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Frontotemporale Demenz - bei demenz-ded.de

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<strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong><br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33. Ar<strong>bei</strong>tstagung<br />

vom 18.-19.4.2013<br />

in Essen


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vortrag Heike Schwabe: Hartmut B. - Ein Fall<strong>bei</strong>spiel..........................................................2<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Heike Schwabe...........................3<br />

Vortrag (Stefanie Oberfeld und) Ulrike Kruse: Wenn <strong>de</strong>r Alltag zur Krise wird - Leben mit<br />

einer frontotemporalen <strong>Demenz</strong> - Gesprächsgruppe für Angehörige - ....................................6<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Ulrike Kruse................................7<br />

Vortrag Marita Neumann und Ariel Weisberg: Herr J. - Impulsreferat zur Problematik <strong>de</strong>s<br />

Umgangs mit Menschen mit <strong>Frontotemporale</strong>r <strong>Demenz</strong> aus <strong>de</strong>r Sicht Pflegen<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Stationären Altenhilfe .................................................................................................................9<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag..........................................................10<br />

Neues aus <strong>de</strong>r Szene .............................................................................................................14<br />

Claus Appasamy, Bremen berichtet über das Projekt „Verlässlicher Dienstplan“ <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r<br />

Bremer Heimstiftung. ...........................................................................................................14<br />

Weitere Beiträge...................................................................................................................16<br />

Quo Vadis DED? Wie gestalten wir die Ar<strong>bei</strong>t unseres Vereins in <strong>de</strong>r Zukunft?.............18<br />

Experten unter sich ................................................................................................................25<br />

Vortrag Annette Richert: <strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong>en ........................................................25<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Annette Richert ........................26


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Vortrag Heike Schwabe: Hartmut B. - Ein Fall<strong>bei</strong>spiel<br />

Seite 2


22.04.2013<br />

Deutsche Expertengruppe Dementenbetreuung<br />

33. Ar<strong>bei</strong>tstagung<br />

18.4.-19.4.2013<br />

Kardinal-Hengstbach-Haus, Essen<br />

Thema:<br />

<strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong><br />

Ein Fall<strong>bei</strong>spiel<br />

Hartmut B. geb. 1939<br />

1


22.04.2013<br />

Lebensgeschichtliche Beschreibung , von seiner Ehefrau berichtet:<br />

- Hartmut B. wuchs als zweites von 6 Kin<strong>de</strong>rn in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf. Vater Dipl Kaufmann, Mutter Lehrerin<br />

- Ausbildung zum KFZ Mechaniker dann mit 21 Jahren einen Unfall mit schweren Kopfverletzungen ,<br />

Meister, dann Bauberater für KFZ Betriebe <strong>bei</strong> einem französischen Autohersteller<br />

- 1988 Wechsel zu einer japanischen Firma um eine Abteilung Bauberatung aufzubauen.<br />

- Viele Auslandsaufenthalte, Tätigkeit im Außendienst oft von Montag bis Sonnabends unterwegs, Heimat Hotelzimmer<br />

- Seine Persönlichen Eigenschaften: Pünktlichkeit, Freundlichkeit, ein hohes Maß an sozialen Werten, penible Ordnung,<br />

Fachkompetenz, ein sehr liberaler Vater seiner drei Kin<strong>de</strong>r, er aß gern, war ein Gourmet…<br />

- Hobbys: Beruf und Schlafen, (im Urlaub immer an <strong>de</strong>n gleichen Ort und Unterkunft, dann Skifahren und Bergwan<strong>de</strong>rn)<br />

- Im Januar 1998 Kündigung durch Firmenfusion:<br />

Eine tiefe Depression, Vertröstung durch <strong>de</strong>n Hausarzt, keine fachärztliche Überweisung!<br />

- Oktober 1998 Selbstständigkeit als Bauberater, vorwiegend für ein japanisches Autokonsortium<br />

Midlife – Crisis,<br />

o<strong>de</strong>r ………?<br />

2


22.04.2013<br />

• Bei Diskussionen ließ er plötzlich immer <strong>de</strong>n Satz einfließen, „ich halte es mit <strong>de</strong>m ehemaligen<br />

Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Lasst <strong>de</strong>n kleinen Mann gut Geld verdienen und die Wirtschaft<br />

funktioniert. Wann er mit solchen Floskeln anfing,ist mir heute nicht mehr klar…….<br />

• Sein Ar<strong>bei</strong>tseinsatz wur<strong>de</strong> lockerer, er blieb schon mal einen Tag zu Hause, früher wäre das<br />

unmöglich gewesen.<br />

• Unserer Medizin studieren<strong>de</strong>n Tochter erzählte er, das in seinem Kopf etwas nicht stimmt, ich<br />

erfuhr davon viel später.<br />

• Eines Tages kam ein Makler zu uns, Mein Mann wollte, dass ich 30000 DM illegal in die Schweiz<br />

bringen sollte, <strong>de</strong>r Makler erhielt dafür 1200 DM bar auf die Hand. Wir hatten gar nicht soviel Geld!<br />

• Er mel<strong>de</strong>te sich zu einem Laminat- Verlege-Kurs <strong>bei</strong> Obi an, am entspr. Tag sagte er, er hätte keine<br />

Zeit, ich solle ihn vertreten. Ich war die einzige Frau, erhielt eine Teilnahmebescheinigung auf<br />

seinen Namen. Die Kurgebühr musste sofort bezahlt wer<strong>de</strong>n und sollte <strong>bei</strong> einem Laminatkauf<br />

verrechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

• Er schloss am Telefon Lotto-Verträge ab, ich bemerkte es, als laufend Geld abgebucht wur<strong>de</strong>.<br />

• Wir bekamen ständig neue Bücher von Rea<strong>de</strong>rs Digest<br />

• Von unserem guten Silberbesteck kniff er die Griffe ab, damit sie in die Sortierschubla<strong>de</strong> passten.<br />

• Er kaufte Din C 6 Briefumschläge in einer unerklärlichen Menge, wir nutzen sie noch heute!<br />

• Zollstöcke wur<strong>de</strong>n an die Werbeträger zurückgeschickt.<br />

• Er bestellte sich ein Auto mit Navigationssystem, obwohl er sich in allen Großstädten ausgekannte,<br />

wie in <strong>de</strong>r Westentasche.<br />

• Er reklamierte unsere verlegten Pflastersteine, weil sie angeblich einen Farbunterschied aufwiesen.<br />

September 2002<br />

5 Wochen mit <strong>de</strong>m Wohnmobil durch Amerika<br />

Sein Verhalten spitzte sich zu . Wir lebten mit 5 Personen auf engstem Raum.<br />

Er fragte oft für uns kuriose Dinge, wie:<br />

Was ist Argentinien, Was ist Kaktus?<br />

Er bestand auf sein allabendliches Glas Rotwein und konnte nicht verstehen,<br />

dass man in einigen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn wie Utah nicht problemlos Wein<br />

einkaufen kann.<br />

Unsere Tochter fragte mich, was die Neurologin zu Vatis Verhalten sagt.<br />

Da wur<strong>de</strong> ich stutzig.<br />

Ich vereinbarte einen Termin mit <strong>de</strong>r Neurologischen Fachärztin.<br />

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22.04.2013<br />

Der diagnostische Prozess<br />

- Januar 2003, neurologische Fachärztin: vasculäre <strong>Demenz</strong>, Berufs-Ar<strong>bei</strong>tsunfähig, Rente<br />

( Aricept , Ergotherapie)<br />

- 28.1.03 Kernspint. im regionalen Krankenhaus: ausgeprägte sekundäre Atrophie <strong>de</strong>s Temporallapens,<br />

wahrscheinlich nicht posttraumatisch<br />

- 21.4.04 Fachklinik Münster : mögliche beginnen<strong>de</strong> Alzheimererkrankung ( Remergil)<br />

- 30.6.04 Kontroll- Kernspint. im reg. Krankenhaus: Verdacht auf Fronto-temporale <strong>Demenz</strong><br />

- 8.11.05 Erfor<strong>de</strong>rlicher GutachterTermin in Bremen : Verdacht auf Alzheimer <strong>Demenz</strong><br />

- Gutachten <strong>de</strong>r Neurogeriater aus Hannover: Mögliche <strong>Demenz</strong> posttraumatisch<br />

- 3.4.09 Kontroll- Kernspint. im reg. Krankenhaus: erhebliche ausgeprägte Atrophie <strong>de</strong>r Temporallappen<br />

<strong>bei</strong>dseits mit Rechtsbetonung<br />

- 1.10.2010 Neurologische Fachärztin: Fortgeschrittene Fronto-basale <strong>Demenz</strong><br />

Die Herausfor<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r alltäglichen Begleitung<br />

für mich als Ehefrau:<br />

• Küchenpapierrollen wur<strong>de</strong>n halbiert, um Toilettenpapier zu haben<br />

• Diesel aus <strong>de</strong>m Reservekanister wur<strong>de</strong> ins Blumenbeet entleert.<br />

• Er lief durch frem<strong>de</strong> Gärten, kletterte über Zäune, um dann als „Abkürzung“<br />

wie<strong>de</strong>r in unserem Garten anzukommen.<br />

• Er kletterte auf das Hausdach, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist.<br />

• Er versuchte durch je<strong>de</strong>s Fenster zu klettern, wir ließen im 1. OG Kunstschmie<strong>de</strong>-<br />

Gitter anbringen.<br />

• Er nutzte zum Wasser lassen nur noch das Kräuterbeet draußen<br />

• Laufen<strong>de</strong> „Fluchtversuche über <strong>de</strong>n Gartenzaun.<br />

• Er spuckte <strong>bei</strong> Aldi immer in eine bestimmte Kühltruhe, schaffte es immer wie<strong>de</strong>r,<br />

mich auszutricksen und schnell zu dieser Truhe zu laufen.<br />

• Er Hatte Prostata-Probleme und musste laufend zum WC Bald kannte ich in je<strong>de</strong>m<br />

Supermarkt die Kun<strong>de</strong>ntoiletten, gab es keine stellte er sich auf <strong>de</strong>n Gehweg und<br />

urinierte (mit Blick ins Geschäft) in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit.<br />

• Mittlerweile ist er ruhiger gewor<strong>de</strong>n, er räumt immer noch auf, alles was er<br />

erreicht, wirft er in die Ba<strong>de</strong>wanne o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Gar<strong>de</strong>robenschrank.<br />

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22.04.2013<br />

Die Verän<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r alltäglichen Begleitung<br />

für uns als Team <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

Beginn <strong>de</strong>r Begleitung 3.12.2009<br />

Erst zwei Tage / Pflegestufe 2<br />

3 Tage / Pflegestufe 3 ab Oktober 2010<br />

seit 2011 4 Tage pro Woche<br />

seit 1.8.2012 in einem geson<strong>de</strong>rten Bereich<br />

für Menschen mit beson<strong>de</strong>rem Schutzbedarf:<br />

selten Kleingruppe, meist Einzelbetreuung<br />

Seine Übungen:<br />

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22.04.2013<br />

Pflegen und ausschei<strong>de</strong>n<br />

• Geht allein zum WC, immer das „Bestimmte“<br />

• Geht immer häufiger, nachher in 5 Minuten Abstän<strong>de</strong>n,<br />

• Nachsorge <strong>de</strong>s Umfel<strong>de</strong>s erfor<strong>de</strong>rlich<br />

• Nachsorge <strong>de</strong>r Intimsphäre und Handpflege erfor<strong>de</strong>rlich<br />

• Begleitung durch Team führt zu „Weggehen o<strong>de</strong>r Abwehr“<br />

• Selbstbestimmtes „Urinieren drauße n an Büschen o<strong>de</strong>r im Garten, Probleme durch Kritik <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Tagesgäste, Begleitung, Versuch <strong>de</strong>s Umlenkens in eine geschützte Ecke.<br />

• Pflegeübernahme, wenn Herr B. schon auf <strong>de</strong>r Toilette sitzt, weil er dann nicht mehr aufsteht<br />

und wegläuft<br />

• Pflegeübernahme mit 2 PK im Stehen, während 1 PK die Hän<strong>de</strong> unter fließend Wasser mit<br />

ihm wäscht (mag er, altes Muster), die an<strong>de</strong>re die IKS- Versorgung und Pflege schnellst<br />

möglichst übernimmt.<br />

• Jetzt: Da Herr B sich überall hinsetzten möchte, wie<strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>r Toilette,<br />

2 PK wo<strong>bei</strong> 1 PK die Kleidung richtet, die an<strong>de</strong>re die Hän<strong>de</strong> hält.<br />

• IKS- Wechsel muss außer Sicht passieren, da er die Einlage nicht abgeben möchte.<br />

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22.04.2013<br />

Sich bewegen/Ruhen<br />

• Läuft allein im Haus, selbständig, selbstgewählt<br />

• Läuft außerhalb <strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong>s immer die Gleich Run<strong>de</strong>, Absprache mit Frau B.: er trägt einen<br />

roten Pullover, damit wir ihn aus je<strong>de</strong>m Fenster sehen könne und nicht immer bedrängend<br />

hinterherlaufen müssen<br />

• Steigt <strong>bei</strong> an<strong>de</strong>ren Tagesgästen aus <strong>de</strong>m Auto, läuft auch ums Haus<br />

• Jetzt: Läuft kaum selbstgewählt, macht einen sehr ängstlichen Eindruck, hält sich fest, zittert,<br />

will nicht nach draußen, schaut ängstlich, hält sich fest an PK o<strong>de</strong>r Türgriff fest. Setzt sich auf<br />

je<strong>de</strong> Möglichkeit hin. In dieser Stimmung lassen wir ihn in <strong>de</strong>n Rollstuhl setzen und fahren in<br />

raus, er läuft dann die letzten Meter ohne große Anspannung zum Bus.<br />

• Ruhen in <strong>de</strong>r Großgruppe im Wohnzimmer in seinen Elektrischen Liegesessel.<br />

• Nahm an<strong>de</strong>ren Gästen die Decken und Kissen weg, Umlenken in einen Einzelplatz (schwierig!)<br />

• Jetzt: Lieblingsplatz im kleinen Flur auf <strong>de</strong>m 2 Sitzer-Sofa, wo er uns sieht mit Abstand und<br />

auch aus <strong>de</strong>m Fenster schauen kann<br />

• Entspannung erfolgt unterstützend mit „Spieluhrenmusik“<br />

Essen und Trinken<br />

• Stark wärme - und kälteempfindlich , isst/trinkt nur lauwarme Nahrungsmittel<br />

• Leckt die Teller ab - geschützter Bereich erfor<strong>de</strong>rlich<br />

• Schiebt an<strong>de</strong>ren TG die erfor<strong>de</strong>rliche Komponenten wie Marmela<strong>de</strong> hin<br />

• Schüttet Getränke, egal welche, hinter die Sitzbank<br />

• Stopft alles in <strong>de</strong>n Mund<br />

• Isst grenzenlos,<br />

• Nimmt an<strong>de</strong>ren TG alle Nahrungsmittel weg<br />

• Geht laufend in die Küche, die er gut fin<strong>de</strong>t<br />

• Jetzt: Isst, versucht abzu<strong>bei</strong>ßen, was auf <strong>de</strong>m Tisch liegt<br />

• Nimmt Teile nicht einzeln, son<strong>de</strong>rn mit voller Hand<br />

• Kann mit <strong>de</strong>m Löffel essen, erhält ein Schälchen statt Teller und Dessertlöffel (kleiner)<br />

• Fingerfood wird eingeteilt mit Häppchen, die auf einem Teller zwischen PK und Hr. B. hin und<br />

hergeschoben wer<strong>de</strong>n<br />

• Problemfeld Speichel: sammelt Speichel im Mund, schluckt nicht herunter<br />

spuckt über all aus, sucht Behältnisse, Ecken<br />

steigt aus <strong>de</strong>m Auto aus um die angesammelten Mengen<br />

auszuspucken, macht die Tür an <strong>de</strong>r roten Ampel auf um ….<br />

- es wur<strong>de</strong> ein „Speichelbecher“ mit seinem Namen in Sicht für<br />

ihn bereitgestellt, <strong>de</strong>n er akzeptierte und nutzte<br />

- jetzt: schluckt zum Großteil, sonst Klei<strong>de</strong>rschutz aus<br />

aufsaugen<strong>de</strong>m Frottee<br />

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22.04.2013<br />

Psychosoziale Betreuung<br />

• Erst kaum Berührung außer Hand geben, jetzt teileweise selbst Handnehmen, streicheln<br />

• Bei Stress lautes Summen; kaum Sprechen, wenn im hohen Ton<br />

• Systeme schaffen (Übungen)<br />

erst Sudoku, Buchstaben eintragen, dann einkreisen, dann unterstreichen, dann<br />

schraffieren, jetzt: kein Umgang mehr mit <strong>de</strong>m „Werkzeug“ möglich<br />

Weitere System von uns angeboten: Spülmaschine einräumen, 1x1 Holzwürfel<br />

einsortieren, Dias in <strong>de</strong>n besorgten Holzkasten einstecken, jetzt: manchmal geht<br />

Holzwürfel einsortieren, manchmal Dias o<strong>de</strong>r umgekehrt ( wir räumen ein, er räumt<br />

aus!)<br />

• Räumen:<br />

Hebt alle Blätter, Stöckchen auf, fegt mit Handfeger und Schaufel,<br />

Angebot: Eimer mit Blätter stand im Flur bereit Jetzt: Nicht mehr! (auch Sturzgefahr!)<br />

• Bewegungsangebote:<br />

aus <strong>de</strong>r zweiten Reihe zeitverzögert mitgemacht in <strong>de</strong>r Großgruppe,<br />

Fußball, Ballspielen, Jetzt: Ball über <strong>de</strong>n Tisch<br />

Kegeln mit Softkegel: Bringt Herrn B aus <strong>de</strong>r Fassung, wenn die geordneten Kegel<br />

umfallen und durcheinan<strong>de</strong>r liegen.<br />

Anruf von Frau B.<br />

nach unseren Gesprächen…..<br />

…………mir fällt noch etwas ganz Wichtiges ein:<br />

Vor einiger Zeit habe ich <strong>bei</strong> meinem Mann <strong>de</strong>n<br />

Ehering abgenommen und stellte fest, dass neben<br />

meinem Namen und unserem Hochzeitsdatum<br />

alle Namen unserer drei Kin<strong>de</strong>r mit Geburtstag dort<br />

eingraviert waren.<br />

Wann er das in seiner Krankheitsphase hat machen<br />

lassen, weiß ich nicht,<br />

wie <strong>de</strong>r Juwelier das geschafft hat, ist mir bis heute<br />

ein Rätsel.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Heike Schwabe<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Es stellte sich häufig die Frage, ob Hartmut B. nicht besser stationär untergebracht wer<strong>de</strong>n sollte. Das<br />

Problem da<strong>bei</strong> ist, dass eine <strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong> für stationäre Einrichtungen, die<br />

Wohngemeinschaften nach <strong>de</strong>m Hamburger Mo<strong>de</strong>ll haben, oft ein Ausschlusskriterium ist. Gleichzeitig<br />

sind das oft Einrichtungen, die fachlich sehr gut sind. Ehefrau hat sich diverse Einrichtungen<br />

angeschaut. Die einzige Einrichtung, die für die Ehefrau in Frage kam, hatte genau dieses<br />

Ausschlusskriterium.<br />

Bärbel Schenkluhn, Oberhausen<br />

Äußert sich schockiert über chaotische Diagnosesituation. Fragt, ob man mit einer frühzeitigen<br />

korrekten Diagnose hätte gegensteuern können.<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch aus <strong>de</strong>m Plenum: Bei einer frontotemporalen <strong>Demenz</strong> kann man nicht gegensteuern.<br />

Aber die falsche Medikation wäre nicht notwendig gewesen.<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Das Leid, das dieser Prozess verursacht hat, hätte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können. Die Ehefrau hat diesen<br />

Prozess irgendwann abgebrochen, weil es ihr gereicht hat. Dann hat sie sich darauf konzentriert, sich<br />

mit <strong>de</strong>r Krankheit zu arrangieren.<br />

Silvia Körbitz, Pflegedienst Körbitz GmbH, Gossa<br />

Ich habe drei gerontopsychiatrische WGs und eine große Tagespflege und ich nehme nicht mehr als<br />

einen Menschen mit frontotemporaler <strong>Demenz</strong> pro WG. Man täte <strong>de</strong>r WG keinen Gefallen. Deswegen<br />

kann man <strong>de</strong>n WGs, die solche Fälle ablehnen nicht böse sein: es ist eine große Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />

diese Fälle zu betreuen – rund um die Uhr.<br />

Anke Kröhnert, Fleckeby<br />

Ich fin<strong>de</strong> immer wie<strong>de</strong>r beeindruckend, was die Ehepartner auf sich nehmen. Empfiehlt das Buch<br />

„Gute Nacht, Liebster“.<br />

Hilke Prahm-Rohlje, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Berichtet vom Vortrag eines Heimleiters <strong>bei</strong> einem Fachtag <strong>de</strong>r Beratungsstelle in Münster. In <strong>de</strong>ssen<br />

Einrichtung gibt es einen speziellen Wohnbereich für Menschen mit <strong>Frontotemporale</strong>r <strong>Demenz</strong>, aber<br />

auch dort können nicht mehr als drei Menschen mit dieser Diagnose leben. Mehr kann eine<br />

Einrichtung nicht tragen. Der Wohnbereich musste stark umgestaltet wer<strong>de</strong>n. Weil die Kranken zum<br />

Beispiel überall hinpinkeln, wird Katzenstreu verwen<strong>de</strong>t. Der Heimleiter for<strong>de</strong>rte, dass mehr<br />

Einrichtungen sich dieser Herausfor<strong>de</strong>rung stellen. Angehörige haben berichtet, dass sie nicht wissen,<br />

wo sie die Erkrankten unterbringen sollen. Letztlich muss es Einrichtungen geben, die das auffangen.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Angela Dannemann, Tagespflege Ohlenhof, Bremen<br />

Schil<strong>de</strong>rt Erfahrung mit einem Gast in <strong>de</strong>r Tagespflege, <strong>de</strong>r dort nicht bleiben konnte, weil er sehr<br />

aggressiv und angriffsbereit war. Das konnte die Einrichtung nicht tragen und es war <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Tagesgästen nicht zuzumuten: Der ganze La<strong>de</strong>n vibrierte und die Männer in <strong>de</strong>r Gruppe formierten<br />

sich um ihn zu verprügeln.<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Es gibt eben sehr große Unterschie<strong>de</strong> zwischen frontotemporal Erkrankten. Es können auch<br />

Menschen mit einer an<strong>de</strong>ren Erkrankung sehr aggressiv sein. Man muss sich <strong>de</strong>n Einzelfall<br />

differenziert angucken. Deshalb ist die Diagnose <strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong> als Ausschlusskriterium<br />

allein nicht angemessen.<br />

Hei<strong>de</strong>marie Sauerbaum, Wohn- und Pflegeheim Kessler-Handorn, Kaiserslautern<br />

Manchmal verän<strong>de</strong>rt es sich auch zu Besseren. Schil<strong>de</strong>rt einen Fall, <strong>bei</strong> <strong>de</strong>m sich die anfängliche<br />

Aggression sehr gelegt hat. Anfangs war das sehr schwierig. Erfolg hatte differenzierte Auswertung<br />

von Beobachtungen, <strong>de</strong>r Versuch <strong>de</strong>n Erkrankten zu integrieren und die Pflege durch männliche<br />

Pflegekräfte.<br />

Ulrike Kruse, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Als Vorgriff auf ihren Vortrag über Angehörigenberatung: Eine Teilnehmerin <strong>de</strong>r Angehörigengruppe<br />

hat einen FTD-erkrankten Mann, <strong>de</strong>m das Heim sehr gut tut. Aber sie macht sich trotz<strong>de</strong>m große<br />

Vorwürfe, dass sie selbst in einem schönen großen Haus wohnt und ihr Mann sich mit <strong>de</strong>m Altenheim<br />

begnügen muss. Für ihn scheint das Heim aber eine große Entlastung zu sein: Nach <strong>de</strong>n Besuchen<br />

<strong>bei</strong> ihr will er immer pünktlich zurück und dort seinen gewohnten Ablauf haben.<br />

Ingrid von Pidoll, Wohn- und Pflegeheim Kessler-Handorn, Kaiserslautern<br />

Ehepartner können oft schlecht mit <strong>de</strong>r <strong>Demenz</strong>erkrankung ihrer Partner umgehen. Es ist sehr<br />

anstrengend für <strong>Demenz</strong>kranke, wenn sie von ihren Partnern ständig korrigiert wer<strong>de</strong>n. Angehörige<br />

können die notwendige Distanz und Gelassenheit oft schwerer aufbringen als professionelle<br />

Pflegekräfte. Sie nehmen Hilfsangebote oft nicht in Anspruch.<br />

Hans-Joachim von Fintel, Tabea Leben <strong>bei</strong> Freun<strong>de</strong>n, Hamburg<br />

Mit Bezug zum Vortrag und <strong>de</strong>m Bericht <strong>de</strong>r Ehefrau über die 30.000 Euro, die Hartmut B. überweisen<br />

wollte und die 1000 Euro, die er einfach ausgezahlt hat: Das muss die Ehefrau sehr schockiert haben.<br />

In einem frühen Stadium müssen solche Verhaltensweisen großes Entsetzen und furchtbare<br />

Diskussionen auslösen.<br />

Silvia Bogdanowa, Seniorenpflegeheim Franz Lenzner, Gera<br />

Berichte von Betroffenen zeigen, dass vor <strong>de</strong>r Diagnose oft bereits verheeren<strong>de</strong> Konflikte in Familien<br />

ablaufen. Menschen gehen zur Eheberatung o<strong>de</strong>r lassen sich schei<strong>de</strong>n, bevor klar wird, dass eine<br />

Erkrankung die Ursache für die Probleme ist.<br />

Michael Oehler, Pflegezentrum Am Lehngrund, Glauchau<br />

Nicht nur die fachliche, auch die ökonomische Dimension spielt eine Rolle <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

gegen eine Aufnahme, vor allem wenn 1-zu-1-Betreuung notwendig ist.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Berichtet von einem Fall, wo sie die Begleitung eines Gastes durch ihre Tagespflegeeinrichtung nach<br />

zwei Besuchstagen abgelehnt hat. Der überfor<strong>de</strong>rten Ehefrau hilft man nicht, wenn man ambulante<br />

Strukturen aufrecht erhält. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mann <strong>bei</strong>nahe einen Unfall hatte, wur<strong>de</strong> die Ehefrau von <strong>de</strong>r<br />

Tagespflegeeinrichtung <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Suche nach einer stationären Einrichtung unterstützt. Die stationäre<br />

Unterbringung hat sich als richtige Entscheidung heraus gestellt.<br />

Angela Dannemann, Tagespflege Ohlenhof, Bremen<br />

Angehörige stehen mit <strong>de</strong>r Diagnose allein da. Beratung müsste obligatorisch sein und automatisch<br />

erfolgen. In diesen Situationen geht viel kaputt in Familien. Angehörige von frontotemporal Erkrankten<br />

fühlen sich in Angehörigengruppen oft schlecht aufgehoben, weil die Fälle so wenig mit an<strong>de</strong>ren<br />

vergleichbar sind.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Vortrag (Stefanie Oberfeld und) Ulrike Kruse:<br />

Wenn <strong>de</strong>r Alltag zur Krise wird<br />

Leben mit einer frontotemporalen <strong>Demenz</strong><br />

(frontotemporalen Lobär<strong>de</strong>generation)<br />

- Gesprächsgruppe für Angehörige -<br />

Seite 6


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Ulrike Kruse<br />

Anke Kröhnert, Fleckeby<br />

Nimmt Bezug auf das im Vortrag benannte Beispiel einer Frau, die großen Aufwand betrieben hat, um<br />

ihrem erkrankten Mann das Autofahren weiter zu ermöglichen. Wun<strong>de</strong>rt sich, weil sie es eher gewohnt<br />

ist, dass Angehörige versuchen, Erkrankte vom Autofahren abzuhalten.<br />

Ulrike Kruse, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Antwortet, dass es dieser Angehörigen beson<strong>de</strong>rs schwer falle, die Erkrankung <strong>de</strong>s Mannes zu<br />

akzeptieren und sie sich immer wie<strong>de</strong>r Hoffnungen auf Besserung mache.<br />

Reagiert auf Frage aus <strong>de</strong>m Plenum nach <strong>de</strong>r Geschlechterverteilung in <strong>de</strong>r Gruppe: 6 betroffene<br />

Männer, 4 betroffene Frauen. Die vier Ehemänner in <strong>de</strong>r Gruppe können – <strong>bei</strong> aller Trauer – offenbar<br />

lockerer mit <strong>de</strong>r Erkrankung ihrer Frauen umgehen und ihnen mehr Raum lassen.<br />

Antwortet auf Frage aus <strong>de</strong>m Plenum nach geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen:<br />

Bei Männern steht oft Struktur und Ordnung im Vor<strong>de</strong>rgrund. Bei Frauen weniger.<br />

Ergänzung aus <strong>de</strong>m Plenum: Aus <strong>de</strong>r Erfahrung in <strong>de</strong>r Einrichtung: keine gravieren<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong><br />

Dr. Jens Bru<strong>de</strong>r, Hamburg<br />

Weil frontotemporale <strong>Demenz</strong> so selten ist (1-3 Prozent), entstehen nirgendwo in Deutschland<br />

repräsentative Fallzahlen. Deshalb ist es schwer zu sagen, ob es grundsätzlich unterschiedliche<br />

männliche und weibliche Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dieser Krankheit gibt. Aber in<br />

Männern ist archaisch ein größeres Potenzial an Aggressivität angelegt, dass durch <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r<br />

kognitiven Ebene eher freigesetzt wird, als <strong>bei</strong> Frauen. Grundsätzlich müssen Verhaltensweisen von<br />

FTD-Erkrankten systematischer beschrieben wer<strong>de</strong>n um dazu Aussagen machen zu können.<br />

Cornelia Engelke, Teresienhof, Hil<strong>de</strong>sheim<br />

Viele Menschen trauern um <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r Sprache und die Fähigkeit, über Sprache zu<br />

kommunizieren. Sie re<strong>de</strong>n dann sehr viel, aber unverständlich.<br />

Hilke Prahm-Rohlje, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Viele Angehörige von frontotemporal Erkrankten empfin<strong>de</strong>n viel Scham und können weniger offen mit<br />

<strong>de</strong>r Krankheit umgehen als Angehörige von Menschen mit an<strong>de</strong>ren Formen <strong>de</strong>r <strong>Demenz</strong>. Sie sind viel<br />

stärker von sozialer Isolation betroffen.<br />

Michael Oehler, Pflegezentrum Am Lehngrund, Glauchau<br />

Vermutet Schuldgefühle <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r von Ulrike Kruse erwähnten Ehefrau, die sehen muss, wie gut es<br />

ihrem Mann im Pflegeheim geht.<br />

Ulrike Kruse, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Die Ungepflegtheit ihres Mannes und seine Art, das Essen herunter zu schlingen, könnte die Ehefrau<br />

nicht aushalten. Doch auch wenn sie sieht, dass es ihm damit besser geht, hat sie das Gefühl, ihn<br />

abgeschoben zu haben.<br />

Silvia Körbitz, Pflegedienst Körbitz GmbH, Gossa<br />

Äußert Zweifel daran, dass Schuldgefühle da<strong>bei</strong> die größte Rolle spielen. Bei Ehefrauen entsteht eine<br />

innere Leere wenn nach 50 Jahren Eheleben <strong>de</strong>r Mann in eine Altenpflegeeinrichtung verschwin<strong>de</strong>t.<br />

Diese Trauerar<strong>bei</strong>t dauert drei bis fünf Monate. Da<strong>bei</strong> brauchen Angehörige Begleitung. Berichtet von<br />

<strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s „Netzwerk <strong>Demenz</strong>“ in Sachsen-Anhalt. Es betreibt ein Notfalltelefon, das sich sehr<br />

bewährt hat und wachsen<strong>de</strong>n Zulauf hat. Dazu gehören sieben Angehörigengruppen, die sich auch<br />

untereinan<strong>de</strong>r austauschen. Da<strong>bei</strong> gibt es auch das Bemühen, die Angehörigen von frontotemporal<br />

Erkrankten zusammen zu fassen, weil sie so spezifische Erfahrungen machen.<br />

Christine Gud<strong>de</strong>, Teresienhof, Hil<strong>de</strong>sheim<br />

Angehörige von frontotemporal Erkrankten müssen eine große Trauerar<strong>bei</strong>t leisten. Viele Angehörige<br />

akzeptieren die Kranken nicht mehr als ihre Frau, ihren Mann o<strong>de</strong>r ihre Mutter und stellen die<br />

Besuche ein.<br />

Brigitte Bornschein, Hospital St. Laurentius zu Freyburg<br />

Dieses Problem besteht <strong>bei</strong> allen Angehörigen von länger Erkankten: Berichtet von einer Frau, <strong>de</strong>ren<br />

Mann mehrere Jahre im Wachkoma gelegen hat, die über sich gesagt hat: „Ich bin nicht verheiratet<br />

und ich bin auch nicht verwitwet“. Für diese Angehörige war <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>s Mannes in gewisser Weise<br />

eine Erlösung.<br />

Hei<strong>de</strong>marie Sauerbaum, Wohn- und Pflegeheim Kessler-Handorn, Kaiserslautern<br />

Die Betreuung und Begleitung von Angehörigen gehört zum Tagesgeschäft.<br />

Dr. Jens Bru<strong>de</strong>r Hamburg<br />

An dieser Diskussion merkt man, dass die stationären Patienten in <strong>de</strong>r DED immer im Vor<strong>de</strong>rgrund<br />

gestan<strong>de</strong>n haben. Es gibt seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 70er umfangreiche Literatur zum Thema Angehörigenar<strong>bei</strong>t.<br />

Ulrike Kruse, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Gibt <strong>de</strong>n Hinweis, dass es ein Treffen von 23 Angehörigen von frontotemporal Erkrankten im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Alzheimergesellschaft in Mannheim gab. Dort wur<strong>de</strong> mit einem Instrument aus Kanada<br />

an <strong>de</strong>r Bewältigung spezifischer Probleme gear<strong>bei</strong>tet. Man könnte <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r DALZ nachfragen, wenn<br />

daran Interesse besteht.<br />

Seite 8


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Vortrag Marita Neumann und Ariel Weisberg:<br />

Herr J.<br />

Impulsreferat zur Problematik <strong>de</strong>s Umgangs mit Menschen mit<br />

<strong>Frontotemporale</strong>r <strong>Demenz</strong> aus <strong>de</strong>r Sicht Pflegen<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Stationären Altenhilfe<br />

Seite 9


Herr J.<br />

Impulsreferat zur Problematik<br />

<strong>de</strong>s Umgangs mit Menschen<br />

mit <strong>Frontotemporale</strong>r <strong>Demenz</strong><br />

aus <strong>de</strong>r Sicht Pflegen<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r stationären Altenhilfe<br />

Leben mit FTD im Heim<br />

• ….um einen Impuls für die Diskussion zu<br />

setzen, möchten wir etwas über Herrn J.<br />

erzählen.<br />

• Herr J. wur<strong>de</strong> 1928 geboren<br />

• 2005 wur<strong>de</strong> <strong>bei</strong> ihm eine <strong>Demenz</strong><br />

diagnostiziert<br />

• 2009 kam er mit <strong>de</strong>r Diagnose FTD zu uns<br />

ins Seniorenstift Haus Berge<br />

• 2010 starb er <strong>bei</strong> uns im Haus. Über<br />

diesen Zeitraum wollen wir berichten


…was wussten wir über seine<br />

Persönlichkeit?<br />

• hochgebil<strong>de</strong>ter Mensch mit klassisch<br />

humanistischer Bildung<br />

• sprach Latein und mehrere Fremdsprachen<br />

• liebte klassische Musik (bes. Bruckner /<br />

Mahler)<br />

• spielte Schach, Tennis, Skat und Doppelkopf<br />

• war sehr gläubig<br />

• über 50 Jahre verheiratet / 3 Kin<strong>de</strong>r,<br />

Enkelkin<strong>de</strong>r<br />

• war Jurist – Landgerichtspräsi<strong>de</strong>nt<br />

• wur<strong>de</strong> als absolut integer, gewissenhaft,<br />

zuhörend, ruhig abwägend, mit ausgeprägten<br />

Gerechtigkeitssinn beschrieben<br />

..worüber wollen wir berichten?<br />

• …wir können über eine kurze, uns sehr<br />

prägen<strong>de</strong> Zeitspanne berichten. Er lebte von<br />

März 2009 bis Oktober 2010 im Seniorenstift<br />

Haus Berge<br />

• „Wir“ das Seniorenstift Haus Berge ist ein<br />

Altenheim für 108 Bewohner mit<br />

unterschiedlicher Ausprägung einer <strong>Demenz</strong>.<br />

Die 108 Bewohner leben in vier homogenen<br />

Wohngruppen von leichter, beginnen<strong>de</strong>r<br />

<strong>Demenz</strong> bis zu schwerster <strong>Demenz</strong> mit<br />

herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>m Verhalten in einem Heim<br />

unter <strong>de</strong>n normalen Bedingungen <strong>de</strong>r<br />

stationären Altenhilfe in NRW


Phase von 2005 - 2009<br />

• Von <strong>de</strong>r Diagnosestellung 2005 an bis 2009<br />

konnte die Familie die Situation zu Hause<br />

gestalten. Aus <strong>de</strong>n Aufnahmegesprächen<br />

wissen wir von <strong>de</strong>r übermäßigen Belastung<br />

<strong>de</strong>r Ehefrau seit 2008<br />

• Die Körperpflege wur<strong>de</strong> von einem Sohn<br />

morgens übernommen<br />

• Herr J. zog sich ständig nackt aus, tolerierte<br />

keine Vorlagen, urinierte und kotete dann<br />

auch in <strong>de</strong>r gesamten Wohnung, was zum<br />

völligen Zusammenbruch <strong>de</strong>r herzkranken<br />

Ehefrau und zur Anmeldung in unserem Haus<br />

führte<br />

Phase von 2005 - 2009<br />

• Dieses Verhalten von Herrn J. brach mit<br />

<strong>de</strong>m gesamten Lebensstil <strong>de</strong>r Familie, die<br />

„Etikette“ wur<strong>de</strong> auf peinliche Weise<br />

zerstört<br />

• „Zieh dir doch wenigstens zum Essen eine<br />

Unterhose an!“ dieser verzweifelte Ausruf<br />

<strong>de</strong>r Ehefrau zeigt ihre ganze Not<br />

• Dem herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Verhalten<br />

begegnete sie „klassisch“ mit Appellen an<br />

seine Persönlichkeit und Vernunft, was<br />

immer wie<strong>de</strong>r zu Abwehr und „Aggression“<br />

führte


Phase von 2005 - 2009<br />

• Dieses Verhalten von Herrn J. brach mit<br />

<strong>de</strong>m gesamten Lebensstil <strong>de</strong>r Familie, die<br />

„Etikette“ wur<strong>de</strong> auf peinliche Weise<br />

zerstört<br />

• „Zieh dir doch wenigstens zum Essen eine<br />

Unterhose an!“ dieser verzweifelte Ausruf<br />

<strong>de</strong>r Ehefrau zeigt ihre ganze Not<br />

• Dem herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Verhalten<br />

begegnete sie „klassisch“ mit Appellen an<br />

seine Persönlichkeit und Vernunft, was<br />

immer wie<strong>de</strong>r zu Abwehr und „Aggression“<br />

führte<br />

Einzug März 2009<br />

• Die Peinlichkeit war für uns erlebbar: <strong>bei</strong>m<br />

Einzug und Betreten <strong>de</strong>s Zimmers, schaute<br />

sich Herr J. neugierig um und sagte dann<br />

im Beisein aller Beteiligten zu seiner Frau:<br />

„Elsbeth zieh dich aus und geh ins Bett!“<br />

• Beim Einzug machte Herr J. auf uns einen<br />

ausgeprägt freundlichen, höflichen,<br />

zuvorkommen<strong>de</strong>n Eindruck. Er strahlte so<br />

etwas wie Güte und Zugewandtheit aus.<br />

Dieser Eindruck war die an<strong>de</strong>rthalb Jahre<br />

über prägend.


Einzug März 2009<br />

• Vom ersten Tag an zeigte Herr J. ein getriebenes,<br />

da<strong>bei</strong> neugierig beobachten<strong>de</strong>s und immer<br />

wie<strong>de</strong>r innehalten<strong>de</strong>s Umherlaufen über <strong>de</strong>n<br />

gesamten Wohnbereich. Er schien da<strong>bei</strong> in einer<br />

eigenen Welt, aus <strong>de</strong>r er nicht gestört / geholt<br />

wer<strong>de</strong>n wollte. Dann reagierte er freundlich<br />

ablehnend bis unwirsch<br />

• Er betrachtete und untersuchte mit seinen<br />

Hän<strong>de</strong>n die Gegenstän<strong>de</strong>, wirkte da<strong>bei</strong> behutsam<br />

• Er schob Möbel über <strong>de</strong>n Wohnbereich, rückte<br />

zurecht<br />

• Er ging in an<strong>de</strong>re Bewohnerzimmer und stellte<br />

um<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung Nacktheit<br />

• Vom ersten Tag an zog sich Herr J. immer<br />

wie<strong>de</strong>r nackt aus. Meist war ein Grund<br />

dafür nicht erkennbar. Er zeigte keine<br />

Scham, es war für ihn normal.<br />

• Bei einem Akquisegespräch mit<br />

Angehörigen kam er ins Bewohnerzimmer.<br />

Zog sich in Win<strong>de</strong>seile nackt aus, gab <strong>de</strong>r<br />

Besucherin die Kleidungsstücke geordnet<br />

über <strong>de</strong>n Arm, nahm ihre Hand und schien<br />

sie zum Dank höflich zu küssen und ging<br />

wie selbstverständlich nackt aus <strong>de</strong>m<br />

Zimmer


Herausfor<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Wohngruppe<br />

• Für uns bestand die Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

darin, das Verhalten von Herrn J. <strong>de</strong>n<br />

schockierten Angehörigen und Besuchern<br />

als ein „normales“ Verhalten zu<br />

vermitteln.<br />

• Die Mitbewohner in einer vergleichbar<br />

schweren Phase ihrer <strong>Demenz</strong> nahmen<br />

das Verhalten von Herrn J. kaum als<br />

irritierend war.<br />

• Vielleicht auch, weil er in diesem Verhalten<br />

keine sexuelle Komponente ausstrahlte, er<br />

wirkte da<strong>bei</strong> völlig natürlich und „normal“<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung für die Familie<br />

• Die Ehefrau hatte die Erwartung „jetzt wird<br />

alles wie<strong>de</strong>r gut“ – dafür hatte sie ihren<br />

Mann ja schweren Herzens „ins Heim<br />

gegeben“<br />

• Dass Herr J. sich weiter genauso verhielt,<br />

wie zu Hause, immer wie<strong>de</strong>r nackt von ihr<br />

angetroffen wur<strong>de</strong>, führte <strong>bei</strong> ihr zu einem<br />

„Nervenzusammenbruch“<br />

• Die Söhne und Enkel reagierten eher<br />

entlastet und konnten die Situation besser<br />

verkraften<br />

• Wir fan<strong>de</strong>n Kompromisse im Umgang,<br />

ohne Herrn J. zu sehr zu korrigieren.


Herausfor<strong>de</strong>rung für die Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

• Das Aushalten <strong>de</strong>r Nacktheit durch die<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter war grundsätzlich kein Problem<br />

aber in dieser Intensität schwer.<br />

• Sie thematisierten die Frage, ob es nicht für<br />

Herrn J. unwürdig sei, ihn so herumlaufen zu<br />

lassen.<br />

• Die ethische Frage, wie Autonomie o<strong>de</strong>r<br />

Fürsorge zu gewichten seien wur<strong>de</strong> offen<br />

diskutiert.<br />

• Die Problematik dieser ausgeprägten<br />

Nacktheit blieb die an<strong>de</strong>rthalb Jahre erhalten.<br />

• Letztlich wur<strong>de</strong> Herrn J. seine<br />

Selbstbestimmtheit belassen, weil er in seiner<br />

Nacktkeit unbekümmert und zufrie<strong>de</strong>n wirkte.<br />

Ansatz für Lebensqualität und<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n<br />

• Die Beobachtung, dass sich Herr J. offensichtlich in<br />

Ar<strong>bei</strong>tsprozessen befand, die Computermaus im<br />

Dienstzimmer wie ein Diktaphon nutzte, führte dazu<br />

ihm Wertschätzung und Wohlbefin<strong>de</strong>n zu<br />

ermöglichen:<br />

• Immer wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n (für uns völlig<br />

unverständliche) Schriftsätze mit ihm verfasst. Er<br />

diktierte, blickte da<strong>bei</strong> die verständnisvollen<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter („seine Mitar<strong>bei</strong>ter“) an. Und fühlte sich<br />

in Mimik, Gestik und entspannter Haltung wohl.<br />

• Oft legte er dann seine Kleidung wie eine Robe ab<br />

und meinte <strong>bei</strong>läufig zur Mitar<strong>bei</strong>terin: „Elsbeth zieh<br />

dich aus und geh schon mal ins Bett“ – dies alles in<br />

einer Natürlichkeit und ohne sexuelle Anmache,<br />

dass es ihm niemand verübeln konnte.


Ansatz für Konflikte und<br />

Abwehrverhalten<br />

• Die Korrektur seines Verhaltens durch<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter führte prompt zu<br />

Abwehrverhalten, was sich auch in<br />

Schlagen und Treten äußerte.<br />

• In <strong>de</strong>r Durchsicht <strong>de</strong>r Dokumentation fällt<br />

noch einmal auf, dass Mitar<strong>bei</strong>ter, die<br />

noch nicht ausreichend über die ruhige<br />

validieren<strong>de</strong> Grundhaltung verfügten, dies<br />

Abwehrverhalten dokumentierten.<br />

• Überwiegend wur<strong>de</strong> Herr J. als freundlich,<br />

zuvorkommend und höflich beschrieben.<br />

Er konnte weitgehend seinen Alltag<br />

ungestört und für ihn entspannt erleben.<br />

Zäsur im Leben in <strong>de</strong>r Wohngruppe<br />

• Die Ehefrau starb, Anfang 2010 - wie wir es<br />

wahrgenommen haben - an gebrochenem<br />

Herzen<br />

• Herr J. wur<strong>de</strong> mit zur Beisetzung genommen,<br />

als er wie<strong>de</strong>r in die Wohngruppe kam, zog er<br />

sich aus und weinte eine Viertelstun<strong>de</strong> lang<br />

bitterlich im Kreise von Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

• Danach verän<strong>de</strong>rte sich sein Verhalten: die<br />

„Berufswelt“ spielte keine Rolle mehr, er<br />

„ent<strong>de</strong>ckte“ die Mitbewohner in einem sehr<br />

sozialen Umgang o<strong>de</strong>r beschmuste eine<br />

Babypuppe stun<strong>de</strong>nlang sehr liebevoll


„Sein dürfen“<br />

• Der Schlüssel für eine gelungene<br />

Integration eines Bewohners mit FTD<br />

bestand darin, ihn zu sein zu lassen, wie er<br />

war.<br />

• Diese wertschätzen<strong>de</strong> Grundhaltung ihm<br />

gegenüber ließ ihn seinen Alltag<br />

weitgehend konfliktfrei erleben.<br />

• Korrekturen führten immer zu einem<br />

ausgeprägten Abwehrverhalten.<br />

• Die Normalität seines Alltags zu gewähren<br />

war immer die Hauptherausfor<strong>de</strong>rung für<br />

die Mitar<strong>bei</strong>ter. Diesen Prozess zu<br />

gestalten und zu ermöglichen war Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Leitungskräfte<br />

„Leben können“<br />

• Unter dieser Grundhaltung aller<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter lebte Herr J. an<strong>de</strong>rthalb Jahre in<br />

unserem Haus.<br />

• Er nahm, wenn er es wollte, an <strong>de</strong>n ihm<br />

angebotenen Betreuungsangeboten teil<br />

• Seine entspannte Mimik und Gestik<br />

zeigten uns, dass es ihm da<strong>bei</strong> gut ging<br />

• Nach einer Ethischen Fallbesprechung<br />

wur<strong>de</strong> er nicht mehr ins Krankenhaus<br />

eingewiesen, son<strong>de</strong>rn starb wür<strong>de</strong>voll und<br />

begleitet im Kreis seiner Kin<strong>de</strong>r


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag<br />

Hilke Prahm-Rohlje, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Anerkennung und Respekt für die Ar<strong>bei</strong>t in <strong>de</strong>r Einrichtung Haus Berge. An <strong>de</strong>r Geschichte von Herrn<br />

J. wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich, dass je<strong>de</strong> Erkrankung sich individuell ausprägt und es wichtig ist, die<br />

Biografie zu kennen.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Stimmt zu. Berichtet von einer weiteren Bewohnerin mit frontotemporaler <strong>Demenz</strong>, die es sieben Mal<br />

geschafft hat, <strong>de</strong>n Feueralarm auszulösen, so dass je<strong>de</strong>s Mal ein kompletter Löschzug <strong>de</strong>r Feuerwehr<br />

Essen anrückte. So wie Herr J. habe sich auch diese Frau immer wie<strong>de</strong>r bis aufs Unterhemd<br />

ausgezogen... Aber auch mitten in ihrer schwersten Erkrankung haben Menschen individuelle<br />

Verhaltensweisen.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Obwohl diese Wohngruppe die mit <strong>de</strong>n höchsten Herausfor<strong>de</strong>rungen für die Mitar<strong>bei</strong>ter ist, ist es auch<br />

die mit <strong>de</strong>m niedrigsten Krankenstand: 2,3 Prozent im Jahr, insgesamt liegt <strong>de</strong>r Schnitt <strong>bei</strong> 5 Prozent.<br />

Die Mitar<strong>bei</strong>ter sind hoch motiviert. Für die Mitar<strong>bei</strong>ter ist auch die Einbindung <strong>de</strong>r Angehörigen sehr<br />

wichtig. Instrumente wie die ethische Fallbesprechung helfen auch.<br />

Johannes van Dijk, Stadtdomizil, Hamburg<br />

Ist beeindruckt von <strong>de</strong>n Mitar<strong>bei</strong>tern im Haus Berge und ihrer Haltung: Je<strong>de</strong>r wird so genommen, wie<br />

er ist.<br />

Martin Hamborg, AWO- Servicehäuser, Kiel<br />

Fragt, was Validation für das Team von Haus Berge heißt: Geht es um eine Grundhaltung o<strong>de</strong>r<br />

kommen spezifische Techniken hinzu? Hintergrund ist die Spannung zwischen „Gewähren lassen“<br />

und „lenken“, damit die Situation nicht eskaliert.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Bei<strong>de</strong>s. Eine Mitar<strong>bei</strong>terin, eine ehemalige Rechtspflegerin, hat Herrn J. zum Beispiel über<br />

„Juristensprache“ validiert.<br />

Diskussion darüber, ob das ein „manipulatives Umlenken“ ist, o<strong>de</strong>r ob man <strong>de</strong>n Bewohner dadurch<br />

lediglich „da wahrnimmt, wo er ist“. Einigkeit darüber, dass das eine Gratwan<strong>de</strong>rung ist.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Durch die klassischen Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Validation – auf die Gefühlsebene wechseln – war Herr J. nicht<br />

lenkbar. Seine Nacktheit wur<strong>de</strong> akzeptiert. Aus Rücksichtnahme auf an<strong>de</strong>re, vor allem auf seine Frau,<br />

wur<strong>de</strong> in bestimmten Situation immer wie<strong>de</strong>r versucht, ihn anzuziehen. Mit Geduld, mit<br />

Rücksichtnahme – aber das kann man nicht als Validation bezeichnen.<br />

Seite 10


Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Anke Kröhnert, Fleckeby<br />

Es ist für Mitar<strong>bei</strong>ter entlastend, wenn man jeman<strong>de</strong>n so lassen darf, wie er ist und zum Beispiel nicht<br />

ständig darum kämpfen muss, dass jemand angezogen ist. Berichtet von einer Bewohnerin, die sich<br />

auch ständig ausgezogen hat und dann nachts in <strong>de</strong>r Einrichtung umher gefahren ist Ein Kollege hat<br />

im Nachtdienst auf <strong>de</strong>m Flur in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n Klamotten <strong>de</strong>poniert, so dass sie sich nach<br />

Belieben an- und ausziehen konnte.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Die Lösung ist, phantasievolle und ungewöhnliche Wege zuzulassen. Leitungskräfte müssen das nicht<br />

nur mitmachen und tolerieren, son<strong>de</strong>rn för<strong>de</strong>rn und dahingehen<strong>de</strong> Impulse setzen.<br />

Hans-Joachim von Fintel, Tabea Leben <strong>bei</strong> Freun<strong>de</strong>n, Hamburg<br />

Hat <strong>de</strong>n Eindruck, dass Energie eingesetzt wur<strong>de</strong>, um an<strong>de</strong>re Bewohner und Angehörige<br />

„umzulenken“ – nicht <strong>de</strong>n Herrn J.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Bewohner sind nicht irritiert. Homogene Gruppen sind da hilfreich. Angehörige sind eher betroffen und<br />

empfin<strong>de</strong>n zum Beispiel die Nacktheit von Herrn J. als wür<strong>de</strong>los. Mitar<strong>bei</strong>ter sind motiviert dadurch,<br />

dass in dieser Gruppe je<strong>de</strong> Art von Verhalten zugelassen wird und „normal“ ist. Manchmal ist morgens<br />

die ganze Gruppe „auf links gedreht“. Dann wird halt wie<strong>de</strong>r aufgeräumt...<br />

Bärbel Schenkluhn, Oberhausen<br />

Das macht <strong>de</strong>utlich, dass nicht allein <strong>de</strong>r wertschätzen<strong>de</strong> Umgang, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

Rahmenbedingungen wichtig sind. Wenn die nicht zulassend sind, entsteht Stress.<br />

Brigitte Bornschein, Hospital St. Laurentius zu Freyburg<br />

Es ist auch eine Zivilisationserscheinung, dass man glaubt, nachts etwas an<strong>de</strong>res anziehen zu<br />

müssen als tagsüber.<br />

Claus Appasamy, Bremer Heimstiftung, Bremen<br />

Das ist eine Konvention, die wir alle im Kopf haben. Mitar<strong>bei</strong>ter müssen lernen, diese Konventionen<br />

<strong>de</strong>n Bewohnern o<strong>de</strong>r Gästen gegenüber abzulegen. Und nicht nur die Betroffenen sind in ihrer<br />

Erkrankung individuell – auch Angehörige gehen individuell sehr unterschiedlich mit <strong>de</strong>r Situation um.<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Es ist eine Gratwan<strong>de</strong>rung zwischen Zulassen und Pflege<strong>de</strong>fizit. Da haben Mitar<strong>bei</strong>ter oft Be<strong>de</strong>nken.<br />

Johannes van Dijk, Stadtdomizil, Hamburg<br />

Sobald ich etwas nur mit Gewalt durchführen kann, ist eine Grenze erreicht.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Die Betreuung von Menschen in ihrer Wohngruppe für schwer Erkrankte ist aufwändig und<br />

kostenintensiv. Es gibt einen hohen Verschleiß: Die Wän<strong>de</strong> sind verschrammt, Stühle kaputt und<br />

fleckig, Sofas müssen nach zwei Jahren weg geschmissen wer<strong>de</strong>n. Die gesamte Wohngruppe wird<br />

<strong>de</strong>mnächst für 14 Tage ausquartiert, damit die Räume komplett renoviert wer<strong>de</strong>n können.<br />

Berichtet von ihrer Erfahrung mit vier Ponys, Mini-Shetties, die das Haus Berge unterhält. Die Ponys<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

wer<strong>de</strong>n zweimal pro Woche in die Einrichtung geführt, bis hinein die Zimmer. Die Ponys fahren auch<br />

Aufzug. Am Anfang gab es immer wie<strong>de</strong>r lustige Situationen: „Da steht ein Pferd auf <strong>de</strong>m Flur“. Die<br />

Tiere wer<strong>de</strong>n nicht von allen Bewohnern gut angenommen – manche nehmen sie nicht war. Aber auf<br />

<strong>de</strong>r basalen Ebene (das Hufgetrappel, das Schnauben, <strong>de</strong>r Geruch, das Streicheln) nehmen das viele<br />

Bewohnern sehr positiv auf. Die Ponys steigern ihr Wohlbefin<strong>de</strong>n.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Das ist keine Tiertherapie, wie neulich ein Journalist suggerierte, son<strong>de</strong>rn basale Erinnerungsar<strong>bei</strong>t.<br />

Es gibt eine Serie von Fotos, die in <strong>de</strong>r Einrichtung entstan<strong>de</strong>n sind, auf <strong>de</strong>nen man die mimische<br />

Verän<strong>de</strong>rung eines Menschen im Kontakt mit einem Pony verfolgen kann: Das war ein Mensch, <strong>de</strong>r<br />

eher stoisch, in sich gekehrt wirkte. In <strong>de</strong>m Moment, wo er das Pony wahrnahm und streichelte, ging<br />

ein Lächeln über sein Gesicht. Diese Reaktion entsteht häufig. Der Kontakt mit <strong>de</strong>n Tieren erzeugt<br />

angenehme Erinnerungen und Gefühle und führt immer wie<strong>de</strong>r zu spontanen Ausbrüchen von<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m unterhält die Einrichtung auch zwei normale Shetties, so dass Bewohner<br />

und Angehörige zwei mal in <strong>de</strong>r Woche Kutsche fahren können.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Im Garten gibt es eine Kutschenhaltestelle. Und <strong>de</strong>swegen sitzen zum Beispiel immer Donnerstags<br />

um 16:00 Uhr 50 Leute im Garten. Die Mitar<strong>bei</strong>ter übernehmen sehr viel Verantwortung. Auch <strong>de</strong>r<br />

Nachtdienst geht raus und guckt nach <strong>de</strong>n Ponys.<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Hat <strong>de</strong>n Eindruck, dass „Regelmäßigkeit“ und „<strong>bei</strong>behalten“ Schlüsselbegriffe in dieser<br />

Erfolgsgeschichte sind. Die Initiative mit <strong>de</strong>n Ponys ist nicht versan<strong>de</strong>t. Man sieht in vielen Häusern<br />

Tiere, die irgendwann angeschafft wur<strong>de</strong>n und dann <strong>de</strong>m Hausmeister überlassen wer<strong>de</strong>n. Das ist<br />

sehr fragwürdig. Der Begriff Tiertherapie ist da<strong>bei</strong> zu hoch gegriffen, <strong>de</strong>nn die Ponys sind lediglich ein<br />

Reiz, <strong>de</strong>r jeman<strong>de</strong>n weckt, ihm Assoziationen verschafft.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Zum Thema Kontinuität und Mitar<strong>bei</strong>termotivation: Der Platz für die Ponys ist <strong>de</strong>m Haus Berge<br />

geschenkt wor<strong>de</strong>n. Die Einrichtung hat dafür zwei mal 15.000 Euro von einer Stiftung erhalten. Drei<br />

Mitar<strong>bei</strong>terinnen konnten innerhalb ihrer Ar<strong>bei</strong>tszeit <strong>de</strong>n Kutschenführerschein machen. Das Gefühl<br />

„das ist meins“ motiviert und bin<strong>de</strong>t Mitar<strong>bei</strong>ter.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Berichtet von Erfahrungen mit Vogelvoliere und Kaninchen, für die sich keiner verantwortlich fühlte. Es<br />

gibt eine ethische und moralischer Verantwortung für solche Tiere. Ponys können bis zu 40 Jahre alt<br />

wer<strong>de</strong>n. Sie produzieren laufen<strong>de</strong> Kosten und man muss Zeit investieren. Es muss sich jemand<br />

persönlich dafür verantwortlich fühlen.<br />

Johannes van Dijk, Stadtdomizil, Hamburg<br />

Die Ponys stellen auch eine Öffnung nach draußen her. Und weil sich beson<strong>de</strong>rs Kin<strong>de</strong>r dafür<br />

interessieren, entsteht etwas intergeneratives.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Seit<strong>de</strong>m wir die Ponys haben, kommen mehr Enkelkin<strong>de</strong>r zu Besuch.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Antwortet auf Frage aus <strong>de</strong>m Plenum nach evtl. Problemen mit Heimaufsicht und Gesundheitsamt:<br />

Gesundheitsamt und Heimaufsicht begleiten das sehr wohlwollend. Es gab <strong>bei</strong> einer Ausfahrt mal<br />

Probleme mit <strong>de</strong>m Ordnungsamt. Ansonsten ist dieses Projekt sehr reibungslos verlaufen.<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r, Bochum<br />

Berichtet von Erfahrungen mit Hun<strong>de</strong>n in seiner Einrichtung: Zwei Mitar<strong>bei</strong>terinnen haben ihre Hun<strong>de</strong><br />

zu Therapiehun<strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>t. Dadurch sparen sie Steuern und können ihre Hun<strong>de</strong> zur Ar<strong>bei</strong>t<br />

mitbringen.<br />

Marita Neumann, Haus Berge, Essen<br />

Betont <strong>de</strong>n Zeitaufwand: Das Projekt wür<strong>de</strong> nicht laufen, wenn sie sich nicht je<strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong><br />

min<strong>de</strong>stens einen Tag um die Ponys kümmern wür<strong>de</strong>. Insgesamt fünf Mitar<strong>bei</strong>ter übernehmen viel<br />

Verantwortung. Ponys haben aber <strong>de</strong>n Vorteil, das sie nicht im Haus leben. Meerschweinchen wer<strong>de</strong>n<br />

zerquetscht, ein Aquarium ist ein zusätzliches Klo... Das Pony-Projekt hat sich gelohnt, es macht sehr<br />

viel Freu<strong>de</strong>, aber man muss dran bleiben und sich kümmern.<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Neues aus <strong>de</strong>r Szene<br />

Claus Appasamy, Bremen berichtet über das Projekt „Verlässlicher Dienstplan“<br />

<strong>bei</strong> <strong>de</strong>r Bremer Heimstiftung.<br />

Aktuell gibt es offiziell 8000 offene Stellen in <strong>de</strong>n Krankenhäusern, 10.000 in <strong>de</strong>r Altenpflege. Diese<br />

Zahl kann man erfahrungsgemäß mit drei multiplizieren. Die Situation ist also dramatisch. Deswegen<br />

hat die Bun<strong>de</strong>srepublik eine Initiative gestartet um ausländische Pflegefachkräfte anzuwerben. Die<br />

Öffnung <strong>de</strong>r Grenzen hat das Problem aber nicht gelöst: Im vergangenen Jahr sind offiziell nur 56<br />

Pflegefachkräfte aus <strong>de</strong>m Ausland gekommen. Grund sind unter an<strong>de</strong>rem die unattraktiven<br />

Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen in Deutschland. Mit Blick auf <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>l wird sich dieser<br />

Fachkräftemangel noch verschärfen.<br />

Die Bremer Heimstiftung muss in <strong>de</strong>n nächsten Jahren min<strong>de</strong>stens 200 neue Pflegefachkräfte<br />

einstellen, weil viele in <strong>de</strong>n Ruhestand gehen. Im Land Bremen wer<strong>de</strong>n aber gar nicht genug<br />

Menschen ausgebil<strong>de</strong>t. Es wird also ein regelrechtes „Hauen und Stechen“ um die Pflegefachkräfte<br />

geben, es wird darum gehen, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Einrichtungen die Fachkräfte abzujagen. Das ist <strong>de</strong>r<br />

Hintergrund <strong>de</strong>s Projekts „Verlässlicher Dienstplan“.<br />

Denn die Rahmenbedingungen in <strong>de</strong>r Pflege sind schwierig. Zentral ist das Problem <strong>de</strong>r Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie, die wenig verlässlichen Ar<strong>bei</strong>tszeiten. Je<strong>de</strong> Pflegekraft kennt die Situation: An<br />

ihrem freien Tag klingelt das Telefon und es heißt: „Kannste mal...?“<br />

Wer Dienstpläne schreibt, muss immer höheren Anfor<strong>de</strong>rungen gerecht wer<strong>de</strong>n: er muss nicht nur die<br />

Bedürfnisse <strong>de</strong>s Pflegebedürftigen und die Bedürfnisse <strong>de</strong>r Mitar<strong>bei</strong>ter berücksichtigen – <strong>de</strong>nen man<br />

attraktive Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen bieten muss; er muss außer<strong>de</strong>m Wirtschaftlichkeit und Ar<strong>bei</strong>tsrecht im<br />

Kopf behalten. Es kommt immer häufiger zu Verstößen gegen das Ar<strong>bei</strong>tsrecht, vor allem im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Ruhezeiten.<br />

Bei <strong>de</strong>r Begehung von Haus Berge, wo die Abteilung mit <strong>de</strong>n schwer <strong>Demenz</strong>erkrankten so einen<br />

niedrigen Krankenstand hat, war eine Aussage beson<strong>de</strong>rs überzeugend: „Die Mitar<strong>bei</strong>ter haben<br />

verlässlich frei“. Das ist wichtig und notwendig: Wenn man einen so anstrengen<strong>de</strong>n Job hat, braucht<br />

man Freizeit, in <strong>de</strong>r man sich regenerieren kann.<br />

Die Bremer Heimstiftung hat <strong>de</strong>shalb beschlossen, ein besseres System für die Dienstplanerstellung<br />

zu entwickeln. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Dienstpläne schlecht funktionieren und die<br />

Verantwortlichen min<strong>de</strong>stens 1 Stun<strong>de</strong> am Tag damit verbringen. Um einen verlässlichen Dienstplan<br />

zu schreiben ist es zentral, dass Ausfall und Vertretung bereits eingeplant wer<strong>de</strong>n.<br />

Bitte Folien beachten<br />

Beispiel ist eine Wohngruppe mit 15 Mitar<strong>bei</strong>tern. Je<strong>de</strong> Woche stehen drei Mitar<strong>bei</strong>ter zum<br />

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Deutsche<br />

Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Einspringen zur Verfügung – innerhalb ihrer Ar<strong>bei</strong>tszeit. Das entspricht <strong>de</strong>r 20-prozentigen<br />

Ausfallquote dieser Einrichtung. Je<strong>de</strong>r Mitar<strong>bei</strong>ter hat vier Wochen lang einen verlässlichen Dienstplan<br />

und eine Woche, in <strong>de</strong>r er zu Vertretung eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Das be<strong>de</strong>utet aber nicht, dass er frei<br />

hat. Es ist für diese Zeit nur nicht klar, wo und wozu er eingesetzt wird. Damit ist auch immer klar, wer<br />

im Notfall angerufen wer<strong>de</strong>n kann. Und das heißt, dass die Mitar<strong>bei</strong>ter, die frei haben, auch wirklich<br />

verlässlich frei haben. Die Voraussetzung ist, dass das Team einigermaßen funktioniert.<br />

Dieser Dienstplan hat eine Verlässlichkeit von 80-90 Prozent – normale Dienstpläne haben eine von<br />

40 Prozent. Natürlich kann man damit nur normale Schwankungen ausgleichen, nicht eine<br />

Grippewelle...<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat die Pflege sehr auf die Bewohner geguckt. Und wir haben so getan, als<br />

müssten Mitar<strong>bei</strong>ter alles mitmachen. Es wur<strong>de</strong>n Teilzeitstellen geschaffen, Löhne gesenkt und die<br />

Ar<strong>bei</strong>t enorm flexibilisiert. Der Bogen ist überspannt und <strong>de</strong>r Effekt ist, dass die Mitar<strong>bei</strong>ter nicht mehr<br />

zur Ar<strong>bei</strong>t gehen.<br />

Zusammen mit <strong>de</strong>m Dienstplan muss man auch die Ar<strong>bei</strong>tsorganisation überprüfen. Zum Beispiel sind<br />

in vielen Einrichtungen die Übergabezeiten in Stein gemeißelt. Das macht <strong>de</strong>n Tag aber unflexibel und<br />

hat zur Folge, dass Mitar<strong>bei</strong>ter nur kurze Einsätze haben können und vielleicht weniger Stun<strong>de</strong>n<br />

ar<strong>bei</strong>ten als sie möchten. Es macht Sinn, sich davon zu entfernen. Theoretisch ist es möglich, dass<br />

eine Mitar<strong>bei</strong>terin die Übergabe an eine an<strong>de</strong>re Fachkraft macht und danach weiter ar<strong>bei</strong>tet. So kann<br />

man Vollzeitstellen schaffen. Man kann die Übergabezeiten auch an<strong>de</strong>rs festlegen, als es üblich ist.<br />

Man kann auch die Schichtzeiten verän<strong>de</strong>rn. So beginnt in manchen Einrichtungen <strong>de</strong>r Bremer<br />

Heimstiftung <strong>de</strong>r Frühdienst jetzt erst um 07:30 Uhr. Das ist für Eltern einfacher und tut <strong>de</strong>n<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern und vielen Bewohnern gut. Die Betreuungskräfte wur<strong>de</strong>n nach hinten verschoben und<br />

Beschäftigung fin<strong>de</strong>t zwischen 15:00 und 21:00 Uhr statt.<br />

Ein weiteres Mo<strong>de</strong>ll ist die 7-Tage Woche, die man auch manchen Mitar<strong>bei</strong>ter anbieten kann, also 7<br />

Tage Ar<strong>bei</strong>t – 7 Tage frei. Das hat zum Beispiel Vorteile für die Urlaubsplanung.<br />

Wir müssen in <strong>de</strong>r Dienstplanung kreativer wer<strong>de</strong>n. Das jetzige Mo<strong>de</strong>ll – drei Schichten, viele<br />

Teilzeitkräfte, viele Köpfe – ist ein Auslaufmo<strong>de</strong>ll.<br />

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Dienstplanung<br />

Neue Möglichkeiten <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

DQD/DED Tagung<br />

17. bis 19. April 2013 in Essen<br />

Claus Appasamy<br />

clausappasamy@t-online.<strong>de</strong><br />

Ausgangslage<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Aktueller Fachkräftemangel<br />

Zukünftiger Fachkräftemangel durch <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>mographischen Wan<strong>de</strong>l<br />

Schwierige Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie<br />

Wenig verlässlicher Dienstplan<br />

Quadrat:<br />

●<br />

Bewohner – Mitar<strong>bei</strong>ter – Wirtschaftlichkeit -<br />

Ar<strong>bei</strong>tsrecht


Verlässlicher<br />

Dienstplan<br />

● Ziele:<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Verlässlicher Dienstplan für MA und die<br />

Einrichtungen<br />

Viel weniger Planungsaufwand<br />

●<br />

Erstellung (Soll) und Anpassung (Ist)<br />

Geregelte Vertretung <strong>bei</strong> Ausfall<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Ausfallquote<br />

Planung <strong>de</strong>s Springerpools<br />


Übergabezeiten neu gestalten<br />

●<br />

Übergabe als:<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Informationsweitergabe zwischen <strong>de</strong>n<br />

Schichten<br />

Behin<strong>de</strong>rung von TZK und VZK<br />

Minusstun<strong>de</strong>n für VZK und Plusstun<strong>de</strong>n für TZK<br />

Abgrenzung zwischen <strong>de</strong>n Schichten<br />

„Grenze“ <strong>de</strong>r Bewohnerorientierung


Frühdienst klassisch<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Bewohner/innen möchten später<br />

aufstehen….<br />

Mehr Normalität im Heimalltag<br />

Ar<strong>bei</strong>tsgruppe: PDL, QMB, WBL<br />

Analyse <strong>de</strong>r Dienstpläne<br />

Begleitung <strong>de</strong>s Früh- und Spätdienstes<br />

Ausar<strong>bei</strong>tung eines neuen<br />

Rahmendienstplans


Verbesserungen im<br />

Prozess<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Begleitung nach wenigen Tagen<br />

Reflektion <strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>tsabläufe<br />

Umstellung <strong>de</strong>r Betreuungs- und<br />

Beschäftigungsangebote


2 Jahre später...<br />

● Positiv:<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

Weniger Belastung für ältere Mitar<strong>bei</strong>ter/innen<br />

Entlastung in <strong>de</strong>r Pflege und in <strong>de</strong>r Wohnküche<br />

Ausgeglichenheit <strong>de</strong>r (<strong>de</strong>menten)<br />

Bewohner/innen<br />

Meisten Mitar<strong>bei</strong>ter/innen sind zufrie<strong>de</strong>n<br />

Zu Verbessern:<br />

●<br />

●<br />

Erfolgreicher Ar<strong>bei</strong>tslauf bis vor eiinem Jahr<br />

Personenabhänig<br />

Ablauflaufplan mit einem groben Zeitrahmen<br />

7-Tage-Woche<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

hoher Krankenstand<br />

häufiges einspringen <strong>de</strong>r Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

kein sicheres Frei<br />

hohe Ar<strong>bei</strong>tsdichte<br />

● Pflegedokumentation<br />

● Telefon<br />

● Klingel<br />

● Überstun<strong>de</strong>n<br />

● ….


7-Tage Woche<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

unbesetzte Stellen, Nachwuchsmangel<br />

hoher Aufwand für die Dienstplanung<br />

suchen von Vertretung<br />

schreiben vom Dienstplan<br />

schwierige Urlaubsplanung<br />

keine Zeit für Beschäftigung<br />

7-Tage Woche<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

verlässlich 7 Tage Dienst und 7 Tage Frei<br />

●<br />

23 Wochen Ar<strong>bei</strong>t und 29 Wochen Frei im Jahr<br />

klare Vertretungsregelung<br />

mehr Zeit für <strong>de</strong>n Bewohner<br />

●<br />

●<br />

●<br />

aktivieren<strong>de</strong> Pflege<br />

Beschäftigung<br />

störungsfreie Pflege<br />

Reduzierung <strong>de</strong>s Planungsaufwands für <strong>de</strong>n<br />

Dienstplan


7-Tage-Woche<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Wertschätzung vom Bewohner und<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

zufrie<strong>de</strong>ne Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

Gewinnung von neuen Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

Reduzierung <strong>de</strong>s krankheitsbedingten<br />

Ausfalls<br />

Reduzierung <strong>de</strong>r Mitar<strong>bei</strong>terkopfzahl für die<br />

Planung am Wochenen<strong>de</strong><br />

Einhaltung <strong>de</strong>s Personalbudgets ohne<br />

Stun<strong>de</strong>nkürzung<br />

Vielen Dank<br />

Für<br />

Ihre Aufmerksamkeit<br />

Kontakt und Beratung: clausappasamy@t-online.<strong>de</strong>


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Expertengruppe<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Weitere Beiträge<br />

Martin Hamborg, AWO- Servicehäuser, Kiel<br />

Berichtet, dass er sich im letzten Jahr damit beschäftigt hat, wie man <strong>de</strong>n gerontopsychiatrischen<br />

Mehrbedarf in <strong>de</strong>r Pflegestufe stärker fachlich begrün<strong>de</strong>n kann. Da<strong>bei</strong> geht es ihm darum, genau zu<br />

begrün<strong>de</strong>n, wie Anleitung und Beaufsichtigung gemacht wer<strong>de</strong>n, wie sich gerontopsychiatrische<br />

Probleme in <strong>de</strong>n Alltagsverrichtungen auswirken und dann eben Einfluss auf <strong>de</strong>n Zeitbedarf haben.<br />

Das Problem da<strong>bei</strong> ist, dass herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Verhalten (erhöhter Zeitfaktor) etwas ist, dass durch<br />

ein schlechtes Milieu forciert wird. Es liegt natürlich nicht im Interesse <strong>de</strong>r Beteiligten, die Pflegestufen<br />

für schlechte Einrichtungen zu erhöhen, wo sich viel herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Verhalten zeigt. Weiteres<br />

Thema: Herausfor<strong>de</strong>rung Kriegserfahrungen. Ar<strong>bei</strong>tet dazu mit Helga Spranger, Psychoanalytikerin,<br />

Expertin für Kriegstraumata zusammen. Frage: Wie können diese Erkenntnisse die Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong><br />

ihrer Ar<strong>bei</strong>t unterstützen.<br />

In <strong>de</strong>r Diskussion zum Thema Kontrolle mit Frau Beikirch und an<strong>de</strong>ren aus <strong>de</strong>r „oberen Ebene“, wo<br />

ich die These formuliere, Qualitätsgesichertes Fallmanagement anstelle von Routinekontrollen. Soll<br />

auch in die Ar<strong>bei</strong>tsgruppe Gerontopsychiatrie in Kiel eingebracht wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht immer mehr<br />

gefor<strong>de</strong>rt und geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

Berichtet von seinem Vortrag zum Thema Transparenzkriterien und Expertenstandards und Gewalt in<br />

<strong>de</strong>r Pflege <strong>bei</strong>m Gerontopsychiatrischen Symposium in Gütersloh. War ein großer Aufreger in NRW,<br />

Wichtig ist, <strong>de</strong>utlich zu machen, dass es einen <strong>de</strong>utlichen Logikbruch gibt. In einer von Mißtrauen<br />

geprägten Kontrollgesellschaft kann nicht gleichzeitig eine Vertrauenskultur erwartet wer<strong>de</strong>n, die aber<br />

für gute Dementenbetreuung erfor<strong>de</strong>rlich ist. Ich kann nicht <strong>de</strong>n Mitar<strong>bei</strong>ter unter Druck setzen und mit<br />

Fehlersuche und Noten drangsalieren und dann erwarten, dass er stressfreie Atmosphäre schafft,<br />

kreativ wird und begeistert seiner Tätigkeit nachgeht.<br />

War zur Gründungsversammlung <strong>de</strong>s Bündnis für Altenpflege in Kassel. Dahinter steht das Thema,<br />

macht eine generalisierte Ausbildung Sinn? Die Position <strong>de</strong>r AWO, die als erster großer Verband<br />

gekippt ist, war: Generalisierte Ausbildung schafft neue Kompetenz und öffnet die Fähigkeit in<br />

Richtung Studium und Qualifizierung. Die Gegenposition ist: Solange nichts geregelt ist, ist es ein<br />

großer Fehler, das Berufsbild <strong>de</strong>r Altenpflege zu zerschießen. Im Internet unter<br />

http://www.dvlab/buendnis-altenpflege.<strong>de</strong>/ fin<strong>de</strong>t man die Eckpunkte <strong>de</strong>s Bündnisses. Ruft dazu auf,<br />

das zu unterstützen.<br />

Ariel Weisberg, Haus Berge, Essen<br />

Berichtet von „HILDE palliativ“, mit <strong>de</strong>m man das Wohlbefin<strong>de</strong>n von Menschen, die sich nicht mehr<br />

äußern können, durch Beobachtung qualifiziert einschätzen kann. Die Anwendung dauert 10-15 min.<br />

Dieses Instrument kann ein großer Gewinn im Umgang mit Menschen in späten Stadien <strong>de</strong>r <strong>Demenz</strong>.<br />

Sobald die Entwicklung weiter ist, wird <strong>de</strong>r DED-Vorstand noch mal informiert.<br />

Weist darauf hin, dass das Haus Berge je<strong>de</strong>s Jahr eine eigene Fachtagung durchführt, die „Berger<br />

Run<strong>de</strong>“. Dieses Jahr zum Thema Gewalt und <strong>Demenz</strong>. Die Tagungen fin<strong>de</strong>n immer am 1. Montag im<br />

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Expertengruppe<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

November statt. Informationen unter http://www.haus-berge.contilia.<strong>de</strong>/front_content.php?idart=310<br />

Heike Schwabe, Landpartie – Tagespflege, Fintel<br />

Die Maßstäbe und Grundsätze zur Qualität für Tagespflege sind veröffentlicht wor<strong>de</strong>n. Sie sind etwas<br />

abgespeckt wor<strong>de</strong>n, aber im Grun<strong>de</strong> so wie vorher. Im nächsten Schritt müssen jetzt die<br />

Rahmenverträge angepasst wer<strong>de</strong>n. Ich konnte als private Trägerin in einem Gremium <strong>bei</strong>m<br />

Ministerium in Nie<strong>de</strong>rsachsen mitar<strong>bei</strong>ten. Da sollten die Empfehlungen zum Betrieb von<br />

Tagespflegeeinrichtungen überar<strong>bei</strong>tet wer<strong>de</strong>n. Kurz vor <strong>de</strong>m Abschluss ist das abgeblasen wor<strong>de</strong>n.<br />

Die Pflegekassen waren durchaus rigi<strong>de</strong>. Dann war Regierungswechsel in Nie<strong>de</strong>rsachsen und das<br />

Ganze ist im San<strong>de</strong> verlaufen. Jetzt wartet man darauf, dass die Rahmenverträge angepasst wer<strong>de</strong>n<br />

und dann sind die Transparenzkriterien dran. Das wird sich hoffentlich so lange hinziehen bis die<br />

Transparenzkriterien, die bereits gültig sind, wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Papierkorb wan<strong>de</strong>rn.<br />

Die Betreuung nach § 87b ist jetzt auch für Tagespflege möglich. Weil es keine gemeinsamen<br />

Verhandlungen gab, muss je<strong>de</strong> Einrichtung selbst 87b-Verhandlungen führen. Es ist noch nicht klar,<br />

wie die Abrechnung laufen soll.<br />

Seit Januar gibt es erhöhte Leistungen. Im Teilstationären Bereich wur<strong>de</strong> davon ausgegangen, dass<br />

man dadurch einen Tag in <strong>de</strong>r Woche mehr buchen kann. Das stimmt aber nicht. Die Pflegekassen<br />

behalten als Basisgröße 450 Euro für die Tagespflegeleistungen. Grund ist, dass im Gesetz ein Satz<br />

fehlt. Es gibt Bemühungen, dagegen anzugehen. Im Moment sparen die Pflegekassen viel Geld - 130<br />

Euro im Monat pro Pflegebedürftigem.<br />

Hilke Prahm-Rohlje, Gerontopsychiatisches Zentrum im Clemens-Wallrath-Haus, Münster<br />

Ergänzung: Früher war es offenbar sehr einfach, Betreuungsleistungen über 45b zu erhalten. Seit<strong>de</strong>m<br />

es die Pflegestufe Null gibt, wird das schwieriger. Berichtet, dass viele Angehörige Ablehnungen<br />

erhalten.<br />

Michael Oehler, Pflegezentrum Am Lehngrund, Glauchau<br />

Im Pflegeneuausrichtungsgesetz fehlt ein Satz und <strong>de</strong>swegen können sich die Pflegekassen<br />

aussuchen, welchen Satz sie zahlen. Manche zahlen <strong>de</strong>n erhöhten Satz und manche nicht.<br />

Silvia Körbitz, Pflegedienst Körbitz GmbH, Gossa<br />

Stimmt <strong>de</strong>m zu, berichtet, dass sie keine Probleme hat und die Kassen auch <strong>de</strong>n erhöhten Satz<br />

zahlen. (Dies ist zur Zeit <strong>de</strong>r Protokollverfassung nicht mehr <strong>de</strong>r Fall.)<br />

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Expertengruppe<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Quo Vadis DED?<br />

Wie gestalten wir die Ar<strong>bei</strong>t unseres Vereins in <strong>de</strong>r Zukunft?<br />

Mo<strong>de</strong>ration: Michael Oehler, Glauchau<br />

Martin Hamborg, Hamburg<br />

Bei <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung in Hanau war die Zusammenar<strong>bei</strong>t zwischen <strong>de</strong>m DQD und <strong>de</strong>r DED<br />

als Verein ein wichtiges Thema. Die Frage war: Läuft da was aneinan<strong>de</strong>r vor<strong>bei</strong>? Welche<br />

Schwierigkeiten und welche Möglichkeiten gibt es? Schlägt vor, dass DQD-Mitglie<strong>de</strong>r vom Stand<br />

dieser Diskussion berichten.<br />

Weitere Themen: Die DED als politisches Sprachrohr, Wirkung nach „Außen“, Mitglie<strong>de</strong>rbefragung.<br />

Silvia Bogdanowa, Gera<br />

Das Deutsche Qualitätsbündnis <strong>Demenz</strong> (DQD) ist ein Zusammenschluss von Einrichtungen, die IQM<br />

<strong>Demenz</strong> durchlaufen haben. Bis jetzt sind dort nur vollstationäre Einrichtungen vertreten. Das DQD ist<br />

eine Ar<strong>bei</strong>tsgruppe <strong>de</strong>r DED und erar<strong>bei</strong>tet zur Zeit eine eigenen Leitlinie, die auf <strong>de</strong>r nächsten<br />

Tagung vorgestellt wer<strong>de</strong>n könnte. Ziel ist es außer<strong>de</strong>m, Vertreter <strong>de</strong>s DQD in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r DED<br />

zu entsen<strong>de</strong>n. Das ist mit Johannes Schoner und Silvia Bogdanowa auch gelungen. So können<br />

Impulse aus <strong>de</strong>m DQD in <strong>de</strong>n Vorstand eingebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Das DQD wird die Herbsttagung in Erfurt fachlich vorbereiten. Das Thema wird sein: Wie viel<br />

Fachkraft braucht das Land? Welche Fachkräfte braucht die spezialisierten Dementenbetreuung? Ziel<br />

ist die Diskussion dieser Fragen und Austausch. Da<strong>bei</strong> sollen aus <strong>de</strong>r stationären, <strong>de</strong>r ambulanten<br />

und <strong>de</strong>r Tagespflege Erfahrungen und Erkenntnisse eingebracht wer<strong>de</strong>n, ebenso wie aus <strong>de</strong>r Ar<strong>bei</strong>t<br />

von Alzheimergesellschaften, Betreuungsgesellschaften und Beratungsstellen.<br />

Eine wichtige Frage für das DQD ist die Zukunft von IQM <strong>Demenz</strong>: Wie wird das Instrument weiter<br />

entwickelt? Wird es in <strong>de</strong>r DED weiterhin eine Basis haben, auch wenn es finanziell und in Bezug auf<br />

die Akquise aus <strong>de</strong>r DED heraus gelöst wird?<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Es sollte keine Parallelorganisation entstehen. Die Verzahnung, <strong>de</strong>r Transfer von Überlegungen,<br />

Erfahrungen und Wissen muss gewährleistest bleiben.<br />

Silvia Bogdanowa, Gera<br />

Das DQD sieht sich nicht als Paralleluniversum. Gleichzeitig sind die Gemeinsamkeiten <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r<br />

sehr groß,: Alle stammen aus <strong>de</strong>r stationären Altenpflege. Es ist erklärtes Ziel, an <strong>de</strong>n Diskussionen in<br />

<strong>de</strong>r DED teilzunehmen.<br />

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Expertengruppe<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r, Bochum<br />

In <strong>de</strong>r Anfangsphase ist <strong>de</strong>r Wunsch sehr berechtigt, unter sich sein zu wollen. Die Ergebnisse sollten<br />

aber in die DED eingebracht wer<strong>de</strong>n und die Gesamtheit bereichern.<br />

Anknüpfend an Diskussionen in Hanau: Dass wir nicht mehr so viele sind, das birgt auch Chancen.<br />

Möchte daran erinnern, dass es in Deutschland nicht nur stationäre Einrichtungen gibt, die <strong><strong>de</strong>menz</strong>iell<br />

erkrankte Menschen pflegen. Es gibt <strong>de</strong>n Vorrang ambulant vor stationär. Es gibt im ambulanten<br />

Bereich einen großen Bedarf an Beratung und Schulung. Im ambulanten Bereich wer<strong>de</strong>n auch<br />

Schwerkranke gepflegt, dies müssen wir im Blick behalten.<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Die Frage ist, wir wir Menschen aus <strong>de</strong>m ambulanten Bereich fin<strong>de</strong>n und einbin<strong>de</strong>n können.<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r, Bochum<br />

Der Bedarf ist auch durch MDK-Anfor<strong>de</strong>rungen und Kontrollen im ambulanten Bereich geschürt<br />

wor<strong>de</strong>n. Es gibt auch dort ein verpflichten<strong>de</strong>s Fortbildungsprogramm und das Thema <strong>Demenz</strong> als ein<br />

sehr naheliegen<strong>de</strong>s. Die stationären Konzepte können da eine Hilfe sein, sind aber nicht eins-zu-eins<br />

umsetzbar. Es gibt viele wenig qualifizierte Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n ambulanten Diensten. Deshalb ist das<br />

ein interessantes Feld.<br />

Silvia Körbitz, Gossa<br />

Neu im Ambulanten Bereich ist <strong>de</strong>r Paragraf 45 b zur „eingeschränkten Alltagskompetenz“, auch<br />

„<strong>Demenz</strong>paragraf“ genannt. <strong>Demenz</strong>kranke erhalten dadurch 200 Euro zusätzlich. Dieses Geld kann<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n um <strong>Demenz</strong>kranken ein Tagespflegeangebot zur Beschäftigung zu machen. Es<br />

kann auch für speziell ausgebil<strong>de</strong>te <strong>Demenz</strong>begleiter ausgegeben wer<strong>de</strong>n. Der ambulante Bereich<br />

leistet schon jetzt viel in diesem Bereich. Aber vor allem die Tagespflege wur<strong>de</strong> bisher etwas<br />

stiefmütterlich behan<strong>de</strong>lt, macht aber tatsächlich viel aus für <strong>Demenz</strong>erkrankte und vor allem für ihre<br />

Angehörigen. Angehörige bestätigen immer wie<strong>de</strong>r, dass Tagespflegeangebote eine große Entlastung<br />

darstellen.<br />

Martin Hamborg, Kiel<br />

In <strong>de</strong>r Tat wird DED oft als stationäres Bollwerk wahrgenommen. Das liegt auch an IQM <strong>Demenz</strong>.<br />

Verweist auf seine eigene langjährige Erfahrung im ambulanten Bereich und auf die vielen Projekte,<br />

die er über die Jahre gemacht hat.<br />

Laura Schwarz, Steinfurt<br />

Zum Thema Schulungsbedarf im ambulanten Bereich: Betreuungsdienste und Haushaltshilfen, die<br />

keine originären Betreuungskräfte sind, brauchen eigentlich genau so eine Schulung, wie die<br />

Betreuungskräfte. Die wer<strong>de</strong>n oft genau dann eingesetzt, wenn es zu Hause aufgrund einer<br />

<strong>Demenz</strong>erkrankung nicht mehr so richtig läuft. Vernachlässigt wird im Ambulanten Bereich auch <strong>de</strong>r<br />

Bereich Beratung, die Einbindung von Ehrenamtlichen und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Nachbarschaftshilfe.<br />

Angela Dannemann, Bremen<br />

Begrüßt die Tatsache, dass es mit Heike Schwabe jetzt im Vorstand jeman<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Tagespflege<br />

gibt: Habe mich in <strong>de</strong>n letzten Jahren hier mit meiner Tagespflege immer recht einsam gefühlt.<br />

Bestätigt die Wichtigkeit <strong>de</strong>r Vernetzung zwischen ambulanter und Tagespflege, mit <strong>de</strong>r man ein sehr<br />

gutes Netz für Menschen, die noch zu Hause leben aufbauen kann.<br />

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Expertengruppe<br />

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Mechthild Lärm, Kosel<br />

Wie können wir die Kompetenz, die wir hier haben, mehr in diese Bereich tragen, dort<br />

Tagungsteilnehmer und Mitglie<strong>de</strong>r gewinnen und unser Wissen teilen?<br />

Heike Schwabe, Fintel<br />

Wir heißen <strong>de</strong>utsche Expertengruppe Dementenbetreuung und nicht Deutsche Expertengruppe für<br />

stationäre Dementenbetreuung. Im stationären Bereich ist dieses Thema sehr viel präsenter und das<br />

Wissen dazu konzentrierter: Ich profitiere von meinen Erfahrungen aus <strong>de</strong>m stationären Bereich in<br />

meiner heutigen Tätigkeit im teilstationären Bereich. Dieses Wissen kann ich jetzt im teilstationären<br />

Bereich anwen<strong>de</strong>n und in meiner Tätigkeit als Dozentin weiter geben. Zum Beispiel in <strong>de</strong>r Schulung<br />

von 45b-Kräften. Da sind tolle Synergien möglich, <strong>de</strong>nn letztlich geht es um das Netzwerk für die<br />

Betroffenen. Die <strong>Demenz</strong>kranken unterschei<strong>de</strong>n sich nicht, egal in welcher Betreuungsform sie<br />

versorgt wer<strong>de</strong>n.<br />

Hannelore Schüssler, Oberursel<br />

Schließt sich Frau Schwabe an und weist auf die niedrigschwelligen Angebote nach § 45 b und c hin,<br />

die unterhalb <strong>de</strong>r Tagespflege zur Verfügung stehen. Diese ar<strong>bei</strong>ten mit vielen Ehrenamtlichen, auch<br />

da gibt es einen großen Bedarf an Schulungen.<br />

Silvia Körbitz, Gossa<br />

Berichtet von Spezialisierung in allen Bereichen in Sachsen-Anhalt: <strong>Demenz</strong>einrichtungen,<br />

<strong>Demenz</strong>-WGs, <strong>Demenz</strong>-Tagespflegen, spezialisierte ambulante Bereiche. Wichtig ist aber, die<br />

Angehörigen früher zu erreichen. Beratungsstellen wer<strong>de</strong>n oft zu spät aufgesucht. Das ist Thema<br />

einer Initiative zur Vernetzung unter <strong>de</strong>n unterschiedlichen Einrichtungen, die im vergangenen Oktober<br />

gestartet ist. Das Problem da<strong>bei</strong> ist die mangeln<strong>de</strong> Unterstützung bzw. Blocka<strong>de</strong> durch<br />

Krankenkassen, Gesundheitsamt und Politik.<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Diese sogenannte „Ambulantisierung“ bleibt ein Thema für <strong>de</strong>n neuen Vorstand.<br />

Martin Hamborg schlägt vor, die inhaltliche Diskussion an dieser Stelle abzubrechen und das Thema<br />

Vernetzung von Angeboten und Hilfeformen zum Thema <strong>de</strong>r übernächsten Tagung zu machen.<br />

Zustimmung aus <strong>de</strong>m Plenum.<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Stichwort DED als politisches Sprachrohr: Welche Erwartungen haben die Mitglie<strong>de</strong>r? Was können wir<br />

leisten?<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Sind die DED-Mitglie<strong>de</strong>r weiterhin an zwei Tagungen im Jahr interessiert o<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> ihnen auch eine<br />

Tagung reichen?<br />

Martin Hamborg<br />

Betont, dass er dafür gesorgt hat, dass die DED in <strong>de</strong>n Gremien wie<strong>de</strong>r interessant gewor<strong>de</strong>n ist, weil<br />

er seit 25 Jahren alle Bereiche <strong>de</strong>r Pflege ab<strong>de</strong>ckt und <strong>de</strong>shalb eingela<strong>de</strong>n wird.<br />

Er persönlich vermisst in <strong>de</strong>r DED das Forum, um an <strong>de</strong>n strategischen und strukturellen Themen auf<br />

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Expertengruppe<br />

D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

übergeordneter Ebene weiter zu ar<strong>bei</strong>ten. Das Symposium in Hanau habe Herrn Fleer vom MDS und<br />

Frau Beikirch (Ombudsfrau für Entbürokratisierung in <strong>de</strong>r Pflege) zusammengeführt, sie haben eine<br />

Ebene gefun<strong>de</strong>n. Die DED Position zum Thema Prüfung sei verankert wor<strong>de</strong>n.<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Weist darauf hin dass das Interesse <strong>de</strong>r Tagungsteilnehmer und Mitglie<strong>de</strong>r offensichtlich mehr ein<br />

Praktisches ist. An<strong>de</strong>rnfalls wür<strong>de</strong>n die Strategie- und Strukturdiskussionen längst einen größeren<br />

Raum einnehmen.<br />

Randolph Krebs, Stralsund<br />

Wünscht sich zwei Veranstaltungen im Jahr. <strong>Demenz</strong> ist in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit angekommen und es<br />

sind sehr viele Fortschritte gemacht wor<strong>de</strong>n. Es ist ein Plateau erreicht, an <strong>de</strong>m die neue Aufgabe ist,<br />

Menschen mit <strong>Demenz</strong> und ihre Angehörigen besser in die Gesellschaft einzubin<strong>de</strong>n.<br />

Angela Dannemann, Bremen<br />

Eine Möglichkeit wäre, sich nur einmal im Jahr, aber dann für drei Tage zu treffen.<br />

Anke Kröhnert, Fleckeby<br />

Wen<strong>de</strong>t ein: Wenn ich zu <strong>de</strong>m einen Termin nicht kann, bin ich zwei Jahre raus.<br />

Unterstützung aus <strong>de</strong>m Plenum<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Der Vorstand habe keine einheitliche Meinung. Fin<strong>de</strong>t persönlich zwei Tagungen im Jahr sinnvoll, weil<br />

dann ein fortlaufen<strong>de</strong>s Gespräch entsteht, an das man auch anknüpfen kann. Der harte Kern kommt<br />

in zwei Jahren drei Mal. Das hat einen großen Wert. Es wäre einfacher, man hätte nur eine Tagung zu<br />

organisieren, an<strong>de</strong>rerseits gibt eine große organisatorische Routine.<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r, Bochum<br />

Organsatorisch wäre es ja vielleicht möglich, wenn sich DQD und DED mit <strong>de</strong>r Organisation<br />

abwechseln.<br />

Marita Neumann, Essen<br />

Zwei Tagungen im Jahr sind sehr viel. Vielleicht könnte man eine Tagung an die Berger Run<strong>de</strong> im<br />

November koppeln? Fin<strong>de</strong>t die Gespräche und das Voneinan<strong>de</strong>r lernen am wichtigsten<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Es gibt die Überlegung, die Herbsttagung alle 2 Jahre an die Kongresse <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Alzheimergesellschaft zu koppeln.<br />

Dr. Jens Bru<strong>de</strong>r, Hamburg<br />

Erinnert an das Beispiel <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft <strong>de</strong>r Alten- und Angehörigenberatungsstellen,<br />

die Anfang <strong>de</strong>r 90er gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und sich zwei mal im Jahr traf. Lange Zeit war das ein sehr<br />

lebendiger Zusammenschluss. Als die Kraft etwas nachließ, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Beschluss gefasst, sich nur<br />

noch einmal im Jahr zu treffen und dann dauerte es nur ein Jahr, bis sich die Gruppe auflöste.<br />

Natürlich ist die Tagungsorganisation anstrengend, aber es entsteht immer diese beson<strong>de</strong>re Mischung<br />

aus Intimität und fachlichem Austausch. Es gibt manche Fragen, die nicht zu sehr in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

geraten sollten – zum Beispiel <strong>de</strong>r unmittelbare Umgang mit <strong>de</strong>n <strong>Demenz</strong>kranken. Da vereint die DED<br />

sehr viel Wissen, das lei<strong>de</strong>r nur punktuell durch die Falldarstellungen hervor kommt.<br />

Claus Appasamy, Bremen<br />

Ist verunsichert von <strong>de</strong>r schwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Anzahl <strong>de</strong>r Teilnehmer_innen. Ist das ein Ausdruck <strong>de</strong>ssen,<br />

dass die DED nicht die richtigen Themen fin<strong>de</strong>t? O<strong>de</strong>r liegt es daran, dass alle so angestrengt<br />

ar<strong>bei</strong>ten und immer mehr Termine haben? Vermutlich <strong>bei</strong><strong>de</strong>s: Es ist <strong>de</strong>r DED nicht gelungen, Themen<br />

zu fin<strong>de</strong>n, die so sehr interessieren, dass man sich dafür Platz frei schaufelt.<br />

Welche Themen können Leute dazu bewegen, zu <strong>de</strong>n Fachtagungen zu kommen? Wünscht sich am<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tagung oft noch einen weiteren Tag, um weiter zu diskutieren.<br />

Hilke Prahm-Rohlje, Münster<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r DED gibt es heute viele spannen<strong>de</strong> Fortbildungen zum Thema<br />

Dementenbetreuung. Vor zehn Jahren war die DED eine Ausnahme. Vielleicht haben die niedrigen<br />

Teilnehmerzahlen nicht nur mit <strong>de</strong>n Themen <strong>de</strong>r Tagungen zu tun, son<strong>de</strong>rn auch mit <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Vielfalt.<br />

Hei<strong>de</strong>marie Sauerbaum, Kaiserslautern<br />

Ist heute zum ersten Mal da<strong>bei</strong>, fühlt sich sehr inspiriert. Das Thema <strong>Demenz</strong> hat sich ein bisschen<br />

relativiert. Man muss dran bleiben, damit es lebendig bleibt und sich bewegt. Dafür ist die DED eine<br />

gute Plattform.<br />

Heike Schwabe, Fintel<br />

Die Frage ist, welches Ziel die Treffen haben? Wenn <strong>de</strong>r Fokus <strong>de</strong>r Tagungen auf <strong>de</strong>m Austausch<br />

liegt, ist das eine an<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rung, als wenn man immer wie<strong>de</strong>r Themen fin<strong>de</strong>n soll, die wenig<br />

besprochen wer<strong>de</strong>n und Leute hinterm Ofen hervor locken. Das ist ein sehr viel höherer Druck.<br />

Erinnert an das Buch „Wünsche an die DED“, das <strong>bei</strong> <strong>de</strong>n Tagungen immer ausliegt: Die Mitglie<strong>de</strong>r<br />

können dort hinein schreiben, was sie sich wünschen und <strong>de</strong>r Vorstand kann daraufhin sagen, was er<br />

leisten kann – und was nicht.<br />

Spricht sich für zwei Treffen aus, weist aber darauf hin, dass es sehr viel Ar<strong>bei</strong>t ist, zwei fachlich<br />

hochwertige Tagungen vorzubereiten.<br />

Johannes Schoner, Kaiserslautern<br />

Zwei Treffen im Jahr sind absolut notwendig. Es ist sinnvoll, die Teilung in Ar<strong>bei</strong>ts- und Fachtagungen<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Silvia Bogdanowa, Gera<br />

Spricht sich auch für zwei Tagungen im Jahr aus. Kündigt an, dass sich die DED bemühen wird, eine<br />

Tagung alle zwei Jahre mit <strong>de</strong>m Alzheimerkongress zu koppeln. Die DED lebt nur durch ihre<br />

Mitglie<strong>de</strong>r. Bisher wird ALLES von <strong>de</strong>n Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn selbst gemacht. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich einbringt,<br />

unsere Zusammenar<strong>bei</strong>t und die Tagungen erfolgreich. Es gibt kaum externen Referenten, es gibt nur<br />

die Mitglie<strong>de</strong>r. Da ist so viel Kompetenz, die sollte genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bärbel Schenkluhn, Oberhausen<br />

Spricht sich auch für zwei Tagungen aus und dafür, dass es weiterhin Protokolle gibt, damit man<br />

nachlesen kann, was man evtl. verpasst hat.<br />

Zum Stichwort „politisches Sprachrohr“: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Frage ist, wie das umgesetzt<br />

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wer<strong>de</strong>n kann. An Martin Hamborg gerichtet: Der Eindruck ist, dass er für die DED spricht, dass aber<br />

nicht klar ist, was er im Namen <strong>de</strong>r DED sagt. Wie könnte die DED eine gemeinsame Position<br />

entwickeln, die Martin Hamborg o<strong>de</strong>r jemand an<strong>de</strong>res dann in entsprechen<strong>de</strong> Gremien einbringt? Zum<br />

Beispiel wäre die Frage, wie es mit <strong>de</strong>r Ausbildung weiter geht, ein Thema für die DED. Fän<strong>de</strong> es gut<br />

und wichtig wenn die DED Stellung zu politischen Entwicklungen bezieht, o<strong>de</strong>r Debatten anstößt.<br />

Martin Hamborg<br />

Dafür gibt es in <strong>de</strong>r DED zur Zeit keine Forum, weil <strong>de</strong>r Austausch <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r im Vor<strong>de</strong>rgrund<br />

steht. Wenn das weiter so gewollt ist, muss man sich von <strong>de</strong>m Anspruch verabschie<strong>de</strong>n, ein<br />

politisches Sprachrohr zu sein und überlässt damit an<strong>de</strong>ren das Wort.<br />

Ariel Weisberg, Essen<br />

Spricht sich gegen gemeinsame politische Stellungnahmen aus. Plädiert dafür, weiterhin die<br />

Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r Dementenar<strong>bei</strong>t in <strong>de</strong>r DED zu diskutieren und individuell politisch Einfluss<br />

zu nehmen. Sieht aber nicht die Notwendigkeit, jeman<strong>de</strong>n mit einem Mandat auszustatten, für die<br />

DED zu sprechen.<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Wie können diese Prozesse gestaltet wer<strong>de</strong>n? Müssen Stellungnahmen abgestimmt wer<strong>de</strong>n?<br />

Johannes van Dijk, Hamburg<br />

Berichtet von einer Ar<strong>bei</strong>tsgruppe zum Thema „MDK: Prüfung auf <strong>de</strong>m Prüfstand“ <strong>bei</strong> <strong>de</strong>r letzten<br />

Tagung in Hanau. In dieser Gruppe wur<strong>de</strong> versucht, Martin Hamborg I<strong>de</strong>en zu liefern, die er in diese<br />

Symposien einbringen konnte. Diese Ar<strong>bei</strong>tsgruppentreffen waren schwierig zu organisieren.<br />

Trotz<strong>de</strong>m ist diese Außenwirkung für die Politik sehr wichtig. Die Frage ist: Wie kann man diejenigen,<br />

die Kontakte in die Politik haben, so gut wie möglich unterstützen, damit sie sich auch getragen<br />

fühlen?<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r, Bochum<br />

Die DED wählt einen Vorstand, damit es ein Vertretungsgremium gibt. Im Vorstand sind Menschen<br />

aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die zu Anfragen auch Stellung nehmen können. Das muss<br />

nicht immer die Vorsitzen<strong>de</strong> machen. Plädiert für eine Zusammenar<strong>bei</strong>t mit an<strong>de</strong>ren Institutionen, zum<br />

Beispiel Witten-Her<strong>de</strong>cke, die Geld für Forschung haben.<br />

Randoph Krebs, Stralsund<br />

Erinnert sich an Zeiten, in <strong>de</strong>nen die DED einen höheren innovativen Anspruch hatte und von <strong>de</strong>r<br />

Politik mehr wahrgenommen wur<strong>de</strong>. Das sollten wir wie<strong>de</strong>r anstreben.<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Das hat etwas mit <strong>de</strong>m „Plateau“ zu tun, das bereits erwähnt wur<strong>de</strong>. Als die DED angefangen hat, war<br />

das BMFSFJ sehr daran interessiert, dass wir uns zwei mal im Jahr treffen und hat uns <strong>de</strong>shalb<br />

geför<strong>de</strong>rt. Inzwischen hat das Wissen in diesem Bereich ein gewisses Niveau erreicht und <strong>de</strong>shalb hat<br />

die För<strong>de</strong>rung nachgelassen. Damals waren wir ein sogenannter „Leuchtturm“ und wur<strong>de</strong>n geför<strong>de</strong>rt.<br />

Vielleicht kann man gezielter Politiker aus <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sland, in <strong>de</strong>m die Tagung ist, einla<strong>de</strong>n. Wenn<br />

man in Berlin ist und Frau Weritz-Hanf informiert, kann es sein, dass jemand für eine Stun<strong>de</strong> vor<strong>bei</strong><br />

kommt. Frage an Dr. Bru<strong>de</strong>r nach seinem Kontakt zu Frau Weritz-Hanf o<strong>de</strong>r Kollegen.<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Dr. Jens Bru<strong>de</strong>r, Hamburg<br />

Aktuell kein Kontakt, aber prinzipiell immer auf <strong>de</strong>r Agenda. Die Bun<strong>de</strong>sministerien sind nur für<br />

Projektför<strong>de</strong>rung zuständig. Für die laufen<strong>de</strong>n Kosten im Gesundheits- und Pflegewesen sind<br />

dagegen die entsprechen<strong>de</strong>n Körperschaften, die Län<strong>de</strong>r und Kommunen zuständig.<br />

Weist auf das Deutsche Zentrum für Neuro<strong>de</strong>generative Erkrankungen hin, das seit vier Jahren<br />

besteht. Diese Institution ist mit einem Millionenbetrag ausgestattet. Fünf- bis sechshun<strong>de</strong>rt<br />

Wissenschaftler ar<strong>bei</strong>ten mit. Bei <strong>de</strong>r Eröffnung haben sie auch einen Schwerpunkt in<br />

Versorgungsforschung geplant. Mittlerweile macht das Institut aber vor allem neurobiologische und<br />

molekularbiologische Grundlagenforschung. Dort wird vielleicht einmal die Ursache <strong>de</strong>s<br />

Alzheimerproblems aufge<strong>de</strong>ckt.<br />

Es gibt aber in Deutschland außer <strong>de</strong>r DED keine Gruppierung, in <strong>de</strong>r potenziell so viel Wissen zu<br />

Versorgung vorhan<strong>de</strong>n ist. Die DED hat hier eine wichtige Aufgabe. Es ist vielleicht sinnvoll, auch<br />

gegenüber <strong>de</strong>m DZNE mal aktiver zu wer<strong>de</strong>n. Da stehen jährlich riesige Beträge zur Verfügung.<br />

Volker Westhei<strong>de</strong>r; Bochum<br />

Weist auf Wan<strong>de</strong>rausstellung „Who Cares?“ <strong>de</strong>s medizinhistorischen Instituts <strong>de</strong>r Charité hin. Die<br />

Ausstellung in Bochum wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Barmer Ersatzkasse finanziert.<br />

Michael Oehler, Glauchau<br />

Neue Frage: Veröffentlichungen. Wie sind die Wünsche dazu? Sollte die DED mehr<br />

Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t machen? Außer<strong>de</strong>m: Wie wird die Internetseite www.<strong><strong>de</strong>menz</strong>-<strong><strong>de</strong>d</strong>.<strong>de</strong><br />

wahrgenommen? Wie oft besuchen Mitglie<strong>de</strong>r sie?<br />

Martin Hamborg<br />

Ruft Mitglie<strong>de</strong>r auf, Fachartikeln zu schreiben, in die öffentliche Diskussion zu gehen und sich da<strong>bei</strong><br />

als DED-Mitglie<strong>de</strong>r auszuweisen. Fachartikel sollen, wenn möglich, auf die Internetseite.<br />

Silvia Körbitz, Gossa<br />

Berichtet von Erfahrungen mit einer überregionalen Zeitung, wo Artikel durch die Zeitung kräftig<br />

umgeschrieben, gekürzt und inhaltlich verfälscht wur<strong>de</strong>n. Autorenschaft durfte nicht angegeben<br />

wer<strong>de</strong>n. Beschreibt es als frustrieren<strong>de</strong> Erfahrung.<br />

Heike Schwabe, Fintel<br />

Erinnert an die Verbindung mit Michael Ganß, Herausgeber <strong>de</strong>r Fachzeitschrift „<strong><strong>de</strong>menz</strong>“, <strong>de</strong>r als<br />

Kontakt genutzt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Johannes van Dijk, Hamburg<br />

Äußert Ärger über die Website, die oft nicht aktuell ist und die Protokolle, die sehr spät kommen.<br />

Mechthild Lärm, Kosel<br />

Schlägt vor, die Website wie<strong>de</strong>r professionell pflegen zu lassen. Weist auf <strong>de</strong>n Aufwand hin, <strong>de</strong>n es<br />

be<strong>de</strong>utet, eine Website aktuell zu halten. Es ist nicht realistisch, dass das ehrenamtlich geschieht.<br />

Zum Thema Protokolle: Ziel ist, die Protokolle zeitnah auf <strong>de</strong>r Website zu haben. Aus Kostengrün<strong>de</strong>n<br />

ist es sinnvoll, die gedruckte Version erst später, zusammen mit <strong>de</strong>r Einladung zur nächsten Tagung<br />

zu verschicken. Kündigt an, dass die Website einen RSS-Feed erhalten soll, mit <strong>de</strong>m man<br />

Än<strong>de</strong>rungen leichter verfolgen kann. Es dauert im besten Fall drei volle Ar<strong>bei</strong>tstage, bis ein Protokoll<br />

fertig ist. Je weiter die Tagung zurück liegt, <strong>de</strong>sto länger dauert es. Gleichzeitig sind die Protokolle so<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

wertvoll. Kündigt an, dass <strong>de</strong>r Vorstand versuchen wird, dieses Problem zu lösen.<br />

Experten unter sich<br />

Vortrag Annette Richert: <strong>Frontotemporale</strong> <strong>Demenz</strong>en<br />

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Fragen und Diskussion im Anschluss an <strong>de</strong>n Vortrag von Annette Richert<br />

Annette Richert, Oberärztin <strong>de</strong>r Abteilung Gerontopsychiatrie <strong>de</strong>s Krankenhauses<br />

Hedwigshöhe, Berlin.<br />

Auf die Frage, warum ein FTD-Erkrankter oft über einen längeren Zeitraum eine unbequeme<br />

Körperhaltung einnimmt:<br />

Eine unbequeme Haltung einzunehmen, kann zwanghaft sein. Viele frontotemporal Erkrankte haben<br />

Zwänge. Die können ganz unterschiedlich sein. In diesen Situationen zeigt sich auch, dass<br />

frontotemporal Erkrankten kaum abzulenken sind, wie viele an<strong>de</strong>re <strong>Demenz</strong>kranke. Man kann sie<br />

nicht von ihrem Verhalten abbringen – auch wenn es schlecht für sie ist.<br />

FTD-Kranke sind in <strong>de</strong>r Regel nicht aggressiv, also angriffslustig. Diese Art von Emotionalität geht<br />

eher verloren. Aber vielleicht sind es große starke Männer. Und wenn sich die Situation zuspitzt, kann<br />

man die nicht wie Kleinkin<strong>de</strong>r einfach „unter <strong>de</strong>n Arm klemmen“ und sagen „jetzt ist aber mal gut“.<br />

Im Umgang mit FTD-Erkrankten muss man seine üblichen Konzepte hinterfragen und anpassen. Das,<br />

was man üblicherweise mit Alzheimerkranken macht, funktioniert nicht <strong>bei</strong> FTD-Erkrankten. Ein ganz<br />

wichtiger Schritt da<strong>bei</strong> ist, darauf zu verzichten, sie zu aktivieren. Das ist manchmal schwierig – vor<br />

allem für Angehörige.<br />

Zum Thema Sprachstörungen und Wirksamkeit von Logopädie <strong>bei</strong> FTD-Erkrankten:<br />

Normalerweise bringt die Logopädie nichts. Sie kann aber psychisch stabilisierend wirken. Manchmal<br />

ist es auch für die Angehörigen wichtig. Bei <strong>de</strong>r Alzheimer<strong><strong>de</strong>menz</strong> gibt es ja auch einen<br />

fortschreiten<strong>de</strong>n Sprachzerfall, letztlich auch einen Sprachverlust und viele Kranke sind im<br />

Endstadium mehr o<strong>de</strong>r weniger stumm. Bei <strong>de</strong>r FTD ist das an<strong>de</strong>rs und oft verblüffend: In <strong>de</strong>r Regel<br />

zeigen sich FTD-Erkrankte zur Situation orientiert, wenn sie sprechen. Wenn sie verstummt sind, kann<br />

man ein SSRI geben. Oft kommt dann das Sprechen noch einmal für ein halbes Jahr wie<strong>de</strong>r –<br />

zumin<strong>de</strong>st 3-Wort-Sätze.<br />

Zum Thema Orale Enthemmung:<br />

Den eigenen Kot zu essen, ist kein Gesundheitsrisiko. Gleichzeitig ist das natürlich ein Problem, <strong>de</strong>nn<br />

wenn ein Mensch immer wie<strong>de</strong>r etwas tut, was man eklig fin<strong>de</strong>t, führt das dazu, dass man <strong>de</strong>n<br />

Menschen früher o<strong>de</strong>r später ablehnt. Das lässt sich ja nicht unterdrücken. Man kann versuchen, zu<br />

vermitteln, dass es eine Phase ist, die dann auch relativ schnell wie<strong>de</strong>r vor<strong>bei</strong> geht. Diese Phasen<br />

dauern <strong>bei</strong> FTD-Kranken meist vier bis sechs Wochen – dann kommt etwas an<strong>de</strong>res.<br />

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Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Es wer<strong>de</strong>n ja vor allem Dinge gegessen, die noch Ähnlichkeiten mit Essen haben. Ein Pilz, zum<br />

Beispiel, könnte ja etwas Essbares sein. Berichtet von einem FTD-Erkrankten, <strong>de</strong>r aus einem<br />

Hühnergehege die Küken lebend gegessen hat – vielleicht, weil es auch Küken aus Schokola<strong>de</strong> gibt.<br />

Das ist ein<strong>de</strong>utig gesundheitsschädlich. Ein an<strong>de</strong>res Beispiel sind Spülmaschinentabs, die einzeln in<br />

Plastik verpackt sind. Die sehen zwar nicht aus wie Bonbons und ein Kind wür<strong>de</strong> gar nicht auf die I<strong>de</strong>e<br />

kommen, die zu essen. Aber FTD-Kranke machen so etwas. Es ist sehr schwer, an alles zu <strong>de</strong>nken,<br />

was möglicherweise schief gehen könnte.<br />

Auf die Frage nach <strong>de</strong>m typischen Verlauf und Tempo einer FTD-Erkrankung:<br />

Man kann eine Vorstellung davon entwickeln, wie das Tempo ist, wenn man das Tempo <strong>de</strong>r letzten ein<br />

bis zwei Jahre betrachtet. Wenn man zum Beispiel weiß, dass in <strong>de</strong>n vergangenen drei Jahren wenig<br />

passiert ist, kann man davon ausgehen, dass die einzelnen Phasen – die natürlich sehr störend sein<br />

können – auch lange anhalten. Berichtet von einem Patienten, <strong>bei</strong> <strong>de</strong>m erst nach vier Jahren die<br />

Diagnose gestellt wur<strong>de</strong>. Zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt war er bereits in <strong>de</strong>r Psychiatrie gewesen. Der erste<br />

psychiatrische Aufenthalt ist mittlerweile 18 Jahre her. Der Patient hat also einen extrem langsamen<br />

Krankheitsverlauf. Das war für seine Frau eine sehr große Belastung. Er ist sehr lange noch zur Ar<strong>bei</strong>t<br />

gegangen und konnte auch noch lange ohne Aufsicht zu Hause sein. Aber häufiger ist ein rascher<br />

Krankheitsverlauf.<br />

Auf die Frage nach plötzlichen Persönlichkeitsän<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r plötzlich auftreten<strong>de</strong>n neuen<br />

Symptomen:<br />

Natürlich gibt es ausgeprägte Persönlichkeitsverän<strong>de</strong>rungen, aber die gehen meist alle in die selbe<br />

Richtung: Verlust von sozialen Fähigkeiten, von Schamgefühl, von Schuldgefühl. Kranke machen nicht<br />

plötzlich Dinge, die sie noch nie im Leben gemacht haben. Wenn jemand zum Beispiel in einer<br />

leiten<strong>de</strong>n Funktion war, dann macht <strong>de</strong>r eben so weiter. Wenn jemand eine dominante Persönlichkeit<br />

hatte, dann wird er weiterhin dominant sein.<br />

Berichtet von einem Briefträger, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Phase oraler Enthemmung viel Alkohol trank und <strong>de</strong>shalb<br />

als Alkoholiker eingestuft wur<strong>de</strong>. Der hat sich mit einem Bier auf die Parkbank gesetzt, anstatt seine<br />

Briefe auszutragen. Da seine Tasche <strong>bei</strong> Feierabend nicht leer war, hat er die Briefe im Park in <strong>de</strong>n<br />

Mülleimer geworfen. Das ist natürlich schnell aufgeflogen. Dieses Verhalten ist zwar absurd, steht<br />

aber in Kontinuität mit <strong>de</strong>r Biografie.<br />

Zum Beispiel eines Erkrankten, <strong>de</strong>r bewusst klauen gegangen ist und, wenn er erwischt wur<strong>de</strong>,<br />

sagte: „Ich hab Frontotemporal-<strong>Demenz</strong> – ich darf das“:<br />

Das ist relativ früh im Krankheitsverlauf noch vorstellbar. Manche FTD- Kranke betonen immer wie<strong>de</strong>r,<br />

dass sie eine Alzheimer Diagnose haben. Weil das die erste Diagnose war, die ihnen gestellt wur<strong>de</strong>.<br />

Viele Kranke sind einem auf Anhieb nicht sympathisch. Man lernt sie ja oft erst kennen, wenn sich ihre<br />

Persönlichkeit bereits verän<strong>de</strong>rt hat. Und man reagiert darauf affektiv.<br />

Auf die Frage, ob sie Angehörigen empfiehlt, die eigene genetische Disposition für FTD testen<br />

zu lassen:<br />

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D ementenbetreuung e.V.<br />

Protokoll <strong>de</strong>r 33.Ar<strong>bei</strong>tstagung <strong>de</strong>r DED April 2013 in Essen<br />

Ich schlage Angehörigen grundsätzlich nicht vor, dass sie sich ebenfalls auf die Krankheit testen<br />

lassen. Oft erkranken Menschen so spät, dass es für die Familienplanung ohnehin zu spät ist – weil<br />

bereits Enkel da sind. Manche Kin<strong>de</strong>r wollen dann wissen, welches Risiko ihre Kin<strong>de</strong>r haben, zu<br />

erkranken. An<strong>de</strong>re sagen, sie wollen es nicht wissen. Wenn die Angehörigen bereits von <strong>de</strong>r<br />

Möglichkeit einer genetischen Belastung wissen, kann man sie natürlich nicht belügen. Es gibt viele,<br />

mitunter dubiose Angebote, zum Beispiel im Internet. Wenn Angehörige eine Untersuchung wollen,<br />

empfehle ich ihnen ein or<strong>de</strong>ntliches Humangenetisches Zentrum. Es ist wichtig, sie da gut zu beraten,<br />

auch wenn es darum geht, das Resultat einer solchen Untersuchung einzuordnen.<br />

Zum Thema <strong>de</strong>r statistischen Verteilung <strong>de</strong>r Geschlechter <strong>bei</strong> FTD:<br />

Man weiß nicht einmal, wie viele FTD-Kranke es insgesamt gibt, weil die Krankheit so oft verkannt und<br />

nicht diagnostiziert wird. Viele Kranke verlieren ihre Familie, fangen an zu trinken und kommen dann<br />

unter einer an<strong>de</strong>ren Diagnose in eine Pflegeeinrichtung. Wenn sie schon nicht mehr sprechen und<br />

man keine Fremdanamnese mehr bekommt, ist eine Diagnose sehr schwierig.<br />

Statistisch gesehen ist das Verhältnis von Frauen und Männern 1 zu 1. Ob das stimmt, weiß aber<br />

keiner genau. Es gibt Grün<strong>de</strong>, anzunehmen, dass die Krankheit <strong>bei</strong> Frauen später diagnostiziert und<br />

oft falsch eingeordnet wird. Gleichzeitig gibt es aber Grün<strong>de</strong>, anzunehmen, dass man Männern mehr<br />

durchgehen lässt. Grundsätzlich gilt: so lange jemand zur Ar<strong>bei</strong>t geht, fallen alle <strong>Demenz</strong>formen<br />

schnell auf. Ich habe genau so viele Männer wie Frauen mit FTD kennen gelernt. Männer setzen sich<br />

im Gedächtnis stärker fest, weil sie in ihrer Symptomatik in <strong>de</strong>r Regel expansiver sind.<br />

Zum Thema Antriebsstörung:<br />

FTD-Kranke zeigen oft eine extreme Sturheit, mit <strong>de</strong>r sie bestimmte Dinge durchziehen. So eine<br />

Antriebsstörung kann im Umgang extrem schwierig sein. Berichtet von einem Mann, <strong>de</strong>r von seiner<br />

Frau gepflegt wur<strong>de</strong> und sehr auf regelmäßigen Mahlzeiten bestand, sich aber ab einem bestimmten<br />

Zeitpunkt nicht mehr hinsetzte. Das war ein großer, schwerer Mann, seine Frau eher klein und zart –<br />

die konnte ihn nicht einfach auf <strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>r Couch „setzen“. Gleichzeitig schimpfte er, wenn sie ihm<br />

nichts zu Essen hinstellte. Wenn er etwas bekam, hat er im Liegen geschlungen und sich verschluckt.<br />

Er war zweimal mit einer Aspirationspneumonie im Krankenhaus. Dann hieß es immer: „Wie können<br />

Sie mit ihrem Mann so umgehen?“. Aber was hätte die Frau tun sollen? Das war <strong>de</strong>r Punkt, an <strong>de</strong>m<br />

sie sich fürs Heim entschied. Sie wollte sich nicht auch noch Vorwürfe machen lassen. Für die<br />

Pflegekräfte war die Situation genau so schwierig, aber die konnten ihn wenigsten zu zweit aufsetzen.<br />

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