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Wie bilden sich Atomverbände? Chemische Reaktionen

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4.1 Woran erkennt man chemische <strong>Reaktionen</strong>?<br />

4.2 Gasgesetze; molares Volumen<br />

4.3 Volumenverhältnisse bei chemischen <strong>Reaktionen</strong>;<br />

freie Atome als Ausnahmeerscheinung in der Natur<br />

4.4 Die <strong>Reaktionen</strong> zwischen Elementen; ein erster<br />

Überblick<br />

4.5 Die Erscheinungsformen des Kohlenstoffs<br />

4.6 Die Benennung von binären Verbindungen<br />

4.7 Massen-, Volumen- und Stoffmengenverhältnisse<br />

bei chemischen <strong>Reaktionen</strong><br />

4.8 Warum laufen chemische <strong>Reaktionen</strong> ab?<br />

4<br />

<strong>Wie</strong> <strong>bilden</strong> <strong>sich</strong> At omverb ände?<br />

C hemi sche Re aktionen


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

4 . 1 W o r a n e r k e n n t m a n c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Die im Abschnitt 1.1 beschriebenen Beobachtungen liefern schon eine erste<br />

Antwort, woran chemische <strong>Reaktionen</strong> zu erkennen sind. Ein leerer Akkumulator<br />

erhält seine Fähigkeit, Geräte wie z.B. Telefone zu betreiben, erst dann zurück, wenn<br />

er während längerer Zeit an einer Stromquelle angeschlossen wurde. Silberbesteck<br />

verliert an der Luft allmählich seinen metallischen Glanz und überzieht <strong>sich</strong> mit<br />

einem schwarzgrauen Belag. Bei zu grosser Hitze bildet <strong>sich</strong> auf einem Stück Fleisch<br />

schwarzer Kohlenstoff, Salzsäure bringt Kalkstein zum Verschwinden und erzeugt<br />

dabei ein farbloses und geruchloses Gas, das <strong>sich</strong> durch Aufschäumen bemerkbar<br />

macht. All diesen Vorgängen ist gemeinsam, dass eine charakteristische Veränderung<br />

von Stoffen stattfindet. Dass es <strong>sich</strong> bei chemischen <strong>Reaktionen</strong> um Stoffumwandlungen<br />

handelt, lässt <strong>sich</strong> auch sehr schön anhand der Synthese bzw. Zersetzung<br />

von Wasser oder Silbersulfid zeigen.<br />

Aus den beiden Elementen Wasserstoff und Sauerstoff entsteht Wasser mit<br />

einer Siedetemperatur von 100 °C, wobei Energie in Form von Wärme frei wird.<br />

Diese Energie muss umgekehrt aufgewendet werden (elektrischer Strom oder eine<br />

glühende Platinspirale), um die beiden elementaren Stoffe wieder zu erhalten (Abb.<br />

1.13 und 1.15). Silber, ein glänzendes, leicht zu verformendes Metall, reagiert mit dem<br />

gelben Schwefel zu Silbersulfid, wobei ebenfalls Wärme frei wird. Das Produkt ist<br />

grau und spröde und lässt <strong>sich</strong> durch Energieaufwand wieder in die Ausgangsstoffe<br />

zerlegen (Abb. 1.34).<br />

Neben der Stoffumwandlung findet, wie die beiden zuletzt betrachteten <strong>Reaktionen</strong><br />

deutlich gemacht haben, ein Energieumsatz statt. Ausserdem sind chemische<br />

Vorgänge, zumindest im Prinzip, umkehrbar, wie die Synthese und Analyse<br />

(Zersetzung) von Wasser bzw. Silbersulfid gezeigt haben. Dass auch sehr komplexe<br />

Vorgänge umkehrbar sind, lässt <strong>sich</strong> anhand der Fotosynthese feststellen. Aus Wasser,<br />

Kohlenstoffdioxid und Sonnenenergie entstehen Sauerstoff und Traubenzucker<br />

(Glucose), der im Pflanzen- und Tierreich zu Kohlenhydraten, Fetten und Eiweissen<br />

umgewandelt wird. Durch die Atmung schliesslich <strong>bilden</strong> <strong>sich</strong> unter Energiegewinnung<br />

aus diesen Naturstoffen mit dem Luftsauerstoff wieder die Ausgangsstoffe der<br />

Fotosynthese: Kohlenstoffdioxid und Wasser.<br />

<strong>Chemische</strong> <strong>Reaktionen</strong> erkennt man<br />

– an einer Stoffumwandlung: aus den Ausgangsstoffen (Edukten) entstehen Endstoffe<br />

(Produkte) mit neuen Eigenschaften,<br />

– am Energieumsatz,<br />

– an der Umkehrbarkeit.<br />

92


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Edukte<br />

Aktivierungsenergie<br />

Freiwerdende<br />

Energie<br />

Produkte<br />

Energie<br />

Reaktionsweg<br />

Aktivierungsenergie<br />

Produkte<br />

Energieaufwand<br />

Edukte<br />

Energie<br />

Reaktionsweg<br />

Abb. 4.1 Energieschema einer a) exothermen bzw. b) endothermen Reaktion<br />

Auch die Zerlegung von Salzwasser mit Hilfe der Destillation ist eine chemische<br />

Reaktion. Die wässrige Lösung von Kochsalz leitet den elektrischen Strom.<br />

Durch Energieaufwand (Erhitzen der Lösung bis zur Siedetemperatur) lassen <strong>sich</strong><br />

die beiden Stoffe voneinander trennen (Abschnitt 1.6; Abb. 1.25). Das dabei erhaltene<br />

feste Salz leitet den elektrischen Strom nicht, während beim destillierten Wasser nur<br />

eine sehr geringe Leitfähigkeit feststellbar ist.<br />

Edukte und Produkte unterscheiden <strong>sich</strong> hin<strong>sich</strong>tlich ihres Energiegehalts<br />

(ihrer «inneren Energie»). Sind die Endstoffe energieärmer als die Ausgangsstoffe, so<br />

93


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

wird die Differenz in Form von Wärme, Licht, mechanischer oder chemischer Energie<br />

frei. Umgekehrt muss Energie während eines chemischen Vorgangs dauernd<br />

zugeführt werden, wenn energiereichere Produkte entstehen. Im ersten Fall spricht<br />

man von einer exothermen (exo gr. = aussen; therme gr. = Wärme, Hitze), im zweiten<br />

Fall von einer endothermen (endo gr. = innen) Reaktion. Da es <strong>sich</strong> beim Energieumsatz<br />

um eine Differenz handelt (Unterschied der inneren Energie von Produkten<br />

und Edukten), wird die Reaktionsenthalpie 1 (Reaktionswärme) mit ∆H symbolisiert.<br />

Dabei steht das ∆ (Delta) für Differenz und H für heat engl. = Wärme. Die Reaktionsenthalpie,<br />

die man experimentell ermittelt, wird in Kilojoule (kJ) angegeben. Bei<br />

exothermen <strong>Reaktionen</strong> erhält der gemessene Zahlenwert ein negatives (∆H < 0,<br />

die Stoffe verlieren Energie), bei endothermen Vorgängen ein positives Vorzeichen<br />

(∆H > 0, die neu gebildeten Stoffe haben Energie aufgenommen; Abb. 4.1).<br />

– Das Symbol für den Energieumsatz einer chemischen Reaktion, die Reaktionsenthalpie,<br />

ist ∆H.<br />

– Bei einer exothermen Reaktion wird Energie frei, die Produkte sind energieärmer<br />

als die Edukte (die innere Energie nimmt ab); ∆H < 0<br />

– Bei einem endothermen Vorgang muss dauernd Energie zugeführt werden.<br />

Die Produkte sind energiereicher als die Edukte (die innere Energie nimmt zu);<br />

∆H > 0<br />

Viele chemische <strong>Reaktionen</strong> laufen erst dann ab, wenn man die Ausgangsstoffe<br />

(einen Ausgangsstoff) auf eine bestimmte Temperatur erwärmt (z.B. Anzünden von<br />

Holz, Heizöl etc.). Die Edukte müssen in diesem Fall zuerst aktiviert werden. Diese<br />

Aktivierungsenergie dient zum Auslösen eines Vorgangs, wobei man <strong>sich</strong> vorstellen<br />

kann, dass sie zur Beseitigung von «Hemmungen» notwendig ist, ähnlich etwa dem<br />

Lösen der Bremse im Falle eines Wagens, der auf einer abschüssigen Strasse steht.<br />

<strong>Chemische</strong> <strong>Reaktionen</strong> lassen <strong>sich</strong> auf einfache Weise durch Reaktionsgleichungen<br />

beschreiben. Normalerweise ist es jedoch nicht möglich, die genauen Abläufe<br />

und Veränderungen auf atomarer Ebene darzustellen. Eine Reaktionsgleichung<br />

enthält damit nur eine Bilanz, die die Ausgangs- und Endstoffe sowie den Energieumsatz<br />

erfasst. Der Pfeil zwischen Edukten und Produkten bedeutet «reagieren zu».<br />

Ist für die Energiebilanz kein Zahlenwert vorhanden, verwendet man das Symbol<br />

∆H mit den Zeichen > (grösser) oder < (kleiner) als Null.<br />

Beispiele:<br />

a) Wasserstoff(g) + Sauerstoff(g) ➝ Wasser(l) ∆H < 0<br />

Wasser(l) ➝ Wasserstoff(g) + Sauerstoff(g) ∆H > 0<br />

1 Energien, die <strong>sich</strong> auf Messungen unter konstantem Druck beziehen, werden Enthalpien genannt. Die Reaktionswärme<br />

bezeichnet man deshalb als Reaktionsenthalpie.<br />

94


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

b) Silber(s) + Schwefel(s) ➝ Silbersulfid(s) ∆H < 0<br />

Silbersulfid(s) ➝ Schwefel(s) + Silber(s) ∆H > 0<br />

c) Kochsalzlösung(l) ➝ Kochsalz(s) + Wasser(l) ∆H > 0<br />

Obwohl man viele Arten von Energien unterscheidet (mechanische Energie,<br />

Wärmeenergie, elektrische Energie ...) gibt es prinzipiell nur zwei Energieformen:<br />

kinetische- oder Bewegungsenergie (E k ) und potentielle- oder Lagenenergie (E p ).<br />

– Je grösser Masse und Geschwindigkeit eines Teilchens sind, desto grösser ist die<br />

kinetische Energie.<br />

E k = m · v2<br />

2<br />

m: Masse v: Geschwindigkeit<br />

– Die potentielle Energie von Teilchen, die <strong>sich</strong> anziehen (z.B. Protonen und Elektronen),<br />

ist umso grösser, je weiter die Teilchen voneinander entfernt sind. Stossen<br />

<strong>sich</strong> Teilchen ab (z.B. Elektronen), so nimmt die potentielle Energie zu, je<br />

geringer der Abstand zwischen den Teilchen ist.<br />

4 . 2 G a s g e s e t z e ; m o l a r e s V o l u m e n<br />

Das Volumen V eines Gases ist abhängig vom Druck p und der Temperatur t<br />

(für die Celsiustemperatur), wobei der Druck folgendermassen definiert ist:<br />

– Druck: Zeichen: p; Verknüpfung: Druck = Kraft , p = F ; Einheit Pa<br />

Flächeneinheit A<br />

– Pa: Pascal 1 Pa = 1 N = 1 kg 1 Pa = 10 –5 bar<br />

m 2 m · s 2<br />

– Normdruck: p n = 101 325 Pa (= 1013 mbar = 1,013 bar)<br />

Um die Gesetzmässigkeit zwischen Volumen, Druck und Temperatur eines<br />

Gases quantitativ zu erfassen, misst man in einem ersten Schritt die Abhängigkeit<br />

des Volumens einer gegebenen Stoffmenge von der Temperatur bei konstantem<br />

Druck. Das dabei erhaltene Gay-Lusac-Gesetz lautet:<br />

V t = V 0 1 +<br />

t<br />

273,15 °C<br />

V t : Volumen einer bestimmten Gasmenge bei der Temperatur t<br />

V 0 : Volumen bei der Temperatur t = 0 °C<br />

t: Temperatur in °C<br />

95


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Die Interpretation des Gesetzes zeigt, dass <strong>sich</strong> bei einer Temperaturänderung<br />

um 1 °C das Volumen des betrachteten Gases um 1/273,15 des Volumens bei<br />

0 °C ändert. Abb. 4.2 veranschaulicht die Beziehung zwischen Volumen V und der<br />

Temperatur t eines idealen Gases 2 . Dabei wurde die Gerade bis zum Schnittpunkt<br />

mit der Abszisse verlängert.<br />

v<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

°C<br />

-80 -60 -40 -20 20 40 60 80<br />

-300 -273.15 -200<br />

-100 0 100<br />

Abb. 4.2 Graphische «Herleitung» der absoluten Temperaturskala<br />

Der Schnittpunkt der Geraden mit der Abszisse (Temperaturachse) bedeutet,<br />

dass das Volumen jedes idealen Gases bei der Temperatur t = –273,15 °C null<br />

wäre. Diese Interpretation ist jedoch nur eine formale mathematische Operation,<br />

da bei tiefen Temperaturen die Gase bereits in den flüssigen Zustand übergegangen<br />

sind. Das Gay-Lusac-Gesetz ist in diesen Temperaturbereichen nicht mehr gültig.<br />

Trotzdem hat es <strong>sich</strong> als sinnvoll erwiesen, den Schnittpunkt mit der Abszisse als<br />

neuen Nullpunkt einer Temperaturskala zu wählen, die als absolute Temperaturskala<br />

bezeichnet wird.<br />

Die Temperaturdifferenzen sind in beiden Skalen (absolute- und Celsius-<br />

Skala) gleich.<br />

Absolute Temperatur:<br />

Zeichen: T Einheit: K (Kelvin)<br />

Absoluter Nullpunkt: T = 0; t = –273,15 °C<br />

Berechnung der Celsius- aus der absoluten Temperatur: t = T – 273,15<br />

Berechnung der absoluten aus der Celsius-Temperatur: T = t + 273,15<br />

2 Ideal ist ein Gas dann, wenn das Volumen der Gasteilchen im Vergleich zu ihren gegenseitigen Abständen verschwindend<br />

klein ist und praktisch keine Kräfte zwischen den Teilchen wirken.<br />

96


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Das Gay-Lusac-Gesetz lässt <strong>sich</strong> in einer sehr einfachen Form darstellen,<br />

wenn man die absolute Temperatur an Stelle der Celsius-Skala verwendet:<br />

V 1<br />

= V 2<br />

oder V = konstant<br />

T 1<br />

T 2<br />

T<br />

Herleitung:<br />

V t<br />

= V 0 o<br />

+ t<br />

1 +<br />

273,15°C<br />

t = T –273,15 T o<br />

= 273,15 (0°C)<br />

V T<br />

= V T0<br />

1+ T –273,15 K = V T0<br />

1 + T – 273,15 K<br />

273,15 K 273,15 K 273,15 K<br />

V T<br />

= V T0<br />

T V T = V T 0<br />

T 0<br />

T T 0<br />

Überprüft man den Zusammenhang zwischen Druck p und Volumen V einer<br />

bestimmten Gasmenge, so ergibt <strong>sich</strong> eine einfache Beziehung:<br />

p 1 · V 1 = p 2 · V 2<br />

p · V = konstant Boyle-Mariotte-Gesetz<br />

Wird also z.B. der Druck auf eine bestimmte Gasmenge verdoppelt, so halbiert<br />

<strong>sich</strong> das Volumen.<br />

0 P<br />

Die Gesetze von Gay-Lusac und Boyle-Mariotte lassen <strong>sich</strong> zur allgemeinen<br />

Gasgleichung verknüpfen. Dabei geht man von einer bestimmten Gasmenge aus,<br />

deren Druck, Volumen und Temperatur gegeben sind (p 0 , V 0 , T 0 ). Anschliessend<br />

V 0<br />

wird bei gleichbleibender Temperatur der Druck verändert (p 1 ). Das neue Volumen<br />

V ' 1 berechnet <strong>sich</strong> nach der Beziehung p · V = konstant. Nun bleibt in einem zweiten<br />

T<br />

Schritt der Druck p 1 unverändert, während die Temperatur 0<br />

ihren Wert wechselt (T 1 ).<br />

Das Gesetz V/T = konstant ermöglicht die Berechnung des neuen Volumens V 1 .<br />

P 0<br />

V 0<br />

T 0<br />

a) geg.: p 0 V 0 T 0 b) geg.: p 1 T 0 ges.: V ' 1<br />

p 0 · V 0 = p 1 · V ' 1<br />

V 1<br />

V ' 1 = p o · V 0<br />

p<br />

T 1<br />

0<br />

P 1<br />

P 1<br />

P 1<br />

97


V 1<br />

T 0<br />

B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

P 1<br />

c) geg.: p 1 T 1 ges.: V 1<br />

V 1<br />

V 1<br />

'<br />

= V 1 mit V1 ' = p o · V 0<br />

T 0 T 1 p 1<br />

T 1<br />

p 0 · V 0 = V 1 ➝ p o · V o = p 1 · V 1<br />

p 1 · T o T 1 T 0 T 1<br />

➝ p · V = konstant<br />

T<br />

allgemeine Gasgleichung<br />

Beispiel:<br />

Gegeben sind 22,4 Liter (V 1 ) eines gasförmigen Stoffs bei T 1 = 273,15 K und<br />

Normdruck. <strong>Wie</strong> gross ist das Volumen dieses Stoffs, wenn die Temperatur auf T 2 =<br />

297,15 K bei gleichbleibendem Druck erhöht wird?<br />

Da der Druck konstant bleibt, vereinfacht <strong>sich</strong> die allgemeine Gasgleichung<br />

zu V = konstant. Mit V 1 = 22,4 L, T 1 = 273,15 K und T 2 = 297,15 K erhält man:<br />

T<br />

V 1 = V 2 V2 = V 1 · T 2 V2 = 22,4 L · 297,15 K = 24,37 L<br />

T 1 T 2 T 1 273,13 K<br />

Da Druck und Volumen eines Gases von der Stoffmenge abhängen, kann die<br />

allgemeine Gasgleichung erweitert werden.<br />

p · V = n · R · T n: Stoffmenge in mol R: Konstante<br />

Die Konstante R lässt <strong>sich</strong> bei gegebenen Werten für p, V, n und T berechnen:<br />

V = 0,022414 m 3 (Volumen von einem Mol eines Gases bei 0 °C und Normdruck)<br />

T = 273,15 K (0 °C)<br />

p n = 101 325 Pa (Normdruck)<br />

n = 1 mol (Stoffmenge)<br />

R = p · V = 101 325 · 0,022414 = 8,31447 J/(K · mol)<br />

n · T 1 · 273,15<br />

Einheit von R:<br />

kg · m 3 = kg · m 2 = J<br />

m · s 2 · mol · K s 2 · mol · K K · mol<br />

98


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

– Universelle Gaskonstante:<br />

Zeichen: R Einheit: J/(K · mol)<br />

R = 8,31447 J/(K · mol)<br />

Die Beziehung zwischen p, V, R, n und T bezeichnet man als Zustandsgleichung<br />

idealer Gase.<br />

– Zustandsgleichung idealer Gase:<br />

Das Produkt aus Druck p und Volumen V eines idealen Gases ist proportional<br />

zur absoluten Temperatur T des Gases und zur Gasmenge gemessen in Mol.<br />

p · V = n · R · T<br />

p in Pa, V in m 3 , n in mol, T in K<br />

Beispiel:<br />

Welches Volumen besitzen 0,48 mol eines Gases bei t = 20 °C und Normdruck<br />

p n = 101 325 Pa?<br />

p · V = n · R · T<br />

Einheit für V:<br />

V = n · R · T V = 0.48 · 8,31447 · 293,15 = 0,012 m 3 = 12 L<br />

p 101325<br />

mol · kg · m 2 · K · m · s 2 = m 3<br />

s 2 · mol · K · kg<br />

Da die universelle Gasgleichung zwar die Stoffmenge, nicht aber die Art des<br />

Stoffes (Masse und Grösse der Teilchen) enthält, scheint das Volumen eines Gases<br />

nur von der Anzahl Teilchen abzuhängen. Diese Aussage, die <strong>sich</strong> bestätigt hat, wurde<br />

schon von A. Avogadro (1776–1856) formuliert.<br />

– Satz von Avogadro:<br />

Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten unter gleichen äusseren Bedingungen<br />

(Druck, Temperatur) die gleiche Anzahl Teilchen.<br />

– Molares Volumen:<br />

Volumen von 6,03 · 10 23 Teilchen eines gasförmigen Stoffs bei 0 °C und 101 325 Pa<br />

Zeichen: V m Einheit: L/mol V m = 22,4 L/mol<br />

99


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

4 . 3 V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e b e i c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n ; f r e i e<br />

A t o m e a l s A u s n a h e m e e r s c h e i n u n g i n d e r N a t u r<br />

Um herauszufinden, in welchem Volumenverhältnis zwei elementare gasförmige<br />

Stoffe miteinander reagieren, lässt man z.B. 40 cm 3 Wasserstoff mit 40 cm 3<br />

Sauerstoff zu flüssigem Wasser reagieren (Abb. 4.3). Nach der Reaktion bleiben 20<br />

cm 3 Sauerstoff übrig, der mit einer Glimmspanprobe nachgewiesen werden kann.<br />

Das bei der Reaktion entstandene gasförmige Wasser (∆H < 0) kondensiert zur Flüssigkeit,<br />

da die Glaskugel (40 cm 3 ) nur eine begrenzte Menge an gasförmigem Wasser<br />

(Wasserdampf) aufnehmen kann.<br />

Die beiden gasförmigen elementaren Stoffe Wasserstoff und Sauerstoff verbinden<br />

<strong>sich</strong> also im Volumenverhältnis 2:1 zu Wasser.<br />

Wasserstoff(g) + Sauerstoff(g) ➝ Wasser(l) ∆H < 0<br />

40 cm 3 20 cm 3<br />

2 V 1 V<br />

V: Volumeneinheit; im vorliegenden Fall entspricht 1 Volumeneinheit 20 cm 3<br />

Da nach dem Satz von Avogadro (Abschnitt 4.2) 40 cm 3 Wasserstoff doppelt<br />

so viele Teilchen (Atome) enthalten als 20 cm 3 Sauerstoff, ergibt <strong>sich</strong> für die<br />

kleinsten Wasserteilchen die Formel H 2 O. Der Index 2 beim Symbol H bedeutet,<br />

dass <strong>sich</strong> 2 Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom zu einem Wasserteilchen H 2 O<br />

verbunden haben.<br />

2 H + O ➝ H 2 O<br />

KP 1 Wasserstoff 40 cm 3 Kleine Kugel 40 cm 3<br />

Sauerstoff 40 cm3 KP 2<br />

Zur Hochspannung!<br />

Abb. 4.3 Versuchsanordnung zur Synthese von flüssigem Wasser (KP: Kolbenprober)<br />

100


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Ersetzt man in der Versuchsanordnung der Abb. 4.3 die kleine Reaktionskugel<br />

(V = 40 cm 3 ) durch eine grosse (V = 2,5 L: Abb. 4.4), so bleibt das bei der Reaktion<br />

von 40 cm 3 Wasserstoff mit 20 cm 3 Sauerstoff entstandene Wasser gasförmig. Die<br />

Reaktion der beiden Gasmengen ergibt 40 cm 3 gasförmiges Wasser.<br />

Wasserstoff(g) + Sauerstoff(g) ➝ Wasser(g) ∆H < 0<br />

40 cm 3 20 cm 3 40 cm 3<br />

2 V 1 V 2 V<br />

40 cm 3 Wasser(g) müssen also gleich viele Teilchen wie 40 cm 3 Wasserstoff<br />

(g) enthalten (Satz von Avogadro). Geht man davon aus, dass die elementaren Stoffe<br />

als einzelne Atome existieren (Atommodell nach Dalton, Abschnitt 2.1), so stellt <strong>sich</strong><br />

das Problem, dass aus 2 Wasserstoff-Atomen und 1 Sauerstoff-Atom nur gerade ein<br />

Wasserteilchen entstehen kann und nicht zwei, wie man nach dem Satz von Avogadro<br />

erwarten müsste.<br />

2 H + O ➝ H 2 O<br />

2 Atome 1 Atom 1 Wasserteilchen Vorstellung der Existenz<br />

von freien Atomen<br />

2 · 20 cm 3 20 cm 3 2 · 20 cm 3 experimentelles Ergebnis<br />

2 V 1 V 2 V<br />

Eine Lösung des Problems gab Avogadro 1811. Er ging von der Annahme<br />

aus, dass die kleinsten Teilchen der gasförmigen Elemente aus mehreren Atomen<br />

aufgebaut sind. Diese kleinsten Teilchen nannte Avogadro Moleküle. So existieren<br />

Grosse Kugel 2500 cm 3<br />

KP1<br />

Wasserstoff 40cm 3 Sauerstoff 20 cm 3 KP2<br />

Zur Hochspannung!<br />

Abb. 4.4 Versuchsanordnung zur Synthese von gasförmigem Wasser<br />

101


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

die elementaren Gase Wasserstoff und Sauerstoff als zweiatomige Moleküle, die<br />

mit den Formeln H 2 und O 2 beschrieben werden. Damit konnten die Teilchen- und<br />

Volumenverhältnisse der Reaktion Wasserstoff + Sauerstoff zur Übereinstimmung<br />

gebracht werden. Ausserdem wurde der Molekülbegriff auch auf alle Verbindungsteilchen<br />

ausgeweitet, die <strong>sich</strong> aus Nichtmetallatomen <strong>bilden</strong>.<br />

2 H 2 + O 2 ➝ 2 H 2 O<br />

2 Moleküle 1 Molekül 2 Moleküle Vorstellung der Existenz<br />

von Molekülen<br />

2 · 20 cm 3 20 cm 3 2 · 20 cm 3 experimentelles Ergebnis<br />

2 V 1 V 2 V<br />

Die drei Moleküle (drei Teilchen) der Ausgangsstoffe werden im Verlaufe der<br />

Reaktion in 6 Atome zerlegt (4 H- und 2 O-Atome), die <strong>sich</strong> dann zu 2 neuen Molekülen<br />

(2 Teilchen) Wasser verbinden. Da gleiche Volumina verschiedener Gase bei<br />

gleichen Bedingungen gleich viele Teilchen enthalten, entsprechen die Volumenverhältnisse<br />

der Reaktion den Teilchen- (Molekül-) Verhältnissen.<br />

Auch Stickstoff und Chlor existieren als zweiatomige Moleküle N 2 bzw. Cl 2 .<br />

Stickstoff und Wasserstoff reagieren im Volumenverhältnis 1:3, Chlor und Wasserstoff<br />

im Verhältnis 1:1 miteinander, wobei 2 Volumina Ammoniak (NH 3 ) bzw.<br />

2 Volumina Hydrogenchlorid (HCl) entstehen. Die dabei gebildeten Moleküle der<br />

Verbindungen haben somit die Formeln NH 3 bzw. HCl.<br />

N 2 (g) + 3 H 2 (g) ➝ 2 NH 3 (g)<br />

1 V 3 V 2 V<br />

Cl 2 (g) + H 2 (g) ➝ 2 HCl(g)<br />

1V 1 V 2 V<br />

– Das Volumenverhältnis, in dem gasförmige elementare Stoffe (Nichtmetalle)<br />

miteinander reagieren, entspricht dem Zahlenverhältnis der Atome in den Verbindungsmolekülen.<br />

– Moleküle sind in <strong>sich</strong> abgeschlossene Teilchen, die aus mindestens zwei Nichtmetallatomen<br />

entstanden sind. Sie werden mit Formeln beschrieben.<br />

– Die Moleküle von Nichtmetallen werden aus gleichen, die von Nichtmetallverbindungen<br />

aus mindestens zwei verschiedenen Atomsorten gebildet. Ihr Zahlenverhältnis<br />

in den Formeln gibt man mit Indices rechts der Symbole an. Eine 1<br />

wird nicht geschrieben.<br />

102


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

+ =<br />

2H 2 (g)<br />

O 2 (g)<br />

2H 2 O (g)<br />

Abb. 4.5 Volumen- und Teilchenzahlenverhältnisse bei der Reaktion Wasserstoff + Sauerstoff zu<br />

gasförmigem Wasser<br />

Beispiele:<br />

a) 2 H bedeutet 2 Atome Wasserstoff (2 Teilchen)<br />

b) H 2 bedeutet 1 Molekül Wasserstoff (1 Teilchen), aus 2 Wasserstoff-<br />

Atomen entstanden<br />

c) H 2 O bedeutet 1 Molekül Wasser (1 Teilchen), aus 2 H-Atomen und<br />

1 O-Atom entstanden<br />

d) 2 H 2 O bedeutet 2 Moleküle Wasser (2 Teilchen)<br />

– Alle Elemente, mit Ausnahme der Edelgase, existieren nicht als freie Atome.<br />

– Die meisten nichtmetallischen Elemente sind aus Molekülen aufgebaut (Ausnahmen<br />

z.B. Diamant und Graphit, Abschnitt 4.5),<br />

– Die Metalle <strong>bilden</strong> <strong>Atomverbände</strong> aus einer grossen (variablen) Zahl von Atomen.<br />

Beispiele von Molekülen:<br />

H 2 , S 8 , P 4 , C 60 , C 70<br />

Beim Aufstellen von Reaktionsgleichungen verwendet man normalerweise<br />

nur die Atomsymbole der Elemente mit Ausnahme der zweiatomigen Moleküle H 2 ,<br />

N 2 , O 2 , F 2 , Cl 2 , Br 2 , und I 2 .<br />

Beispiele:<br />

a) nicht 2 H + O ➝ H 2 O<br />

sondern 2 H 2 + O 2 ➝ 2 H 2 O<br />

b) nicht S 8 + 8 O 2 ➝ 8 SO 2<br />

sondern S + O 2 ➝ SO 2<br />

c) nicht n Mg + n O ➝ n MgO (n ist eine beliebig grosse Zahl)<br />

sondern 2 Mg + O 2 ➝ 2 MgO<br />

– Die Erkenntnis von Avogadro, dass die gasförmigen elementaren Stoffe wie Wasserstoff,<br />

Stickstoff oder Chlor im Normzustand (Normbedingungen) nicht als<br />

einzelne Atome existieren, gilt für alle Elemente (Metalle wie Nichtmetalle) mit<br />

Ausnahme der Edelgase (Hauptgruppe VIII A des Periodensystems).<br />

103


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

– Normzustand (Normbedingungen, Normalbedingungen):<br />

t n = 0 °C (T n = 273,15 K) p n = 1,013 bar = 1013 mbar = 101 325 Pa<br />

– Standardzustand<br />

t = 25 °C p = 1,013 bar<br />

– In der chemischen Fachsprache werden die Elemente durch ihre Symbole dargestellt.<br />

– Für die in der Natur vorkommenden zweiatomigen Elemente (H 2 , N 2 , O 2 , F 2 , Cl 2 ,<br />

Br 2 , und I 2 ) sowie für alle Verbindungen verwendet man Formeln. Indices rechts<br />

der Symbole geben das Zahlenverhältnis der Atome an, aus denen die Moleküle<br />

gebildet wurden.<br />

4 . 4 D i e R e a k t i o n e n z w i s c h e n E l e m e n t e n ; e i n e r s t e r<br />

Ü b e r b l i c k<br />

Mit Ausnahme der Edelgase sind in allen Stoffen, Elementen wie Verbindungen,<br />

die Atome zu grösseren Einheiten verknüpft. Diese Verknüpfung erfolgt<br />

nach bestimmten Gesetzmässigkeiten, die an Hand geeigneter <strong>Reaktionen</strong> gefunden<br />

werden können. Die dabei gewonnen Regeln lassen <strong>sich</strong> verstehen, wenn man an<br />

die Tatsache denkt, dass die Atome der Metalle die Aussenelektronen schwach und<br />

die der Nichtmetalle stark binden (Abschnitt 3.2). Anders formuliert, Metallatome<br />

geben ihre Valenzelektronen leicht ab, während die Atome der Nichtmetalle Elektronen<br />

aufnehmen können.<br />

Die Reaktion zwischen Metall- und Nichtmetall-Atomen (vgl. Kap. 5)<br />

Reagieren Metalle und Nichtmetalle miteinander, so kommt es aufgrund der<br />

unterschiedlichen Anziehungskräfte zu einem Elektronenübergang von den Metallzu<br />

den Nichtmetall-Atomen, wobei elektrisch geladene Teilchen (Ionen) entstehen.<br />

Die dabei gebildeten Verbindungen heissen Salze oder Ionenverbindungen.<br />

Um die entsprechenden Reaktionsgleichungen aufzustellen zu können, geht man<br />

nach folgenden Regeln vor:<br />

– Die Metallatome der Hauptgruppenelemente geben ihre Aussenelektronen vollständig<br />

ab, wobei positiv geladene Ionen entstehen.<br />

– Die Atome der Nichtmetalle ergänzen ihre äusserste Schale auf acht Elektronen,<br />

das Wasserstoffatom auf zwei. Dabei <strong>bilden</strong> <strong>sich</strong> negativ geladene Ionen.<br />

– Die Summe der positiven und negativen Ladungen der Ionen in einem Salz muss<br />

null ergeben. Dazu gibt man in der Formel durch Indices das entsprechende<br />

(kleinstmögliche) Zahlenverhältnis der Ionen an (eine eins wird nicht geschrieben).<br />

104


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

– In den Formeln von Salzen werden die positiven Ionen immer an erster Stelle<br />

geschrieben.<br />

– Die Atome der Übergangsmetalle können auch Elektronen der zweitäussersten<br />

Schale abgeben. Je nach Bedingungen und Reaktionspartner <strong>bilden</strong> sie unterschiedlich<br />

geladene Ionen.<br />

Beispiele:<br />

a) Natrium + Chlor<br />

Hilfsüberlegung mit der symbolischen Darstellung der Aussenelektronen (Abschnitt<br />

3.3):<br />

Na· + ·Cl Na + + Cl – NaCl<br />

gibt ein<br />

Elektron ab<br />

nimmt ein<br />

Elektron auf<br />

Das Natrium-Atom gibt sein Aussenelektron ab (Hauptgruppe IA), während das<br />

Chloratom (Hauptgruppe VIIA) dieses Elektron aufnimmt und seine äusserste<br />

Schale auf 8 ergänzt. Damit haben beide Ionen je eine einfache Ladung. Formel<br />

für Natriumchlorid: NaCl<br />

Reaktionsgleichung:<br />

Natrium wird mit dem Symbol Na und Chlor mit der Formel Cl 2 symbolisiert.<br />

2 Na + Cl 2 ➝ 2 NaCl<br />

Da Chlor aus zweiatomigen Molekülen besteht, muss vor der Formel des Salzes<br />

NaCl der Koeffizient 2 stehen. Somit sind für die Reaktion 2 Natrium-Atome nötig<br />

(eine Reaktionsgleichung muss auf beiden Seiten des Pfeils gleich viele Symbole<br />

der verschiedenen Atomsorten enthalten).<br />

b) Magnesium + Chlor<br />

Hilfsüberlegung:<br />

·Mg· +<br />

·Cl<br />

Mg 2+ + Cl – MgCl 2<br />

·Cl Cl –<br />

gibt zwei<br />

Elektron ab<br />

nehmen je ein<br />

Elektron auf<br />

Die beiden Aussenelektronen des Magnesium-Atoms (Hauptgruppe IIA) werden<br />

von zwei Chlor-Atomen aufgenommen. Dies ergibt Mg 2+ - und Cl – -Ionen<br />

und damit als Formel für Magnesiumchlorid MgCl 2 .<br />

105


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Reaktionsgleichung:<br />

Mg + Cl2 ➝ MgCl2<br />

c) Aluminium + Sauerstoff<br />

Hilfsüberlegung:<br />

·<br />

Al· ·O<br />

· · Al 3+<br />

· + ·O·<br />

+<br />

Al·<br />

· ·O<br />

Al 3+<br />

·<br />

O 2–<br />

O 2– Al 2<br />

O 3<br />

O 2–<br />

Da die Aluminium-Atome je drei Elektronen abgeben (Hauptgruppe IIIA), ein<br />

Sauerstoff-Atom jedoch nur zwei Elektronen aufnehmen kann (Hauptgruppe<br />

VIA), müssen zwei Aluminium-Atome mit drei Sauerstoff-Atomen reagieren.<br />

Damit werden gleich viele Elektronen abgegeben wie aufgenommen (kleinstes<br />

gemeinsames Vielfaches von 3 und 2 = 6). Auf zwei Al 3+ -Ionen kommen somit<br />

drei O 2– -Ionen. Formel von Aluminiumoxid: Al 2 O 3 .<br />

Reaktionsgleichung:<br />

4 Al + 3 O2 ➝ 2 Al2O3<br />

Damit auf beiden Seiten des Reaktionspfeils gleich viele Symbole Al und O stehen,<br />

sind drei O 2 - Moleküle nötig. Ausserdem muss vor der Formel Al 2 O 3 der<br />

Koeffizient 2 geschrieben werden. Dies bedingt vier Aluminium-Atome bei den<br />

Ausgangsstoffen.<br />

Die meist exotherm verlaufenden <strong>Reaktionen</strong> zwischen Metallen und Nichtmetallen<br />

liefern feste, salzartige Produkte (hohe t m und t b ), die den elektrischen<br />

Strom nicht leiten. Im Gegensatz dazu zeigen die Schmelzen sowie wässrigen Lösungen<br />

derartiger Verbindungen eine gute Leitfähigkeit. Bei der Elektrolyse einer<br />

Salzschmelze oder Salzlösung, bei der die Verbindung in die Elemente zerlegt wird,<br />

bildet <strong>sich</strong> am positiven Pol das ursprüngliche Nichtmetall (die negativen Nichtmetall-Ionen<br />

wandern zur Anode) und am negativen Pol das Metall (die positiven<br />

Metall-Ionen wandern zur Kathode).<br />

<strong>Wie</strong> bereits erwähnt, entstehen bei der Reaktion zwischen Metallen und<br />

Nichtmetallen negativ geladene Nichtmetall- und positiv geladene Metall-Ionen.<br />

Die Ionen ziehen <strong>sich</strong> auf Grund der nach allen Raumrichtungen wirkenden elektrischen<br />

Kräfte gegenseitig an, so dass keine kleinsten unabhängigen Teilchen wie<br />

Moleküle entstehen, sondern feste Stoffe mit einem dreidimensionalen Gitter, einem<br />

Ionen-Gitter. Wegen der starken Anziehungskräfte im festen Aggregatzustand sind<br />

die Ionen nicht beweglich. Erst in der Schmelze oder der wässrigen Lösung können<br />

sie zu den Polen einer Stromquelle wandern.<br />

106


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Die genauen Ladungen der Metall- und Nichtmetall-Ionen lassen <strong>sich</strong> mit<br />

Hilfe quantitativer Auswertung der Elektrolyse von Salzschmelzen erhalten. Dazu<br />

misst man Zeit, Stromstärke und Masse der gebildeten Elemente.<br />

– Bei der Reaktion zwischen Metallen und Nichtmetallen findet ein Elektronenübergang<br />

statt, wobei positive Metall- und negative Nichtmetall-Ionen entstehen.<br />

– Verbindungen, die im festen Zustand aus Ionen bestehen, nennt man Ionenverbindungen<br />

oder Salze (nach dem bekanntesten Beispiel, dem Kochsalz).<br />

– Der Zusammenhalt der Ionen innerhalb der Verbindung wird durch elektrische<br />

Kräfte zwischen den Ionen bewirkt, der Ionenbindung.<br />

– Ein Salz wird durch eine Formel (eine Formeleinheit) symbolisiert. Sie gibt die<br />

Zusammensetzung der kleinsten Einheit eines Salzes und damit das kleinstmögliche<br />

elektrisch neutrale Zahlenverhältnis der Ionen an.<br />

Die Reaktion zwischen Nichtmetall-Atomen (vgl. Kap. 6)<br />

Die Nichtmetalle, mit Ausnahme der Edelgase, existieren in Form von Molekülen<br />

wie H 2 , Cl 2 , O 2 , S 8 , P 4 usw. (Ausnahmen wie Graphit und Diamant siehe<br />

Abschnitt 4.5). Auch bei der Reaktion zwischen den Atomen verschiedener Nichtmetalle<br />

entstehen Moleküle mit charakteristischer Zusammensetzung: HF, H 2 O,<br />

NH 3 , CH 4 ...<br />

Auffällig ist, dass die Anzahl der Wasserstoff-Atome, die die Atome der 2.<br />

Periode binden, der Anzahl einfach besetzter Wolken auf der Valenzschale entspricht:<br />

Tabelle 4.1 Wasserstoffverbindungen |F· der Elemente der 2. Periode<br />

Element Symbol mit den |F· Aussenelektronen Verbindungsmolekül<br />

|F·<br />

Fluor<br />

|F· |O· ·<br />

HF<br />

|O·<br />

Sauerstoff<br />

|O·<br />

·<br />

H 2 O<br />

|O· |N·<br />

·<br />

Stickstoff<br />

|N·<br />

·<br />

NH 3<br />

|N· ·<br />

Kohlenstoff<br />

|N· ·C·<br />

·<br />

CH 4<br />

·C·<br />

·<br />

·C·<br />

·<br />

·C·<br />

·<br />

Reagieren Nichtmetallatome miteinander, so überlagern <strong>sich</strong> einfach besetzte Elektronenwolken<br />

der äussersten Schale zu gemeinsamen, doppelt besetzten Wolken.<br />

107


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Beispiele:<br />

a) Die Reaktion zwischen Wasserstoff-Atomen:<br />

H· + ·H H — H (H 2<br />

)<br />

Die beiden einfach besetzten Wolken der beiden Wasserstoff-Atome überlagern<br />

<strong>sich</strong> zu einer beiden Atomen gehörenden gemeinsamen Elektronenwolke.<br />

b) Wasserstoff + Sauerstoff<br />

Hilfsüberlegung:<br />

H·<br />

·O·<br />

·H |O — H (H 2<br />

O)<br />

H<br />

Die beiden einfach besetzten Wolken eines Sauerstoff-Atoms können zwei Wasserstoff-Atome<br />

binden, von denen jedes eine einfach besetzte Wolke aufweist.<br />

Die Formel der Verbindung Wasser ist damit H 2 O.<br />

Reaktionsgleichung:<br />

2 H 2 + O 2 ➝ 2 H 2 O<br />

Da Wasserstoff und Sauerstoff als zweiatomige Moleküle existieren und in den<br />

Reaktionsgleichungen auch so geschrieben werden, können <strong>sich</strong> aus einem Sauerstoff-Molekül<br />

zwei Wasser-Moleküle <strong>bilden</strong>. Dazu sind 2 Wasserstoff-Moleküle<br />

nötig. Auf beiden Seiten des Reaktionspfeils müssen, wie schon erwähnt,<br />

gleich viele Symbole der beiden elementaren Stoffe stehen:<br />

2 H 2 = 4 H-Atome<br />

O 2 = 2 O-Atome<br />

2 H 2 O: 4 H- und 2 O-Atome<br />

c) Kohlenstoff + Wasserstoff:<br />

Hilfsüberlegung:<br />

H<br />

H<br />

·<br />

H· ·C· ·H H — C — H (CH 4<br />

)<br />

H··<br />

H<br />

Reaktionsgleichung:<br />

C + 2 H 2 ➝ CH 4<br />

Der Kohlenstoff, der u.a. C 50 - und C 60 -Moleküle bildet, sowie in Form von<br />

Atomgittern auftritt (Diamant, Graphit), wird ausschliesslich durch das Symbol<br />

C dargestellt.<br />

108


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

d) Die Reaktion zwischen Sauerstoff- bzw. Stickstoff-Atomen<br />

3<br />

O: + :O O O<br />

(O 2<br />

)<br />

|N· + ·N| |N N| (N 2<br />

)<br />

·<br />

·<br />

·<br />

·<br />

Zwei Nichtmetallatome können auch zwei bzw. drei gemeinsame Elektronenwolken<br />

<strong>bilden</strong>. Man spricht dann, im Gegensatz zu den Einfachbindungen (ein<br />

gemeinsames Elektronenpaar), von Doppel- und Dreifachbindungen.<br />

– Moleküle entstehen durch Überlagerung von einfach besetzten Elektronenwolken<br />

zu gemeinsamen, doppelt besetzen Wolken. Die Moleküle sind elektrisch<br />

neutral, da kein Elektronenübergang wie bei der Reaktion zwischen Metall- und<br />

Nichtmetallatomen stattfindet. Sie haben eine bestimmte, konstante Zusammensetzung<br />

und sind in <strong>sich</strong> abgeschlossen, da sie normalerweise keine weiteren<br />

Atome mehr binden können. Der Zusammenhalt der Atome in den Molekülen<br />

erfolgt durch elektrische Anziehungskräfte zwischen zwei positiven Atomrümpfen<br />

und den zweifach negativ geladenen gemeinsamen Elektronenpaaren.<br />

– Die Bindungsart zwischen Nichtmetallatomen heisst Atombindung oder Elektronenpaarbindung,<br />

die dabei entstehenden Stoffe sind Elementmoleküle (H 2 , O 2 ,<br />

N 2 ...) bzw. Molekülverbindungen (molekulare Verbindungen; H 2 O, NH 3, CH 4 ...).<br />

– Je nach der Anzahl gemeinsamer Elektronenpaare wird zwischen Einfach-, Doppel-<br />

und Dreifachbindung unterschieden (Cl Cl; O O; N N).<br />

Moleküle lassen <strong>sich</strong> mit Hilfe von Lewis-Formeln darstellen, in denen die<br />

Verknüpfung der Atome durch Striche (doppelt besetzte Elektronenwolken) gekennzeichnet<br />

wird. Die nicht bindenden Elektronenpaare werden in den Lewis-Formeln<br />

häufig nicht geschrieben.<br />

Beispiele:<br />

H — H<br />

|Cl — Cl| oder Cl — Cl<br />

|O — H oder O — H<br />

H<br />

H<br />

Lewis-Formeln geben die Verknüpfung von Nichtmetall-Atomen in Molekülen an.<br />

3 Die hier gezeichnete Formel gibt den wahren Zustand des Sauerstoff-Moleküls nicht richtig wieder. Dieser lässt <strong>sich</strong> mit<br />

den in diesem Buch verwendeten Modellen nicht darstellen<br />

109


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Die Bindung zwischen Metallatomen (vgl. Kap. 7)<br />

Typische Metallatome binden ihre Aussenelektronen nur sehr schwach (vgl.<br />

IE-Tabelle, Abschnitt 3.2). Nähern <strong>sich</strong> Metallatome einander, so kommt es weder zu<br />

einem Elektronenübergang noch zur Ausbildung gemeinsamer Elektronenwolken.<br />

Modellmässig kann man <strong>sich</strong> vorstellen, dass die positiven Atomrümpfe ein Gitter<br />

<strong>bilden</strong>, das durch die nahezu frei beweglichen Aussenelektronen zusammengehalten<br />

wird. Sie gehören, im Gegensatz zu den Atombindungen, nicht zwei bestimmten,<br />

sondern allen Atomrümpfen an. In diesem Zusammenhang spricht man auch von<br />

einem «Elektronengas» (Elektronengasmodell).<br />

Abb. 4.6 Modellhafte Darstellung des Elektronengases<br />

Da die Elektronen des «Gases» leicht beweglich sind, leiten Metall den elektrischen<br />

Strom. Dies ist bei den festen Salzen, den Nichtmetallen (Ausnahme Graphit)<br />

und den Molekülverbindungen nicht der Fall.<br />

Je nach Ladung und Grösse der Atomrümpfe <strong>bilden</strong> <strong>sich</strong> Atomgitter mit unterschiedlichen<br />

Strukturen und Eigenschaften (Abschnitte 7.1 und 7.2).<br />

Die Erklärung der Bildung von Ionen, Element- und Verbindungsmolekülen<br />

sowie von Atomgittern führte zu einem tieferen Verständnis chemischer <strong>Reaktionen</strong>:<br />

Bei chemischen <strong>Reaktionen</strong> kommt es zu einer Elektronenverschiebung und damit<br />

verknüpft zu einer Umgruppierung von Atomen.<br />

110


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

4 . 5 D i e E r s c h e i n u n g s f o r m e n d e s K o h l e n s t o f f s<br />

Kohlenstoff kommt in drei verschiedenen Formen (Modifikationen) vor, die<br />

<strong>sich</strong> in ihren Eigenschaften sehr stark voneinander unterscheiden: Graphit, Diamant<br />

und Fullerene.<br />

Graphit<br />

Die bei Raumtemperatur stabile Form des Kohlenstoffs ist Graphit, der <strong>sich</strong><br />

beim Erhitzen von Diamant (unter Luftabschluss) in einer schwach exothermen Reaktion<br />

bildet. Er kommt auf Sri Lanka, Madagaskar und in den USA natürlich vor,<br />

bildet graue, glänzende, <strong>sich</strong> fettig anfühlende Massen und leitet den elektrischen<br />

Strom. Seine Kristalle sind blättrig spaltbar. Grosse Mengen Graphit werden künstlich<br />

hergestellt, indem man feingepulverten Koks längere Zeit auf 2500 °C erhitzt.<br />

Durch thermische Zersetzung von Kohlenwasserstoffen (Verbindungen aus den<br />

Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff) lässt <strong>sich</strong> ebenfalls Graphit gewinnen. Er<br />

wird als temperaturbeständiges Schmiermittel, mit Kaolin (Tonerde) vermischt zur<br />

Herstellung von Bleistiftminen, für Elektroden, Tiegel und schliesslich als Moderator<br />

in Kernreaktoren verwendet.<br />

Graphit kristallisiert in einem Atomgitter. Die Kohlenstoffatome ordnen <strong>sich</strong><br />

dabei zu ebenen Schichten, in denen jedes Atom mit drei anderen durch Atombindung<br />

verbunden ist (Abb. 4.7). Das jeweils vierte Aussenelektron jedes Kohlenstoff-<br />

Atoms ist innerhalb einer Schicht mehr oder weniger frei beweglich. Eine solche<br />

Schicht stellt gewissermassen ein «zweidimensionales Metall» dar. Dies erklärt die<br />

elektrische Leitfähigkeit, den Glanz und die Farbe. Zwischen den Schichten wirken<br />

schwache Kräfte. Darauf beruht die ausgesprochen blättrige Spaltbarkeit.<br />

670pm<br />

616pm<br />

Abb. 4.7 Schematische Darstellung des Diamant- (links) und Graphitgitters (rechts)<br />

111


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Diamant<br />

Bei der Verwandlung von Graphit in Diamant, die 1953 technisch gelungen<br />

ist, müssen die ebenen Schichten einander so stark genähert werden, dass die vierten<br />

«freien» Elektronen der Kohlenstoff-Atome Atombindungen aus<strong>bilden</strong>. Dabei verschwindet<br />

die ebene Anordnung der Atome in einer Schicht. Diamant entsteht deshalb<br />

nur unter sehr hohem Druck aus Graphit (etwa 10 5 bar). Diamant bildet ebenfalls<br />

ein Atomgitter, in dem jedes Kohlenstoff-Atom mit vier anderen verbunden ist.<br />

(Abb. 4.7). Die Elektronenpaarbindungen sind sehr stark und bedingen die grosse<br />

Härte, ausserordentlich hohe Schmelz- und Siedetemperaturen sowie die Unlöslichkeit<br />

in Wasser und anderen Lösemitteln.<br />

Rund 40 % der heute verwendeten Industriediamanten sind künstlich (synthetisch)<br />

hergestellt. Als Schmucksteine (Brillanten) eignen <strong>sich</strong> aus Graphit hergestellte<br />

Diamanten nicht, da sie zu klein und häufig gefärbt sind. Die wichtigsten Diamantenfundstätten<br />

liegen in Südafrika, im Kongogebiet, in Südamerika (Brasilien)<br />

und in Russland.<br />

Tabelle 4.2 Vergleich der wichtigsten Eigenschaften von Graphit<br />

und Diamant<br />

Diamant<br />

Graphit<br />

sehr hart (Mohs-Skala Härte 10) sehr weich (Mohs-Skala 1–2)<br />

farblos, stark lichtbrechend<br />

schwarz, undurch<strong>sich</strong>tig<br />

keine elektrische Leitfähigkeit elektrisch leitfähig<br />

oktaedrisch spaltbar;<br />

sehr leicht blättrig spaltbar<br />

Spaltbarkeit schlecht<br />

Verbrennungswärme 394,1 kJ/mol Verbrennungswärme 391,2 kJ/mol<br />

Verwendung als Bohrer, zum Verwendung als Schmiermittel (für hohe<br />

Schneiden und Schleifen, als Achs- Temperaturen), für Elektroden und<br />

lager für Präzisionsapparate. Klare, Schmelztiegel, Bleistiftminen aus<br />

geschliffene Diamanten (Brillanten) Mischungen von Graphit und Ton<br />

als Edelsteine<br />

Fullerene<br />

Seit 1985 sind weitere, interessante Modifikationen von Kohlenstoff entdeckt<br />

worden, die Fullerene. Sie <strong>bilden</strong> Moleküle aus einer bestimmten Zahl von Kohlenstoff-Atomen.<br />

Zuerst entdeckte man das Buckminsterfulleren C 60 4 , das im Aufbau<br />

einem Fussball gleicht (Abb. 4.8). Es entsteht beim Verdampfen von Graphit z.B. in<br />

einem Laserstrahl, ist aber auch im Russ enthalten, der bei der Verbrennung von<br />

4 Benannt nach dem amerikanischen Architekten R. Buckminster Fuller, der für seine grossen freitragenden Kuppelbauten<br />

berühmt ist.<br />

112


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Benzol (C 6 H 6 ) entsteht. Das Buckminsterfulleren ist der stabilste Vertreter einer<br />

Reihe weiterer ähnlicher Moleküle.<br />

Abb. 4.8 Molekülstruktur von C 60. Auf jeder der 60 Ecken sitzt ein Kohlenstoff-Atom; Fussball aus<br />

Fünf- und Sechsecken<br />

4 . 6 D i e B e n e n n u n g v o n b i n ä r e n V e r b i n d u n g e n<br />

Verbindungen, die aus zwei Elementen entstanden sind, nennt man binäre<br />

Verbindungen (binarius lat. = zwei enthaltend). Sie erhalten, mit wenigen Ausnahmen<br />

wie z.B. Wasser, systematische Namen, die nach folgenden Regeln hergeleitet<br />

werden:<br />

a) An den Namen des ersten Elements fügt man den Stamm des zweiten Elements<br />

mit der Endung -id an, wobei in verschiedenen Fällen von lateinischen Namen<br />

ausgegangen wird.<br />

Calciumoxid: CaO<br />

b) Die in den Formeln auftretenden Indices werden bei den Molekülverbindungen<br />

mit den griechischen Zahlwörtern ausgedrückt. Sie stehen vor den Elementnamen.<br />

Schwefeldioxid: SO 2<br />

c) Bei den Metall-Nichtmetallverbindungen der Hauptgruppenelemente steht an<br />

erster Stelle immer der Name des Metalls. Auf die Angabe der Indices mit griechischen<br />

Zahlwörtern wird verzichtet, da das Zahlenverhältnis der Ionen durch<br />

die Ladungen (Nummer der Hauptgruppe) bestimmt ist.<br />

Aluminiumoxid: Al 2 O 3<br />

d) Die Zahl der Elementarladungen eines Ions gibt man mit einer arabischen Ziffer<br />

an und stellt sie dem Vorzeichen der Ladung voran.<br />

Al 3+ , O 2–<br />

e) Wenn – wie bei vielen Übergangsmetallen (Nebengruppenelementen) – die<br />

Metall-Ionen verschiedene Ladungen tragen können, bringt man die in der betreffenden<br />

Verbindung tatsächlich vorhandene Ladung durch römische Zahlen<br />

zum Ausdruck. Die Ladung des Metall-Ions ergibt <strong>sich</strong> aus den Ladungen der<br />

Nichtmetall-Ionen.<br />

Uran(VI)-fluorid: UF 6<br />

113


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

f) Das Symbol des elektronegativeren Elements steht in den Molekülformeln an<br />

zweiter Stelle [Elektronegativität (EN) vgl. Abschnitt 5.3; die EN-Werte sind im<br />

Periodensystem unten rechts im Kasten des jeweiligen Elements angegeben. Je<br />

grösser der Zahlenwert ist, desto grösser ist die EN].<br />

Dichloroxid: Cl 2 O<br />

g) Die Symbole der Elemente der Hauptgruppen IV A und V A stehen immer zuerst.<br />

CH 4 , NH 3<br />

Griechische Zahlwörter:<br />

1 2 3 4 5<br />

mono- di- tri- tetra penta<br />

6 7 8 9 10<br />

hexa- hepta- octa- nona- deca-<br />

Lateinische Namen verschiedener Elemente sowie deren Stammname mit<br />

der Endung -id:<br />

Wasserstoff Hydrogenium -hydrid<br />

Sauerstoff Oxygenium -oxid<br />

Schwefel Sulfurum -sulfid<br />

Stickstoff Nitrogenium -nitrid<br />

Phosphor Phosphorum -phosphid<br />

Kohlenstoff Carboneum -carbid<br />

Beispiele:<br />

a) Molekülverbindungen<br />

Formel systematischer Name gebräuchlicher Trivialname<br />

NO 2 Stickstoffdioxid<br />

N 2 O 4 Distickstofftetraoxid<br />

P 4 O 10 Tetraphosphordecaoxid<br />

PH 3 Phosphortrihydrid<br />

NH 3 (Stickstofftrihydrid) Ammoniak<br />

SO 3 Schwefeltrioxid<br />

N 2 O 5 Distickstoffpentaoxid<br />

H 2 O (Diwasserstoffoxid) Wasser<br />

H 2 S (Dihydrogensulfid) Schwefelwasserstoff<br />

HF<br />

Hydrogenfluorid<br />

HCl Hydrogenchlorid<br />

CCl 4 Kohlenstofftetrachlorid Tetrachlorkohlenstoff<br />

CO Kohlenstoffmonoxid<br />

CO 2 Kohlenstoffdioxid<br />

114


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

b) Salze von Hauptgruppenmetallen<br />

Formel systematischer Name Trivialname<br />

NaCl Natriumchlorid Kochsalz<br />

MgO Magnesiumoxid<br />

CaCl 2 Calciumchlorid<br />

Al 2 O 3 Aluminiumoxid<br />

NaH Natriumhydrid<br />

c) Salze von Nebengruppenelementen<br />

Formel Ladung des Metall-Ions systematischer Name<br />

FeCl 2 Fe 2+ Eisen(II)-chlorid<br />

(gelesen: Eisen-zwei-chlorid)<br />

FeCl 3 Fe 3+ Eisen(III)-chlorid<br />

Fe 2 O 3 Fe 3+ Eisen(III)-oxid<br />

Cu 2 O Cu + Kupfer(I)-oxid<br />

CuO Cu 2+ Kupfer(II)-oxid<br />

4 . 7 M a s s e n - , V o l u m e n - u n d S t o f f m e n g e n v e r h ä l t n i s s e<br />

b e i c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n<br />

In der chemischen Fachsprache werden die Elemente durch ihre Symbole<br />

dargestellt (S, P, C, Fe, Ag…). Formeln verwendet man für die in der Natur vorkommenden<br />

mehratomigen Elementmoleküle sowie für alle Verbindungen (Abschnitt<br />

4.6; H 2 , N 2 , S 8 , H 2 O, NaCl…; in den Reaktionsgleichungen werden jedoch nur die<br />

zweiatomigen Elementmoleküle geschrieben).<br />

Symbole und Formeln charakterisieren aber auch die Massen von Atomen,<br />

Molekülen und Formeleinheiten (kleinstmögliche Einheit eines Salzes: z.B. NaCl,<br />

Al 2 O 3 ) sowie die Stoffmengen (in mol) und deren Volumen, wenn es <strong>sich</strong> um gasförmige<br />

Stoffe handelt (22,4 Liter bei 0 °C und 101 325 Pa; Abschnitt 4.2). Die nötigen<br />

Angaben enthält das Periodensystem.<br />

Beispiele:<br />

S<br />

S(s) 5<br />

H 2<br />

Element Schwefel; 1 Atom<br />

Element Schwefel; 1 Mol Schwefel (6,02 · 10 23 S-Atome)<br />

M(S) = 32,06 g/mol<br />

Element Wasserstoff; 1 Molekül Wasserstoff, gebildet aus<br />

2 H-Atomen<br />

5 Für Stoffmengen gibt man exakterweise den Aggregatzustand an. Es ist aber auch üblich, ein Mol eines Stoffs ohne den<br />

Aggregatzustand nur durch das Symbol oder die Formel darzustellen.<br />

115


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

H 2 (g) Element Wasserstoff; 1 Mol Wasserstoff (6,02 · 10 23 H 2 -Moleküle)<br />

M(H 2 ) = 2,02 g/mol; V(H 2 ) = 22,4 L/mol (bei Normbedingungen)<br />

H 2 O Wasser; 1 Molekül, gebildet aus 2 H-Atomen und 1 O-Atom<br />

H 2 O(l) Wasser; 1 Mol Wasser (6,02 · 10 23 H 2 O-Moleküle)<br />

M(H 2 ) = 18,02 g/mol<br />

NaCl Natriumchlorid (Kochsalz); Verhältnis Na + - zu Cl – -Ionen: 1:1<br />

NaCl(s) Natriumchlorid (Kochsalz); 1 Mol Natriumchlorid, bestehend aus<br />

1 mol Na + - und 1 mol Cl – -Ionen<br />

M(NaCl) = 58,44 g/mol<br />

Al 2 O 3 Aluminiumoxid; Verhältnis Al 3+ - zu O 2– -Ionen: 2:3<br />

Al 2 O 3 (s) Aluminiumoxid; 1 Mol Aluminiumoxid, bestehend aus<br />

2 mol Al 3+ - und 3 mol O 2– -Ionen<br />

M(Al 2 O 3 ) = 101,96 g/mol<br />

Mit Hilfe von Symbolen und Formeln lassen <strong>sich</strong> chemische <strong>Reaktionen</strong><br />

durch Gleichungen beschreiben (Abschnitt 4.1). Damit sind auch Aussagen über<br />

Stoffmengen, Massen, Volumina und Energieumsatz (Abschnitte 5.1 und 6.1) möglich.<br />

In einer Reaktionsgleichung müssen auf beiden Seiten des Reaktionspfeils<br />

gleich viele Symbole der verschiedenen Elemente stehen, da bei einer Reaktion weder<br />

neue Teilchen entstehen noch verschwinden können. Die dazu nötigen Koeffizienten<br />

(Zahlen vor den Symbolen und Formeln) stehen für die Stoffmengen bzw.<br />

Teilchenzahlen.<br />

Beispiele:<br />

H 2 :<br />

2 Symbole H<br />

2 H 2 : 4 Symbole H<br />

H 2 O: 2 Symbole H und 1 Symbol O<br />

2 H 2 O: 4 Symbole H und 2 Symbole O<br />

3 Al 2 O 3 : 4 Symbole Al und 6 Symbole O<br />

Beispiele für Reaktionsgleichungen:<br />

a) Wasserstoff + Sauerstoff<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l) 6 ∆H = 2 · (-241) kJ 7<br />

2 Moleküle 1 Molekül 2 Moleküle<br />

2 · 2,02 u 32 u 2 · 18,02 u<br />

2 · 3,355 · 10 –24 g 5,31 · 10 –23 g 2 · 2,993 · 10 –23 g<br />

6 Die Gleichung bezieht <strong>sich</strong> sowohl auf die Teilchenebene wie auch auf die umgesetzten Stoffmengen, auch wenn die<br />

Symbole für die Aggregatzustände angegeben sind.<br />

7 Die Reaktionsenthalpie lässt <strong>sich</strong> u.a. aus den Bindungsenergien berechnen (vgl. Abschnitt 6.1)<br />

116


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l) 6<br />

2 mol 1 mol 2 mol<br />

2 · 6,02 · 10 23 6,02 · 10 23 2 · 6,02 · 10 23<br />

Moleküle Moleküle Moleküle<br />

2 · 2,02 g 32 g 2 · 18,02 g<br />

2 · 22,4 L 22,4 L<br />

Die frei werdende Energie ∆H bezieht <strong>sich</strong> auf die Bildung von 2 mol flüssiges<br />

Wasser aus 2 mol Wasserstoff und 1 mol Sauerstoff.<br />

Die Reaktionsenthalpie ∆H berück<strong>sich</strong>tigt die in der Gleichung angegebenen Stoffmengen<br />

(«Formelumsatz») und ist vom Aggregatzustand der beteiligten Stoffe abhängig<br />

(zur Berechnung von ∆H siehe Abschnitte 5.1 und 6.1).<br />

b) Natrium + Chlor<br />

2 Na(s) + Cl 2 (g) ➝ 2 NaCl(s) ∆H = 2 · (-401) kJ<br />

2 Atome 1 Molekül 2 Formeleinheiten<br />

2 · 22,9 u 70,9 u 2 · 58,35 u<br />

2 · 3,804 · 10 –23 g 1,178 · 10 –22 g 2 · 9,693 · 10 –23 g<br />

2 mol 1 mol 2 mol<br />

2 · 6,02 · 10 23 6,02 · 10 23 2 · 6,02 · 10 23 Na + - und<br />

Atome Moleküle 2 · 6,02 · 10 23 Cl – -Ionen<br />

2 · 22,9 g 70,9 g 2 · 58,35 g<br />

22,4 L<br />

Reaktionsgleichungen dienen auch dazu, Massen-, Volumen- und Energieverhältnisse<br />

für beliebige Stoffmengen zu berechnen.<br />

Beispiele:<br />

a) <strong>Wie</strong> viel Gramm Wasser(l) entstehen, wenn 100 g Sauerstoff vollständig mit<br />

Wasserstoff reagieren?<br />

Aufstellen der Reaktionsgleichung:<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l)<br />

In der Aufgabenstellung sind die Massen von Wasser(l) und Sauerstoff enthalten.<br />

Die Reaktionsgleichung liefert dazu folgende Angaben:<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l)<br />

32 g 2 · 18,02 g<br />

Berechnung:<br />

32 g Sauerstoff liefern 2 · 18,02 g Wasser(l)<br />

100 g Sauerstoff liefern x g Wasser(l)<br />

117


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

32 g = 100 g x = 100 g · 2 · 18,02 g = 112,63 g Wasser(l)<br />

2 · , g x g<br />

b) <strong>Wie</strong> viel Wärme wird frei, wenn 150 Liter Wasserstoff mit Sauerstoff vollständig<br />

zu Wasser(l) reagieren (bei Normbedingen)?<br />

Reaktionsgleichung:<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l) ∆H < 0<br />

Die Reaktionsgleichung liefert folgende Angaben:<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(l) ∆H = 2 · (−241) kJ<br />

2 · 22,4 L<br />

Berechnung:<br />

2 · 22,4 Liter erzeugen 2 · (−241) kJ<br />

150 Liter erzeugen x kJ<br />

2 · 22,4 L = 150 L x = 150 L · 2 · 241 kJ = 1613,8 kJ<br />

2 · 241 kJ x 2 · 22,4 L<br />

c) <strong>Wie</strong> viel Gramm Kochsalz werden aus 7,5 mol Natrium gebildet?<br />

Reaktionsgleichung:<br />

2 Na(s) + Cl 2 (g) ➝ 2 NaCl(s)<br />

Die Reaktionsgleichung liefert folgende Aussagen:<br />

2 Na(s) + Cl 2 (g) ➝ 2 NaCl(s)<br />

2 mol 2 · 58,35 g<br />

Berechnung:<br />

2 mol Natrium <strong>bilden</strong> 2 · 58,35 g Kochsalz<br />

7,5 mol <strong>bilden</strong> x g Kochsalz<br />

2 mol = 7,5 mol x = 7,5 mol · 2 · 58,35 g = 437.63 g Kochsalz<br />

2 · 58,35 mol x 2 mol<br />

4 . 8 W a r u m l a u f e n c h e m i s c h e R e a k t i o n e n a b ?<br />

Warum reagiert Wasserstoff nach Zündung mit einer Flamme oder einem<br />

Funken bei Zimmertemperatur sehr heftig mit Sauerstoff? Weshalb kommt es bei<br />

Raumtemperatur zwischen Sauerstoff und Stickstoff zu keiner Reaktion? Warum<br />

gibt es überhaupt chemische <strong>Reaktionen</strong>? Die Beantwortung solcher Fragen nach<br />

der Ursache chemischer Vorgänge gehört zu den grundlegenden Problemen der<br />

Chemie.<br />

118


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Die Erfahrung lehrt, dass sehr viele exotherme Vorgänge von selbst eintreten,<br />

d.h. spontan (freiwillig) ablaufen (meist allerdings erst nach einer gewissen Aktivierung;<br />

Abschnitt 4.1). Offenbar besteht also bei chemischen <strong>Reaktionen</strong> – ebenso wie<br />

in der Mechanik – eine Tendenz zum Erreichen eines energieärmsten Zustands,<br />

also eines Zustands, dessen Gesamtenergie unter den betreffenden äusseren Bedingungen<br />

einen minimalen Wert hat: Prinzip vom Energieminimum.<br />

So reagieren Wasserstoff und Sauerstoff deswegen in einer exothermen Reaktion<br />

miteinander, weil die Atombindungen (die anziehenden Kräfte zwischen Atomrümpfen<br />

und gemeinsamen Elektronenpaaren) im Wassermolekül stärker sind als<br />

in den Ausgangsmolekülen (Abschnitt 6.1). Wassermoleküle sind also energieärmer<br />

(stabiler) als die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff.<br />

Nun gibt es aber viele endotherme Vorgänge, die freiwillig ablaufen. Dabei<br />

geht ein System spontan in einen energiereicheren Zustand über, obwohl dies dem<br />

Prinzip vom Energieminimum widerspricht. So lösen <strong>sich</strong> z.B. manche Salze endotherm<br />

in Wasser und Flüssigkeiten verdunsten unter Aufnahme von Energie. Sehr<br />

viele chemische <strong>Reaktionen</strong> sind zudem umkehrbar. Es stellt <strong>sich</strong> dann ein Gleichgewichtszustand<br />

ein, ganz unabhängig davon, ob er durch einen exothermen oder<br />

endothermen Vorgang erreicht wird (Abschnitt 8.2). Offenbar kann die Reaktionsenthalpie<br />

∆H nicht allein für den freiwilligen Ablauf einer chemischen Reaktion<br />

verantwortlich sein. Neben der frei werdenden Energie muss es vielmehr noch eine<br />

zweite Grösse dafür geben. Dies ist die von Clausius 8 eingeführte Entropie S. Sie<br />

kann als Mass für die Unordnung eines Systems interpretiert werden. Eine Zunahme<br />

der Unordnung begünstigt den freiwilligen Ablauf einer Reaktion: Prinzip vom<br />

Streben nach Zunahme der Unordnung.<br />

Eine etwas exaktere anschauliche Deutung der Entropie besteht darin, dass<br />

man sie als Mass für die Anzahl Möglichkeiten auffasst, wie <strong>sich</strong> eine bestimmte<br />

thermische Energiemenge (Wärmeenergie) auf die Teilchen eines Systems verteilen<br />

lässt. Je zahlreicher und freier die Teilchen eines Systems und je komplexer sie<br />

gebaut sind, desto mehr verschiedene Energieverteilungen sind möglich und desto<br />

grösser ist somit die Entropie des Systems.<br />

Im Gaszustand bewegen <strong>sich</strong> die Teilchen frei und können sowohl Translationsbewegungen<br />

(fortschreitende geradlinige Bewegung) wie auch Schwingungen<br />

und Rotationen ausführen. Im flüssigen Zustand ist die Teilchenbewegung hingegen<br />

eingeschränkt und im festen Zustand sind nur Schwingungen in einem kleinen<br />

Raumbereich möglich. Die Entropie einer Substanz nimmt daher beim Übergang<br />

fest – flüssig – gasförmig zu. Ebenso ist die Entropie zweiatomiger Gase (gleiche Bedingungen<br />

vorausgesetzt) grösser als die Entropie einatomiger Gase. Bei diesen ist<br />

die gesamte thermische Energie nur als Translationsenergie gespeichert, während<br />

8 R. Clausius (1822–1888), deutscher Physiker. Er führte 1865 den Begriff der Entropie ein.<br />

119


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

sie bei zweiatomigen Molekülen auf Translation, Rotation sowie auf die gegenseitige<br />

Schwingung der Atome verteilt ist.<br />

Auch wenn die Zahl der im Gaszustand vorhandenen Teilchen bei einer Reaktion<br />

wächst, ist die Reaktionsentropie positiv, weil nach der Reaktion mehr Möglichkeiten<br />

bestehen, die thermische Energie auf mehr Teilchen zu verteilen. Das<br />

«Gewicht» des Unordnungsfaktors wird darum umso grösser, je höher die Temperatur<br />

ist. So entstehen bei der Spaltung von Wasser in die Elemente aus einem<br />

Mol Wasser zwei Mol Wasserstoff und ein Mol Sauerstoff, also insgesamt drei Mol<br />

gasförmige Stoffe. Da damit die Entropie zunimmt, ist die Spaltung von Wasser bei<br />

hohen Temperaturen begünstigt: Der Entropieeffekt hat dann einen grösseren Einfluss<br />

als der Energiefaktor.<br />

So laufen beide <strong>Reaktionen</strong> bei den entsprechenden Temperaturen freiwillig<br />

ab:<br />

2 H 2 (g) + O 2 (g) ➝ 2 H 2 O(g) ∆H < 0 bei Raumtemperatur;<br />

geringe Abnahme der Entropie<br />

2 H 2 O(g) ➝ 2 H 2 (g) + O 2 (g) ∆H > 0 bei 1500 °C; starke Zunahme der<br />

Entropie<br />

– Der freiwillige Ablauf einer Reaktion wird sowohl durch die Reaktionsenthalpie<br />

als auch durch die Reaktionsentropie bestimmt.<br />

– Endotherme <strong>Reaktionen</strong> verlaufen nur dann freiwillig, wenn die Entropie stark<br />

zunimmt.<br />

– Exotherme Vorgänge laufen freiwillig ab, wenn die Entropie zunimmt oder nicht<br />

wesentlich abnimmt.<br />

– Da <strong>sich</strong> die Freiwilligkeit eines chemischen Vorgangs aus experimentellen und<br />

theoretischen Daten (Grundlage dazu ist die Thermodynamik, einem Teilgebiet<br />

der Chemie) berechnen lässt, spricht man auch von «thermodynamischer Freiwilligkeit».<br />

Die Synthese bzw. die thermische Zersetzung von Wasser zeigen, dass die<br />

Temperatur, bei der ein bestimmter Vorgang abläuft, darüber entscheidet, wie stark<br />

die Entropiezunahme (-abnahme) gegenüber der Reaktionsenthalpie ins Gewicht<br />

fällt. Beim absoluten Nullpunkt (Abschnitt 4.2) ist die Entropie ohne Einfluss. Mit<br />

steigender Temperatur wird die thermische Bewegung immer stärker, so dass die<br />

Bedeutung der Entropie wächst.<br />

(Thermodynamische) Freiwilligkeit eines chemischen Vorgangs bedeutet jedoch<br />

nicht, dass eine derartige Reaktion spontan, d.h. mit grosser Geschwindigkeit<br />

abläuft. So reagieren z.B. Stickstoff (N 2 ) und Wasserstoff (H 2 ) bei Raumtemperatur<br />

praktisch nicht miteinander zu Ammoniak (NH 3 ), obwohl es <strong>sich</strong> um eine (thermodynamisch)<br />

freiwillig ablaufende Reaktion handelt (exotherm, keine wesentliche<br />

120


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

Abnahme der Entropie). Die Wasserstoff- und Stickstoff-Moleküle haben die zur<br />

Reaktion nötige Aktivierungsenergie bei Raumtemperatur nicht (reaktionsträger<br />

Stickstoff wegen der Dreifachbindung im Stickstoffmolekül!). Das System N 2 /H 2 ist<br />

metastabil, obwohl das Produkt (Ammoniak) energieärmer als die Ausgangsstoffe<br />

ist.<br />

121


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Ü B U N G E N Z U M K A P I T E L 4<br />

4.1 Fotosynthese und Atmung sind typische Beispiele chemischer <strong>Reaktionen</strong>. Begründen<br />

Sie dies auf Stoffebene.<br />

4.2 Ergänzen Sie folgende Tabelle durch Kreuze in den zutreffenden Spalten.<br />

Vorgang <strong>Chemische</strong> Reaktion endotherm exotherm<br />

ja nein<br />

Rosten von Eisen<br />

Kondensation von Wasserdampf<br />

Verbrennen von Benzin<br />

Erstarren von Wasser zu Eis<br />

Sublimation von Iod<br />

Wasserstoffgas und Sauerstoffgas<br />

reagieren zu Wasser<br />

Verdampfen von Wasser<br />

4.3 Worin besteht der Unterschied zwischen dem Verdampfen von Wasser und der Zersetzung<br />

von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff?<br />

(Begründung auf Teilchenebene!)<br />

4.4 Was lässt <strong>sich</strong> über die Anzahl der kleinsten Wasserstoff- und Sauerstoff-Moleküle<br />

in 1 Liter Wasserstoff bzw. in 1 Liter Sauerstoff aussagen (Begründung)?<br />

4.5 In einem Liter Wasserstoffgas befinden <strong>sich</strong> bei Normaldruck 2,31 · 10 22 Teilchen. Ist<br />

die Temperatur in diesem Fall grösser oder kleiner als 0°C ?<br />

4.6 Sie haben ein unbekanntes Gas und wollen dessen molare Masse bestimmen. <strong>Wie</strong><br />

gehen Sie experimentell vor (kurze Erklärung des Experiments und die anschliessende<br />

allgemeine Berechnung)?<br />

4.7 Die Formel für die Verbindung Ammoniak ist NH 3 .<br />

a) In welchem Volumenverhältnis reagieren die beiden Gase Wasserstoff und Stickstoff<br />

zu Ammoniak (Begründung)?<br />

b) Welches Volumen hat der gasförmige Ammoniak, wenn Sie von den in 4.7a) genannten<br />

Volumenverhältnissen der Edukte ausgehen (Begründung)?<br />

4.8 Verschiedene Gase enthalten bei gleichen Bedingungen gleich viele Teilchen. Worauf<br />

gründet <strong>sich</strong> diese Tatsache?<br />

4.9 Stickstoff und Sauerstoff reagieren im Volumenverhältnis 2:5 miteinander. <strong>Wie</strong> lautet<br />

die Formel der dabei entstehenden gasförmigen Verbindung?<br />

<strong>Wie</strong> gross ist das Volumen der gebildeten Verbindung, wenn 2 Liter Stickstoff mit 5<br />

Liter Sauerstoff reagieren?<br />

122


4 W i e b i l d e n s i c h A t o m v e r b ä n d e ; c h e m i s c h e R e a k t i o n e n<br />

4.10 Die Reaktion zwischen Nichtmetall- und Metallatomen führt zu einem Elektronenübergang.<br />

Erklären Sie diese Tatsache mit Hilfe der Ionisierungsenergien.<br />

4.11 Die Reaktion zwischen Nichtmetallatomen führt zu gemeinsamen Elektronenpaaren<br />

zwischen jeweils zwei Atomen. Erklären Sie diese Tatsache mit Hilfe der Ionisierungsenergien.<br />

4.12 Welche typischen Eigenschaften weisen Metalle auf?<br />

4.13 Gegeben sind die Formeln von zwei Verbindungen. Bei welcher Formel handelt es<br />

<strong>sich</strong> um ein Moleküle?<br />

Fe 2 O 3<br />

HBr<br />

4.14 Formulieren Sie die Gleichungen (Symbole +Formeln) für die <strong>Reaktionen</strong>:<br />

Natrium + Schwefel<br />

Magnesium + Wasserstoff<br />

Kalium + Stickstoff<br />

Aluminium + Sauerstoff<br />

Stickstoff + Wasserstoff<br />

Kohlenstoff + Wasserstoff<br />

Stickstoff + Chlor<br />

Bor + Fluor<br />

4.15 Welche Ladungen tragen die Ionen in folgenden Verbindungen?<br />

AlCl 3 , FeBr 3 , UF 4 , Au 2 S, PbCl 4<br />

4.16 Zeichnen Sie die Lewis-Formel je eines Moleküls mit einer C C-Einfach-, einer<br />

C C-Doppel- und einer C C-Dreifachbindung.<br />

4.17 Zeichnen Sie die Lewis-Formeln der Moleküle folgender Verbindungen:<br />

CH 2 O HCN CO 2 C 2 H 4 C 2 H 2<br />

C 2 H 7 N H 2 CO 3 C 2 H 6 S (zwei Möglichkeiten)<br />

4.18 Metalle leiten den elektrischen Strom. Worauf ist diese Tatsache zurückzuführen?<br />

4.19 Bei der Schmelzelektrolyse von Aluminiumoxid hat man folgende Daten gemessen:<br />

I = 12 A (Stromstärke)<br />

t = 30 min<br />

m(Al) = 2,01 g (bei der Elektrolyse entstandenes Aluminium)<br />

<strong>Wie</strong> lässt <strong>sich</strong> aus diesen Daten die Ladung der Aluminium-Ionen berechnen?<br />

4.20 Die kleinsten Teilchen von Fullerenen bezeichnet man als Moleküle, bei den Stoffen<br />

Diamant und Graphit hingegen spricht man nicht von Molekülen. Begründung?<br />

4.21 <strong>Wie</strong> viel Liter Sauerstoff benötigt das vollständige Verbrennen von 10 Liter (10 dm 3 ;<br />

10 000 cm 3 ) Benzin [Octan C 8 H 18 (l); = 0,702 g/cm 3 ]? <strong>Wie</strong> gross ist das Volumen<br />

bzw. die Masse des dabei entstehenden Kohlenstoffdioxids?<br />

4.22 Gesucht ist die Reaktionsgleichung für die Verbrennung von Kohle (Kohlenstoff).<br />

<strong>Wie</strong> gross ist das Volumen bzw. die Masse des Verbrennungsprodukts, wenn 1 Tonne<br />

Kohle verbrannt wird.<br />

д<br />

123


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

4.23 Nimmt die Entropie bei folgenden Vorgängen zu oder ab?<br />

2 C(s) + O 2 (g) ➝ 2 CO(g)<br />

H 2 (g) + F 2 (g) ➝ 2 HF(g)<br />

NaCl(s) ➝ NaCl (gelöst)<br />

4.24 Bei welcher Temperatur sind ausschliesslich exotherme Vorgänge möglich?<br />

4.25 Warum verlaufen viele endotherme <strong>Reaktionen</strong> bei hoher Temperatur freiwillig ab?<br />

124

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