Beitrag Dr. Ishorst-Witte [pdf Dokument, 121 KB]
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Ein kritischer Blick auf die Hamburger Bedarfe und Strukturen<br />
<strong>Dr</strong>. Frauke <strong>Ishorst</strong>-<strong>Witte</strong>, Diakonie Hamburg<br />
In Hamburg leben ca. 5.400 wohnberechtigte wohnungslose Menschen, davon ca 1.026<br />
obdachlos auf der Straße (<strong>Dr</strong>u<br />
Hilfsan <strong>Dr</strong>ucksache 20/2170).<br />
Das Leben auf der Straße und in der Wohnungslosigkeit macht krank. Zwei Hamburger Studien,<br />
die verstorbene Wohnungslose untersuchten, zeigten ein durchschnittliches Sterbealter von 46<br />
Jahren. Zum Zeitpunkt des Todes litten die meisten Menschen mehrheitlich an mehreren akuten<br />
und / oder chronischen Erkrankungen gleichzeitig.<br />
Es liegt daher auf der Hand, dass es unter den Wohnungslosen pflegebedürftige Männer und<br />
Frauen gibt. Darüber gibt es zurzeit aber keine verlässlichen Erhebungen.<br />
Da inzwischen die überwiegende Zahl der Menschen ohne Wohnraum krankenversichert ist, stellt<br />
die Behandlungspflege nach §37 SGB V eher ein kleineres Problem dar. Es bedarf eines Arztes,<br />
der die Verordnung ausstellt und eines Pflegedienstes, der die Behandlung (beispielsweise<br />
Verbandswechsel oder Medikamentengabe, Injektionen) durchführt. Schwierigkeiten entstehen<br />
an dieser Stelle, wenn kein Hausarzt gefunden wird, der die Versorgung übernimmt oder der<br />
Patient die Zuzahlungen nicht leisten kann.<br />
Wesentlich größere Hürden sind zu überwinden, wenn der / die Kranke grundpflegerischen Bedarf<br />
hat.<br />
Wohnungslose Menschen mit Pflegebedarf sind häufig jung an Jahren, aber deutlich vorgealtert<br />
und in einem reduzierten Allgemeinzustand. Nicht selten fehlt für die Ursache dieses Zustands<br />
eine klare Diagnose. Viele Kranke sind zudem suchtkrank oder betreiben zumindest einen<br />
Suchtmittelmissbrauch. Sie leben in der Wohnungslosenhilfe ohne tragfähiges soziales Netz,<br />
haben wenige oder keine Kenntnisse über ihre Rechte und Möglichkeiten bei der Pflege. Die<br />
sozialpädagogischen Hilfen erreichen wegen der Stellenschlüssel und Struktur nicht zuverlässig<br />
alle Pflegebedürftigen. Das führt dazu, dass nötige Grundpflegeleistungen nicht hinreichend<br />
häufig beantragt werden.<br />
Chancengleichheit der HAG, der Ärztekammer Hamburg und der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V. am 20.11.2013.
Die nächste Hürde nach einer Antragstellung auf Leistungen zur Grundpflege ist die Einstufung in<br />
Pflegestufen nach SGB XI. Da den zu Pflegenden Diagnosen fehlen, die einen Pflegebedarf<br />
unabwendbar und objektiv dringlich erscheinen lassen, entsteht bei den GutachterInnen nicht<br />
selten das Bild, der Patient könnte, wenn er nur wollte, die Grundpflege weitgehend oder gänzlich<br />
allein leisten. Dem steht die Beobachtung der Umwelt gegenüber, dass der Mensch dazu nicht in<br />
der Lage ist. Das führt dazu, dass die Patienten entweder keine Pflegestufe oder allenfalls Stufe 1<br />
erhalten. Eine Berücksichtigung der Tatsache, dass laut Gesetz auch psychische Erkrankungen bei<br />
der Ermittlung der Pflegeminuten eine Rolle spielen sollen, findet zu selten statt.<br />
Die fehlende oder niedrige Pflegestufe stellt ein Problem bei der Suche nach einem stationären<br />
Pflegeplatz dar. Als wohnungsloser Mensch ist der Patient für die Mehrzahl der Heime, die sich<br />
am Markt behaupten müssen, nicht attraktiv, weder finanziell noch im tatsächlichen<br />
Pflegeaufwand und in der Außendarstellung.<br />
Die Patienten selbst wünschen sich selten die Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung. Sie sind<br />
zumeist der Meinung, sie könnten sich selbst versorgen, fürchten um Verlust der Autonomie und<br />
scheuen die Taschengeldregelung.<br />
Betreute Wohneinrichtungen, in denen der Patient eigenen Wohnraum hat und pflegerisch und<br />
hauswirtschaftlich evtl. sogar sozialpädagogisch versorgt wird, sind für die Gruppe der<br />
Pförtner tagsüber. Für viele Wohnungslose wäre Wohnraum im betreuten Wohnen geeignet und<br />
von den Menschen auch akzeptiert. Jedoch wird es immer auch Pflegebedürftige geben, die, trotz<br />
niedriger Pflegestufe, einer stationären Einrichtung bedürfen.<br />
In Hamburg fehlt es derzeit, was die ausreichende Zahl der Plätze angeht, an beiden<br />
Möglichkeiten.<br />
Chancengleichheit der HAG, der Ärztekammer Hamburg und der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V. am 20.11.2013.