Empfänger unbekannt - Theater Drachengasse
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<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong><br />
von Kressmann Taylor<br />
Szenische Lesung untermalt von Paul Hindemiths Sonate für Violoncello Solo, op. 25, №3<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Drachengasse</strong>, Bar&Co<br />
16., 17., 19., 20. November 2013 um 20 Uhr<br />
Max Eisenstein: Klaus Braun<br />
Martin Schulze: Valentin Neuser<br />
Violoncello: Leonhard Rozcek<br />
Regie, Dramaturgie: Florin Mittermayr<br />
Produktion: Bahar Naghibi<br />
„In literarischer Form wurde der Nationalsozialismus noch nie so wirkungsvoll angeklagt.“<br />
(Zitat: New York Times Book Review, 1939)<br />
Die beiden alten Freunde Max Eisenstein und Martin Schulze haben im San Francisco der frühen<br />
Dreißiger-Jahre gemeinsam eine gutgehende Kunstgalerie aufgebaut. Als Martin nach Deutschland<br />
zurückkehrt und im NS-Staat Karriere macht, übernimmt der jüdische Max in den USA die<br />
Geschäftsleitung: Zwischen den beiden beginnt ein zunehmend befremdlicher Briefwechsel mit<br />
fatalem Ausgang …<br />
Bereits 1938 gelang Kressman Taylor mit der Brief-Novelle '<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>' ein<br />
Meisterwerk von verstörender Brisanz: Der aus dem Leben gegriffene Text verdeutlicht in<br />
bestechend klarer Sprache weit mehr über die Niederungen der menschlichen Wesensart im<br />
Faschismus, als so mancher historische Tatsachenbericht.<br />
Der szenischen Lesung liegt die im Per H. Lauke-Verlag erschienene Fassung, Übersetzung Heidi<br />
Zerning, zugrunde. Rechte bei Per H. Lauke Verlag, Hamburg,<br />
Alle Texte dieser Pressemappe mit Ausnahme der Curricula und der Leseprobe: Florin Mittermayr<br />
Plakat: Klaus Braun<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Drachengasse</strong> und Bar&Co<br />
Florin Mittermayr<br />
Fleischmarkt 22, 1010 Wien<br />
Gussenbauergasse 2/36, 1090 Wien<br />
Info und Kartenbestellung:<br />
Kontakt:<br />
Tel.: 513 14 44, Fax.: 512 06 04 Tel.:0650 / 407 8 704<br />
Mail: karten@drachengasse.at<br />
Mail: f.mittermayr@gmx.at<br />
2
Kathrine Kressmann Taylor (1903-1996)<br />
„Zu stark, um unter dem Namen einer Frau zu erscheinen“<br />
(Zitat: Whitt Burnett, K. T.s erster Verleger)<br />
Als Enkelin eines deutschen Einwanderers wurde Kathrin Kressmann 1903 in Portland geboren und<br />
studierte an der University of Oregon, ab 1926 arbeitete sie als Werbetexterin für eine Agentur in<br />
San Francisco und schrieb daneben Kurzgeschichten für verschiedene Zeitschriften. 1928 heiratete<br />
sie Elliott Taylor, der eine Werbeagentur sein eigen nennen konnte.<br />
Die Arbeitslosigkeit der großen Depression führte das Ehepaar Taylor 1931 auf eine kleine Farm in<br />
Oregon. 1938 übersiedelten die beiden nach New York, wo Elliott Taylor eine Anstellung als<br />
Redakteur bei einem New Yorker Handelsblatt gefunden hatte. Mit im Gepäck war der Entwurf zu<br />
Kathrin Taylors Erzählung 'Adress Unknown' (<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>), kurz nach ihrer Ankunft<br />
hatte sie den Text vollendet.<br />
Das 'Story-Magazine' genoss damals in New York den Ruf einer kleinen, aber feinen<br />
Literaturzeitschrift für Kurzgeschichten: Gegründet wurde es 1931 in Wien vom amerikanischen<br />
Autor Whitt Burnett und seiner Frau Martha Foley, die Startauflage betrug bescheidene 167 Stück.<br />
1932 übersiedelte das ehrgeizige Projekt samt dessen Inventoren nach New York, gegen Ende der<br />
Dreißiger war die Auflage auf 20.000 Stück gestiegen – zu den Autoren zählten Kapazunder wie<br />
William Faulkner, Thomas Mann oder Sherwood Anderson.<br />
Konfrontiert mit Kathrin Taylors Erzählung, wollte Whitt Burnett diese sofort in Druck geben, fand<br />
die Geschichte allerdings "too strong to appear under the name of a woman" (zu stark, um unter<br />
dem Namen einer Frau zu erscheinen). Er schlug der Autorin den Künstlernamen 'Kressmann<br />
Taylor' vor, den sie bis an ihr Lebensende behielt.<br />
'Adress Unknown' wurde in den USA zum Sensationserfolg: 1939 erreichte die Erzählung als Buch<br />
eine Auflage von 50.000 Stück und wurde nach einem Drehbuch von Herbert Dalmas in Hollywood<br />
verfilmt. 1942 erschien Taylors erster Roman 'Until that Day' (Bis zu jenem Tag), die Geschichte<br />
des jungen Theologiestudenten Karl Hoffmann im Konflikt zwischen Kirche und NS-Staat. Beide<br />
Bücher gerieten trotz guter Verkaufszahlen nach dem Krieg relativ rasch in Vergessenheit, in Europa<br />
wurden sie schlicht nicht zur Kenntnis genommen.<br />
Ab 1947 unterrichtete Kathrin Taylor Journalismus und Schreiben am Gettysburg College in<br />
Pennsylvania, 1953 starb ihr Ehemann. Bis zu ihrem Pensionsantritt 1966 publizierte sie eine Reihe<br />
von Kurzgeschichten, in der Folge zog Kathrin Taylor in die Toskana. Nach dem fatalen Arno-<br />
Hochwassee im November 1966 veröffentlichte sie das Buch 'Diary of Florence in Flood'<br />
(Tagebuch der Flut in Florenz). Sie heiratete den amerikanischen Bildhauer John Rood und lebte<br />
fortan je zur Hälfte in Minnesota und in Italien.<br />
Ab 1974 war sie wieder verwitwet, 1995 brachte das Story-Magazine zur Erinnerung an den<br />
fünfzigsten Jahrestags der Befreiung der Konzentrationslager eine Neuauflage von 'Adress<br />
Unknown' in die Buchläden. Die Publikation wurde ein großer Erfolg, in ihrem letzten Lebensjahr<br />
wurde die 93-jährige Kathrin Taylor nach Jahrzehnten der medialen Gleichgültigkeit zur begehrten<br />
und scharfsinnigen Interview-Partnerin.<br />
3
<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong><br />
„Ich habe nie auf weniger Seiten ein größeres Drama gelesen. Diese Geschichte ist<br />
meisterhaft, sie ist mit unübertrefflicher Spannung gebaut, in irritierender Kürze, kein Wort<br />
zu viel, keines fehlt.“ (Zitat: Elke Heidenreich über E. u.)<br />
Mit ihrer Erzählung '<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>' lieferte die Autorin Kressmann Taylor im Jahr 1938<br />
quasi über Nacht einen unerwarteten Sensationserfolg. Die Ausgabe des Story-Magazine mit der<br />
Erstveröffentlichung war in zehn Tagen restlos ausverkauft, Herausgeber Whitt Burnett berichtete<br />
von schwarz vervielfältigten Abschriften durch begeisterte Leser. Readers Digest brachte eine<br />
gekürzte Fassung in Millionenauflage, eine ungekürzte Buchausgabe verkaufte sich 50.000 Mal.<br />
Die 'New York Times Book Review' schrieb: „In literarischer Form wurde der Nationalsozialismus<br />
noch nie so wirkungsvoll angeklagt.“ Und noch während des Krieges wird die Geschichte in<br />
Hollywood verfilmt.<br />
Die knappe Prägnanz und die brillante sprachliche Gestaltung trugen wohl ebenso das ihrige zum<br />
Erfolg von '<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>' bei, wie die meisterliche Form: So kann die Brief-Novelle<br />
ebenso als Kurzgeschichte gelesen werden, wie als dramatischer Text. Ausschlaggebend für das<br />
immense Echo dürfte indes aber etwas anderes gewesen sein: Der Wunsch, etwas zu verstehen, was<br />
einfach nicht zu verstehen ist. So hatte Taylor selbst erlebt, wie sich kultivierte warmherzige<br />
deutsche US-Bürger durch eine Rückkehr nach Deutschland massiv veränderten – und bei einem<br />
Besuch in Amerika einen alten Freund auf der Straße ignorierten, weil dieser Jude war.<br />
Sie fragte sich, was sie so verändert hatte, las Hitlers Reden und die Publikationen der NSDAP und<br />
war schockiert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil vor 1939 noch die wenigsten Amerikaner der<br />
Vorgänge gewahr wurden, oder sich darum auch nur kümmern wollten.<br />
Der Briefwechsel in '<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>' stellt folgerichtig nicht nur die richtigen Fragen,<br />
sondern liefert postwendend auch die Antworten darauf: Kaum jemand hatte bislang der politischen<br />
Entwicklung in Deutschland so klar und konsequent ins blutunterlaufene Auge gesehen – schon gar<br />
nicht in Amerika. So ist die Wandlung des Martin Schulze vom liberalen Kunsthändler in Frisco<br />
zum fanatischen Anhänger des Führers in seiner ebenso knappen wie prägnanten Ausführung wohl<br />
einzigartig in der Literaturgeschichte – und zeugt von Taylors hellwacher Wahrnehmung: Von den<br />
beklemmenden Niederungen der menschlichen Seele und dem vermeintlich allzu verführerischen<br />
Traum von der neuen Ordnung ist da – quasi in historischer Echtzeit – mehr zu spüren, als in<br />
nahezu jeder nachträglichen Aufarbeitung.<br />
Und Kressmann Taylor lieferte den hinlänglichen Beweis, dass die westliche Hemisphäre von der<br />
nationalsozialistischen Haltung den Juden gegenüber wissen konnte, wenn sie nur wollte – und<br />
zumindest von Ausschreitungen auch Kenntnis hatte.<br />
Keine allzu angenehme Wahrheit: Von Taylors Erfolg blieb in den USA der McCarthy-Ära wenig<br />
übrig. Mit dem Sieg der Alliierten waren die Fragen der Zeit sozusagen offiziell beantwortet,<br />
Taylors Meisterwerk geriet in Vergessenheit.<br />
Und in Europa wurde die Schriftstellerin ohnehin noch nie zur Kenntnis genommen: Es dauerte bis<br />
nach ihrem Tod, ehe einem französischen Verleger endlich eine vielbeachtete Neuauflage aus dem<br />
Jahr 1995 in die Hände fiel – und nun endlich deren Relevanz erkannt wurde: Allein in Frankreich<br />
verkauften sich 600.000 Exemplare. Es folgten Übersetzungen in fünfzehn verschiedene Sprachen –<br />
im Jahr 2001 erschien, 63 Jahre nach der Erstveröffentlichung, schließlich auch eine deutsche<br />
Version.<br />
4
Nachfolgender Textauszug stammt aus aus dem Manuskript der deutschen Bühnenfassung, alle<br />
Rechte bei: PER H. LAUKE VERLAG, Hamburg<br />
Eisenstein Galleries<br />
San Francisco, California, U.S.A.<br />
San Francisco, den 5. November 1933<br />
Herrn<br />
Martin Schulze<br />
c/o Deutsch-Völkische Bankund<br />
Handelsgesellschaft<br />
München<br />
Deutschland<br />
Martin,<br />
ich schreibe Dir noch einmal, denn ich kann nicht anders. Eine düstere Vorahnung hat von mir<br />
Besitz ergriffen. Ich schrieb Gisela, sobald ich erfahren hatte, daß sie in Berlin war, und sie<br />
antwortete auch kurz: Die Proben liefen ausgezeichnet, sie stünde kurz vor der Premiere. Mein<br />
zweiter Brief sollte sie eher ermutigen als warnen, aber er hat sie offenbar gar nicht erreicht, denn<br />
ich erhielt ihn ungeöffnet zurück, mit einem Stempel auf dem Umschlag: "<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>".<br />
Welch finstere Bedeutung diese Worte haben! Wie kann sie plötzlich <strong>unbekannt</strong> sein? Das hat gewiß<br />
zu bedeuten, dass ihr etwas zugestoßen ist. Die Behörden wissen ganz genau, was mit ihr ist, sagen<br />
diese aufgestempelten Buchstaben, aber ich darf es nicht erfahren. Sie ist in einer schwarzen Leere<br />
verschwunden, und es ist zwecklos, sie zu suchen. All das sagen sie mir mit diesen zwei Worten:<br />
"<strong>Empfänger</strong> <strong>unbekannt</strong>".<br />
Martin, muß ich Dich überhaupt bitten, sie zu finden und ihr zu Hilfe zu kommen? Du kennst sie<br />
doch, ihre Anmut, ihre Schönheit, ihren Liebreiz. Du hast ihre Liebe besessen, die sie keinem<br />
anderen Mann geschenkt hat. Du brauchst mir nicht zu schreiben, wenn das für Dich gefährlich ist.<br />
Ich weiß, daß ich Dich gar nicht erst bitten muß, ihr zu Hilfe zu eilen. Es genügt vollkommen, wenn<br />
Du erfährst, daß offenbar etwas passiert ist und daß sie in Gefahr schwebt.<br />
Ich gebe ihr Schicksal in Deine Hände, denn ich bin machtlos.<br />
Max<br />
5
Paul Hindemith (1895-1963)<br />
„Der schöpferische Geist lässt sich nicht durch Vorschriften regulieren. Jeder Einzelne<br />
entwickelt die ihm gemäße Haltung.“ (Zitat: P. H. über die Musik)<br />
Paul Hindemith zählt zu den bedeutendsten Komponisten und Musikern des 20. Jahrhunderts. Im<br />
Alter von zwanzig Jahren wurde er 1916 erster Konzertmeister der Frankfurter Oper, der<br />
musikalische Durchbruch gelang ihm 1921 bei den ersten Donaueschinger Kammermusiktagen. Er<br />
legte Grundlagen für eine Öffnung der Musik nach außen, sah es als Pflicht des Komponisten an,<br />
sich sozialen Herausforderungen zu stellen und verstand den Beruf des Musikers nicht zuletzt auch<br />
als Handwerk.<br />
1927 wurde Paul Hindemith Professor für Komposition an der Hochschule für Musik in Berlin.<br />
Gemeinsam mit Kurt Weill sorgte er für die Musik zu Bertolt Brechts Hörspiel 'Der Lindhbergflug',<br />
in einer Zusammenarbeit mit Gottfried Benn entstand das Oratorium 'Das Unaufhörliche' – sein<br />
kompromissloses Engagement für die Moderne bescherte ihm unter den Kleingeistern den Ruf eines<br />
Bürgerschrecks.<br />
Am Gipfel seiner Karriere geriet Hindemith ab 1933 in Konflikt mit den Nationalsozialisten:<br />
Bereits 1934 erhielten Paul Hindemiths Werke Sendeverbot im deutschen Rundfunk,<br />
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels bezeichnete ihn im selben Jahr öffentlich als „atonalen<br />
Geräuschemacher“.<br />
1935 ließ sich Hindemith von seiner Professur als Kompositionslehrer in Berlin beurlauben, um auf<br />
Empfehlung Wilhelm Furthwänglers in der Türkei Kemal Atatürks das Musikleben neu zu<br />
organisieren. Er kümmerte sich um ein neues Konservatorium, um ein Lehrerseminar und um<br />
praktische Probleme, wie etwa das marode Instrumentarium oder die Beschaffung von<br />
Notenmaterial – und sprach sich gegen die Europäisierung der türkischen Musik aus. Die Musiker,<br />
die er als Lehrer nach Ankara holte, waren größtenteils Juden aus Deutschland und entkamen so der<br />
Verfolgung durch die Nationalsozialisten.<br />
Ihren Höhepunkt fand die Konfrontation mit dem NS-System im Mai 1938: Zeitgleich zur<br />
Uraufführung seiner den Krieg anprangernden Oper „Mathis der Maler“ in Zürich, startete in<br />
Düsseldorf die Ausstellung „Entartete Musik:“ Hindemith wurde als „internationaler Scharlatan“<br />
und maßgeblicher „Zerstörer des volks- und rassemäßigen Instinkts“ diffamiert – Ausstellungs-<br />
Thema war auch die jüdische Abstammung seiner Frau Gertrud.<br />
Im August desselben Jahres ging das Ehepaar Hindemith endgültig ins Exil: Zunächst in die<br />
Schweiz, später in die USA, wo er als Professor an der Yale University unterrichtete. Als<br />
amerikanische Staatsbürger kehrten beide 1953 zurück nach Europa. Hindemith feierte große<br />
Erfolge als Dirigent, von herausragender Bedeutung sind nicht zuletzt auch seine<br />
musiktheoretischen Schriften – allen voran seine 'Unterweisung im Tonsatz'.<br />
Am 16. November 1963, seinem 68. Geburtstag, wurde der Komponist zuhause in Blonay am<br />
Genfer See von einer schweren Fieberattacke getroffen: Am 28. Dezember 1963 – vor fünfzig<br />
Jahren – starb Paul Hindemith 68-jährig in einem Krankenhaus in Frankfurt am Main.<br />
6
Sonate für Violoncello Solo, Paul Hindemith op. 25, №3<br />
„Analysen meiner Werke kann ich nicht geben, weil ich nicht weiß, wie ich in wenigen Worten<br />
ein Musikstück beschreiben soll (ich schreibe lieber ein neues in dieser Zeit).“<br />
(Zitat: P.H. im Text 'Selbstportrait', 1921)<br />
Anlässlich der 1921 erstmals stattfindenden Donaueschinger Kammermusiktage hatte Paul<br />
Hindemith das Amar-Quartett gegründet, um dort erstmals sein drittes Streichquartett, op. 16,<br />
aufzuführen: Quasi über Nacht wurde das Quartett damit zum musikalischen Fixstern der zwanziger<br />
Jahre und Paul Hindemith zu einem der einflussreichsten und geachtetsten modernen Musiker<br />
Europas – und in weiterer Folge zum künstlerischen Leiter des Donaueschinger Musikfestivals.<br />
Die Bratsche spielte Hindemith beim Amar-Quartett selbst, Cellist war, neben Rudolf Hindemith,<br />
auch der Niederländer Maurits Frank: Ihm widmete Hindemith 1922 die Sonate für Violoncello<br />
Solo, Opus 25, Nummer 3. Spontaneität und Unmittelbarkeit spielten im Schaffen des jungen<br />
Komponisten eine wesentliche Rolle, in seinem Werkverzeichnis notierte er zu op. 25 №3: „Da<br />
haben wir in Donaueschingen mal ein Wettkomponieren von Cellosonaten gemacht, vier Sätze habe<br />
ich an dem Abend geschrieben.“<br />
Die Komposition erlaubt folgerichtig auch einen Einblick in die Atmosphäre der frühen<br />
Donaueschinger Musikfeste, bei denen musikalische Entschiedenheit und heitere Ausgelassenheit<br />
gleichwertig zusammenspielten. Sie ist symmetrisch aufgebaut, der zentrale langsame Mittelsatz<br />
wird von jeweils zwei sehr raschen und zwei mäßig schnellen Außensätzen flankiert: Die<br />
melodische und metrische Vielfalt und die kompromisslose Unbekümmertheit von Hindemiths<br />
Einfallsreichtum machen die Sonate schon in ihrer Anlage zur idealen Bühnenmusik. In Verbindung<br />
mit dem keineswegs unähnlich aufgebauten Text Kressmann Taylors, vermittelt sie schon fast den<br />
Eindruck, sie sei für das <strong>Theater</strong> geschrieben – ungekürzt dargeboten und in der originalen<br />
Satzreihenfolge, versteht sich.<br />
Spätestens auf den zweiten Blick gar nicht so verwunderlich: War doch dem Experten für<br />
zeitgenössische Dichtung Paul Hindemith die klassische Konzerthaus-Situation bisweilen durchaus<br />
ein Greuel …<br />
Ensemble<br />
Klaus Braun – Max Eisenstein<br />
spielt seit ca. 30 Jahren <strong>Theater</strong> in 32 Stücken und über 20 Lesungen in Deutschland und<br />
Österreich. Stücke wie "Endlich Schluß" (Turini), "Faust I" (Goethe), "Cyrano de Bergerac"<br />
(Rostand), "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" (Albee), "Die Zimmerschlacht" (Walser),<br />
"G'schichten aus dem Wienerwald" (Horváth), ...<br />
Lesungen von klassischen Balladen bis hin zu Experimentellem und Dada.<br />
Ist Oberarzt der Chirurgie in Klosterneuburg.<br />
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Valentin Neuser – Martin Schulze<br />
Über zwanzig Jahre <strong>Theater</strong> als Darsteller und Regisseur in diversen Produktionen in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz.<br />
Gewinner des Heidelberger <strong>Theater</strong>preises 1999, Stücke: Love Letters (A. Gurney), Faust I<br />
(Goethe), Spiel's nochmal, Sam (W. Allen), Die Versuchung (V. Havel), Der Bär (A. Tschechov) u.a.<br />
Verschiedene Lesungen (F. Villon, Goethe, Schiller u.a.).<br />
Lebt als Rechtsanwalt in Wien.<br />
Leonhard Roczek – Cello<br />
1983 in Salzburg geboren. Erster Klavierunterricht im Alter von vier Jahren, erster Cellounterricht<br />
mit sieben. Als zehnjähriger Beginn des Studiums an der Universität Mozarteum Salzburg, vorerst<br />
bei Heidi Litschauer, später bei Clemens Hagen. Nach der Matura Wechsel an die Musikuniversität<br />
Wien zu Valentin Erben (Alban Berg Quartett), 2010 Magisterium mit Auszeichnung. Meisterkurse<br />
bei Zara Nelsova, Wolfgang Böttcher, Christoph Richter, Patrick Demenga, u.a.<br />
Leonhard Roczek ist Gründungsmitglied des Minetti Quartetts – zahlreiche Stipendien und Preise<br />
bei großen internationalen Streichquartett-Wettbewerben, Konzerte in Nord- und Südamerika,<br />
Japan, China, Australien und vielen europäischen Musikzentren (z.B. Kölner Philharmonie,<br />
Concertgebouw Amsterdam, Palais des Beaux Arts Brüssel, Festspielhaus Baden-Baden, Wigmore<br />
Hall London, Berliner Philharmonie). Im April 2013 erscheint gemeinsam mit dem Wiener<br />
Philharmoniker Matthias Schorn die dritte CD des Minetti-Quartetts, eine Sammlung dreier<br />
Klarinettenquintette von Mozart, Brahms und Sulzer.<br />
Neben seiner intensiven kammermusikalischen Tätigkeit tritt Leonhard Roczek auch solistisch auf,<br />
sammelt Orchestererfahrung (z.B. Wiener Philharmoniker, Camerata Salzburg), und ist zudem als<br />
Dozent (Kuhmo, Matrei), Komponist und Rockmusiker (www.metaphysis.at) tätig. Er spielt ein<br />
Violoncello von Giovanni Tononi (Bologna, 1681), eine Leihgabe der Österreichischen<br />
Nationalbank.<br />
Florin Mittermayr – Regie, Dramaturgie<br />
Am 16. Oktober 1973 in Wien geboren. In Wien, Wels und im Schatten des Chorherren-Stifts St.<br />
Florian aufgewachsen. Musikalische Ausbildung bei Professor Karl Kasbauer am Musikzweig des<br />
Gymnasiums in Grieskirchen und in Wien, sowie durch Mitwirkung bei praktisch allen<br />
Standardwerken der klassischen Chorliteratur unter verschiedensten Dirigenten.<br />
Studium der <strong>Theater</strong>wissenschaft, Mitbegründer und ehemaliger Chefredakteur des<br />
Fußballmagazins Ballesterer, redaktioneller und freier Mitarbeiter bei diversen Stadtzeitungen in<br />
Wien und Graz und bei der Straßenzeitung Augustin. Texter und Drehbuchautor bei verschiedenen<br />
Werbeagenturen, verschiedene Buch- und Textprojekte, Lesungen in ausgewählten Vorstadt-<br />
Lokalen.<br />
Seit sieben Jahren für das <strong>Theater</strong> in der <strong>Drachengasse</strong> tätig, Regie-Hospitant bei Joshua Sobols<br />
<strong>Theater</strong>stück Libera Me unter Günther Treptow, Chorschauspieler bei der Operettenproduktion<br />
Bocaccio in Gars am Kamp. Urheber und Regisseur des musikalischen wienerischen Martyrium<br />
Christi Schmoizhodan-Passion, seit 2012 jährlich mit Otto Lechner und Alfred Schedl in der<br />
Bar&Co im <strong>Theater</strong> <strong>Drachengasse</strong>.<br />
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