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schmitzkatze - Schmitz Buch

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Die Zukunft des <strong>Buch</strong>es<br />

Karin Schmidt-Friderichs und der Verlag Hermann Schmidt Mainz<br />

ist schön<br />

Allzu oft bin ich gefragt worden, nach welchen<br />

Kriterien wir eigentlich unsere Bücher<br />

aussuchen, die wir dann in die <strong>Buch</strong>handlung<br />

stellen. Ich muss da nicht zögern. Wir<br />

lesen viel und was gut ist, wird geordert.<br />

Verlagswerbung und Pressenotizen sind<br />

eine Entscheidungshilfe, ebenso Tipps von<br />

Freunden, Kollegen, Kunden. Dann darf<br />

man die Bestsellerlisten nicht vergessen.<br />

Obwohl – gerade mit denen tun wir uns<br />

mitunter sehr schwer. Vielleicht sind solche<br />

Listen vorsichtige Indikatoren für angesagte<br />

Literatur, aber Sie müssen ja nicht unbedingt<br />

das essen wollen, was allen schmeckt.<br />

Die Verlagsvertreter – die meistens sowohl<br />

ihr Programm kennen und das Profil unserer<br />

<strong>Buch</strong>handlung dazu – sind wichtige<br />

Partner. Wir möchten nicht auf ihren Rat<br />

verzichten. Aus dieser Informationsflut<br />

entscheiden wir, was in den Laden kommt,<br />

was eingekauft wird.<br />

Meine Gesprächspartner geben sich meistens<br />

mit der Antwort zufrieden. Nur ich<br />

stocke dann doch das eine oder andere Mal,<br />

um mir einzugestehen, dass hier ja noch<br />

lange nicht Schluss ist. Es gibt eine Kategorie<br />

Bücher, die wenig zu fassen ist. Sie<br />

passt in kein Klischee, in keine Abteilung,<br />

eine Warengruppe müsste man dafür erfinden.<br />

Wenn diese Bücher den Weg in unsere<br />

<strong>Buch</strong>handlung finden, zucken alle mit den<br />

Achseln. Oft haben sie einen hohen Preis,<br />

sie finden keinen Platz in der Belletristik,<br />

keinen im Sachbuch, am liebsten würde<br />

man sie in einer Vitrine ausstellen oder –<br />

viel besser noch – sie aus eben dieser Vitrine<br />

nehmen, sie anfassen, durchblättern, sie<br />

bestaunen und ich gestehe, beim Einkauf<br />

dieser außergewöhnlichen Bücher habe ich<br />

mir keinerlei Gedanken über Ihren Stellenwert<br />

in der <strong>Buch</strong>handlung, ihren Preis und<br />

ihre Verkäuflichkeit gemacht.<br />

Und warum nicht? Weil ich einmal mehr<br />

dem Charme eines richtig schönen und<br />

schön gestalteten <strong>Buch</strong>es erlegen bin.<br />

Vor einigen Wochen beispielsweise, auf<br />

der <strong>Buch</strong>messe in Frankfurt, fiel mir ein<br />

<strong>Buch</strong> ins Auge, das mich von einer auf die<br />

andere Sekunde gefangen nahm. Alleine<br />

das ist eine kleine Sensation: Jährlich erscheint<br />

eine knapp sechsstellige Anzahl von<br />

<strong>Buch</strong>titeln neu. In den Messehallen werden<br />

hunderttausende aus- und vorgestellt. Und<br />

einem einzigen <strong>Buch</strong> gelingt es, mich zu<br />

packen. Das <strong>Buch</strong> ist ein Klotz. 640 Seiten,<br />

ein Halbleinenband mit Prägung und gleich<br />

zwei Lesebändchen. Es heißt »Was vom Leser<br />

übrigbleibt«, erstellt wurde es von der<br />

Künstlerin Shakti Paqué. Die junge Frau<br />

hatte lange in Antiquariaten gearbeitet und<br />

beim Durchforsten der Bestände sind ihr<br />

manchmal Gegenstände scheinbar zufällig<br />

und wahrscheinlich völlig bedeutungslos<br />

entgegengefallen. Ein Lesezeichen, eine<br />

gepresste Blume, ein Einkaufszettel, eine<br />

Bordkarte.<br />

Eigentlich ein Fall für den Mülleimer, begann<br />

Shakti Paqué diese kleinen und großen<br />

Geheimnisse jedoch zu sichten, zu sammeln,<br />

zu katalogisieren. Das Ergebnis: 587<br />

Beziehungsgeschichten, die gegeneinander<br />

gestellt sind und ohne jede Worte auskommen.<br />

Jetzt frage ich Sie: wer braucht so ein<br />

<strong>Buch</strong>, vor allem vor dem Hintergrund, dass<br />

der mächtige Band gleich glatte hundert<br />

Euro kostet? Die Frage, die man eigentlich<br />

voranstellen müsste, ist aber doch: Wer<br />

ist so verrückt und produziert ein solches<br />

<strong>Buch</strong>?<br />

»Ich gestehe«, schmunzelt Karin<br />

Schmidt-Friderichs. »Bei diesem Titel<br />

schlafe ich gerade etwas schlecht. Wir haben<br />

viel Geld in die Hand nehmen müssen.<br />

Aber uns hat das Konzept, mit dem Shakti<br />

Paqué zu uns gekommen ist, fasziniert und<br />

da haben mein Mann und ich entschieden,<br />

jetzt versuchen wir das mal.«<br />

Karin Schmidt-Friderichs ist gemeinsam<br />

mit ihrem Mann Bertram verantwortlich für<br />

die Geschicke des Hermann-Schmidt-Verlages<br />

in Mainz. Der Verlag ist vordergründig<br />

und in erster Linie ein Haus, das sich auf<br />

Typographie, Gestaltung und Kreativität<br />

spezialisiert hat. Obwohl diese Definition<br />

schon zu unpräzise wäre, denn Bertram<br />

Schmidt-Friderichs, der im elterlichen Betrieb<br />

gelernt hat (sein Vater gab dem Jungen<br />

nach dem Abitur den Rat, er möge doch<br />

‘was Anständiges lernen, er möge doch<br />

Bleisatz lernen), während seines Studiums<br />

die Liebe zur Typographie gefunden hat,<br />

ist nach Aussage seiner Frau ein absoluter<br />

Perfektionist. Fragt man also, wofür Hermann-Schmidt<br />

steht, ist die Antwort klar<br />

formuliert:<br />

»Für schöne und schönste Bücher, die kreativen<br />

Nutzen und Freude bringen.«<br />

Das Fundament des Verlages ist also klar,<br />

aber seit einigen Jahren wird Schmidt<br />

eben nicht mehr nur als Verlag für Typographie<br />

wahrgenommen, er hat lange sein<br />

Nischendasein verlassen und gilt heute immer<br />

öfter als Verlag für schöne Bücher.<br />

»Und jetzt gucken wir gerade, wo das Eis<br />

trägt.«<br />

Immer noch beeindruckt von dem Titel<br />

»Was vom Leser übrigbleibt«, aber auch<br />

von anderen außer- oder ungewöhnlichen<br />

Werken wie »Das Lesikon der visuellen<br />

Kommunikation« von Juli Gudehus, »Die<br />

Kunst ein kreatives Leben zu führen« von<br />

Frank Berzbach oder »Les Fins du Monde«<br />

(ein <strong>Buch</strong> über Weltuntergänge), möchte ich<br />

von Karin Schmidt-Friderichs wissen, was<br />

denn passieren muss, damit entschieden<br />

wird, ja, wir machen dieses <strong>Buch</strong>.<br />

»Wenn ich Ihnen das erzähle, dann lachen<br />

Sie. Aber ich erzähle es trotzdem.«<br />

Selbstverständlich gäbe es vorab Hürden,<br />

die überwunden werden müssten. »Wir sehen<br />

natürlich relativ schnell, ob ein Titel<br />

Schmidt-tauglich sein kann, wir recherchieren<br />

sorgfältig, was es zum Thema generell<br />

schon auf dem Markt gibt. Wenn aber diese<br />

Formalien ein Projekt nicht aus dem Rennen<br />

geworfen haben, stellen wir uns drei<br />

Fragen: Macht es reich? Will sagen, hat der<br />

Verlag die Möglichkeit Geld zu verdienen?<br />

Macht es berühmt? Will sagen, befördert<br />

es die Marke Schmidt? Macht es glücklich?<br />

Das Letztere ist besonders wichtig und häufig<br />

ausschlaggebend, weil man ja plötzlich<br />

über Jahre mit einem Menschen abende-<br />

18 <strong>schmitzkatze</strong> 18<br />

<strong>schmitzkatze</strong> 18<br />

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