60-61 - Verein für Heimatkunde Krefeld
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Erstes <strong>Krefeld</strong>er Museum in ehemaliger Schule<br />
am Westwall<br />
Zahlreiche Besucher kamen zur Eröffnungsausstellung<br />
von Dirk Senger<br />
Die Sammlung der Kunstmuseen <strong>Krefeld</strong> umfasst<br />
heute rund 14 000 Werke aus den Bereichen<br />
Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie<br />
und Neue Medien. Der Beginn des musealen<br />
Sammelns und Bewahrens geht auf das erste<br />
Museum der Stadt zurück. Doch die Beachtung<br />
dieses ersten <strong>Krefeld</strong>er Museums <strong>für</strong><br />
Kunst, Archäologie und Kunstgewerbe fristet<br />
in Publikationen eher eine Nebenrolle als<br />
Fußnote oder kurze Erwähnung – wenn überhaupt.<br />
Nur wenige Meter entfernt vom Kaiser-<br />
Wilhelm-Museum 1 öffnete bereits 1885 das<br />
erste Museum der Stadt am Westwall <strong>60</strong> unter<br />
anderem mit einer Gemäldesammlung. 2<br />
Dieses von Bürgern gegründete Museum<br />
löste in allen Schichten der Bevölkerung eine<br />
große Euphorie aus. Der Besucherzuspruch<br />
zur Eröffnung und den späteren Ausstellungen<br />
war enorm. 3 Das Gebäude des ersten<br />
<strong>Krefeld</strong>er Museums steht heute unter Denkmalschutz.<br />
4<br />
Im 19. Jahrhundert lebte in besonderer Weise<br />
der Museumsgedanke als Möglichkeit<br />
auf, Werke der Kunst <strong>für</strong> jedermann zugänglich<br />
zu machen. Die <strong>Krefeld</strong>er Museumsgeschichte<br />
beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts,<br />
aufkeimend aus der Bürgerschaft. Die erste<br />
museale Bestrebung beruhte 1856 auf der<br />
privaten Stiftung des Samtfabrikanten Friedrich<br />
Wilhelm Hoeninghaus (1771 – 1854).<br />
Diese wurde zum Anlass genommen, in der<br />
Stadtverordnetenversammlung im August<br />
1856 einen Antrag <strong>für</strong> ein städtisches Museum<br />
zu be<strong>für</strong>worten. Der 18<strong>60</strong> gegründete<br />
Handwerker- und Bildungsverein bekundete<br />
im Januar 1882: „Die Versammlung erachtet<br />
es als wünschenswert, dass in Crefeld ein<br />
Museum eingerichtet werde, das insbesondere<br />
die kunstgewerblichen Interessen vertritt.“<br />
Ein gutes Jahr später löste sich aus dem<br />
Handwerker- und Bildungsverein im Rahmen<br />
einer Bürgerversammlung mit Vertretern der<br />
Stadt, Lehrern, Richtern, Unternehmern und<br />
Freunden der Kunst ein Museumsverein heraus.<br />
Bereits im Juli 1883 präsentierte der<br />
junge <strong>Verein</strong> seine erste Kunstausstellung in<br />
der Stadthalle. 5<br />
Der Museumsverein bemühte sich in den<br />
1880er-Jahren vor allem um Spenden, Gegenstände<br />
und Gemälde als Grundstock<br />
<strong>für</strong> einen Museumsbau. Um die wachsende<br />
Sammlung auch Besuchern zu zeigen,<br />
Abb. 1. Museum Westwall <strong>60</strong><br />
Abb. 2. Westwall <strong>60</strong> heute<br />
<strong>60</strong> die Heimat 83/2012
stellten die Stadtverordneten im April 1884<br />
die ehemalige, um 1850 gebaute Schule am<br />
Westwall <strong>60</strong> unentgeltlich zur Verfügung.<br />
Diese wurde umgebaut und mit bereits vorhandenen<br />
Sammlungsobjekten eingerichtet.<br />
Die Crefelder Zeitung kündigte im Jahr<br />
1885 einen Tag vor der Eröffnung der ersten<br />
Ausstellung „Alte und neue Kunst“ an:<br />
„Morgen, Sonntag, Mittag 12 Uhr, eröffnet<br />
der <strong>Krefeld</strong>er Museums-<strong>Verein</strong>, welcher seit<br />
seiner Begründung eine stille, aber desto intensivere<br />
Thätigkeit entwickelt hat, in dem<br />
Museumsgebäude Westwall <strong>60</strong> eine Ausstellung<br />
von Gemälden, Kunstwerken, kunstgewerblichen<br />
Gegenständen, Gipsabgüssen<br />
und römischen Altertümern, die theils aus<br />
Privatbesitz herrühren, theils von kunstgewerblichen<br />
Anstalten ausgestellt sind, theils<br />
aber aus eigenen Sammlungen des <strong>Verein</strong>s“<br />
stammen. Täglich sei von 10 bis 17 Uhr geöffnet,<br />
der Eintritt betrage 50 Pfennige. Zudem<br />
seien auch unentgeltliche Öffnungstage<br />
vorgesehen.<br />
Der feierliche Eröffnungstag am 13. September<br />
1885 fand unter dem großen Interesse der<br />
Bevölkerung statt. Stadtverordnete und zahlreiche<br />
Bürger kamen ins Museum am Westwall.<br />
„Die heutige Eröffnung des Museums<br />
sei eine wichtige Etappe <strong>für</strong> den <strong>Verein</strong>, wie<br />
<strong>für</strong> Crefeld, welches dadurch in den Kreis größerer<br />
Städte trete, die ein Museum besäßen<br />
und dadurch ein lebendiges Interesse <strong>für</strong> das<br />
Gewerbe und Kunstleben betätigt“, zitierte<br />
die Crefelder Zeitung vom 14. September<br />
1885 die Rede des städtischen Beigeordne-<br />
ten Emil Schüller. Anschließend begaben sich<br />
die Besucher auf einen Rundgang. Darüber<br />
berichtete die Crefelder Zeitung: „Dasselbe<br />
überrascht durch die Reichhaltigkeit der ausgestellten<br />
Gegenstände und man kann den<br />
Museums-<strong>Verein</strong> nur beglückwünschen, daß<br />
es ihm gelungen ist, trotz seines jugendlichen<br />
Alters, eine so gediegene Ausstellung<br />
zu Stande zu bringen.“<br />
Der unbekannte Autor des Berichts schilderte<br />
ferner, was in den Räumen zu sehen<br />
war: Alte Kunstmöbel wurden in den unteren<br />
Zimmern gezeigt sowie Objekte aus dem<br />
Rokoko, Kunsterzeugnisse des Schlosserhandwerks,<br />
römische Funde aus Gellep und<br />
Asberg. Eine „prächtige Gemäldesammlung“<br />
erwartete die Besucher in den oberen Zimmern.<br />
Außerdem sahen sie dort neue und<br />
alte Gefäße, des Weiteren Waffen, Porzellan,<br />
und Gipsabdrücke. Der Verfasser schien<br />
selbst von dem Museum beeindruckt zu sein:<br />
„[...], so dass der Besuch der Ausstellung<br />
nicht nur lehrreich ist, sondern auch einen<br />
besonderen Genuss gewährt. Alle, die gestern<br />
die Ausstellung frequentierten, waren<br />
des Lobes über dieselbe voll.“ Vor allem die<br />
Gemäldesammlung hat es den <strong>Krefeld</strong>ern<br />
angetan, was sich in späteren Schenkungen,<br />
Stiftungen und Geldspenden <strong>für</strong> diese<br />
Sammlung ausdrückte.<br />
In der Folgezeit wurden im Museum am<br />
Westwall weitere Ausstellungen präsentiert,<br />
unter anderem aus den Beständen des königlichen<br />
Berliner Kunstgewerbemuseums.<br />
Mehrere Waggonladungen kamen da<strong>für</strong> aus<br />
der Hauptstadt an den Rhein. 6 Es folgte unter<br />
anderem eine Ausstellung des <strong>Krefeld</strong>er<br />
Malers Adolf Hönnighaus. 7 Die Schauen von<br />
Gemälden und gewerblichen Arbeiten wechselten,<br />
die regelmäßigen Verlosungen brachten<br />
zudem erkleckliche Gewinne ein, womit<br />
ein Oberlichtsaal <strong>für</strong> Gemälde ausgebaut<br />
werden konnte. 8 „Der überraschend lebhafte<br />
Besuch bewies, dass das Museum <strong>für</strong> <strong>Krefeld</strong><br />
ein dringendes Bedürfnis war“, berichtet das<br />
<strong>Krefeld</strong>er Jahrbuch „Die Heimat“ anlässlich<br />
des 50-jährigen Bestehens des Museumsvereins.<br />
9<br />
Ein Jahr nach der Eröffnung des Museums<br />
am Westwall konnte der Museumsverein 65<br />
Stifter verzeichnen, die Werke im Wert von<br />
9000 Mark übergeben hatten. 10 Stadt und<br />
Reich unterstützten das Museum, Stiftungen<br />
und Ankäufe erweiterten die Sammlung.<br />
„Die Breitenstreuung war groß. Es handelte<br />
sich immer um Gegenwart“, schrieb der<br />
ehemalige Museumsdirektor Paul Wember<br />
(1913 – 1987). Die Bemühungen galten der<br />
Vermittlung aktueller Kunst. „Man rühmte<br />
sich des reichhaltigen, alle Gebiete des<br />
künstlerischen Schaffens umfassenden Museums“,<br />
so Wember. 11 Die Sammlung wurde<br />
und wird seit Jahrzehnten durch Ankäufe und<br />
Stiftungen erweitert. Der Bericht der Crefelder<br />
Zeitung vom September 1885 anlässlich<br />
der Eröffnung endete mit der Bemerkung,<br />
dass das Museum eine Sehenswürdigkeit<br />
<strong>Krefeld</strong>s sei, „auf die unsere Bürgerschaft mit<br />
Recht stolz sein kann“.<br />
Anmerkungen<br />
1 Nach der Eröffnung des ersten Museums am Westwall<br />
konnte zwölf Jahre später, im Jahr 1897, auf dem benachbarten<br />
Karlsplatz das Kaiser-Wilhelm-Museum als<br />
Denkmal <strong>für</strong> den im März 1888 verstorbenen Kaiser<br />
Wilhelm I. wie auch als Kunstgewerbemuseum eröffnet<br />
werden. Nur einige Jahre später folgte ein Erweiterungsbau<br />
(1912). Das Haus am Karlsplatz und die beiden<br />
Mies-van-der-Rohe-Villen, Haus Lange und Haus Esters,<br />
bilden heute die Kunstmuseen <strong>Krefeld</strong>. Die zwei Häuser<br />
an der Wilhelmshofallee dienen seit dem 20. Jahrhundert<br />
als Museen.<br />
2 Vgl. hierzu Karl Rembert: Zum 50jährigen Jubiläum<br />
des <strong>Krefeld</strong>er Museumsvereins 1883 – 1933 (7. März).<br />
In: Die Heimat 12, 1933, S. 40 f.; Paul Wember: Kunst<br />
in <strong>Krefeld</strong>, Kleve, Köln, Düsseldorf, 1973, S. 6.; Reinhard<br />
Feinendegen, Hans Vogt (Hrsg.): <strong>Krefeld</strong> – die Geschichte<br />
der Stadt, <strong>Krefeld</strong> 2006, Band 3, Seite 181; Anm.: „Teile<br />
der ersten Sammlung wurden 1904 aus dem Museum am<br />
Westwall auch in das neue Naturwissenschaftliche Museum,<br />
zuerst Friedrichstraße 18, Stadtbibliothek, übergeben.“<br />
Siehe hierzu Die Heimat 12, 1933, S. 38, Anm. 1<br />
3 Crefelder Zeitung, Jahrgang 1885, Stadtarchiv <strong>Krefeld</strong><br />
4 Denkmalliste der Stadt <strong>Krefeld</strong>, Nummer 354, Stand<br />
Februar 2012<br />
5 Paul Wember wie Anm. 2, S. 6 ff.; Karl Rembert wie<br />
Anm. 2, S. 38 ff.<br />
6 Paul Wember wie Anm. 2, S. 10<br />
7 Die Schreibweise des Nachnamens variiert in Publikationen.<br />
Vgl. auch Westdeutsche Zeitung vom 28. Juli 2012,<br />
Ausgabe <strong>Krefeld</strong>, S. 20: „Rund 450 dieser Ölskizzen von<br />
Höninghaus sind in der Sammlung der Kunstmuseen<br />
vorhanden, hinzu kommen noch vier Gemälde. Nach<br />
der Wiedereröffnung des Kaiser-Wilhelm-Museums im<br />
Frühjahr 2014 und den ersten beiden Sammlungspräsentationen,<br />
in denen alte auf neue Kunst trifft, ist eine<br />
Einzelausstellung zu Höninghaus geplant.“<br />
8 Über die weitere Arbeit nach den ersten Jahren im Museum<br />
am Westwall, Ausstellungen und dessen Auflösung<br />
müssten wohl vor allem im Zeitungsarchiv des Stadtarchivs<br />
Hinweise zu finden sein.<br />
9 Karl Rembert wie Anm. 2, S. 40 ff.<br />
10 Vgl. Karl Rembert: Zwei Büsten Napoleons I. im Kaiser-<br />
Wilhelm-Museum. In: Die Heimat 7, 1928, S. 76: „Mit begeisterter<br />
Hingabe wurde von den Herren des Vorstandes<br />
gesammelt, und die Bürgerschaft reichte ihnen hilfreich<br />
die Hand.“<br />
11 Paul Wember wie Anm. 2, S. 10<br />
die Heimat 83/2012 <strong>61</strong>