10.01.2014 Aufrufe

Der Mann, der das Herz schuf - Deutsche Herzstiftung eV

Der Mann, der das Herz schuf - Deutsche Herzstiftung eV

Der Mann, der das Herz schuf - Deutsche Herzstiftung eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

HERZ HEUTE 1/2008<br />

www.herzstiftung.de<br />

<strong>Der</strong> <strong>Mann</strong>, <strong>der</strong> <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> <strong>schuf</strong><br />

Überall, wo sich die <strong>Herz</strong>stiftung<br />

zeigt, sieht man<br />

ihr Wahrzeichen: <strong>das</strong> <strong>Herz</strong><br />

mit dem Auge, <strong>das</strong> uns innehalten<br />

lässt. <strong>Der</strong> große<br />

Graphiker und Maler Celestino<br />

Piatti hat es 1979<br />

geschaffen. Ende vergangenen<br />

Jahres ist Piatti im<br />

Alter von 85 Jahren in Basel<br />

gestorben.<br />

Celestino Piattis Werk ist<br />

einzigartig in seiner Vielfalt:<br />

Er zeichnete, war ein<br />

Meister aller graphischen<br />

Techniken, machte Bücher,<br />

vor allem Kin<strong>der</strong>bücher, Bil<strong>der</strong>, Plakate,<br />

Plastiken, abstrakte Glasfenster. Piattis Arbeiten<br />

sind unverwechselbar. Ihr Merkmal ist die Vereinfachung<br />

<strong>der</strong> inneren und äußeren Welt auf<br />

<strong>das</strong> Wesentliche. Diese entschiedene Konzentration<br />

zusammen mit <strong>der</strong> satten Farbigkeit, die<br />

Piatti oft durch schwarze Konturen betonte, gibt<br />

seinen Entwürfen die Kraft, die ihn zu einem international<br />

berühmten Graphiker gemacht hat.<br />

Aufsehen erregte er zunächst durch seine Plakate,<br />

die durch ihren Witz und ihre Knappheit auffielen.<br />

Berühmt wurde er, als <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong> Taschenbuchverlag<br />

ihm 1961 bis Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre<br />

die graphische Gestaltung des gesamten Programms<br />

in die Hand gab. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> in dieser Zeit<br />

Bücher kaufte, kannte Piattis künstlerische Handschrift.<br />

Er gestaltete 5 000 Titel, die in einer Auflage<br />

von 210 Millionen Exemplaren verkauft wurden.<br />

Es gelang ihm, Literatur in<br />

graphische Zeichen zu bannen.<br />

Die weißen Umschläge<br />

mit <strong>der</strong> charakteristischen<br />

Typographie nutzte er wie<br />

eine Leinwand. Virtuos<br />

handhabte und mischte er<br />

die Techniken: Fe<strong>der</strong>zeichnungen,<br />

Pastell, Gouachen,<br />

Ölskizzen und Collagen. Für<br />

jeden Titel machte er viele<br />

Skizzen, nicht selten zwanzig<br />

bis dreißig, bevor er die<br />

endgültige Fassung manchmal<br />

in wenigen Minuten entwarf.<br />

Maßstäbe hat Piatti nicht nur in <strong>der</strong> Buchgestaltung<br />

gesetzt. „Mein Glück war“, sagte er, „<strong>das</strong>s<br />

ich so viel bewegen konnte“. Dazu gehörten die<br />

eindrucksvollen graphischen Kommentare, mit<br />

denen er in <strong>der</strong> Zeitschrift Nebelhorn den Einmarsch<br />

<strong>der</strong> Russen in Prag, <strong>das</strong> Massaker bei den<br />

Olympischen Spielen in München, die Unterdrückung<br />

<strong>der</strong> Opposition in <strong>der</strong> Spätzeit des<br />

Sowjetregimes an den Pranger stellte.<br />

Hatte er früher auch flotte Konsumwerbung entworfen,<br />

so hat er sich in späteren Jahren dazu<br />

entschieden, seine Kunst nur noch in den Dienst<br />

kultureller und sozialer Anliegen zu stellen. „Es<br />

muss mir schon auf den Nägeln brennen, wenn<br />

ich ein Plakat machen soll“, sagte er dazu. Piatti<br />

engagierte sich für Volksentscheide, gegen die<br />

Atomkraft, für die Opfer von Hiroshima, für Frauenrechte,<br />

für Flüchtlinge, für die Dritte Welt, für<br />

den Naturschutz. Er hat unter an<strong>der</strong>em für den<br />

26


Europarat, die Caritas,<br />

<strong>das</strong> Diakonische<br />

Werk und für Terre<br />

des Hommes gearbeitet.<br />

Er hat wun<strong>der</strong>bare<br />

Konzertund<br />

Theaterplakate<br />

geschaffen, sowohl<br />

für die berühmten<br />

Luzerner Festspiele<br />

als auch für kleine<br />

Vorstadttheater, die<br />

ihm kein Honorar zahlen konnten.<br />

Für die <strong>Herz</strong>stiftung war es ein Glück, <strong>das</strong>s Piatti<br />

ihr Zeichen, <strong>das</strong> <strong>Herz</strong> mit dem Auge, entworfen<br />

hat. Später, 1994, kam <strong>das</strong> bewegende Symbol<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>herzstiftung hinzu, <strong>das</strong> große mit<br />

dem kleinen <strong>Herz</strong>en. Piatti nahm Anteil an <strong>der</strong><br />

Entwicklung und freute sich, <strong>das</strong>s sein <strong>Herz</strong> auf<br />

dieser Zeitschrift, auf Faltblättern, Notfallausweisen,<br />

Zeitungsannoncen weithin wirkt – am<br />

schönsten auf den drei Meter breiten, weißen<br />

Plakaten in deutschen Großstädten.<br />

Immer wie<strong>der</strong> hat man Piatti gefragt, wie er die<br />

Fülle seiner Aufgaben bewältigen konnte. Er antwortete:<br />

„Zeichnen, zeichnen, zeichnen“. Zwischen<br />

Gebrauchsgraphik und Kunst machte er<br />

keinen Unterschied.<br />

Schon früh, mit 26 Jahren, mietete er in Paris ein<br />

Atelier, wo er im freien Malen neue Ausdrucksmöglichkeiten<br />

suchte, <strong>der</strong>en Ergebnisse dann in<br />

die Gebrauchsgraphik<br />

einflossen: zum<br />

Beispiel in seine<br />

Kin<strong>der</strong>bücher, die in<br />

13 Sprachen übersetzt<br />

wurden. Legendär<br />

ist Eulenglück.<br />

Piatti und die Eulen:<br />

Immer wie<strong>der</strong> tauchen<br />

sie in seinen<br />

Arbeiten auf. Auf<br />

Plakaten und Bil<strong>der</strong>n,<br />

in und auf Büchern, auf Lithographien o<strong>der</strong><br />

als Plastik. Man hat die Eule Piattis Wappentier<br />

genannt, weil sie wie ein magischer Schutzgeist<br />

durch sein ganzes Werk zieht. Eins ist sicher:<br />

Piatti selbst hat – scharf beobachtend, gelassen<br />

zugleich nach innen wie nach außen schauend<br />

– den Eulenblick.<br />

Wenn Piatti in<br />

seinem Buch<br />

Eulenglück<br />

erzählt, was<br />

ein richtiges<br />

Leben ist,<br />

dann erzählt<br />

er von sich<br />

selbst. Er, <strong>der</strong><br />

die Welt aus<br />

vielen Reisen<br />

kannte, bezog<br />

seine Kraft<br />

aus dem Zusammenleben<br />

mit den Menschen,<br />

die<br />

ihm nahestanden: seine Frau Ursula, die seine<br />

nächste Mitarbeiterin war, und seine Kin<strong>der</strong>. Piatti<br />

lebte in <strong>der</strong> Stille eines kleinen Juradorfes.<br />

Sein Atelier aber war hoch über dem Rhein in<br />

Basel – bis zuletzt eine Schatzkammer von Entwürfen<br />

und Ideen.<br />

Irene Oswalt<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!