaum möglich, sich in allen<br />

Bereichen auf dem Laufenden zu halten. Betroffene klagen<br />

oft darüber, dass ihr Arzt Krampfadern als harmloses<br />

kosmetisches Problem abtut. Das ist nicht unkritisch, denn<br />

die Therapie ist eine medizinisch notwendige Indikation.<br />

Die Betroffenen haben ein enorm hohes Thromboserisiko<br />

und aus jeder Thrombose kann eine tödliche Lungenembolie<br />

entstehen. Unbehandelt können Krampfadern<br />

zum Ulcus cruris führen. Aber auch dafür gibt es moderne<br />

und schonende medizinische Therapieangebote.<br />

Speziell Pflegekräfte werden oft mit chronischen Wunden<br />

an den Beinen ihrer Patienten konfrontiert. Sie sollten<br />

besonders darauf achten, dass rechtzeitig ein Gefäßspezialist<br />

hinzugezogen wird.<br />

Und welche neuen Ansätze in der Therapie gibt es?<br />

Hager-Häusler: Jede Menge. Bei der Krampfader-Operation<br />

ist der goldene Standard definitiv das Stripping.<br />

Dabei werden die erkrankten Venenabschnitte minimalinvasiv<br />

entfernt. Diese klassische Therapiemethode wurde<br />

in den letzten Jahren immer weiter verfeinert und<br />

perfektioniert. Die Ergebnisse sind – auch im internationalen<br />

Vergleich – absolut Spitze. Spezialisierte Venenzentren,<br />

die es in fast allen Bundesländern gibt, erreichen<br />

extrem gute Ergebnisse; das heißt: geringste Risiken für<br />

die Patienten und niedrigste Rezidivquoten. Viele Venenspezialisten<br />

bieten auch endoluminale Verfahren, wie<br />

Laser- oder Radiowellentherapie, an. Dabei wird die erkrankte<br />

Vene verschlossen und verbleibt im Körper. Über<br />

diese Behandlungsergebnisse gibt es noch keine ausreichenden<br />

wissenschaftlichen Langzeitstudien, deshalb<br />

übernehmen nicht alle Krankenkassen die Kosten.<br />

Was können Pflegekräfte den Patienten weitergeben,<br />

um deren Situation zu verbessern?<br />

Hager-Häusler: Mein Aufruf an alle Pflegekräfte: Unterstützen<br />

Sie Ihre Patienten bei der Suche nach einem<br />

Phlebologen, denn Krampfadern gehören in die Hand<br />

des Spezialisten. Ältere, bettlägerige Patienten mit einer<br />

chronischen Wunde leiden häufig an einem Ulcus cruris<br />

venosum. Sorgen Sie zur Abklärung für eine phlebologische<br />

(Sonographie-)Diagnostik. Wird die Ursache, also<br />

die Krampfadern, behandelt, verschwindet die offene<br />

Wunde meist von selbst. Aber denken Sie auch bei Ihren<br />

jungen Patienten an die Venen, denn schon 30% der<br />

14-Jährigen sollen eine Venenschwäche haben.<br />

Das Interview führte Josefine Baldauf<br />

Die Deutsche Venen-<br />

Liga ist ein gemeinnütziger<br />

Verein. Ihre<br />

Hauptaufgabe ist es,<br />

Patienten, behandelnden<br />

Ärzten und Krankenkassen<br />

neueste<br />

Informationen über<br />

moderne Behandlungsmöglichkeiten<br />

in Diagnostik<br />

und Therapie,<br />

Möglichkeiten der Vorsorge<br />

und Risikominimierung<br />

von Krampfadern,<br />

Besenreisern und<br />

weiteren Gefäßerkrankungen<br />

– auch im Rahmen<br />

Betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

– zu geben.<br />

www.venenliga.de<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

57


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

Entstehung und Therapie<br />

Varizen: Nur eine Frage der Schönheit?<br />

Krampfadern haben nichts mit „Krampf“ zu tun. Der Begriff<br />

leitet sich von „Krummader“ ab. Bei manchen Patienten<br />

ziehen sich die „krummen Adern“ als Knötchen und<br />

Stränge über die Beine. Das, was Betroffene erst nur aus<br />

kosmetischer Sicht stört, kann jedoch handfeste, nicht zu<br />

unterschätzende Folgen haben und im schlimmsten Fall<br />

zu einem Ulcus cruris oder einer Lungenembolie führen.<br />

liche Lungenembolie verursachen. Die Patienten<br />

berichten oft von einem Spannungs- oder Schweregefühl<br />

in den Beinen. Häufig kann man eine Schwellung,<br />

besonders des Knöchels nach längerem Stehen,<br />

feststellen. Im Laufe der Erkrankung kommt es nicht<br />

selten zu rezidivierenden schmerzhaften Entzündungen<br />

der betroffenen Venen - einer Thrombophlebitis.<br />

Die gefürchtete Spätfolge aller chronischen<br />

Venenerkrankungen – und somit auch der Varicosis<br />

– ist das Ulcus cruris.<br />

Gesunde Venen<br />

Varizen<br />

KEYWORDS<br />

Vena saphena<br />

magna/parva<br />

Thrombosegefahr<br />

Crossektomie<br />

Stripping<br />

Mobilisation<br />

Bilden sich Krampfadern, weiten sich Venen<br />

des oberflächlichen Systems. Zu den Ursachen<br />

zählen eine angeborene Bindegewebsschwäche<br />

oder vorherige Erkrankungen der Venen. An<br />

vorderster Stelle ist aber die tiefe Venenthrombose<br />

zu nennen.<br />

Ist der Abfluss über das tiefe Venensystem gestört<br />

oder sogar unmöglich, sucht sich das Blut andere<br />

Wege. Das hat zur Folge, dass oberflächlich gelegene<br />

Venen geweitet werden, um mehr venöses Blut transportieren<br />

zu können. Die Bildung solcher Kollateralen<br />

ist zunächst natürlich sinnvoll, um den Rücktransport<br />

des venösen Blutes sicherzustellen. Weiten sich die<br />

Venen aber zu sehr, treffen sich die Klappensegel nicht<br />

mehr und das Blut pendelt zurück in die Peripherie<br />

beziehungsweise versackt. Das gleiche passiert, wenn<br />

die Venenklappen beginnend an den Mündungsklappen<br />

im Crossen-Bereich nicht mehr richtig schließen.<br />

Ist die erste Klappe defekt, steht die Blutsäule auf der<br />

nächsten – weiter distal gelegenen – Klappe. Kann<br />

diese der Belastung auf Dauer nicht standhalten, wird<br />

sie in der Folge ebenfalls insuffizient. Im Extremfall<br />

geht der Prozess so weit, dass die Stammvene des<br />

jeweiligen Systems – die Vena saphena magna oder<br />

die Vena saphena parva – bis zum Knöchel klappeninsuffizient<br />

und über die gesamte Strecke aufgeweitet<br />

sichtbar wird. Bei einem ausgedehnten Befund einer<br />

Varicosis erscheint das Bein, als würde es wie von<br />

einer Kletterrose umrankt – daher stammt ihr Name:<br />

Vena saphena magna/parva bedeutet große/kleine<br />

Rosenvene.<br />

Gefürchtete Spätfolgen<br />

Bei einem Krampfaderleiden besteht durch den Blutrückstau<br />

eine deutlich erhöhte Thrombosegefahr.<br />

Thrombosen des oberflächlichen Venensystems können<br />

auch – meist über die Crosse – in das tiefe Venensystem<br />

hineinwachsen und so eine lebensgefähr-<br />

Therapeutische Methoden<br />

Die Therapie des Krampfaderleidens hat eine lange<br />

Tradition. So gab es bereits im 17. und 18. Jahrhundert<br />

Versuche, die betroffenen Venen zu unterbinden.<br />

Crossektomie. Seit etwa 100 Jahren ist die Crossektomie<br />

bekannt, die heute zumeist kombiniert mit<br />

einem Stripping der Stammvene erfolgt. Hierbei werden<br />

über einen circa 3 cm langen Hautschnitt in der<br />

Leistenbeuge alle einmündenden Venen des so genannten<br />

Venensterns abgesetzt. Anschließend wird<br />

auch die Vena saphena magna auf Höhe der Mündungsklappe<br />

in die tiefe Vene abgesetzt und die tiefe<br />

Vene so vernäht, dass möglichst weder ein Stumpf<br />

bestehen bleibt noch eine Einziehung der tiefen Vene<br />

resultiert. Anschließend wird in der Regel die betroffene<br />

Stammvene – also die Vena saphena – entfernt.<br />

Hierzu gibt es verschiedene Techniken.<br />

Stripping mit der Babcock- oder Nabatow-Sonde.<br />

Schon länger bekannt ist das Stripping mit der Babcock-<br />

oder Nabatow-Sonde, wobei die Vene über<br />

einen kleinen Hautschnitt am Knöchel aufgesucht,<br />

von distal aus sondiert und dann in Richtung Leiste<br />

gestrippt wird.<br />

Stripping mit dem PIN-Stripper. Neuer und schonender<br />

ist das invertierende Stripping mit dem PIN-<br />

Stripper. Bei dieser Methode wird die Vene von der<br />

Leiste aus (also über den Crossektomieschnitt) aufgesucht<br />

und von proximal nach distal nur bis auf<br />

Höhe des Knies sondiert. Hier wird die Sonde über<br />

einen Hautschnitt von etwa 3 mm ausgeleitet und die<br />

Vene von proximal nach distal gestrippt. Die Vene<br />

wurde vorher in der Leiste an das Sondenende genäht,<br />

so dass beim Stripping die Vene „auf links“ gedreht<br />

wird. Dadurch rollt sich die Intima der abgerissenen<br />

Seitenäste ein und es kommt zu einer deutlich geringeren<br />

Hämatombildung. Die einzelnen Seitenäste,<br />

DOI: 10.1007/s00058-012-0721-5<br />

© bilderzwerg/fotolia.com<br />

58<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)


die die Patienten häufig als kosmetisch störender empfinden als<br />

die Varicosis der Stammvene, werden über kleine Stichinzisionen<br />

herausgerissen.<br />

Andere Verfahren. Wirksam – wenngleich hierzu entsprechende<br />

Langzeitergebnisse fehlen – sind die Verfahren, bei denen die<br />

Vene jeweils von distal aus aufgesucht, eine Sonde eingeführt<br />

und bis zur Crosse – also bis zur Einmündung in die tiefe Vene<br />

– vorgeschoben wird. Je nach Methode wird die Innenwand der<br />

Vene über die eingebrachte Sonde so gereizt, dass eine lokale<br />

Entzündung entsteht. In der Folge verklebt die Venenwand und<br />

das Lumen wird nicht mehr durchflossen. Dies ist möglich mittels<br />

Laser, Radiofrequenztherapie oder mit Verödungsmitteln.<br />

Pflegen nach Varizen-OP<br />

Pflegende sind oft erste Ansprechpartner, nicht nur für die Patienten,<br />

sondern auch für andere Berufsgruppen. Der Dialog mit<br />

dem Patienten ist deshalb ebenso wichtig wie der Dialog zwischen<br />

Pflegenden und Ärzten. Nur so können Probleme frühzeitig<br />

erkannt werden. Aus Sicht der Pflege betrachtet lassen sich Varikosispatienten<br />

in zwei Gruppen einteilen: Patienten, die aufgrund<br />

des Krampfaderleidens oder zusätzlicher Erkrankungen<br />

deutlich hilfebedürftig sind. Und Patienten, die, auch wenn sie<br />

an einer schweren Varikosis leiden, nicht als schwerkrank im<br />

pflegerischen Sinne anzusehen sind.<br />

Hilfebedürftige Patienten<br />

Hilfebedürftige Patienten dürfen nicht mit der Begründung, es<br />

handle sich nur um Krampfaderpatienten, als nicht pflegebedürftig<br />

eingestuft werden. Benötigt ein Mensch pflegerische<br />

Unterstützung, braucht er diese unabhängig davon, ob er eine<br />

große oder kleine Operation über sich ergehen lassen musste.<br />

Jeder Patient muss individuell auf seine pflegerische Bedürftigkeit<br />

überprüft werden. Oft wird eine nicht ausreichende häusliche<br />

Versorgung während eines Krankenhausaufenthaltes aufgedeckt.<br />

VARICOSIS: EINTEILUNG<br />

Vena saphena magna<br />

▶▶Varicosis Grad I: Klappeninsuffizienz nur an der Mündungsklappe<br />

im Crossen-Bereich<br />

▶▶Varicosis Grad II: Klappeninsuffizienz bis zum Bereich<br />

oberhalb des Knies<br />

▶▶Varicosis Grad III: Klappeninsuffizienz unterhalb des Knies<br />

▶▶Varicosis Grad IV: Die gesamte Vene bis zum Innenknöchel<br />

ist varicös verändert<br />

Vena saphena parva<br />

▶▶Varicosis Grad I: Klappeninsuffizienz nur an der Mündungsklappe<br />

▶▶Varicosis Grad II: Klappeninsuffizienz bis Mitte der Wade<br />

▶▶Varicosis Grad III: Klappeninsuffizienz bis zum Außenknöchel<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)<br />

59


PflegeKolleg<br />

Ulcus cruris – Prophylaxe<br />

Pflegende sind oft<br />

erste Ansprechpartner,<br />

nicht nur<br />

für die Patienten,<br />

sondern auch<br />

für andere Berufsgruppen.<br />

FA ZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

Nichthilfebedürftige Patienten<br />

Patienten, die pflegerisch als „gesund“ eingestuft werden<br />

können, benötigen keine Unterstützung bei der<br />

Körperpflege. Patienten sehen das allerdings oft anders.<br />

Jeder, der im Krankenhaus arbeitet, kennt folgendes<br />

Phänomen: Ein aufrecht gehender, völlig<br />

selbstständiger Patient betritt am Aufnahmetag sein<br />

Krankenzimmer, zieht sich einen Schlafanzug an und<br />

legt sich ins Bett.<br />

Ein Patient, der vor der Krampfadern-OP keine<br />

Hilfe bei der Körperpflege benötigt hat, braucht sie<br />

in aller Regel auch nicht nach der Operation. Der<br />

Patient muss aufgeklärt werden, dass es von großer<br />

Bedeutung für den Genesungsprozess ist, alle ihm<br />

zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen.<br />

Regelmäßig mobilisieren<br />

Die Mobilisation ist eine der wichtigsten postoperativen<br />

Maßnahmen – nicht nur bei der Pflege von<br />

Varikosispatienten. Patienten sollen sich möglichst<br />

schon wenige Stunden nach der Operation auf der<br />

Stationsebene frei bewegen, also nicht nur den Weg<br />

bis zur Toilette gehen. Dies fällt einigen Patienten<br />

nicht leicht. Sie haben Angst vor der Bewegung, fürchten<br />

sich vor Schmerzen und hegen Bedenken wegen<br />

der frischen Wunde. Auch hier sind die Pflegenden<br />

gefragt. Natürlich ist der Arzt derjenige, der Schmerzmittel<br />

verordnet, aber die Pflegenden haben durch<br />

die Nähe zum Patienten viel eher die Möglichkeit,<br />

auf den Patienten einzuwirken und ihn von der Notwendigkeit<br />

einer kurzzeitigen Analgesie und von der<br />

Unbedenklichkeit der Bewegung zu überzeugen. Die<br />

frühe Mobilisation ist der wichtigste antithrombotische<br />

Faktor.<br />

▶▶Zur Behandlung von Varizen gibt es eine Reihe von operativen Methoden,<br />

die permanent weiterentwickelt werden. Eine medikamentöse Therapie<br />

kann zwar nur als unterstützend betrachtet werden, für einige Wirkstoffe<br />

gibt es mittlerweile aber auch Wirksamkeitsnachweise.<br />

▶▶Eine der Hauptsäulen in der Behandlung aller Venenerkrankungen ist und<br />

bleibt die Kompressionstherapie. Bei einer Insuffizienz der tiefen Venen ist<br />

sie die Langzeittherapie der Wahl. Bei der Varicosis ist es das Ziel der Operation<br />

oder der anderen ablativen Verfahren, dem Patienten den Kompressionsstrumpf<br />

auf Dauer zu ersparen.<br />

▶▶Nach einer Varikosis-OP entscheidet eine kontinuierliche Mobilisation<br />

und gründliche Schulung der Patienten maßgeblich über den Erfolg der<br />

Therapie. Dabei ist professionelle Pflege auf Grund ihrer Nähe zu den<br />

Patienten besonders wichtig. Der Patient muss sich sicher sein, dass er<br />

mit all seinen Problemen (z.B. Angst, Schmerzen) in einem Netz aus<br />

pflegerischer und medizinischer Kompetenz aufgefangen wird.<br />

Patienten gründlich schulen<br />

Patienten haben oft keine Ahnung, wie sie sich nach<br />

einer Operation zu verhalten haben. Der langfristige<br />

Umgang mit der Erkrankung überfordert viele Patienten.<br />

Daher muss der postoperative Verlauf mit<br />

ihnen besprochen werden. Die wichtigen Verhaltensregeln,<br />

die einem Wundinfekt vorbeugen und den<br />

Operationserfolg sichern, mehr sollte mehr als einmal<br />

durchgegangen werden. Am wichtigsten ist es zu erklären,<br />

welche Bedeutung trockene Wundverhältnisse<br />

im Leistenbereich haben und das das konsequente<br />

Tragen der Kompressionsstrümpfe für durchschnittlich<br />

sechs Wochen maßgeblich über den Therapieerfolg<br />

entscheidet. Jeder Patient muss wissen, dass die<br />

Leistenfalte nach der Varizen-Operation für vier bis<br />

sechs Wochen möglichst trocken gehalten werden<br />

muss. Das bedeutet, dass die Patienten während dieser<br />

Zeitspanne nicht baden oder schwimmen gehen<br />

dürfen. Auch ein Saunabesuch ist tabu. Nach dem<br />

Duschen – das Duschen ist ab dem dritten Tag nach<br />

der OP erlaubt – muss die Leistengegend gut getrocknet<br />

werden. Es empfiehlt sich sehr, dies mehr als<br />

einmal zu wiederholen.<br />

Sonderfall adipöser Patient<br />

Eine pflegerische Sonderstellung nehmen adipöse<br />

Patienten ein. Die Leistenfalte dieser Patienten ist<br />

aufgrund natürlicher Gegebenheiten ein prädisponierter<br />

Ort für Wundinfektionen. Die Keimbesiedlung<br />

der Haut ist hier deutlich höher, und auch die<br />

Temperatur begünstigt das Keimwachstum. In der<br />

Leistenfalte adipöser Patienten ist oft auch Feuchtigkeit<br />

ein Problem. Bei den Patienten, die Hilfe bei der<br />

Körperpflege benötigen, kann dieser Bereich leicht<br />

kontrolliert werden. Der adipöse Patient, der sich<br />

selbst versorgt, muss mit dem nötigen Feingefühl auf<br />

diese Problematik hingewiesen werden. Gegebenenfalls<br />

sollten Pflegende den Leistenbereich bei diesen<br />

Patienten nach der Körperpflege kontrollieren und<br />

entscheiden, ob zum Beispiel ein Leinentuch oder<br />

eine Mullkompresse eingelegt werden sollte, um die<br />

frische Naht zu schützen.<br />

Achtung! Bei adipösen Patienten muss die Umgebung<br />

des Operationsfeldes präoperativ betrachtet<br />

werden. Bei einer Mykose der Bauchfalte oder der<br />

Leistenregion wird die Operation evtl. zugunsten<br />

einer vorgeschalteten Lokaltherapie verschoben wird.<br />

Dr. med. Björn Burkert<br />

Dr. Dr. Dominic Mühlberger<br />

Michael Völker<br />

Klinik für Gefäßchirurgie<br />

St. Josef-Hospital<br />

Klinikum der Ruhr-Universität Bochum<br />

Gudrunstr. 56, 44791 Bochum<br />

b.burkert@klinikum-bochum.de<br />

Literatur bei den Verfassern<br />

60<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2012; 64 (7-8)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!