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AUF DER BULT | 150 Jahre Stiftung Hannoversche Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>heilanstalt | Teil 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Serie<br />

Dr. Wilhelm Riehn, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> facharzt und Leiter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 1907 geschaffenen Säuglings abteilung,<br />

Harte Jahre<br />

1907–1949<br />

1907 wur<strong>de</strong> die Säuglingsabteilung eröffnet, die Leitung<br />

übernahm Dr. Wilhelm Riehn, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>facharzt<br />

Hannovers überhaupt war. Die Ernährung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

stationär aufgenommenen Säuglinge bereitete enorme<br />

Schwierigkeiten. Man stellte Ammen ein, die dabei<br />

helfen sollten. Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Infektionsgefahr<br />

streng abgeson<strong><strong>de</strong>r</strong>t, und das oft wochenlang.<br />

Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> waren – sofern sie keine Infektionskrankheiten<br />

wie Scharlach o<strong><strong>de</strong>r</strong> Diphterie hatten – in großen<br />

Sälen untergebracht, in <strong>de</strong>nen es alles gab vom Bettchen<br />

bis zur Ba<strong>de</strong>wanne, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wäsche bis zum Spielzeug.<br />

Kleinkin<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilung 1926<br />

Der Ausbruch <strong>de</strong>s Ersten Weltkrieges brachte schwere<br />

und sorgenvolle Jahre für die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>heilanstalt. Viele<br />

Ärzte waren im Krieg, und die wenigen, die zurückgeblieben<br />

waren, mussten mit oft übermenschlichen<br />

Kräften die gera<strong>de</strong> in Kriegszeiten wachsen<strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

erfüllen. Und als <strong><strong>de</strong>r</strong> Krieg endlich vorüber war,<br />

kam die nächste Bür<strong>de</strong>: Die Inflationszeit hatte verheeren<strong>de</strong><br />

Folgen. Das gesamte Vermögen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>heilanstalt<br />

fiel, soweit es aus Wertpapieren bestand, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entwertung zum Opfer. Doch fan<strong>de</strong>n sich auch in diesen<br />

Jahren immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Spen<strong><strong>de</strong>r</strong>, Privatpersonen und<br />

Firmen, die Geldbeträge gaben. Aber dann brach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zweite Weltkrieg aus. Zeitzeugen haben notiert, dass<br />

diese Kriegsjahre die wohl schwerste Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Hannoverschen<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>heilanstalt waren. Ab 1942 nahmen die<br />

Luftangriffe ständig zu. Das Gelän<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ellernstraße<br />

lag direkt an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bahnlinie, die auch Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> alliierten<br />

Angriffe war. Je<strong>de</strong> Nacht mussten die kranken Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

<strong>de</strong>n Luftschutzbunker gebracht wer<strong>de</strong>n. Fünfmal wur<strong>de</strong><br />

das Krankenhaus erheblich getroffen. Drei Geschosse<br />

<strong>de</strong>s Haupthauses brannten ab, die Verbindungsbauten<br />

zu <strong>de</strong>n Seitenflügeln wur<strong>de</strong>n teilweise zerstört, wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hergestellt<br />

und ein weiteres Mal vernichtet. Das Dachgeschoss<br />

<strong>de</strong>s Poliklinikgebäu<strong>de</strong>s brannte aus, Waschhaus,<br />

Isolierhaus und Kapelle wur<strong>de</strong>n durch Sprengbomben<br />

zerstört. Evakuierungen waren von <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichsführung<br />

streng verboten, <strong>de</strong>nnoch gelang es im September 1943,<br />

vor <strong>de</strong>m Großangriff auf Hannover, <strong>de</strong>n Krankenhausbetrieb<br />

nach Nienstedt zu verlegen. Am ehemaligen<br />

Landschulheim <strong><strong>de</strong>r</strong> Herschelschule wur<strong>de</strong> zunächst eine<br />

zusätzliche Krankenbaracke<br />

errichtet. Mit oft nur zwei Ärzten<br />

musste eine Fülle von medizinischen<br />

Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen bewältigt<br />

wer<strong>de</strong>n, und die Transportverbindungen<br />

von Hannover nach<br />

Nienstedt waren alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

als komfortabel. Lange Zeit sind<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>arzt Dr. Wilhelm<br />

Riehn und seine Getreuen zu Fuß nach Nienstedt<br />

marschiert – 30 Kilometer hin, 30 Kilometer zurück.<br />

Sorgen bereiteten ihnen zu<strong>de</strong>m die knapper wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Nahrungsmittel. Die Lage wur<strong>de</strong> immer bedrücken<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

Die ersten großen Ströme <strong><strong>de</strong>r</strong> flüchten<strong>de</strong>n Bevölkerung<br />

aus Ost- und Mittel<strong>de</strong>utschland erreichten Hannover,<br />

in <strong>de</strong>n langen Zügen verzweifelter Menschen viele<br />

schwerstkranke, unterernährte Säuglinge. Zahlreiche von<br />

ihnen kommen schon als Sterben<strong>de</strong> in die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>hei l-<br />

anstalt, min<strong>de</strong>stens aber in bedrohlichem Zustand. Manche<br />

genesen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e müssen auf <strong>de</strong>m kleinen Friedhof in<br />

nienstedt beerdigt wer<strong>de</strong>n, darunter viele namenlose.<br />

Unter <strong>de</strong>n betreuten Patienten und unter <strong>de</strong>n Toten<br />

waren auch Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> von Zwangsarbeiterinnen, vor allem<br />

aus Polen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetunion sowie aus Frankreich,<br />

Belgien und Holland. 1951 wur<strong>de</strong> das Gebäu<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ein Landschulheim. Lehrer und Schüler kümmerten sich<br />

um ein Feld mit rund 90 Gräbern. Der Friedhof wur<strong>de</strong><br />

1966 auf Drängen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong> Nienstedt eingeebnet.<br />

Die Leibnizschule stellte schließlich einen Ge<strong>de</strong>nkstein<br />

für <strong>de</strong>n „Friedhof <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergessenen“ auf.<br />

Die Welt war nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg nicht mehr<br />

wie zuvor, aber es kehrte doch etwas wie Normalität ein.<br />

Mit <strong>de</strong>m Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> zerstörten Gebäu<strong>de</strong>teile<br />

wur<strong>de</strong> begonnen und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hannoverschen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>heilanstalt<br />

tat man, was man immer getan hatte: an das<br />

Wohl <strong><strong>de</strong>r</strong> kleinen Patienten <strong>de</strong>nken.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Landschulheim Nienstedt,<br />

Ausweichkrankenhaus von 1943 bis 1951<br />

6 | <strong>Vignette</strong> | 114 | 2.<strong>2013</strong>

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