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—12— 225 230 235 240 245 Karteikarte und Zettelkasten waren zunächst Instrumente der gelehrten Welt, integraler Bestandteil der abendländischen Buchkultur. Dies änderte sich indes Ende des 19. Jahrhunderts, als ein gravierender Wandel eintrat: Der Zettelkasten – und damit verbunden die moderne Kulturtechnik des „Verzettelns” – begann, nach den Bibliotheken und Studierzimmern auch die Welt der Büros und Amtsstuben zu erobern, zuerst in den USA und später auch in Europa. Der Zettelkasten wurde nun nicht mehr ausschliesslich zur Verwaltung von Wissen eingesetzt, sondern mutierte zum massenproduzierten Planungs- und Organisationsinstrument bürokratischer Arbeitsprozesse. Dieser Funktionswandel lässt sich mit Krajewski als eine „diskursive Übertragung” bezeichnen. Die Faktoren, die zu diesem Wandel beigetragen haben, waren mannigfaltig, eine Person spielte aber in diesem ganzen Prozess eine zentrale Rolle: Melvil Dewey (1851-1931). Dewey war Bibliothekar und ein fanatischer Kämpfer für mehr Effizienz, Systematik und Ordnung. Im Alter von 26 Jahren setzte er nicht nur die Gründung der American Library Association durch, sondern rief gleich auch noch das American Metric Bureau und die Spelling Reform Association ins Leben. Im amerikanischen Bibliotheksmarkt konnte sich Dewey damals mit kostengünstigen, einheitlichen Karten und Karteikästen durchsetzen und normbildend wirken. © 2004 by Peter Haber
—13— Daten und Metadaten 250 255 260 265 Ein Zettelkasten ist eine Sammlung von strukturierten Metadaten. Jeder einzelne Zettel im Kasten beschreibt eine Einheit, zumeist ein Buch, und zwar nach einem genau vorgegebenem Schema: Autor, Titel, Erscheinungsort, Erscheinungsjahr, Verlag, Umfang, Grösse etc. Jede Karte repräsentiert ein Dokument, das irgendwo im Magazin der Bibliothek steht. Die Karten lassen sich nach unterschiedlichen Aspekten ordnen oder auch mit Zusatzinformationen ergänzen. Karteikarten, das wusste schon Gessner, waren flexibel: Die Abfolge der einzelnen Karteikarten lässt sich immer wieder verändern und die gespeicherten Daten lassen sich nach immer wieder neuen Gesichtspunkten auswerten. Der Zettelkasten stellt einen Prototyp moderner Informationssysteme dar, wie sie mit dem Aufkommen des World Wide Web anfangs der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts aktuell geworden sind. Auch wenn landläufig immer nur von Suchmaschinen geredet wird, mit dem Aufkommen des WWW entstand eine Vielfalt von sehr unterschiedlichen Informationssystemen. Hauptsächlich sind es zwei Suchtechniken, welche uns bei der Navigation durch das WWW Hilfe versprechen: es gibt die Volltextsuche mit Hilfe von Suchmaschinen und die systemati- © 2004 by Peter Haber
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