Kommission für nachhaltige Entwicklung - Deutsche Model United ...
Kommission für nachhaltige Entwicklung - Deutsche Model United ...
Kommission für nachhaltige Entwicklung - Deutsche Model United ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Model</strong> <strong>United</strong> Nations<br />
Schleswig-Holstein 2014<br />
<strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Einführung<br />
in die Themen
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Sehr geehrte Delegierte,<br />
wir sind Anna Friedemann, Jannik Jürß und Niklas Reichhelm und heißen Sie herzlich in der <strong>Kommission</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> (KnE) bei MUN-SH 2014 willkommen! Wir haben das Vergnügen, in Ihrem<br />
Gremium <strong>für</strong> die Dauer der Konferenz den Vorsitz innezuhaben und freuen uns darauf, Ihren Debatten<br />
zu lauschen.<br />
Die jährlich zusammentretende <strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> ist eine der neun Fachkommissionen,<br />
welche dem Wirtschafts- und Sozialrat (WiSo) unterstehen. Sie setzt sich aus 53 gewählten<br />
Staaten zusammen, von denen bei MUN-SH allerdings nur ein Teil simuliert wird.<br />
Als Untergremium des WiSo kann die KnE selbst keine eigenen Beschlüsse fassen, sondern ist auf<br />
dessen Zustimmung zu ihren Resolutionsentwürfen angewiesen. Der WiSo kann die Entwürfe auch<br />
ablehnen oder zur Überarbeitung zurückschicken. Am Ende der thematischen Einführungen finden<br />
Sie einige wichtige Hinweise zum Völkerrecht, die <strong>für</strong> Ihre Arbeit im Gremium wie auch in der Zusammenarbeit<br />
mit dem WiSo wichtig sein könnten.<br />
Das im Dezember 1992 von der Generalversammlung geschaffene Gremium befasst sich mit dem<br />
verantwortungsbewussten Umgang mit <strong>Entwicklung</strong>sressourcen verschiedenster Art. Fragen der Umweltpolitik<br />
nehmen dabei einen signifikanten Teil des Tätigkeitsbereichs ein.<br />
Die KnE ist zuständig <strong>für</strong> die Betreuung und Überwachung des UN-Umweltprogramms „Agenda 21“,<br />
welches das zentrale Leitlinienpapier der UN zum Thema der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong> ist.<br />
Die Themen, mit denen Sie sich während der Konferenz beschäftigen werden, sind „Nachhaltige Gestaltung<br />
der Urbanisierung“ (inhaltliche Fragen dazu an Jannik Jürß – j.juerss@mun-sh.de), „Gefahren<br />
<strong>für</strong> die Weltmeere durch Kunststoff“ (Niklas Reichhelm – n.reichhelm@mun-sh.de) und „Internationales<br />
Maßnahmenpaket gegen die Desertifikation“ (Anna Friedemann – a.friedemann@mun-sh.de). In<br />
diesem Study-Guide finden Sie zu jedem dieser Themen Texte, die Sie bei Ihrer Vorbereitung unterstützen<br />
sollen. Lesen Sie diese Texte aufmerksam und nutzen Sie auch die angegebenen Quellen <strong>für</strong><br />
die Erstellung der Positionspapiere sowie Ihres Arbeitspapiers! Weitere Hinweise <strong>für</strong> das Verfassen der<br />
Papiere und die Recherche finden Sie im Kapitel „Vorbereitung“ des Handbuchs. Natürlich helfen wir<br />
Ihnen bei Fragen oder Problemen gerne weiter. Scheuen Sie sich also nicht, uns zu kontaktieren.<br />
Abschließend wünschen wir Ihnen eine erfolgreiche Vorbereitung und freuen uns, Sie im März im<br />
Schleswig-Holsteinischen Landtag begrüßen zu dürfen!<br />
Jannik Jürß Anna Friedemann Niklas Reichhelm<br />
2
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Nachhaltige Gestaltung<br />
der Urbanisierung<br />
UN Photo/Kibae Park<br />
Einführung<br />
Mit dem Begriff Urbanisierung bezeichnet man<br />
im Allgemeinen die Ausbreitung städtischer Lebensformen.<br />
Dabei muss man zwischen verschiedenen<br />
Formen differenzieren: Physische Urbanisierung<br />
liegt vor, wenn Landbewohner in bestehende<br />
Städte ziehen und diese daraufhin anwachsen.<br />
Funktionale Urbanisierung beschreibt<br />
dagegen die langfristige Veränderung der Strukturen<br />
in ländlichen Gebieten. Es setzt eine Verstädterung<br />
dieser ländlichen Gebiete ein und<br />
nach und nach werden urbane Verhaltensweisen<br />
übernommen. Im Rahmen der funktionalen Urbanisierung<br />
entstehen Vor- und Kleinstädte um bisherige<br />
urbane Zentren herum.<br />
Der Prozess der physischen Urbanisierung ist seit<br />
Jahrhunderten zu beobachten (in Europa vor allem<br />
im 19. Jahrhundert) und hat in den letzten<br />
Jahrzehnten in den Schwellen- und <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />
bisher ungekannte Ausmaße angenommen.<br />
Gemessen wird Urbanisierung folgendermaßen:<br />
• Urbanisierungsgrad (Verstädterungsgrad):<br />
Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung<br />
(Zustand). Er gibt das<br />
Ausmaß der Verstädterung in einem Raum<br />
an.<br />
• Urbanisierungsrate (Verstädterungsrate):<br />
Zuwachs des Anteils der Stadtbevölkerung<br />
an der Gesamtbevölkerung (Prozess). Sie<br />
gibt die Zunahme der Verstädterung in einem<br />
Raum an.<br />
Immer mehr Menschen leben in Städten. Während<br />
im Jahr 1950 noch nicht einmal ein Drittel<br />
der Weltbevölkerung in städtischen Siedlungsräumen<br />
wohnte, waren es zur Jahrtausendwende<br />
schon mehr als 46 Prozent. Im Jahr 2008 überstieg<br />
die Zahl der Stadtbewohner erstmals die<br />
der Landbevölkerung, und die Vereinten Nationen<br />
schätzen, dass ihr Anteil im Jahr 2050 über<br />
zwei Drittel erreichen wird.<br />
Urbanisierung ist ein Effekt der Industrialisierung<br />
einer Gesellschaft. Sobald eine Gesellschaft diesen<br />
<strong>Entwicklung</strong>sschritt erreicht, siedeln sich Industriebetriebe<br />
in den Städten an. Hier sind auf<br />
engem Raum verhältnismäßig viele Arbeitskräfte<br />
anzutreffen und die infrastrukturelle Anbindung<br />
ist in der Regel besser als in ländlichen Regionen.<br />
Industrialisierung geht mit steigender Lebenserwartung<br />
und Bevölkerungswachstum einher.<br />
Infolgedessen sind auf dem Land nicht genügend<br />
Flächen vorhanden, um die gesamte Landbevölkerung<br />
mit Arbeitsplätzen und Einkommen<br />
bzw. Nahrungsmitteln zu versorgen. Die logische<br />
Konsequenz ist eine Abwanderung in die Städte,<br />
da hier Arbeitsplätze vorhanden sind. Urbanisierung<br />
wird also von zwei Faktoren maßgeblich<br />
vorangetrieben: Auf der einen Seite dem Mangel<br />
an Perspektiven auf dem Land und auf der anderen<br />
Seite der Attraktivität der Städte durch Arbeitsplätze<br />
sowie die zentrale Bereitstellung von<br />
Leistungen wie medizinischer Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten<br />
und Freizeitangeboten.<br />
Die konkreten, individuellen Ursachen <strong>für</strong> Migration<br />
vom Land in urbane Gebiete können vielfältig<br />
sein: Angefangen bei fehlenden Versorgungsund<br />
Bildungseinrichtungen im ländlichen Raum<br />
bis hin zu naturbedingten Problemen wie dem<br />
Rückgang der Wasserverfügbarkeit, Wüstenbildung<br />
oder anderen ökologischen Problemen.<br />
Die Urbanisierung ist nichts Neues <strong>für</strong> die Welt.<br />
Doch gerade in <strong>Entwicklung</strong>sländern und auch in<br />
vielen Schwellenländern führt sie zu großen Problemen<br />
innerhalb der Städte.<br />
Probleme<br />
Mit der zunehmenden Urbanisierung gehen Probleme<br />
einher, die nachhaltig gelöst werden müssen,<br />
um den Lebensstandard unter diesem enormen<br />
Bevölkerungsdruck aufrechterhalten zu können<br />
oder sogar zu verbessern.<br />
Eines der größten Probleme, insbesondere in vielen<br />
Megastädten, stellt die Wohnsituation dar.<br />
Für weite Teile der ärmeren Bevölkerung steht<br />
kein bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung. Infolgedessen<br />
bilden sich Slums und Elendsviertel,<br />
die nicht an die elementare Grundversorgung<br />
wie beispielsweise Strom und Wasser angeschlossen<br />
sind. Oftmals sind die entstehenden<br />
Viertel illegal, sodass die dort Wohnenden in<br />
ständiger Unsicherheit leben. UN-Habitat, das<br />
Programm der Vereinten Nationen <strong>für</strong> menschliche<br />
Siedlungen, hat geschätzt, dass allein in den<br />
Slums der <strong>Entwicklung</strong>s- und Schwellenländer<br />
bereits eine Milliarde Menschen leben. Jährlich<br />
kommen weltweit 27 Millionen Slumbewohner<br />
3
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
hinzu, die dort geboren werden oder dorthin ziehen.<br />
UN Photo/Oddbjorn Monsen<br />
Elendsviertel sind anfällig <strong>für</strong> die Entstehung sozialer<br />
Brennpunkte. Die verbreitete Armut, Unzufriedenheit<br />
mit der Lebenssituation und Perspektivlosigkeit<br />
führen häufig zu einem Anstieg der<br />
Kriminalität. Relevant ist in diesem Zusammenhang<br />
auch die soziale Differenzierung im Rahmen<br />
der Urbanisierung: In den Städten treffen<br />
die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen<br />
auf engstem Raum geballt aufeinander. Während<br />
die sozialen Unterschiede im ländlichen Raum in<br />
einer Region in der Regel nicht allzu groß ausfallen,<br />
prallen in der Stadt die extremen Ausprägungen<br />
von Arm und Reich aufeinander. Konflikte<br />
sind dadurch beinahe unvermeidlich. Doch nicht<br />
nur innerhalb der Städte sind die sozialen Unterschiede<br />
problematisch. Urbanisierung bewirkt<br />
auch eine Differenzierung zwischen Stadt und<br />
Land bzw. verstärkt bereits vorhandene <strong>Entwicklung</strong>sunterschiede.<br />
Die wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong><br />
der ländlichen Regionen wird durch das<br />
Wachstum urbaner Zentren gehemmt, da diese<br />
Standortvorteile wie eine gut ausgebaute Infrastruktur<br />
besitzen. Während die Städte sich also<br />
weiter fortentwickeln, stagniert die <strong>Entwicklung</strong><br />
in ländlichen Regionen oder ist sogar rückläufig,<br />
sodass die Diskrepanz zwischen Stadt und Land<br />
größer wird.<br />
Ein weiteres Problem ist die Bereitstellung einer<br />
ausreichenden Infrastruktur <strong>für</strong> die Versorgung<br />
mit öffentlichen Dienstleistungen. Neben medizinischer<br />
Versorgung und flächendeckenden Schulen<br />
sind hier insbesondere die Versorgung mit<br />
Wasser und Strom sowie die Entsorgung von Abfällen<br />
wichtig. Trinkwasser ist in vielen Metropolen<br />
ein Problem, da aufgrund der großen Menschenmasse<br />
die bestehenden Grundwasservorkommen<br />
übernutzt sind. Wasser muss in solchen<br />
Fällen aus anderen Landesteilen in die Städte<br />
transportiert werden, wo<strong>für</strong> wiederum eine entsprechende<br />
Logistik notwendig ist. Die Bewohner<br />
der Slums sind von der Versorgung mit Wasser<br />
und Strom häufig ausgeschlossen. Über eine<br />
durchgehend bereitgestellte Trinkwasserversorgung<br />
verfügt in vielen Städten nur die wohlhabende<br />
Bevölkerung – in weniger wohlhabenden<br />
Vierteln ist die Wasserversorgung dann nur einige<br />
Stunden am Tag funktionsfähig. Daneben ist<br />
auch die Behandlung der Abwässer in vielen<br />
Großstädten unzureichend gelöst. Abwässer werden<br />
in Flüsse oder ins Meer geleitet, weil die<br />
Wiederaufbereitungsanlagen nicht ausreichen<br />
und nicht alle Bewohner an die Abwasserentsorgung<br />
angeschlossen sind. Die Ökosysteme werden<br />
dadurch stark belastet. Außerdem stellen die<br />
Wasserverschmutzung und mangelnde sanitäre<br />
Einrichtungen ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial<br />
<strong>für</strong> die Gesundheit der Bevölkerung<br />
dar, da sich Krankheitserreger verbreiten<br />
können. Eine zusätzliche Belastung entsteht<br />
durch die anfallenden Abfälle. Die große Bevölkerung<br />
und das Konsumverhalten der Städter führen<br />
zu einer immensen Abfallmenge, deren Beseitigung<br />
in vielen Städten nicht funktioniert, da<br />
auch hier<strong>für</strong> die nötige Infrastruktur fehlt. Offene<br />
Deponien oder Verbrennung von Abfällen sind an<br />
der Tagesordnung, um dem Problem Herr zu werden.<br />
Foto: Chris Beckett<br />
Dadurch allerdings nimmt die Luftverschmutzung<br />
zu, wodurch sowohl die Gesundheit der Bevölkerung<br />
als auch die Umwelt beeinträchtigt werden.<br />
Hinzu kommt noch, dass die Verkehrswege bis an<br />
die Grenzen ihrer Belastbarkeit strapaziert sind.<br />
Staus sind der Normalfall und die Luftverschmutzung<br />
wird weiter verschärft. Der Verbrauch fossiler<br />
Brennstoffe insgesamt ist in Städten hoch, da<br />
sie zur Stromerzeugung und <strong>für</strong> viele Industriebetriebe<br />
benötigt werden. Die Konzentration von<br />
Luftschadstoffen überschreitet daher in vielen<br />
Metropolen die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) deutlich. Nach Schätzungen<br />
der WHO ist die hohe Luftverschmutzung in den<br />
Städten jährlich <strong>für</strong> weltweit etwa 800.000 Todesopfer<br />
verantwortlich.<br />
Für eine <strong>nachhaltige</strong> Gestaltung der Urbanisierung<br />
ist insgesamt eine auf Nachhaltigkeit angelegte<br />
Stadtplanung vonnöten. Hierdurch könnte<br />
sichergestellt werden, dass Verkehrsbelastungen<br />
händelbar bleiben, die Bevölkerung flächendeckend<br />
mit den nötigen Versorgungsleistungen<br />
4
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
ausgestattet ist und Grünflächen gegen die Umweltbelastungen<br />
entstehen oder erhalten bleiben.<br />
Eine ganzheitliche oder zumindest auf Teilbereiche<br />
ausgelegte Stadtplanung ist allerdings<br />
in vielen Städten noch nicht anzutreffen.<br />
Aktuelle <strong>Entwicklung</strong><br />
Die Probleme der Urbanisierung und die Frage,<br />
wie man diesen nachhaltig begegnen kann, sind<br />
aktueller denn je. Schätzungen zufolge kommen<br />
täglich ca. 180.000 Stadtbewohner überall auf<br />
dem Globus hinzu. Dabei konzentriert sich dieses<br />
Wachstum vor allem auf die <strong>Entwicklung</strong>sländer.<br />
Der Städtezuwachs in den Industrieländern hingegen<br />
steigt nur moderat an oder sinkt sogar. In<br />
den Gebieten Lateinamerikas liegt die Verstädterungsrate<br />
schon heute bei über 80 %, Tendenz<br />
steigend. Nach UN-Schätzungen werden 2030 ca.<br />
60 % der Stadtbewohner unter 18 Jahre alt sein.<br />
Dies ist auf die veränderten Ursachen <strong>für</strong> das<br />
Städtewachstum zurückzuführen. Lag das Problem<br />
früher vor allem an der Flucht vom Land<br />
und an der industriellen <strong>Entwicklung</strong>, so ist es<br />
heute vor allem dem natürlichen Wachstum der<br />
Stadtbevölkerung geschuldet.<br />
UN Photo/Kibae Park<br />
Dazu kommt der rasante Anstieg der Anzahl von<br />
Megastädten. In diesen leben jeweils mehr als 10<br />
Millionen Einwohner. Gibt es heutzutage 20 dieser<br />
Städte weltweit, so wird sich diese Zahl bis<br />
2025 auf ca. 26 – 27 erhöhen. Dabei gilt es zu<br />
beachten, dass nur einige wenige in hoch entwickelten<br />
Industrieländern liegen. Der Großteil dieser<br />
Städte liegt in Asien und Lateinamerika und<br />
wird es auch weiterhin tun. Neben den Megastädten<br />
findet der Wachstumstrend auch in den<br />
Städten mit Einwohnerzahlen unterhalb von fünf<br />
Millionen statt. Wie der zweijährige Bericht des<br />
UN-Habitat-Programms „State of the World’s Cities<br />
2010/2011“ feststellte, wachsen vor allem<br />
die Klein- und mittelgroßen Städte immer öfter<br />
zu Metropol-Regionen zusammen.<br />
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ausbreitung<br />
der Städte in der Fläche. Dies hat meist mit der<br />
unkontrollierten Stadtentwicklung, also dem<br />
Wegzug der oberen Einkommensschicht von den<br />
Stadtzentren in die umliegenden Gebiete einer<br />
Stadt, sowie der unkontrollierten Ausbreitung<br />
von Elendsvierteln zu tun. Mit der Zunahme der<br />
Urbanisierung in der Welt steigt auch gleichzeitig<br />
die Armut in den Städten. Mit dem siebten Millenniumentwicklungsziel<br />
hat sich die Staatengemeinschaft<br />
das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020<br />
das Leben von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern<br />
deutlich zu verbessern. Laut den<br />
Zahlen des UN-Habitat-Programms wurde dieses<br />
Ziel bereits 2010 erfüllt. In der Zeit bis 2010<br />
konnten insgesamt 227 Millionen Menschen die<br />
Elendsviertel verlassen. Besonders hervorzuheben<br />
sind dabei Indien und China, die es geschafft<br />
haben, die Lebensbedingungen von insgesamt<br />
127 Millionen Menschen, die ehemals in Slums<br />
lebten, deutlich zu verbessern. Doch die absoluten<br />
Zahlen sprechen eine andere Sprache, denn<br />
in dem gleichen Zeitraum stieg die Anzahl der<br />
Bewohner von solchen Gebieten von 776 auf 827<br />
Millionen. Das UN-Habitat-Programm schätzt,<br />
dass sich diese Zahl bis 2050 auf mehr als drei<br />
Milliarden Menschen erhöhen und somit mehr als<br />
verdreifachen wird.<br />
Punkte zur Diskussion<br />
Bei der Debatte darf nicht vergessen werden,<br />
dass die Urbanisierung neben allen Problemen<br />
auch eine große Chance darstellt: Bei guter<br />
Stadtentwicklung können Städte den Bewohnern<br />
neben Arbeitsplätzen vor allem einen guten Zugang<br />
zu medizinischer Versorgung, Bildungseinrichtungen<br />
und weiteren öffentlichen Dienstleistungen<br />
bieten. Auch in ärmeren Ländern ist dies<br />
grundsätzlich möglich, da die Pro-Kopf-Kosten<br />
derartiger Leistungen in Städten aufgrund der<br />
hohen Bevölkerungsdichte und des damit bestehenden<br />
größeren potenziellen Empfängerkreises<br />
niedriger sind als auf dem Land. Städte bergen<br />
ein wichtiges <strong>Entwicklung</strong>spotenzial.<br />
Damit eine solche <strong>Entwicklung</strong> allerdings eintreten<br />
kann, muss <strong>für</strong> folgende Punkte eine Lösung<br />
gefunden werden:<br />
• Wie kann da<strong>für</strong> gesorgt werden, dass die<br />
Stadtverwaltungen trotz rapiden Bevölkerungswachstums<br />
funktionsfähig bleiben<br />
und die Lage kontrollieren?<br />
• Wie kann mit der wachsenden städtischen<br />
Bevölkerung umgegangen werden? Kann<br />
und sollte das Wachstum der Städte verringert<br />
werden? Wie wäre das möglich?<br />
• Welche Bereiche werden als entscheidend<br />
<strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong> Stadtentwicklung angesehen?<br />
Wie könnte ein Leitbild zur<br />
Stadtentwicklung aussehen, welche der<br />
im Problemteil angesprochenen Punkte<br />
sollten darin enthalten sein? Die EU hat<br />
mit den Aalborg Commitments bereits ein<br />
Leitbild festgeschrieben – kann dieses<br />
5
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
auch <strong>für</strong> die internationale Gemeinschaft<br />
übernommen werden? Wo sollte man Veränderungen<br />
vornehmen?<br />
• Mit welchen Maßnahmen kann ein Leitbild<br />
zur <strong>nachhaltige</strong>n Stadtentwicklung umgesetzt<br />
werden?<br />
• Welche Interessengruppen sollten ggf. in<br />
die Stadtplanung miteinbezogen werden?<br />
• Wie kann dem Problem der Slums begegnet<br />
werden? Welche Möglichkeiten gibt es,<br />
die dortigen Lebensbedingungen zu verbessern?<br />
• Welche Wege gibt es, um die Umweltprobleme<br />
in den Griff zu bekommen?<br />
• Wie können die Schwierigkeiten im Zusammenhang<br />
mit Trinkwasser und Abwasser<br />
angegangen werden?<br />
• Existieren bereits erfolgreiche regionale<br />
Lösungsansätze? Inwiefern könnten diese<br />
auch auf andere Regionen angewandt<br />
werden?<br />
http://www.bpb.de/gesellschaft/staedte/megastae<br />
dte/64706/urbanisierung-chancen-und-risiken?<br />
p=0<br />
• Rede von Kofi Annan zur <strong>nachhaltige</strong>n Urbanisierung:<br />
http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/6278<br />
• Auswärtiges Amt – Nachhaltige Urbanisierung:<br />
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/<br />
Asien/China/Chongqing/7Urbanisierung_node.html<br />
weiterführende Links<br />
• UN-Habitat – Urban Management Programme<br />
(englisch):<br />
http://www.unhabitat.org/categories.asp?<br />
catid=374<br />
• Cities Alliance (englisch):<br />
http://citiesalliance.org/node/3750<br />
• Daten zur Bevölkerungsentwicklung in urbanen<br />
und ländlichen Gebieten des <strong>United</strong> Nations Department<br />
of Economic and Social Affairs<br />
(englisch): http://esa.un.org/wpp/<br />
Wichtige Dokumente<br />
• Bericht des UN-Habitat-Programms „State of the<br />
World’s Cities 2010/2011“ (englisch):<br />
http://www.unhabitat.org/pmss/listitemdetails.asp<br />
x?publicationID=2917<br />
• Aalborg Commitments 2004:<br />
http://www.ccre.org/docs/Aalborg03_05_deutsch.p<br />
df<br />
Quellen<br />
• Daten und Grafiken zur Urbanisierung:<br />
http://www.laenderdaten.de/bevoelkerung/urbanisi<br />
erung.aspx<br />
• österreichisches Portal zur Urbanisierung:<br />
http://www.municipia.at/erscheinungsformen-derurbanisierung/<br />
• Stiftung Weltbevölkerung – Wachsende Städte bedeuten<br />
Chancen und Risiken:<br />
http://www.weltbevoelkerung.de/informieren/unser<br />
e-themen/bevoelkerungsdynamik/mehr-zumthema/urbanisierung.html<br />
• Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung – Ulf Meyer.<br />
Das Zeitalter der Megastädte:<br />
http://www.bpb.de/gesellschaft/staedte/megastae<br />
dte/64686/zum-stand-der-internationalen-debatte<br />
• Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung – Eckhart<br />
Ribbeck. Rasches Wachstum, schwache Planung,<br />
städtische Armut:<br />
http://www.bpb.de/gesellschaft/staedte/megastae<br />
dte/64691/stadtplanung-in-megastaedten?p=0<br />
• Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung – Bernd<br />
Hansjürgens/Dirk Heinrichs. Mega-Urbanisierung.<br />
Chancen und Risiken:<br />
6
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Gefahren <strong>für</strong> die Welt-<br />
meere durch Kunststoff<br />
„Der Mensch ist nicht das Produkt seiner Umwelt - die<br />
Umwelt ist das Produkt des Menschen.“ - Benjamin Disraeli<br />
(1804-1881), britischer Politiker und Schriftsteller<br />
Einfü<br />
hrung<br />
Die Ozeane bedecken 71 % der Erdoberfläche<br />
unseres Planeten und sind unerlässlich <strong>für</strong> ein<br />
stabiles und funktionierendes Ökosystem, da von<br />
ihnen knapp 70 % des in der Erdatmosphäre vorhandenen<br />
Sauerstoffes produziert werden. Doch<br />
obwohl die Ozeane und ihre Küstenregionen von<br />
einer derart großen Bedeutung <strong>für</strong> den Lebensraum<br />
des Menschen sind, gelangen täglich Unmengen<br />
an „marinem Müll“ in die Weltmeere.<br />
Das UN-Umweltprogramm UNEP definiert diesen<br />
wie folgt: "Marine Abfälle sind alle langlebigen,<br />
gefertigten oder verarbeiteten beständigen Materialien,<br />
die durch Wegwerfen oder als herrenloses<br />
Gut in die Meeresumwelt gelangen."<br />
Der Meeresschutzorganisation Oceana zufolge<br />
werden stündlich rund 675 Tonnen Müll direkt ins<br />
Meer geworfen. Dazu zählen zum Beispiel der<br />
von Schiffen entsorgte Müll, Container, die während<br />
des Transportes verloren gehen, und Abfälle,<br />
die durch Flüsse aus dem Landesinneren angeschwemmt<br />
oder an Küsten achtlos weggeschmissen<br />
werden. Das <strong>Deutsche</strong> Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
schätzt, dass sich allein der Anteil des<br />
Plastikmülls, der jährlich ins Meer geleitet wird,<br />
auf ungefähr 6,4 Millionen Tonnen beläuft. Experten<br />
des UNEP gehen davon aus, dass auf jeden<br />
Quadratkilometer Wasser zwischen 13.000 und<br />
46.000 Plastikteile kommen und die Menge des<br />
bereits im Meer entsorgten Plastiks sogar 80 %<br />
der Gesamtmüllmenge beträgt.<br />
Jegliche Form von Müll, die ins Meer geleitet<br />
wird, sammelt sich in sogenannten Meeresdriftströmungswirbeln.<br />
Forscher gehen davon aus,<br />
dass sich aufgrund dieser Meeresströmungen<br />
fünf große Müllstrudel in den Ozeanen gebildet<br />
haben. Belegt ist die Existenz solcher Phänomene<br />
im Nordatlantik und Nordpazifik. Der Nordpazifikstrudel<br />
wächst seit knapp 60 Jahren, ohne<br />
dass er in dieser Zeit irgendeine Beachtung gefunden<br />
hat. Der Strudel hat bereits eine Größe<br />
erreicht, die der doppelten Fläche des US-Bundesstaates<br />
Texas entspricht, was ihm den Beinamen<br />
„Great Pacific Garbage Patch“ eingebracht<br />
hat.<br />
Die Ozeane sind internationales Gut und eine<br />
derartige Verschmutzung der Weltmeere ist ein<br />
globales Problem, mit dem sich die internationale<br />
Staatengemeinschaft schnellstmöglich befassen<br />
muss. Sollte das Problem nicht zufriedenstellend<br />
gelöst werden, so bedeutet dies nicht nur<br />
eine große Bedrohung <strong>für</strong> das Ökosystem Meer<br />
und die dortige Artenvielfalt, sondern auch eine<br />
Gefahr <strong>für</strong> den gesamten Lebensraum des Menschen.<br />
Das UNEP bezeichnet den Plastikmüll in<br />
seinem Umweltbericht „Geo 3“ (UNIC/487) sogar<br />
als Ursache einer „beschleunigten Gesundheitskrise<br />
gewaltigen Ausmaßes“.<br />
Probleme<br />
Kunststoff – es gibt wohl kaum eine Verbindung,<br />
die annähernd so viele verschiedene Verwendungszwecke<br />
und Möglichkeiten bietet. Man findet<br />
den praktischen Werkstoff in nahezu jedem<br />
unserer Lebensbereiche. Doch über den entstehenden<br />
Abfall machen sich nur wenige Menschen<br />
Gedanken.<br />
Foto: Rémi Kaupp<br />
Aufgrund der schnellen Verstädterung, dem Bevölkerungswachstum<br />
und einer mangelnden Planung<br />
und Finanzierung von Kanalisation, Kläranlagen<br />
und Recyclingfabriken haben viele Nationen<br />
Schwierigkeiten, die Unmengen an Müll umweltschonend<br />
zu entsorgen. Dies führt dazu,<br />
dass der Müll lediglich auf Deponien gelagert<br />
wird und von dort oft ins Meer gelangt. Doch<br />
auch direkt auf den Weltmeeren findet die illegale<br />
Müllentsorgung statt. Trotz eines Verbotes<br />
durch internationales Recht entsorgen viele<br />
Schiffe ihre Plastikabfälle noch immer im Meer.<br />
Auch die Offshore-Industrie, zu der die Forschungs-,<br />
Öl- und Gasplattformen oder Aquakulturanlagen<br />
<strong>für</strong> Fische und Schalentiere zählen,<br />
gehört zu den Verursachern dieser Meeresverschmutzung.<br />
Das dadurch ins Meer geleitete Plastik birgt zwei<br />
große Gefahren: Zum einen kann es zu einer tödlichen<br />
Falle <strong>für</strong> Meeresbewohner werden, da diese<br />
nicht zwischen Nahrung und Müll unterscheiden<br />
können. Häufig fressen sie Plastikteile, kön-<br />
7
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
nen sie aber nicht verdauen. Der Müll lagert sich<br />
in den Mägen an, die Tiere verhungern oder sterben<br />
an inneren Verletzungen. 80 % der toten Eissturmvögel,<br />
die in der Antarktis gefunden und<br />
untersucht wurden, sind an einer Verstopfung<br />
des Verdauungsapparates durch Plastik gestorben.<br />
Im Schnitt fanden Forscher des Naturschutzbundes<br />
Deutschland (NABU) 31 Plastikteilchen<br />
in den Mägen der Vögel. Würde man das<br />
auf die Größe eines Menschen hochrechnen, entspräche<br />
das 3100 Teilchen. Zum anderen handelt<br />
es sich bei Plastik um eine sehr langlebige Verbindung,<br />
deren Inhaltsstoffe oft giftig oder<br />
krebserregend sind. Da Plastikmüll sich nicht einfach<br />
bei Kontakt mit Wasser zersetzt, sondern<br />
unter der Einstrahlung von UV-Licht und der im<br />
Meer bestehenden Wellenbewegung in mikroskopisch<br />
kleine Teilchen zersetzt wird, werden dabei<br />
Stoffe wie zum Beispiel Weichmacher, Bisphenol<br />
A oder Phtalate freigesetzt, die nun ihren Weg in<br />
die Nahrungskette finden und zu guter Letzt<br />
auch in die Lebensmittel des Menschen gelangen.<br />
Sie führen bei Tieren zu einer Störung des<br />
Erbgutes und Hormonhaushaltes. Welche Auswirkungen<br />
die Stoffe auf den Menschen haben, ist<br />
bisher nicht bekannt.<br />
UN Photo/Sophia Paris<br />
Die Verschmutzung der Ozeane hat nicht nur<br />
schwerwiegende ökologische Folgen, sondern<br />
auch einen negativen Effekt auf die internationale<br />
Wirtschaft. So entstehen zum Beispiel immer<br />
weiter steigende Kosten <strong>für</strong> die Säuberung von<br />
Küstenabschnitten, Hafenbecken oder Stränden.<br />
Auch die Fischerei bleibt von den Folgen nicht<br />
verschont. Der Müll kann dazu führen, dass Netze<br />
reißen, Reusen verschmutzt werden, gefangene<br />
Fische durch die Abfälle mit Krankheiten infiziert<br />
sind oder allgemein die Fangrate durch den<br />
Müll abnimmt. Verschmutzte Küstenregionen<br />
schaden zudem dem Tourismus, es kommt zu<br />
Einbußen im Fremdenverkehrsgeschäft.<br />
Um dieser Problematik entgegen zu wirken, wurde<br />
1973 von der International Maritime Organization<br />
(IMO) die „International Convention for the<br />
Prevention of Marine Pollution from Ships" (MAR-<br />
POL 73/78) geschlossen. Sie legt weltweit geltende<br />
Bestimmungen fest, die die Verschmutzung<br />
der Weltmeere durch die Schifffahrt verhindern<br />
sollen. Die Konvention besteht aus dem eigentlichen<br />
Übereinkommen, zwei Protokollen und<br />
sechs Anlagen, die separat ratifiziert werden<br />
müssen. Sie gelten somit nur <strong>für</strong> diejenigen Nationen,<br />
die das entsprechende Dokument unterzeichnet<br />
haben. Das Übereinkommen der MAR-<br />
POL-Konvention enthält allgemeine Regeln wie<br />
Begriffsbestimmungen und die Festlegung des<br />
Anwendungsbereiches. Die Anlagen beleuchten<br />
die verschiedenen Arten von Verschmutzungen<br />
im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb. So<br />
beziehen sich die Anlagen I und II auf die Verschmutzung<br />
der Weltmeere durch Öl und andere<br />
flüssige Schadstoffe, die Anlage III auf beförderte<br />
Güter und deren Verpackungen, IV und V auf<br />
Schadstoffe und Müll, die bei der Seefahrt anfallen,<br />
und die Anlage VI auf die Luftverunreinigung<br />
durch die Schifffahrt.<br />
Zusammen mit der „International Convention for<br />
the Safty of Life at Sea" (SOLA-Konvention) von<br />
1974 sollte die MARPOL 73/78 die gesetzliche<br />
Grundlage <strong>für</strong> den Umweltschutz in der Schifffahrt<br />
bilden. In der Anlage V des MARPOL 73/78<br />
werden unter dem Begriff "Kunststoff" alle Materialien<br />
zusammengefasst, die aus hochmolekularen<br />
Polymeren bestehen. Der Ausdruck "alle<br />
Kunststoffe" schließt hierbei auch den Müll ein,<br />
der in jeglicher Form Kunststoff enthält.<br />
Regel drei der Anlage V verbietet eindeutig das<br />
Einleiten oder Einbringen von Kunststoff oder<br />
Müll, der Kunststoffe enthält. Doch trotz dieses<br />
bestehenden Verbotes und der übrigen Gesetze,<br />
die in der „International Convention for the Prevention<br />
of Marine Pollution from Ships“ festgelegt<br />
und nach internationalem Recht <strong>für</strong> die Unterzeichner<br />
bindend sind, wird der Müll weiterhin<br />
im Meer entsorgt.<br />
Ein Grund <strong>für</strong> die bisher ausbleibende Lösung<br />
des Problems ist sicher das fehlende Bewusstsein<br />
<strong>für</strong> die Folgen, die auch erst viele Jahre später<br />
eintreten können. Zu beobachten ist dies zum<br />
Beispiel bei Touristen und Badegästen in den<br />
Küstenregionen, die achtlos ihren Müll an den<br />
Stränden liegen lassen.<br />
Aufforderung zur ordnungsgemäßen<br />
Müllentsorgung<br />
8
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Doch der so entstehende Müll ist nur ein Bruchteil<br />
dessen, was jährlich ins Meer geleitet wird.<br />
Zu den Hauptverursachern gehört immer noch<br />
die Schifffahrt. Weil in den meisten Häfen <strong>für</strong> die<br />
Müllentsorgung eine Gebühr verlangt wird, wird<br />
oft die „billigere“ Variante gewählt und der Müll<br />
auf hoher See ins Meer gekippt. Viele Unternehmen<br />
sehen darin die Möglichkeit, die anfallenden<br />
Kosten zu reduzieren, und ihre Produkte so billiger<br />
anzubieten.<br />
Im MARPOL-Abkommen wird vorgeschrieben,<br />
dass jedes Schiff ein Mülltagebuch führen muss,<br />
in dem festgehalten wird, in welchem Hafen wie<br />
viel Müll entsorgt wurde. Doch oft werden in diesen<br />
Tagebüchern Unregelmäßigkeiten von den<br />
Behörden festgestellt. Da jedoch in vielen Nationen<br />
die Anlage V des MARPOL 73/78 nicht vollständig<br />
umgesetzt wurde und die Gesetze noch<br />
nicht angepasst sind, kann dieses Vergehen oft<br />
nicht sanktioniert werden. Die Konvention sieht<br />
eine Bußgeldstrafe von bis zu 50.000 Euro vor,<br />
den Behörden sind jedoch meist die Hände gebunden.<br />
Nicht zuletzt, weil der Beweis <strong>für</strong> den<br />
Straftatbestand selten gelingt.<br />
Foto: Anders Vindegg<br />
Auch die Müllentsorgung auf dem Festland lässt<br />
in vielen Staaten zu wünschen übrig. Es fehlt an<br />
ausreichend Mülltrennungsanlagen und einem<br />
effizienten Müllmanagementsystem. Anstatt das<br />
Geld in Recyclinganlagen zu investieren und somit<br />
eine langfristige Lösung des Problems herbeizuführen,<br />
wird an diesem Punkt gespart, wo es<br />
nur geht. Zu beobachten ist, dass die Industrienationen<br />
ein wesentlich wirksameres Müllmanagementsystem<br />
vorweisen können als Schwellenoder<br />
<strong>Entwicklung</strong>sländer. Der Umweltschutz wird<br />
aus wirtschaftlichen Gründen oft vernachlässigt.<br />
Doch selbst in den Ländern, die über ein funktionierendes<br />
Müllmanagementsystem und nicht<br />
notwendigerweise über einen direkten Meereszugang<br />
verfügen, findet der Kunststoff seinen Weg<br />
in die Gewässer. So gelangen zum Beispiel beim<br />
Waschen von Fleece-Kleidungsstücken an die<br />
2000 Kunstfasern ins Abwasser, in die Flüsse und<br />
von dort in die Weltmeere. Des Weiteren greifen<br />
hier die nach internationalem Recht geschlossenen<br />
Vereinbarungen nicht, da auf dem Festland -<br />
dem eigenen Staatsgebiet - jede Regierung <strong>für</strong><br />
die Handhabung der Müllentsorgung selbst zuständig<br />
ist. Sie können lediglich als Richtlinien<br />
und <strong>Model</strong>l <strong>für</strong> eine regionale Kooperation angesehen<br />
werden.<br />
Aktuelle <strong>Entwicklung</strong><br />
Das UN-Umweltprogramm ist sich darüber im<br />
Klaren, dass eine Verbesserung der Situation nur<br />
dann erreicht werden kann, wenn die Denkweise<br />
der Menschen geändert und ihr Bewusstsein <strong>für</strong><br />
die Folgen der Meeresverschmutzung verschärft<br />
werden.<br />
Um dies zu erreichen, setzt das UNEP auf Öffentlichkeitsarbeit<br />
und unterstützt diverse Müllsammelaktionen,<br />
wie zum Beispiel das jährliche International<br />
Coastal Cleanup (ICC), bei dem weltweit<br />
Ehrenamtliche die Strände und Küstenregionen<br />
von angespültem Müll säubern. Im Jahr 2009<br />
beteiligten sich am ICC knapp 500.000 Menschen<br />
aus ca. 100 Nationen. Auch drängt das UNEP<br />
darauf, die Zusammenarbeit zwischen Nichtregierungsorganisationen<br />
und staatlichen Behörden<br />
zu fördern, um die Müllmanagementsysteme<br />
zu verbessern sowie Mülltrennung und Recycling<br />
einzuführen. Des Weiteren etabliert sich zunehmend<br />
das Konzept des „Fishing for Litter“ in den<br />
Häfen. Damit sollen Fischer angehalten werden,<br />
den Müll, der sich in ihren Netzen verfängt, nicht<br />
wieder ins Meer zu werfen, sondern an Bord zu<br />
lagern und im nächsten Hafen kostenlos zu entsorgen.<br />
Die Europäische Union will neue Meeresstrategie-<br />
Rahmenrichtlinien erarbeiten, die den Meeresumweltschutz<br />
bis 2020 verbessern sollen. Sie<br />
sollen Regelungen treffen, die die Verschmutzung<br />
durch Schadstoffe verhindern und neue<br />
Richtlinien <strong>für</strong> die Müllentsorgung auf dem Festland<br />
festlegen.<br />
Aber all dies sind nur kleine Ansätze gegen den<br />
großen, schwimmenden Müllberg im Meer.<br />
Punkte zur Diskussion<br />
Es gilt einerseits, eine weitere Verschmutzung<br />
der Weltmeere zu vermeiden, und andererseits,<br />
den bereits vorhandenen Müll zu beseitigen. Die<br />
<strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> sollte<br />
folgende Fragen diskutieren:<br />
• Wie kann erreicht werden, dass die internationalen<br />
Vereinbarungen, die die Meeresverschmutzung<br />
durch Kunststoffe verhindern<br />
sollen, von allen Staaten der internationalen<br />
Gemeinschaft ratifiziert werden?<br />
• Wie kann ein einheitlicher Standard im<br />
Müllmanagementsystem ermöglicht werden?<br />
• Sollten die Kontrollen der Schiffe noch verstärkt<br />
werden?<br />
9
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
• Wie kann eine internationale Kooperation<br />
der Häfen bewirkt werden, um die Ahndung<br />
von Verstößen zu vereinfachen?<br />
• Wie stärkt man das Bewusstsein der Menschen<br />
<strong>für</strong> die Folgen der Verschmutzung?<br />
• Wie kann man erreichen, dass der Mensch<br />
seine verschwenderischen Angewohnheiten<br />
ändert?<br />
• Würde ein Verbot von Plastiktüten oder<br />
Kunststoffverpackungen das Problem lösen?<br />
• Welche Möglichkeiten gibt es, den Müll,<br />
der bereits im Meer schwimmt, kostengünstig<br />
und effektiv zu beseitigen?<br />
• Wie effektiv können Mikrobakterien bei der<br />
Beseitigung des Mülls sein?<br />
All das sind Fragen, bei denen beachtet werden<br />
sollte, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />
Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und<br />
Unternehmen erforderlich ist, um eine Lösung<br />
des Problems zu finden, bei der nicht noch mehr<br />
Gefahren <strong>für</strong> die Ozeane entstehen.<br />
Wichtige Dokumente<br />
• Umweltbericht „Geo 3“ des UN-Umweltprogramms:<br />
http://www.unric.org/html/german/unep/geo3.htm<br />
• Zusammenfassung der International Convention<br />
for the Prevention of Marine Pollution from Ships<br />
MARPOL 73/78 (englisch):<br />
http://www.imo.org/About/Conventions/ListOfCon<br />
ventions/Pages/International-Convention-for-the-<br />
Prevention-of-Pollution-from-Ships-%28MARPOL<br />
%29.aspx<br />
• Anlage V des MARPOL 73/78 (englisch):<br />
http://www.ukpandi.com/fileadmin/uploads/ukpi/Documents/Conventions/Environmental_Compli<br />
ance/MEPC.201%2862%29.pdf#page=5&zoom=<br />
auto,0,804<br />
• Übersicht zur Anlage V:<br />
http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Umweltschutz<br />
/MARPOL_Umweltuebereinkommen/Einleitbedingu<br />
ngen_Anlage_V.pdf<br />
• Zusammenfassung der Convention for the Safety<br />
of Life at Sea (englisch):<br />
http://www.imo.org/About/Conventions/ListOfCon<br />
ventions/Pages/International-Convention-for-the-<br />
Safety-of-Life-at-Sea-%28SOLAS%29,-1974.aspx<br />
• Seite der UNESCO zur Meeresverschmutzung<br />
(englisch):<br />
http://www.unesco.org/new/en/natural-<br />
sciences/ioc-oceans/priority-areas/rio-20-<br />
ocean/blueprint-for-the-future-we-want/marinepollution/<br />
• Die International Maritime Organization IMO<br />
(englisch): http://www.imo.org/Pages/home.aspx<br />
• IMO – Prevention of Pollution by Garbage from<br />
Ships (englisch):<br />
http://www.imo.org/OurWork/Environment/Polluti<br />
onPrevention/Garbage/Pages/Default.aspx<br />
• Naturschutzbund Deutschland:<br />
https://www.nabu.de/<br />
• Broschüre des Naturschutzbundes Deutschland<br />
zum Thema „Müllkippe Meer“:<br />
http://www.nabu.de/meeresschutz/NABU-<br />
Broschuere_Muellkippe_Meer.pdf<br />
• Präsentation über „Müll im Meer – Land in<br />
Sicht?“:<br />
http://www.nabu.de/muellkippe_meer/Werner_1<br />
20229_NABU.pdf<br />
• Bundesministerium <strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit: Der Müll in den Weltmeeren:<br />
http://www.umwelt-imunterricht.de/hintergrund/der-m%C3%BCll-denweltmeeren-0<br />
• World Ocean Review: Endstation Ozean – Von<br />
der Verschmutzung der Meere:<br />
http://worldoceanreview.com/wpcontent/downloads/wor1/WOR1_Kapitel_4.pdf<br />
Quellen und weiterführende Links<br />
• Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen<br />
UNEP (englisch): http://www.unep.org/<br />
• UNEP – Global Partnership on Waste Management<br />
(englisch):<br />
http://www.unep.org/gpwm/FocalAreas/MarineLit<br />
ter/tabid/56459/Default.aspx<br />
10
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Internationales Maßnah-<br />
menpaket gegen die<br />
Desertifikation<br />
UN Photo/Martine Perret<br />
Einführung<br />
Bei der Desertifikation handelt es sich um ein<br />
zentrales Problem in der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Entwicklung</strong><br />
der Länder mit relativ trockenem Klima. Dieses<br />
Phänomen tritt in ariden oder semi-ariden<br />
Gebieten durch die Beeinträchtigung und Zerstörung<br />
natürlicher Ressourcen wie Boden, Vegetation<br />
und Wasser als Folge zu intensiver menschlicher<br />
Bodennutzung in Erscheinung. Durch die<br />
Übernutzung der Böden kann keine Regeneration<br />
stattfinden und die Flächen werden unfruchtbar.<br />
Dieser Prozess der Ausbreitung bzw. Entstehung<br />
wüstenähnlicher Verhältnisse wird im <strong>Deutsche</strong>n<br />
häufig fälschlicherweise mit „Wüstenbildung“<br />
übersetzt, wobei das Ökosystem Wüste an sich<br />
schützenswert ist. Ein passendes Synonym ist<br />
Landdegradierung, auch wenn Desertifikation als<br />
Begriff nur in Trockengebieten Anwendung findet<br />
und nicht überall dort, wo Böden unnachhaltig<br />
genutzt werden.<br />
Desertifikation kann viele, höchst unterschiedliche<br />
Gründe haben, die einzeln oder in Kombination<br />
zum Tragen kommen. Beispiele sind die Auswirkungen<br />
von Dürre und Trockenheit, die Überweidung<br />
von Weideland, un<strong>nachhaltige</strong> landwirtschaftliche<br />
Praktiken wie Monokulturen oder die<br />
Abholzung von Wäldern. Des Weiteren können<br />
<strong>für</strong> den Bauern unvorteilhafte Pachtverhältnisse,<br />
die Unterbewertung ländlicher Ressourcen und<br />
falsch gewählte Lebensmittelpreise zu einem erhöhten<br />
wirtschaftlichen Druck führen. Dieser<br />
kann sich dann in falscher und exzessiver Bodennutzung<br />
niederschlagen, da die Bauern auf hohe<br />
Erträge angewiesen sind. Darüber hinaus können<br />
aber auch viele weitere soziale oder ökonomische<br />
Prozesse eine auslösende Rolle spielen, wobei<br />
diese stark voneinander abweichen können.<br />
Die Folgen der Desertifikation sind weitreichend:<br />
Die Vegetation geht zurück oder verschwindet<br />
vollständig. Die Wasserrückhaltekapazität des<br />
Bodens nimmt ab, was dazu führen kann, dass<br />
Böden erodieren, versalzen oder versanden. Der<br />
Sand wird durch Wind und Regen abgetragen<br />
und kann z. B. wichtige Infrastruktur zerstören.<br />
Das Land wird insgesamt unfruchtbar und verödet,<br />
was natürliche weitere Pfadabhängigkeiten<br />
und Folgen der Folgen vor allem <strong>für</strong> die örtliche,<br />
ländliche Bevölkerung nach sich zieht. Die Klimabedingungen<br />
wie z. B. in Zeitpunkt und Menge<br />
stark variable Regenfälle und die inhärente ökologische<br />
Fragilität schwächen die Fähigkeiten und<br />
Möglichkeiten der betroffenen Ökosysteme zum<br />
Ausgangszustand zurückzukehren. Das Ausmaß<br />
der Desertifikation ist erschreckend. Zurzeit geht<br />
man davon aus, dass ungefähr eine Milliarde<br />
Menschen in 110 Ländern, davon überwiegend in<br />
<strong>Entwicklung</strong>sländern, von Desertifikation bedroht<br />
bzw. betroffen sind. Die Trockengebiete machen<br />
zusammen ein Drittel der Erdoberfläche aus. Davon<br />
haben bereits drei Viertel unter Desertifikation<br />
in unterschiedlichem Ausmaß gelitten.<br />
1994 ist in Paris ein wichtiges internationales<br />
Umweltabkommen geschlossen worden, das den<br />
Namen „Übereinkommen der Vereinten Nationen<br />
zur Bekämpfung der Desertifikation in den von<br />
Dürre und/oder Desertifikation betroffenen Ländern,<br />
insbesondere in Afrika“ trägt. Neben allgemeinen<br />
Zielen zu Desertifikationsbedingungen<br />
umfasst dieses Abkommen auch fünf Anlagen<br />
mit jeweils regionsspezifischen Zugängen zum<br />
Thema. Unterschieden werden bei dieser regionalen<br />
Zuteilung Afrika (Anlage I), Asien (Anlage<br />
II), Lateinamerika und die Karibik (Anlage III), der<br />
nördliche Mittelmeerraum (Anlage IV) und Mittelund<br />
Osteuropa (Anlage V). Der Fokus liegt hier<br />
allerdings wie im Namen des Übereinkommens<br />
bereits erwähnt auf Afrika. Zwei Drittel der afrikanischen<br />
Landmasse liegen in ariden oder semiariden<br />
Klimazonen. Die Desertifikation betrifft<br />
30 % der afrikanischen Haushalte und man geht<br />
davon aus, dass allein in Nordafrika mehr als 400<br />
Millionen Hektar Land betroffen sind.<br />
Probleme<br />
Desertifikation löst in betroffenen Gebieten mannigfaltige<br />
Probleme aus. Sie gefährdet die Produktionssysteme,<br />
die natürlichen Ökosysteme<br />
und die <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> trockener Länder<br />
besonders in wirtschaftlicher Hinsicht. Die<br />
UNCCD (<strong>United</strong> Nations Convention to Combat<br />
Desertification) als zuständige Institution der<br />
Vereinten Nationen definiert häufig die Hilfe zur<br />
Selbsthilfe als Schlüssel der Problemlösung. Allerdings<br />
ist der Schaden, den Desertifikation hinterlässt,<br />
vielfältig und erfordert umfassende Gegenmaßnahmen<br />
auf systemischer, institutionel-<br />
11
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
ler, aber auch individueller Ebene. Bildung und<br />
damit auch Aufklärung über das Phänomen Desertifikation<br />
sowie seine Ursachen und Folgen<br />
sind häufig mangelhaft, sodass auf gesellschaftlicher<br />
Ebene die öffentliche Aufmerksamkeit sowie<br />
auf individueller Ebene das achtsame Bewusstsein<br />
<strong>für</strong> die Problematik fehlen.<br />
UN Photo/John Isaac<br />
Konkret lassen sich die Problemstellungen in betroffenen<br />
Gebieten in mehrere Dimensionen unterteilen.<br />
In sozialer Hinsicht verschärft Desertifikation<br />
die Ernährungssituation, was zu Hungersnöten<br />
und damit verbundener Abwanderung führen<br />
kann, sodass sich die Flüchtlingsproblematik<br />
weiter zuspitzt. Gleichzeitig werden bei dem Versuch,<br />
neue Acker- und Nutzflächen zu schaffen,<br />
Waldgebiete gerodet, wobei Entwaldung eine<br />
weitere Ursache <strong>für</strong> Desertifikation sein kann, sodass<br />
ein nie enden wollender, sich selbst verstärkender<br />
Prozess in Gang kommt. Auf diese Weise<br />
beeinflusst die Desertifikation sogar die Erfüllung<br />
des ersten Millenniumentwicklungsziels, nämlich<br />
die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger.<br />
Ökologisch betrachtet leidet die biologische Vielfalt<br />
der Erde unter Desertifikation, da ganze Ökosysteme<br />
unwiederbringlich zerstört werden.<br />
Durch die Verödung, aber besonders durch Entwaldung<br />
und Brandrodung bei bereits begonnener<br />
Desertifikation, wird der Klimawandel begünstigt,<br />
der wiederum die Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>für</strong> weitere Dürre und Austrocknung erhöht und<br />
den Prozess der Desertifikation damit weiter vorantreibt.<br />
Was <strong>für</strong> das Individuum Hunger und möglicherweise<br />
das Verlassen seiner Heimat bedeutet,<br />
hemmt auf staatlicher Ebene auch die <strong>Entwicklung</strong><br />
des ganzen Landes. Die Volkswirtschaft gerät<br />
ins Stocken, wenn Erzeugnisse und Arbeitskräfte<br />
fehlen und der Binnen- wie Außenhandel<br />
stagniert. Wirtschaftlicher Erfolg eines Landes<br />
trägt wiederum häufig zur politischen Stabilität<br />
gerade sich entwickelnder Länder bei, die über<br />
diesen Einbruch ebenfalls ins Wanken geraten<br />
kann. Hieran lässt sich sehr beispielhaft ablesen,<br />
wie weitreichend und vielfältig die sich aus Desertifikation<br />
ergebenden Probleme sind.<br />
Aktuelle <strong>Entwicklung</strong><br />
Eine verheerende Dürrekatastrophe in der Sahelzone<br />
(1968-1973) setzte das Thema der Desertifikationsbekämpfung<br />
erstmals auf die Tagesordnung<br />
internationaler Politik. 1977 wurde die <strong>United</strong><br />
Nations Conference on Desertification (UN-<br />
COD) abgehalten, die einen ersten Aktionsplan<br />
erarbeitete, der vor allem eine Verbesserung des<br />
Systems der Landnutzung und die Verbreiterung<br />
der Wissensbasis zur Problemstellung vorsah.<br />
Dabei zielte der Aktionsplan vor allem auf eine<br />
nationale, regionale Implementierung ab und ließ<br />
internationale Bestrebungen und Regelungen<br />
aus dem Blick, was im Nachhinein als Fehler angesehen<br />
wird.<br />
1992 tagte die Konferenz der Vereinten Nationen<br />
über Umwelt und <strong>Entwicklung</strong> in Rio de Janeiro<br />
mit dem Ziel, eine so genannte Agenda 21 zu erarbeiten.<br />
Dabei wurde von afrikanischer Seite<br />
und unterstützt von der G 77 entgegen der Meinung<br />
der OECD-Länder eine weitere Konvention<br />
(neben der <strong>für</strong> Klima und der <strong>für</strong> Biodiversität)<br />
zur Bekämpfung der Desertifikation gefordert.<br />
Diese Forderung ist schließlich gegen die Bedenken<br />
der Industrienationen durchgesetzt worden,<br />
die vor allem die zusätzlichen Kosten <strong>für</strong> die Konvention<br />
vermeiden wollten.<br />
UN Photo/Jeffrey Foxx<br />
1994 hat die bereits erwähnte UNCCD ihre Arbeit<br />
bei einer ersten Tagung in Paris aufgenommen,<br />
wobei der Konflikt um die finanzielle Ausstattung<br />
fortgeführt wurde. Während afrikanische Länder<br />
die Bereitstellung neuer finanzieller Mittel forderten,<br />
beharrten die Industrienationen auf der Position,<br />
dass es sich bei der Desertifikation vor allem<br />
um ein regional, lokal gebundenes Problem<br />
handelt, <strong>für</strong> dessen Lösung eine effektivere Nutzung<br />
bereits bestehender Zahlungen ausreichend<br />
sein sollte. Der geschlossene Kompromiss<br />
hat am Ende beide Seiten widergespiegelt und<br />
sowohl neue Mittel als auch die bessere Koordination<br />
zwischen Geber- und <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />
sowie zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen<br />
Organisationen enthalten.<br />
12
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
2007 tagten die Vertragsstaaten dieser Konvention<br />
bereits zum achten Mal und beschlossen in einer<br />
Zehn-Jahres-Strategie die Reform der UNC-<br />
CD, da die schleppende Konventionsumsetzung,<br />
die intransparente Arbeitsweise und das Fehlen<br />
klarer, langfristig angelegter und nachprüfbarer<br />
Zielvorgaben und Prioritäten bemängelt wurden.<br />
Diese Reform befindet sich weiterhin im Prozess<br />
der Umsetzung und wird regelmäßig überprüft.<br />
Punkte zur Diskussion<br />
Wie bereits festgestellt, zieht das recht simple<br />
ökologische Phänomen der Desertifikation Probleme<br />
und Fragestellungen auf unterschiedlichsten<br />
Ebenen und in verschiedensten Dimensionen<br />
nach sich. Das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung<br />
der Desertifikation sollte deshalb den verschiedenen<br />
Problemebenen gerecht werden und<br />
dabei die unterschiedlichen Dimensionen, etwa<br />
die soziale, ökologische und wirtschaftlich-politische<br />
Dimension, mit berücksichtigen.<br />
Ein erster wichtiger Aspekt wird sein, sich über<br />
präventive Maßnahmen Gedanken zu machen,<br />
die die Desertifikation langfristig verhindern oder<br />
abmildern können. Wie kann hier auf lokaler wie<br />
internationaler Ebene agiert werden? Wie lassen<br />
sich einzelne, lokale Maßnahmen in ein übergeordnetes<br />
Konzept einbinden? Sollte man ein solches<br />
Konzept überhaupt entwickeln oder sich lieber<br />
von vorneherein auf lokale Maßnahmen beschränken?<br />
Welche Maßnahmen sind<br />
zielführend? Wichtig sind bei der Prävention insbesondere<br />
die Bereiche Bildung und Aufmerksamkeit<br />
bzw. Bewusstsein <strong>für</strong> das Thema bei der<br />
potentiell betroffenen Bevölkerung.<br />
Ein weiterer Punkt ist die Bekämpfung der Auswirkungen<br />
von Desertifikation. Wie kann langfristig<br />
mit der verschärften Ernährungssituation der<br />
Bevölkerung umgegangen werden? Wie sollen<br />
die Folgeprobleme <strong>für</strong> die Ökosysteme gelöst<br />
werden? Daneben müssen hier auch die im Abschnitt<br />
„Probleme“ angesprochenen sozialen, politischen<br />
und wirtschaftlichen Konsequenzen angegangen<br />
werden.<br />
Neben diesen Maßnahmen darf aber auch der<br />
starke regionale Aspekt der Desertifikationsbekämpfung<br />
nicht außer Acht gelassen werden, da<br />
die nationale Implementierung stark variieren<br />
kann. Da<strong>für</strong> ist es wichtig, die internationale Koordination<br />
sowie die mit dem Thema befassten<br />
Institutionen zu verbessern und Fragen wie die<br />
nach der Finanzierung der internationalen Maßnahmen<br />
oder der Sinnhaftigkeit einer eigenen<br />
Konvention abschließend zu klären.<br />
Wichtige Dokumente<br />
• <strong>United</strong> Nations Convention to Combat Desertification<br />
in those Countries Experiencing Serious<br />
Drought and/or Desertification, particularly in<br />
Africa (englisch):<br />
http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?<br />
src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-<br />
10&chapter=27&lang=en<br />
• Plan of Action to Combat Desertification der UN-<br />
COD (englisch):<br />
http://www.un.org/documents/ga/res/44/a44r17<br />
2.htm<br />
Quellen und weiterführende Links<br />
• Die Seite der UNCCD (englisch):<br />
http://www.unccd.int/en/Pages/default.aspx<br />
• Eine Einführung der Gesellschaft <strong>für</strong> internationale<br />
Zusammenarbeit:<br />
http://www.giz.de/Themen/de/11720.htm<br />
Foto: Jo Harrison/Oxfam International<br />
• Stocktaking and Gap Identification Report for the<br />
UNCCD – Desertification (englisch):<br />
http://webcache.googleusercontent.com/search?<br />
q=cache:NF_urEXqrMMJ:www.thegef.org/gef/sites/<br />
thegef.org/files/documents/document/562.DOC+&<br />
cd=4&hl=de&ct=clnk&gl=de<br />
• Die Seite des Bundesministeriums <strong>für</strong> wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und <strong>Entwicklung</strong>:<br />
http://www.bmz.de/de/service/glossar/D/desertifik<br />
ation.html<br />
• Eine Seite zur Desertifikation, herausgegeben von<br />
der GiZ und dem Bundesministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und <strong>Entwicklung</strong>:<br />
http://www.desertifikation.de/index.html<br />
• UN Sustainable Development Knowledge Platform<br />
- Desertifikation, Landdegradierung und Dürre<br />
(englisch):<br />
http://sustainabledevelopment.un.org/index.php?<br />
menu=216<br />
• International Fund for Agricultural Development -<br />
IFAD and desertification (englisch):<br />
http://www.ifad.org/english/desert/index.htm<br />
• UN Development Programme (UNDP) – Nachhaltiges<br />
Landmanagement (englisch):<br />
http://www.undp.org/content/undp/en/home/ourwo<br />
rk/environmentandenergy/focus_areas/sustainable<br />
_landmanagement.html<br />
• UN Environment Programme (UNEP) – Terrestrial<br />
Ecosystems (englisch):<br />
http://www.unep.org/ecosystemmanagement/UNE<br />
PsWork/TerrestrialEcosystems/UNEPandLand/tabid/<br />
13
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
3111/language/en-US/Default.aspx<br />
• World Bank Agricultural and Rural Development –<br />
Desertification (englisch):<br />
http://go.worldbank.org/NB5JIFGZE0<br />
• World Bank Partnership on Combatting Desertification<br />
(englisch):<br />
http://go.worldbank.org/JWVWCH4NJ0<br />
• Global Environment Facility - Land Degradation<br />
(englisch):<br />
http://www.thegef.org/gef/land_degradation<br />
• UN-Dekade <strong>für</strong> Wüsten und den Kampf gegen Desertifikation<br />
(englisch):<br />
http://unddd.unccd.int/pages/home.aspx<br />
14
MODEL UNITED NATIONS SCHLESWIG-HOLSTEIN 2014<br />
Crashkurs Völkerrecht <strong>für</strong> die <strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Das Völkerrecht regelt die Beziehungen der Staaten untereinander und zu internationalen Organisationen.<br />
Es setzt sich vor allem aus zwischenstaatlichen Verträgen und der allgemein als rechtsverbindlich<br />
anerkannten Praxis der Staaten (Völkergewohnheitsrecht) zusammen. Dabei handelt es sich<br />
um ungeschriebene Gesetze, die alle Akteure anerkennen und achten.<br />
Auf nationaler Ebene sorgen Polizei und Gerichte <strong>für</strong> die Einhaltung der Gesetze. Auf internationaler<br />
Ebene fehlt ein Akteur, der völkerrechtliche Regelungen durchsetzt, sodass sie häufig missachtet werden.<br />
Die einzige Möglichkeit, solche Völkerrechtsverletzungen zu ahnden, besteht meistens in öffentlichem,<br />
diplomatischem, wirtschaftlichem oder militärischem Druck.<br />
Souveränitä<br />
t<br />
Souveränität bedeutet, dass ein Staat innerhalb der eigenen Grenzen und gegenüber anderen Staaten<br />
unabhängig agieren kann und in der Ausübung seiner Staatsgewalt frei ist. Zwischen den souve -<br />
ränen Staaten besteht ein Gleichheitsgrundsatz.<br />
Nur völkerrechtliche Verpflichtungen können Staaten in ihrem Handeln einschränken. Hierzu zählt<br />
bspw. der Grundsatz des Gewaltverzichts in der Charta der Vereinten Nationen: Einem Mitgliedsstaat<br />
ist es außer in Fällen der Selbstverteidigung verboten, mit Gewalt gegen andere Staaten vorzugehen.<br />
Die Souveränität eines Staates wird verletzt, wenn gegen seinen Willen auf seinem Staatsgebiet interveniert<br />
wird. Außerdem kann der UN-Sicherheitsrat zur Wahrung der internationalen Sicherheit und<br />
des Weltfriedens mit verbindlichen Resolutionen die Souveränität der UN-Mitgliedsstaaten einschränken.<br />
Kein Eingriff in die Souveränität liegt vor, wenn Staaten freiwillig neue Verpflichtungen eingehen,<br />
z. B. durch den Beitritt zu einem völkerrechtlichen Vertrag. Auch Empfehlungen der Vereinten Nationen<br />
stellen keinen Souveränitätseingriff dar, da sie unverbindlich sind. Staaten können dagegen verstoßen,<br />
ohne Konsequenzen <strong>für</strong>chten zu müssen.<br />
Vereinte Nationen<br />
Die Vereinten Nationen haben die Aufgabe, <strong>für</strong> die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen<br />
Sicherheit, friedliche Streitbeilegung, Zusammenhalt bei wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und<br />
humanitären Problemen sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu sorgen.<br />
Die Kompetenzen der Vereinten Nationen sind hierbei sehr beschränkt. Alleine der Sicherheitsrat<br />
kann gemäß Kapitel VII der Charta <strong>für</strong> einzelne Staaten völkerrechtlich verbindliche Regelungen treffen<br />
und auch das nur, wenn eine Bedrohung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit vorliegt.<br />
Die anderen Gremien können Staaten nur Vorschläge machen und ihnen ein bestimmtes Handeln<br />
empfehlen.<br />
<strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Die <strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> ist eines der wichtigsten Unterorgane des Wirtschaftsund<br />
Sozialrates. Sie arbeitet bei MUN-SH 2014 <strong>für</strong> diesen Vorschläge zur Gestaltung von Resolutionen<br />
aus. Da die Vorschläge vom Wirtschafts- und Sozialrat eigenständig als Resolutionen verabschiedet<br />
werden, sind dessen Kompetenzen auch <strong>für</strong> die Resolutionsentwürfe der <strong>Kommission</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> maßgeblich.<br />
Der Wirtschafts- und Sozialrat behandelt Fragen in den Bereichen Wirtschaft, Sozialwesen, Kultur, Erziehung<br />
sowie Gesundheit (Art. 61ff. UN-Charta). Er kann Untersuchungen durchführen, Berichte erstellen<br />
sowie Resolutionen zu seinem Themenbereich verabschieden. Hierbei kann der Wirtschaftsund<br />
Sozialrat gegenüber der Generalversammlung, den Staaten der Vereinten Nationen und Sonderorganisationen<br />
Empfehlungen geben und Vorschläge übermitteln. Außerdem kann er im Rahmen seiner<br />
Zuständigkeit Konferenzen einberufen.<br />
Selbst wenn die Resolutionen des Wirtschafts- und Sozialrates völkerrechtlich unverbindlich sind, wird<br />
ihnen vor allem von der interessierten Öffentlichkeit sowie Verbänden aus den Bereichen Wirtschaft,<br />
Soziales und Umwelt große Beachtung geschenkt. Ein wichtiger Faktor ist dabei die bei den Vereinten<br />
Nationen vorherrschende Konsensorientierung: Die Mitgliedsstaaten sind immer darum bemüht, Resolutionen<br />
mit breiter Mehrheit oder sogar einstimmig zu verabschieden. Dieses Prinzip sorgt <strong>für</strong><br />
einen großen Rückhalt der verabschiedeten Inhalte und begünstigt auch vor dem Hintergrund der Unverbindlichkeit<br />
deren Einhaltung.<br />
Hinweis <strong>für</strong> das Verfassen von Arbeitspapieren und Resolutionsentwürfen<br />
Grundsätzlich haben Ihre Resolutionen im Wirtschafts- und Sozialrat nur empfehlenden und vorschlagenden<br />
Charakter. Keinesfalls können Sie gegenüber Staaten verbindliche Regelungen treffen.<br />
15