Neuregelung der Gesundheitsversorgung ab 2014 - Ärztekammer ...
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REFORM<br />
<strong>2014</strong><br />
02/13<br />
SPRECHSTUNDE<br />
Zukunft Gesundheitsreform<br />
Was soll sich <strong>ab</strong> <strong>2014</strong> än<strong>der</strong>n?<br />
04<br />
In den kommenden Jahren soll die medizinische Versorgungslandschaft<br />
umgestellt werden. Sozialversicherungen<br />
und Politik h<strong>ab</strong>en hierbei den Auftrag, sich an Vorg<strong>ab</strong>en<br />
zu halten, die sie selbst zuvor in so genannten Zielsteuerungsvereinbarungen<br />
zusammengefasst h<strong>ab</strong>en. Das Schlagwort<br />
„Best Point of Service“ kommt darin häufig vor und<br />
wird so ausgelegt: „Die kurative Versorgung ist jeweils zum<br />
richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit optimaler medizinischer<br />
und pflegerischer Qualität gesamtwirtschaftlich<br />
möglichst kostengünstig zu erbringen.“ Doch was kann<br />
und wird das in <strong>der</strong> Praxis bedeuten?<br />
Verhandlungspartner sind in dieser Angelegenheit nur die<br />
so genannten „Zahler“, das sind <strong>der</strong> Bund, die Län<strong>der</strong> und<br />
die Sozialversicherungen. Dass die Patientinnen und Patienten<br />
allerdings im Endeffekt alles bezahlen und die Bundeslän<strong>der</strong><br />
und Sozialversicherungsträger nur die Verwalter<br />
des Geldes sind, scheint heutzutage bedeutungslos. Doch<br />
wo bleibt <strong>der</strong> Patient d<strong>ab</strong>ei? Im Folgenden soll ein (Horror)<br />
Szenario entwickelt und analysiert werden.<br />
VGZGZ als Zukunftsszenario?<br />
Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe keine nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag mehr. Stattdessen<br />
wäre die allgemeinmedizinische Erstversorgung durch jeweils<br />
ein VGZGZ (Von Größenwahn zielgesteuertes Gesundheitszentrum)<br />
pro Bezirk sichergestellt, an dem jeweils<br />
fünf AllgemeinmedizinerInnen ständig parallel anwesend<br />
sind und in einem Dienstrad rund um die Uhr arbeiten.<br />
Was würde das für den Best Point of Service im Sinne <strong>der</strong><br />
Gesundheitsreform bedeuten?<br />
Der richtige Zeitpunkt wäre gewährleistet, weil es eine<br />
Rund-um-die-Uhr-Versorgung gäbe. Randzeiten (zu denen<br />
erfahrungsgemäß kaum Patienten die Ordination aufsuchen<br />
wollen) wären ebenfalls besetzt. Der richtige Ort<br />
wäre ebenfalls gewährleistet, weil je<strong>der</strong> das Zentrum kennt<br />
und bei einer reinen Basiserstversorgung ohne Notfälle<br />
eventuelle weitere Anfahrtswege zumutbar wären. Die medizinische<br />
Qualität aus verwaltungstechnischer Sicht wäre<br />
gegeben, weil alle mo<strong>der</strong>nen Ansprüche an die Qualitätssicherung<br />
erfüllbar wären. Und gesamtwirtschaftlich möglichst<br />
kostengünstig zu sein, wäre ebenfalls gewährleistet,<br />
weil sich im Vergleich zur <strong>der</strong>zeitigen allgemeinmedizinischen<br />
Versorgung durch Kassenärztinnen und -ärzte eine<br />
geringfügig geringere Kostenbelastung ergäbe.<br />
Also wirklich <strong>der</strong> Best Point of Service, o<strong>der</strong>?<br />
Wo liegen die Schwächen dieses Best Point of Service aus<br />
Sicht <strong>der</strong> Patientinnen und Patienten? Für viele allgemeinmedizinische<br />
Patientinnen und Patienten wären solche<br />
VGZGZ schlicht und einfach schwierig zu erreichen. So<br />
gesehen könnte man dort schon ein Einsparungspotenzial<br />
sehen, weil Kranke dann nicht mehr behandelt werden<br />
können, da <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Behandlung nicht gut erreicht werden<br />
kann. Kommunizieren könnte man das <strong>ab</strong>er gut: „Auf<br />
Grund <strong>der</strong> besseren Qualität müssen weniger Patienten<br />
behandelt werden. Ein Erfolg auf <strong>der</strong> ganzen Linie.“ Für<br />
die vielen benötigten Visiten, die dann nicht mehr durchgeführt<br />
werden könnten, gilt sinngemäß das Gleiche.<br />
Wer es dennoch geschafft hat, ins VGZGZ zu kommen,<br />
weil er wirklich dringend behandelt werden muss und<br />
auch mobil genug war, <strong>der</strong> wird sich damit <strong>ab</strong>finden müssen,<br />
dass er möglicherweise unendlich lange Wartezeiten<br />
zu erdulden hat. Auch wenn er mitten in <strong>der</strong> Nacht eine<br />
Versorgung braucht.<br />
Was sich nach wenig anhört, erfor<strong>der</strong>t jedoch eine gewaltige<br />
Logistik. Für die beschriebene Versorgung in einem<br />
VGZGZ pro Bezirk würde man etwa genauso viele Allgemeinmedizinerinnen<br />
und Allgemeinmediziner brauchen<br />
wie <strong>der</strong>zeit als Kassenärztinnen und -ärzte pro Bezirk tätig<br />
sind. Und würde man die Anzahl <strong>der</strong> VGZGZs geringfügig<br />
vergrößern, dann hätte man schon wesentlich höhere Kosten<br />
als bisher und immer noch keine geeignete Basisversorgung<br />
im Sinne des Best Point of Service für den Patienten.<br />
Sind „von Größenwahn zielgesteuerte<br />
Gesundheitszentren“ nur Phantasie?<br />
So wie bei diesem krassen Beispiel sind die VGZGZs sicherlich<br />
o<strong>der</strong> zumindest hoffentlich eine Phantasie, <strong>der</strong><br />
Trend in diese Richtung ist jedoch unverkennbar. Seit<br />
Jahren wird die ärztliche Tätigkeit in den Ordinationen<br />
vorsätzlich erschwert, so als würde man geradezu darauf<br />
hinarbeiten, dass sich das Problem von alleine lösen möge,<br />
weil man keine Ärztinnen und Ärzte mehr findet, die einen<br />
Kassenvertrag als Allgemeinmediziner unterschreiben.<br />
So genannte Chefärzte entscheiden über Bewilligungen für<br />
Medikamente, ohne den Patienten je gesehen geschweige<br />
denn untersucht zu h<strong>ab</strong>en. Stattdessen spricht man heute<br />
bereits öffentlich davon, dass die Zukunft den wie auch immer<br />
gearteten Versorgungszentren gehört und Allgemeinmediziner<br />
als Einzelkämpfer als Auslaufmodell gelten.