Ausgabe 5a | 2013 (PDF 11.0 MB) - LCH
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BILDUNG SCHWEIZ 5 a I <strong>2013</strong> ............................................ schwamm drüber 47<br />
Ausweichmanöver<br />
Darf ich Ihnen zuerst ein paar Miniaturen erzählen,<br />
die sich so oder wenigstens fast genauso<br />
an verschiedenen Schulen zugetragen<br />
haben?<br />
1) Zwei Lehrpersonen desselben Faches hatten<br />
in den Zeugnissen Notendurchschnitte<br />
von deutlich über 5, und zwar nicht nur ausnahmsweise,<br />
sondern auffallend oft. Was tat<br />
die Schulleitung, als sie davon erfuhr? Sie<br />
liess Lektionen ausfallen und verbrummte die<br />
ganze Lehrerschaft zu einer Weiterbildungsveranstaltung,<br />
an der «Experten» zum Thema<br />
Notengebung sprachen.<br />
2) Eine kleine Gruppe von Schülerinnen und<br />
Schülern fiel im Unterricht einer Lehrperson<br />
immer wieder durch Störaktionen und unflätiges<br />
Benehmen auf. Was tat die Klassenlehrerin,<br />
als sie davon erfuhr? Sie liess Lektionen<br />
ausfallen und verbrummte die ganze Klasse<br />
zu einer Sitzung mit einem Vertreter des<br />
schulpsychologischen Dienstes.<br />
3) Einzelne Schülerinnen und Schüler erschienen<br />
immer wieder zu spät zum Unterricht.<br />
Was tat die Lehrperson? Sie liess eine<br />
Lektion ausfallen und lud die ganze Klasse zu<br />
einem von der Schulleitung moderierten Gespräch<br />
zum Thema Zuspätkommen ein.<br />
4) Einzelne Lehrpersonen einer Schule erhielten<br />
über Jahre schlechte Kritiken von Lernenden.<br />
Was tat die Schulleitung, nachdem<br />
ihr das wiederholt zu Ohren gekommen war? Sie verordnete der ganzen Schule<br />
ein Qualitätsmanagementsystem, bei dem alle Lehrpersonen einander gegenseitig<br />
im Unterricht besuchen und über das Beobachtete diskutieren müssen.<br />
Die Kunst, Unangenehmes zu kommunizieren<br />
Sehen Sie die Gemeinsamkeiten? Alle Miniaturen erzählen von Ausweichmanövern.<br />
Probleme werden erkannt, und es findet auch eine Reaktion statt, aber<br />
die Reaktion ist ausweichend, die ganze Schlagkraft der Reaktion zielt weg vom<br />
Haupt- und hin zu einem Stellvertreterschauplatz. Ist Angst der Stratege solcher<br />
Manöver? Ist es Feigheit? Unsicherheit? Ich frage mich immer wieder, was<br />
Menschen dazu bewegt, sich bei Problemen nicht an diejenige Adresse zu richten,<br />
die die Quelle des Problems ist, sondern eine Globallösung anzustreben,<br />
die die Mehrheit der Beteiligten verärgert und das Problem nur in den seltensten<br />
Fällen löst?<br />
Warum hat in der Miniatur 1 die Schulleitung nicht das direkte Gespräch mit<br />
den beiden Lehrpersonen gesucht und versucht, diesen unüblich hohen Notenschnitten<br />
auf den Grund zu kommen? Warum wurde in Miniatur 2 die Klassenlehrerin<br />
überhaupt eingeschaltet? Warum hat die betroffene Lehrperson nicht<br />
das direkte Gespräch mit den Störenden gesucht und klare und gut begründete<br />
Regeln für die künftigen Lektionen aufgestellt? Ebenso in Miniatur 3. Und warum<br />
hat die Schulleitung in Miniatur 4 nicht das direkte Gespräch mit den betroffenen<br />
Lehrpersonen gesucht und sie, falls sich die Vorwürfe bestätigt hätten,<br />
allenfalls mentorieren lassen?<br />
Solche Ausweichmanöver findet man überall, nicht nur an Schulen. Und nicht<br />
selten verursachen sie einen deutlich höheren zeitlichen Aufwand für alle Beteiligten<br />
und führen zu unnötigen Reglementierungen. Wenn wir uns doch nur<br />
alle wieder vermehrt in der Kunst des klaren, direkten, ehrlichen, respektvollen,<br />
nicht beschönigenden und nicht ausweichenden Gespräches üben würden!<br />
<br />
Armin P. Barth<br />
BILDUNG SCHWEIZ demnächst<br />
Hat’s Hattie?<br />
Kein anderes Buch der Bildungswissenschaft<br />
wird derzeit so heiss diskutiert<br />
wie «Visible Learning» von John Hattie.<br />
Soeben ist es unter dem Titel «Lernen<br />
sichtbar machen» auch auf Deutsch erschienen.<br />
BILDUNG SCHWEIZ bringt<br />
Auszüge aus dem Buch und spricht mit<br />
dem Übersetzer Wolfgang Beywl.<br />
Ein LIFT in die Arbeitswelt<br />
Es begann im Jahr 2006 mit vier Schulen;<br />
aktuell beteiligen sich rund 70<br />
Oberstufenschulen in der ganzen<br />
Schweiz am Projekt LIFT. Dieses führt<br />
Jugendliche mit «erschwerter Ausgangslage»<br />
für den Übergang in einen Beruf<br />
ab der 7. Klasse praktisch an die Arbeitswelt<br />
heran.<br />
Bildung im Überblick<br />
Kein anderes Dokument enthält so kompakt<br />
und vollständig das bildungspolitische<br />
Geschehen in der Schweiz wie<br />
der Jahresbericht des <strong>LCH</strong>. Wie gewohnt<br />
liegt er dem Juni-Heft bei.<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> erscheint am<br />
4. Juni