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Don Pascual Chávez Villanueva SDB<br />
Generaloberer der <strong>Salesianer</strong> Don Boscos<br />
„Freut euch im Herrn!<br />
Noch einmal sage ich: Freut euch!“<br />
(Phil 4,4)<br />
Wie Don Bosco bieten wir den Jugendlichen<br />
durch eine Pädagogik der Güte<br />
die Frohe Botschaft an<br />
Kommentar<br />
zum<br />
Leitgedanken des Jahres 2013<br />
<strong>für</strong> die<br />
Don-Bosco-Familie<br />
Arbeitstext, Heft 32
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Salesianische</strong> <strong>Spiritualität</strong><br />
Don-Bosco-Str. 1<br />
D-83671 Benediktbeuern<br />
Tel. 0049 (0)8857/88-224; E-Mail: iss@donbosco.de<br />
Homepage: www.iss.donbosco.de<br />
Übersetzung des Kommentars: P. Heinz Bernhard Schuh SDB, Köln<br />
Redaktionelle Bearbeitung/Methodische Anregungen:<br />
P. Reinhard Gesing SDB, Benediktbeuern<br />
Druck: Don Bosco Grafischer Betrieb, Ensdorf<br />
Bild auf Umschlagseite: „Don Bosco und vier Jugendliche“<br />
von Mauro Baldessari<br />
Benediktbeuern 2013
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
Jahresleitgedanke 2013 (Kommentar von D. Pascual Chavez)................. 5<br />
1 Zur Wiederentdeckung des Präventivsystems ..................... 6<br />
1.1 Die Neubelebung der Erziehungsziele des „verantwortungsbewussten<br />
Bürgers“ und des „guten Christen“ ..............................9<br />
1.2 Die Rückkehr zu den Jugendlichen mit größerer<br />
Qualifikation ............................................................................14<br />
1.3 Eine Erziehung des Herzens ....................................................16<br />
2 Konkrete Aufgaben <strong>für</strong> die Don-Bosco-Familie .................17<br />
2.1 Die Frohe Botschaft .................................................................17<br />
2.2 Die Pädagogik der Güte ...........................................................19<br />
2.3 Die Erziehung ist eine Sache des Herzens ...............................21<br />
2.4 Die Bildung zum verantwortungsbewussten Bürger und<br />
zum guten Christen ..................................................................21<br />
2.5 <strong>Salesianische</strong>r Humanismus ....................................................22<br />
2.6 Präventivsystem und Menschenrechte .....................................22<br />
2.7 Lesempfehlungen .....................................................................24<br />
3 Schluss ....................................................................................25<br />
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit“ (Horacio Lona) ............................29<br />
Phil 4,4-9 ..........................................................................................29<br />
Einführung .......................................................................................29<br />
Der Kontext......................................................................................30<br />
Kurze Erklärung ...............................................................................31<br />
Zum Nachdenken ............................................................................34<br />
Die Aufforderung zu Freude (V.4) ..................................................34<br />
Seite
Das Vertrauen (V.6) .........................................................................34<br />
Offenheit (V.8).................................................................................35<br />
Methodische Anregungen zur Arbeit mit dem Jahresleit<br />
gedanken 2013...........................................................................................36<br />
1 Schriftmeditation/Schriftgespräch zu Phil 4,4-9 ......................36<br />
2 Reflexionsgespräch zum Kommentar des Generalobern<br />
zur Strenna 2013 ......................................................................37<br />
Textarbeit ........................................................................................39
Jahresleitgedanke 2013<br />
_________________________________________<br />
„Freut euch im Herrn!<br />
Noch einmal sage ich: Freut euch!“<br />
(Phil 4,4)<br />
Wie Don Bosco bieten wir den Jugendlichen<br />
durch eine Pädagogik der Güte<br />
die Frohe Botschaft an.<br />
_________________________________________<br />
Liebe Brüder und Schwestern der Don-Bosco-Familie!<br />
Das zweite Jahr dieses Trienniums der Vorbereitung auf die Zweihundertjahrfeier<br />
der Geburt Don Boscos wird auf seine Pädagogik ausgerichtet<br />
sein. Im Jahr 2012 haben wir unsere Aufmerksamkeit auf seine Geschichte<br />
gerichtet und haben versucht, besser zu verstehen, wie sein ganzes Leben<br />
von der Vorliebe <strong>für</strong> die Jugendlichen geprägt war. Für dieses Ziel hat er<br />
alle seine Kräfte eingesetzt, weil er begriffen hatte, dass dies die Sendung<br />
war, die Gott ihm anvertraut hatte.<br />
Im Jahr 2013 wird es unser Ziel sein, Don Boscos erzieherisches Angebot<br />
zu vertiefen: das, was Don Bosco den Jugendlichen anbieten wollte, sowie<br />
die Methode, die er gebrauchte, um die Tür ihres Herzens zu öffnen und ihr<br />
Vertrauen zu gewinnen und um sie – in menschlicher und christlicher Hinsicht<br />
– zu starken Persönlichkeiten heranzubilden. Ganz konkret wollen wir<br />
Don Bosco als Erzieher näher kommen. Es geht folglich darum, das Präventivsystem<br />
zu vertiefen und zu aktualisieren. Das also ist das Thema des<br />
Jahresleitgedankens 2013.<br />
Auch diesmal ist unsere Herangehensweise nicht nur rein intellektueller<br />
Art. Einerseits ist ein vertieftes Studium der salesianischen Pädagogik si-<br />
5
cher notwendig, um sie gemäß der Sensibilität und den Anforderungen unserer<br />
Zeit zu aktualisieren. Heute haben sich die sozialen, ökonomischen,<br />
kulturellen, politischen und religiösen Kontexte, in denen wir uns befinden,<br />
um unsere Berufung zu leben und die salesianische Sendung zu vollziehen,<br />
tiefgreifend gewandelt. Andererseits ist es um der charismatischen Treue zu<br />
unserem Vater willen gleichermaßen nötig, uns den Inhalt und die Methode<br />
seines erzieherischen und pastoralen Angebots anzueignen. Im Kontext der<br />
Gesellschaft von heute sind wir berufen, wie er heilige Erzieher zu sein, indem<br />
wir wie er unser Leben hingeben und <strong>für</strong> die Jugendlichen und mit ihnen<br />
arbeiten.<br />
1 Zur Wiederentdeckung des Präventivsystems<br />
Wenn wir die erzieherische Erfahrung Don Boscos überdenken, sind wir<br />
aufgerufen, sie heute in Treue lebendig werden zu lassen. Sicher sind wir<br />
alle davon überzeugt, dass in Bezug auf einige seiner Ausdrucksformen und<br />
Interpretationen sein Präventivsystem – insofern es an eine Welt gebunden<br />
ist, die nicht mehr existiert – „überholt“ zu sein scheint. In der Tat haben<br />
sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts zahlreiche und tiefgreifende „Umwälzungen“<br />
auf pädagogischem, psychologischem, religiösem, kulturellem,<br />
philosophischem, technologischem und demographischem Gebiet vollzogen.<br />
Die Welt ist nunmehr ein „globales Dorf“ geworden. Sie ist durchdrungen<br />
von ständigen, globalisierenden Neuerungen der Medien, die alle<br />
Kulturen weltweit beeinflussen. Das Denken scheint geprägt zu sein von<br />
den neuen kulturellen Kriterien der Produktivität, der Wirksamkeit, des<br />
Kalküls und der wissenschaftlichen Rationalität. In dieser Lesart der sozialen<br />
Phänomene scheinen viele alte Interpretationskategorien heute überholt<br />
zu sein.<br />
Für eine richtige Aktualisierung des Präventivsystems sollte man nicht sofort<br />
an Programme und Formeln denken oder allgemeine und gute „Slogans“<br />
<strong>für</strong> alle Situationen bekräftigen. Vielmehr soll unser Bemühen auf<br />
ein geschichtliches Verständnis der Methode Don Boscos gerichtet sein,<br />
wohl wissend, dass manche situationsgebundene Überlegungen ihm Anlass<br />
zu prinzipiellen Festlegungen und zu theologischen, anthropologischen,<br />
pastoralen, pädagogischen Ausprägungen gaben, die er <strong>für</strong> die Jugendlichen<br />
seiner Zeit <strong>für</strong> geeignet hielt. Dieses geschichtliche Verständnis wird<br />
6
uns dazu verhelfen, seine Erfahrung nicht zu isolieren, indem wir sie mit<br />
ihren Prinzipien mit Hilfe neuer Formen anwenden. Es geht darum, konkret<br />
zu analysieren, wie differenziert sein Handeln <strong>für</strong> die Jugendlichen, <strong>für</strong> das<br />
Volk, <strong>für</strong> die Kirche, <strong>für</strong> die Gesellschaft, <strong>für</strong> das Ordensleben war; und<br />
auch wie differenziert seine Art und Weise war, die Jugendlichen des ersten<br />
Sonntagsoratoriums, die Jugendlichen des kleinen Seminars von Valdocco,<br />
die salesianischen und die nichtsalesianischen Priesteramtskandidaten und<br />
die Missionare zu erziehen. Das tut der Tatsache keinen Abbruch, dass<br />
schon im ersten Oratorium des Pinardihauses einige wichtige Intuitionen<br />
präsent waren, die in fortschreitendem Maße in ihrer tieferen Gültigkeit als<br />
menschlich-christliche Synthese immer tiefer erfasst werden sollten:<br />
a) eine flexible Struktur (das ist die Art und Weise, mit der Don<br />
Bosco an das Oratorium denkt), die als Werk der Vermittlung<br />
zwischen Kirche, städtischer Gesellschaft und der Lebenswelt<br />
der Jugendlichen des einfachen Volkes fungiert;<br />
b) der Respekt und die Wertschätzung der Lebenswelt des einfachen<br />
Volkes;<br />
c) die Religion, die das Fundament einer Erziehung gemäß der<br />
katholischen Pädagogik darstellt, wie es ihm im Konvikt vermittelt<br />
worden war;<br />
d) eine dynamische Verflechtung zwischen religiöser Bildung<br />
und menschlicher Entwicklung, zwischen Katechese und<br />
Erziehung; mit anderen Worten: die Verbindung von Erziehung<br />
und Erziehung zum Glauben (die Integration von Glauben<br />
und Leben);<br />
e) die Überzeugung, dass die Unterweisung ein wesentliches<br />
Element <strong>für</strong> die Erleuchtung des Geistes ist;<br />
f) eine Erziehung, die, wie die Katechese auch, in allen Ausdrucksformen<br />
entwickelt wird, sofern sie mit der Begrenztheit<br />
von Zeit und Ressourcen vereinbar sind; Alphabetisierung<br />
derer, die nie irgendeine Form der schulischen Unterweisung<br />
genießen konnten, die Arbeitsvermittlung, die Assistenz während<br />
der Woche, die Entwicklung wechselseitiger Gruppenaktivitäten<br />
usw.;<br />
7
g) sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Wertschätzung der Freizeit;<br />
h) die Liebenswürdigkeit als erzieherischer Stil und, allgemeiner<br />
gesagt, als christlicher Lebensstil.<br />
Aus der Dynamik seiner besonderen Erfahrung wird diese Methode, die<br />
von einem bestimmten Zeitpunkt an „Präventivsystem“ genannt wird, bekannt<br />
gemacht und als allgemeine Methode präsentiert. Don Bosco hat sie<br />
vorgeschlagen und wollte, dass sie <strong>für</strong> die Erziehung und Umerziehung der<br />
Jugendlichen aus den verschiedensten Gruppen angewendet werde.<br />
Wie bekannt ist und wie wir es in der Charta der charismatischen Identität<br />
der Don-Bosco-Familie geschrieben finden, enthält das Präventivsystem<br />
„konzentriert die pädagogische Weisheit Don Boscos und begründet die<br />
prophetische Botschaft, welche er seinen Erben und der ganzen Kirche hinterlassen<br />
hat. Es ist eine spirituelle und erzieherische Erfahrung, die sich<br />
auf die drei Säulen Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit stützt:<br />
a) Vernunft unterstreicht die Werte des christlichen Humanismus, in<br />
dem sich beispielsweise die Suche nach Sinn, Arbeit, Studium,<br />
Freundschaft, Fröhlichkeit, Frömmigkeit, eine nicht von der Verantwortung<br />
losgelöste Freiheit, die menschliche Klugheit und die<br />
christliche Weisheit harmonisch verbindet.<br />
b) Religion bedeutet, der rettenden Gnade Raum zu geben, die<br />
Sehnsucht nach Gott zu pflegen, die Begegnung mit Christus,<br />
dem Herrn, zu fördern, der dem Leben einen vollen Sinn zu<br />
verleihen vermag und die Antwort auf das Verlangen nach<br />
Glück ist, und sich fortschreitend in das Leben und die Sendung<br />
der Kirche einzugliedern.<br />
c) Liebenswürdigkeit drückt die Notwendigkeit aus, dass die Jugendlichen,<br />
wenn die erzieherische Beziehung etwas bewirken<br />
will, nicht nur geliebt werden müssen, sondern auch erfahren,<br />
dass sie geliebt werden. Die Liebenswürdigkeit ist ein besonderer<br />
Stil der Beziehung und ein Wohlwollen, welches die<br />
Energien der jugendlichen Liebe weckt und sie bis zur Selbsthingabe<br />
reifen lässt.<br />
8
Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit sind heute noch mehr als früher<br />
unverzichtbare Elemente der erzieherischen Tätigkeit und kostbare Fermente,<br />
um als Antwort auf die Erwartungen der neuen Generationen eine humanere<br />
Gesellschaft zu schaffen.“ 1<br />
Wenn man das einmal richtig verstanden hat, was uns aus der Vergangenheit<br />
überliefert wurde, muss man die großen Intuitionen und Möglichkeiten<br />
des Präventivsystems ins Heute übersetzen. Man muss die Prinzipien, die<br />
Begriffe und die ursprünglichen Orientierungen modernisieren, indem man<br />
sie auf der theoretischen und praktischen Ebene neu interpretiert. Das gilt<br />
sowohl <strong>für</strong> die uns allen bekannten bedeutsamen Grundideen (die größere<br />
Ehre Gottes und das Heil der Seelen; der lebendige Glaube, die feste Hoffnung,<br />
die Gottes- und die Nächstenliebe; der gute Christ und der verantwortungsbewusste<br />
Bürger; Frohsinn, Studium und Frömmigkeit; Gesundheit,<br />
Studium und Heiligkeit; Frömmigkeit, Sittlichkeit, Bildung, Kultur;<br />
Evangelisierung und Zivilisierung …) als auch <strong>für</strong> seine wichtigsten methodischen<br />
Orientierungen (danach zu streben, dass man mehr geliebt als<br />
ge<strong>für</strong>chtet wird; die Grundprinzipien Vernunft, Religion, Liebenswürdigkeit;<br />
das Beziehungsangebot als „Vater, Bruder, Freund“; das Klima der<br />
Familiarität, vor allem in der Freizeit; das Herz gewinnen; ein Gott hingegebener<br />
Erzieher sein <strong>für</strong> das Wohl der jungen Menschen; große Freiheit<br />
gewähren, nach Herzenslust zu springen, zu laufen, zu schreien). All diese<br />
Elemente des Präventivsystems sollen der Bildung der „neuen“ Jugendlichen<br />
des 21. Jahrhunderts dienen, die dazu gerufen sind, in einer übergroßen<br />
Bandbreite von Situationen und Problemen und in völlig veränderten<br />
Zeiten zu leben und sich damit auseinander zu setzen. Das müssen sie in<br />
einer Zeit tun, in der auch die Humanwissenschaften sich in einer Phase<br />
kritischer Reflexion befinden.<br />
Ich möchte besonders drei Perspektiven vorstellen, wobei ich die erste vertieft<br />
analysieren möchte.<br />
1<br />
Charta der charismatischen Identität der Don-Bosco-Familie, Rom 2012, Art.<br />
21.<br />
9
1.1 Die Neubelebung der Erziehungsziele des „verantwortungsbewussten<br />
Bürgers“ und des „guten Christen“<br />
In einer Welt, die sich im Vergleich zum 19. Jahrhundert tiefgreifend verändert<br />
hat, wäre es ein schwerwiegender Mangel soziologischer wie auch<br />
theologischer Art, die Nächstenliebe gemäß enger, lokaler und pragmatischer<br />
Kriterien auszuüben (und hier müssen wir anerkennen, dass Don<br />
Bosco bestimmt nicht in der Lage war, mehr zu tun als das, was er getan<br />
hat) und dabei die umfassenderen Dimensionen des Allgemeinwohls auf<br />
nationaler und weltweiter Ebene zu vergessen. Die ethische Reifung des<br />
heutigen Gewissens hat in der Tat die Grenzen einer bloßen Wohltätigkeit<br />
festgestellt, die, während sie die politische Dimension der Unterentwicklung<br />
außer Acht lässt, nicht imstande ist, positiv auf die Ursachen des<br />
Elends und auf die Strukturen des Versagens einzuwirken, aus dem ein sozialer<br />
Kontext erwächst, welcher allgemein verurteilt wird. Die Nächstenliebe<br />
nur als Almosengeben und Hilfe in dringenden Fällen zu begreifen,<br />
schließt das Risiko ein, bei einem „falschen Samaritanismus“ stehen zu<br />
bleiben, der trotz bester Absicht in eine falsche Solidarität führt, weil er<br />
Entwicklungsmodelle unterstützt, die das Wohlergehen einiger stützen,<br />
während sie die bittere Pille <strong>für</strong> die anderen vergolden.<br />
Erinnern wir uns daran, dass in der Nachkonzilszeit die Worte „Armut der<br />
Kirche“ und „Kirche der Armen“ viele, auch widersprüchliche Gesichter<br />
hatten. Und dennoch müssen wir auch bedenken, dass nicht wir das Evangelium<br />
erfunden haben, so wie wir auch nicht seine tragische Konfrontation<br />
mit der Politik und der Ökonomie erfunden haben. Der Glaube berührt die<br />
Geschichte, ohne sich auf sie zu reduzieren. Wenn die Nächstenliebe auch<br />
noch nicht die ganze christliche Botschaft darstellt, kann man aber vielleicht<br />
verneinen, dass sie <strong>für</strong> sie zentral und wesentlich ist?<br />
Es ist gesagt und geschrieben worden, dass die Kirche gegenüber dem modernen<br />
Staat, der den Schutz und den sozialen Beistand seiner Bürger übernommen<br />
hat, auf der Ebene der Nächstenliebe und der sozialen Hilfe nicht<br />
mehr jenen Handlungsspielraum hat, den sie in der Vergangenheit hatte.<br />
Die Realität, die wir heute erleben, widerspricht dieser Hypothese, die die<br />
laizistischen und staatlichen Ideologien genährt hat. Die Kirche wird sehr<br />
oft auch inmitten des Wohlfahrtsstaates zu einem wichtigen Bezugspunkt.<br />
Lange Jahre hindurch haben wir sagen gehört, dass die Nächstenliebe (ca-<br />
10
ità) und die Fürsorge (assistenza) alte und unbrauchbare Instrumente wären,<br />
die in der modernen Gesellschaft und im demokratischen Staat nicht<br />
mehr brauchbar seien. Heute anerkennt man – auch in laizistischen Kontexten<br />
– die soziale Funktion des christlichen Ehrenamtes, des so genannten<br />
dritten Sektors – non profit –, und der Initiativen, die von den Pfarreien,<br />
den kirchlichen Vereinigungen, den kirchlichen <strong>Institut</strong>ionen und den Ortskirchen<br />
… ausgehen.<br />
Kann nun die Tatsache, dass Milliarden von Menschen heute unter Bedingungen<br />
leben, die weit entfernt sind von jener „Zivilisation der Liebe“, wie<br />
sie zuerst von Papst Paul VI. und in Folge auch von seinen Nachfolgern<br />
wiederholt gefordert wurde, im Rückgriff auf die Formel Don Boscos vom<br />
„verantwortungsbewussten Bürger 2 und guten Christen“ durch uns „eine<br />
spezifische Antwort“ finden?<br />
Im Hinblick auf den „rechtschaffenen Bürger“ drängt sich uns eine tiefgehende<br />
Reflexion auf. Besonders auf spekulativem Gebiet muss sich die Betrachtung<br />
dieses Ziels auf alle Inhalte ausdehnen, die zum Thema der menschlichen<br />
Förderung sowie der Förderung der Jugend und des Volkes in<br />
Beziehung stehen. Gleichzeitig muss sich unsere Aufmerksamkeit auf die<br />
relevanten philosophisch-anthropologischen, theologischen, wissenschaftlichen,<br />
historischen und methodologischen Betrachtungen richten. Diese<br />
Reflexion muss sich sodann auf der Ebene der Erfahrung und der handlungsbezogenen<br />
Reflexion der Einzelnen und der Gemeinschaft konkretisieren.<br />
Ich möchte hier daran erinnern, dass <strong>für</strong> die <strong>Salesianer</strong> Don Boscos das<br />
bedeutsame 23. Generalkapitel als wichtige Orte und Ziele der Erziehung<br />
„die soziale Dimension der Nächstenliebe“ und „die Erziehung der Jugendlichen<br />
zum Engagement und zur politischen Partizipation“, benannt und<br />
diese als „einen von uns ein wenig vernachlässigten und kaum anerkannten<br />
Bereich“ gesehen hat. 3<br />
2<br />
3<br />
Der von Don Bosco häufig verwendete italienische Begriff „onesto (cittadino)“<br />
kann auf Deutsch mit verschiedenen Adjektiven wiedergegeben werden. Er<br />
bedeutet soviel wie: ehrlich, rechtschaffen, redlich, gewissenhaft, anständig,<br />
sittsam, ehrbar.<br />
Vgl. 23. GK SDB, Nr. 203-210-212-214.<br />
11
Wenn wir einerseits die Entscheidung Don Boscos verstehen, keine andere<br />
als „die Politik des Vaterunsers“ zu betreiben, so müssen wir uns andererseits<br />
aber auch fragen: Inwieweit hat seine anfängliche Entscheidung <strong>für</strong><br />
eine in einem engen Sinn verstandene Erziehung und die nachfolgende<br />
Praxis seiner Erzieher, die „Politik“ aus ihrem Leben auszuschließen, nicht<br />
die so wichtige sozio-politische Dimension in der Bildung der Jugendlichen<br />
konditioniert und begrenzt? Haben außer den objektiv vorhandenen<br />
Schwierigkeiten, die von den unterschiedlichen politischen Regimen, mit<br />
denen Don Bosco zu tun hatte, hervorgerufen wurden, nicht vielleicht auch<br />
die Erzieher selbst, die zum Konformismus und zum Isolationismus neigten<br />
und nur über eine unzureichende Bildung sowie eine geringe Kenntnis des<br />
historisch-sozialen Kontextes verfügten, dazu beigetragen, die sozialpolitische<br />
Dimension der Pädagogik auszuschließen?<br />
Wir werden also in der Richtung einer aktualisierten Bestätigung der „sozialpolitisch-erzieherischen<br />
Option“ Don Boscos weitergehen müssen. Das<br />
heißt nicht, ein ideologisches Handeln zu fördern, das an besondere politische<br />
Entscheidungen von Parteien gebunden wäre, sondern zu einer sozialen<br />
und politischen Sensibilität zu erziehen, die dazu führt, das eigene Leben<br />
als Sendung <strong>für</strong> das Gemeinwohl einzusetzen, und zwar mit einem beständigen<br />
Bezug auf die unveräußerlichen menschlichen und christlichen<br />
Werte. Es geht also darum, im Zeichen einer konsequenteren praktischen<br />
Verwirklichung auf dem spezifischen Sektor zu arbeiten. Mit anderen Worten:<br />
Die Betrachtung der sozialen Dimension der Erziehung – die bereits in<br />
der grundsätzlichen fundamentalen Option <strong>für</strong> die Jugendlichen enthalten<br />
ist, wenn auch unvollständig verwirklicht, was auch <strong>für</strong> die Ausformulierungen<br />
gilt – müsste dazu anregen, ausdrückliche Erfahrungen des soziale<br />
Engagements im weitesten Sinn zu schaffen. Das aber setzt auch ein spezifisches<br />
theoretisches und lebendiges Engagement voraus, das an einer möglichst<br />
weiten Sicht der Erziehung, die mit Realismus und Konkretheit einhergeht,<br />
inspiriert ist. Proklamationen und Manifeste genügen nicht. Es bedarf<br />
da<strong>für</strong> sowohl theoretischer Konzepte auch konkreter Handlungsprojekte,<br />
die in gut definierte und artikulierte Programme umgesetzt werden müssen.<br />
Wer tatsächlich um die Erziehung besorgt ist, sucht durch die entsprechenden<br />
politischen Instrumente Einfluss zu gewinnen, damit sie in allen sozia-<br />
12
len Bereichen in Betracht gezogen wird: von der Urbanisierung angefangen<br />
über den Tourismus bis hin zum Sport und zu den Medien, alles Bereiche,<br />
in denen man oft die Kriterien des Marktes privilegiert.<br />
Fragen wir uns: Tun die salesianische Kongregation, die Don-<br />
Bosco-Familie, unsere Provinzen, Gruppen und Niederlassungen<br />
in dieser Richtung das ihnen Mögliche? Ist ihre Solidarität<br />
mit der Jugend nur ein Handeln aus dem Gefühl heraus<br />
oder eine bloße Geste des Gebens; oder ist sie auch ein kompetenter<br />
Beitrag und eine überlegte Antwort, die den Bedürfnissen<br />
der Jugendlichen und der schwächsten sozialen Klassen<br />
angemessen und entsprechend ist?<br />
Und dasselbe sollte man von der Neubelebung des Erziehungszieles des<br />
„guten Christen“ sagen. Don Bosco, der vom Eifer <strong>für</strong> die Seelen förmlich<br />
„brannte“, hat die Zweideutigkeit und die Gefahr der Situation verstanden.<br />
Er hat ihre Voraussetzungen bestritten; und er hat neue Formen gefunden,<br />
sich dem Übel entgegenzustellen, und das mit den knappen kulturellen und<br />
wirtschaftlichen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen.<br />
Es geht darum, die Berufung des Menschen und die Wahrheit der Person<br />
bewusst entdecken und leben zu helfen. Gerade in diesem Bereich können<br />
die Glaubenden ihren wertvollsten Beitrag leisten.<br />
Sie wissen in der Tat, dass das Sein und die Beziehungen der Person definiert<br />
werden von ihrer Bedingtheit als Geschöpf, was nicht Unterlegenheit<br />
oder Abhängigkeit bedeutet, sondern unentgeltliche und kreative Liebe von<br />
Seiten Gottes. Der Mensch verdankt die eigene Existenz einem Geschenk.<br />
Er ist hineingestellt in eine Beziehung mit Gott, die es zu erwidern gilt.<br />
Sein Leben findet keinen Sinn außerhalb dieser Beziehung. Das „Darüberhinaus“,<br />
das er vage begreift und wünscht, ist das Absolute, kein fremdes<br />
und abstraktes Absolutes, sondern die Quelle seines Lebens, die ihn zu sich<br />
ruft.<br />
In Christus findet die Wahrheit der Person, die der Verstand anfanghaft erfasst,<br />
ihre volle Erleuchtung. Jesus Christus öffnet mit seinen Worten, aber<br />
besonders kraft seiner menschlich-göttlichen Existenz, in der sich das Bewusstsein<br />
des Gottessohnes offenbart, den Menschen <strong>für</strong> das volle Verständnis<br />
seiner selbst und der eigenen Bestimmung.<br />
13
In IHM sind wir zu Söhnen und Töchtern Gottes geworden und dazu berufen,<br />
als solche in der Geschichte zu leben. Es ist eine Wirklichkeit und ein<br />
Geschenk, dessen Sinn der Mensch fortschreitend durchdringen muss. Die<br />
Berufung zu Söhnen und Töchtern Gottes ist keine Luxuszugabe, keine äußere<br />
Ergänzung <strong>für</strong> die Verwirklichung des Menschen. Sie ist vielmehr seine<br />
ganze Vollendung, die unverzichtbare Bedingung der Authentizität und<br />
der Fülle, die Befriedigung seiner radikalsten Erfordernisse, und zwar jene,<br />
von denen seine kreatürliche Struktur selbst untermauert ist.<br />
Aber wie soll man das Erziehungsziel des „guten Christen“ Don Boscos<br />
verwirklichen? Wie soll man heute die menschlich-christliche Gesamtheit<br />
des Projektes in Initiativen bewahren, die formal oder vorherrschend religiösen<br />
und pastoralen Charakter haben, und das gegen die Gefahren der alten<br />
und neuen Formen des Integralismus oder des Exklusivismus? Wie soll<br />
man die traditionelle Erziehung, deren Kontext „eine monoreligiöse Gesellschaft“<br />
war, angesichts des derzeitigen Pluralismus in eine offene und zugleich<br />
kritische Erziehung umwandeln? Wie soll man dazu erziehen, in Autonomie<br />
zu leben und gleichzeitig teilzuhaben an einer multireligiösen,<br />
multikulturellen, multiethnischen Welt? Wie soll man angesichts der aktuellen<br />
Überwindung der traditionellen Pädagogik des Gehorsams, der an<br />
einen gewissen Typ von Ekklesiologie angepasst war, eine Pädagogik der<br />
Mündigkeit und Verantwortung fördern, die ausgerichtet ist auf die Bildung<br />
von verantwortlichen Personen, die fähig zu freien und reifen Entscheidungen<br />
sind, offen <strong>für</strong> die zwischenmenschliche Kommunikation, sich aktiv in<br />
die sozialen Strukturen einbringen und sich durch eine nonkonformistische,<br />
aber konstruktiv-kritische Grundhaltung auszeichnen?<br />
1.2 Die Rückkehr zu den Jugendlichen mit größerer<br />
Qualifikation<br />
Mitten unter den Jugendlichen hat Don Bosco seinen Lebensstil, sein pastorales<br />
und pädagogisches Vermächtnis, sein Erziehungssystem und seine<br />
<strong>Spiritualität</strong> erarbeitet. Die Einzigartigkeit der Sendung Don Boscos zur<br />
Jugend war immer und auf jeden Fall gegenwärtig, auch wenn er aus besonderen<br />
Gründen einmal nicht direkt im Kontakt mit den Jugendlichen<br />
stand, wenn sein Handeln nicht direkt Dienst an den Jugendlichen war oder<br />
wenn er sein Gründungscharisma beharrlich dem Druck nicht immer gut<br />
14
erleuchteter kirchlicher Persönlichkeiten gegenüber <strong>für</strong> alle Jugendlichen<br />
der Welt verteidigte. Die salesianische Sendung ist „Weihe“ an und zugleich<br />
„Vorliebe“ <strong>für</strong> die Jugendlichen. Und eine solche Vorliebe ist in ihrem<br />
Anfangsstadium, wie wir wissen, ein Geschenk Gottes; sie bedarf aber<br />
auch unserer Intelligenz und unseres Herzens, um sie zu entwickeln und zu<br />
vervollkommnen.<br />
Der echte <strong>Salesianer</strong> bleibt nicht dem Bereich der Jugendlichen fern. <strong>Salesianer</strong><br />
ist der, welcher eine vitale Kenntnis der Jugendlichen hat: Sein Herz<br />
schlägt dort, wo das der Jugendlichen schlägt. Der <strong>Salesianer</strong> lebt und arbeitet<br />
<strong>für</strong> sie. Er engagiert sich, um ihren Notwendigkeiten und ihren Problemen<br />
zu entsprechen. Sie sind der Sinn seines Lebens: bei der Arbeit, in<br />
der Schule, in seiner Freizeit, in seiner Affektivität. <strong>Salesianer</strong> ist, wer auch<br />
eine theoretische und eine grundlegende Kenntnis der Jugendlichen hat, die<br />
es ihm ermöglicht, ihre wahren Bedürfnisse zu entdecken und eine Jugendpastoral<br />
zu schaffen, die den Notwendigkeiten der Zeiten gerecht wird.<br />
Die Treue zu unserer Sendung muss sodann, soll sie wirkungsvoll sein, in<br />
Kontakt stehen mit den „Kernpunkten“ der heutigen Kultur, mit den Quellen<br />
der gegenwärtigen Mentalitäten und der aktuellen Grundhaltungen. Wir<br />
stehen vor wahrhaft großen Herausforderungen, die Ernsthaftigkeit der<br />
Analyse, Beharrlichkeit der kritischen Beobachtungen, eine vertiefte kulturelle<br />
Auseinandersetzung und die Fähigkeit erfordern, psychologisch an der<br />
gegenwärtigen Situation teilzuhaben. Wir wollen uns hier auf einige Fragen<br />
beschränken:<br />
a) Wer genau sind die Jugendlichen, denen wir persönlich unser<br />
Leben „weihen“? Was wollen sie und was ersehnen sie sich?<br />
Und was wollen wir (und Gott) <strong>für</strong> sie? Kennen wir die<br />
Jugendlichen von heute? Sind wir von dem verschiedenartigen<br />
quantitativen und qualitativen Problem der Jugendlichen von<br />
heute überzeugt, im Vergleich zu jenem Problem, mit dem sich<br />
vor 150 Jahren Don Bosco auseinanderzusetzen hatte?<br />
b) Wie ist es auf der Ebene der theoretischen Reflexion über die<br />
erzieherischen Wege und auf der Ebene der pastoralen Praxis<br />
um unsere pastorale Professionalität bestellt? Sie findet ihre<br />
Bewährungsprobe in der Kreativität, der Anpassungsfähigkeit,<br />
der Flexibilität und in der Überwindung des Schwarzsehens.<br />
15
16<br />
Sicher ist, dass wir uns um uns „inkulturieren“ zu können,<br />
nicht nur auf die Dokumente der Generalkapitel unserer<br />
Kongregationen, auf die wichtigsten Überlegungen der<br />
verschiedenen Gruppen oder auf die Briefe des Generaloberen<br />
verlassen können.<br />
c) Die erzieherische Verantwortung kann heute nur kollektiv,<br />
einhellig und partizipativ sein. Was also ist unser „Ansatzpunkt“<br />
im „Netzwerk“ der Beziehungen in unserem Gebiet und<br />
darüber hinaus im Gebiet, wo unsere Jugendlichen leben? Was<br />
genau ist unser Beitrag der Teilhabe und Mitarbeit im Innern<br />
dieses globalisierten erzieherischen Netzwerks? Haben wir die<br />
möglichen Lösungen in Betracht gezogen und uns auch mit<br />
Dritten damit auseinandergesetzt? Wenn die Kirche den<br />
Jugendlichen gegenüber manchmal so kraftlos erscheint, ist es<br />
dann bisweilen nicht so, dass auch die <strong>Salesianer</strong> und die Don-<br />
Bosco-Familie von heute so erscheinen?<br />
1.3 Eine Erziehung des Herzens<br />
In den letzten Jahrzehnten scheinen die neuen salesianischen Generationen<br />
gegenüber den traditionellen Formulierungen des Präventivsystems verwirrt<br />
zu sein; entweder weil sie nicht wissen, wie sie es heute anwenden<br />
sollen, oder weil sie es sich unbewusst als eine „paternalistische Beziehung“<br />
zu den Jugendlichen vorstellen. Wenn wir jedoch auf Don Bosco in<br />
seiner gelebten Realität schauen, entdecken wir in ihm eine instinktive und<br />
geniale Überwindung des erzieherischen Paternalismus, der von der Pädagogik<br />
in den ihm vorausgehenden Jahrhunderten (15. bis 17. Jahrhundert)<br />
von vielen Seiten eingeschärft worden ist. In jener Zeit reflektierte der pädagogische<br />
Diskurs in der Tat die europäische Gesellschaft, die auch auf<br />
politischer Ebene paternalistisch strukturiert war. Das Leben Don Boscos<br />
aber erscheint insgesamt als ein Gefüge von zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
mit Jugendlichen und Erwachsenen, aus denen auch seine persönliche<br />
Bereicherung hervorgeht. Zahlreiche Episoden und Formulierungen<br />
wie z.B.: „Lasst mich euch das sagen und keiner fühle sich gekränkt: Ihr<br />
seid alle Räuber; ich sage es und wiederhole es: Ihr habt mich ganz vereinnahmt<br />
(…) mir blieb noch dieses arme Herz, aus dem ihr mir schon die Gefühle<br />
geraubt habt (…) sie haben schon von diesem ganzen Herzen Besitz
ergriffen, dem nichts mehr geblieben ist, außer dem lebendigen Wunsch,<br />
euch im Herrn zu lieben“ 4 , belegen die Nähe zu den Jugendlichen und die<br />
Modernität und Aktualität seines Erziehungssystems jenseits der bekannten<br />
Etikette: präventiv, Liebenswürdigkeit, Nächstenliebe. Das „In-Besitz-Nehmen“<br />
des Herzens ist bei Don Bosco eine analoge und symbolische Ausdrucksweise.<br />
Die Jungen durchdrangen das Herz Don Boscos, hier fanden<br />
sie sich wieder, sie bereicherten sich daran, sie erfreuten sich daran. Heute<br />
sind die zwischenmenschlichen Beziehungsformen sicher andersartig: pluralistische<br />
Gesellschaft, Globalität der Formen des Sich-Kennenlernens,<br />
Internet, Reisen usw.<br />
Wir können uns fragen: Finden die Jugendlichen und die Erwachsenen im<br />
Herzen des salesianischen Erziehers Raum? Was entdecken sie dort? Einen<br />
Technokraten, einen fähigen, aber leeren Kommunikator? Oder eine reiche<br />
Menschlichkeit, vollendet und im mystischen Leib (der Kirche) beseelt von<br />
der Gnade Jesu Christi usw.? Wenn sie das alles bei ihm nicht finden<br />
sollten, könnte dann Don Bosco nicht mehr oder weniger die Worte<br />
wiederholen: „Wenn sich im Herzen des <strong>Salesianer</strong>s nicht der Reichtum<br />
und die Tiefe der Gnade Christi befinden, dann haben die Kongregation<br />
und die Don-Bosco-Familie ihren Lauf beendet“?<br />
2 Konkrete Aufgaben <strong>für</strong> die Don-Bosco-Familie<br />
Ausgehend von der Kenntnis der Pädagogik Don Boscos sind im Licht der<br />
oben entwickelten großen Reflexionen die großen Bezugspunkte und die<br />
Aufgaben des Jahresleitgedankens 2013 <strong>für</strong> die Don-Bosco-Familie die<br />
folgenden:<br />
2.1 Die Frohe Botschaft<br />
Die ganze Geschichte Don Boscos wird von der Frohbotschaft charakterisiert,<br />
sie ist die Seele seiner vielfältigen Werke.<br />
4<br />
GIOVANNI BOSCO, Brief an die Jugendlichen von Lanzo, 3. Januar 1876, in: E-<br />
pistolario, hg. v. Eugenio Ceria, Bd. III, S. 5.<br />
17
„In Jesus von Nazareth hat Gott sich als der ‚Gott der Freude’ 5 offenbart.<br />
Und das Evangelium ist eine ‚Frohe Botschaft’, die mit den ‚Seligpreisungen’<br />
beginnt, die die Teilhabe des Menschen an der Seligkeit Gottes selbst<br />
verheißen. Es handelt sich nicht um ein oberflächliches, sondern um ein tiefes<br />
Geschenk, da die Freude mehr als ein vorübergehendes Gefühl ist; sie<br />
ist eine innere Kraft, die auch den Schwierigkeiten des Lebens widersteht.<br />
Der hl. Paulus erinnert daran: ‚Trotz all unserer Not bin ich vom Trost erfüllt<br />
und ströme über von Freude’ (2 Kor 7,4). In diesem Sinne ist diese<br />
Freude, die wir empfinden, ein österliches Geschenk, ein Vorgriff auf die<br />
vollkommene Freude, derer wir uns in der Ewigkeit erfreuen.<br />
Don Bosco hat in den jungen Menschen das Verlangen nach Freude erspürt<br />
und hat ihre Lebensfreude in der Sprache der Fröhlichkeit, des Spielens auf<br />
dem Hof und des Feierns von Festen zum Ausdruck gebracht. Dabei hat er<br />
nie versäumt, auf Gott als Quelle der wahren Freude hinzuweisen. Einige<br />
seiner Schriften, wie z.B. Der wohlerzogene Jüngling 6 , die Lebensbeschreibung<br />
Dominikus Savios 7 oder die fiktive Geschichte Valentinos 8 sind<br />
Hinweise auf die Übereinstimmung, die er zwischen Gnade und Freude<br />
feststellte. Und wenn er immer wieder vom ‚Preis des Paradieses’ sprach,<br />
stellte er die Freude als etwas vor, das Teil des Zieles der Fülle und Vollendung<br />
ist.<br />
In der Schule Don Boscos entfaltet das Mitglied der <strong>Salesianische</strong>n Familie<br />
in sich einige Haltungen, welche die Freude fördern und sie den anderen<br />
mitteilen:<br />
1. Das Vertrauen in den Sieg des Guten: ‚In jedem Jugendlichen, auch<br />
im Unglücklichsten’, schrieb Don Bosco, ‚gibt es eine Stelle, die <strong>für</strong><br />
das Gute zugänglich ist. Die erste Pflicht des Erziehers ist es, diese<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
18<br />
SAN FRANCESCO DI SALES, Lettre à la Présidente Brulart, Annecy, 18 febbraio<br />
1605, in: Oeuvres XIII, S.16.<br />
GIOVANNI BOSCO, Il giovane provveduto (1847, 1863 2 , 1875 42 , 1885 101 ), in: OE<br />
II, S. 183-532; XIV, S. 345-361; XXVI, S. 1-184; XXXV, S. 130-648.<br />
GIOVANNI BOSCO, Vita del giovanetto Savio Domenico allievo dell’Oratorio di<br />
san Francesco di Sales, Torino 1859, in: OE XI, S. 150-292; deutsch: DON<br />
BOSCO: Mein Schüler Dominikus Savio, München 1952.<br />
GIOVANNI BOSCO, Valentino o La Vocazione impedita. Episodio contemporaneo,<br />
Torino, 1866, in: OE XVII, S. 179-242.
Stelle zu finden, diese empfindsame Saite im Herzen, um sie fruchtbar<br />
zu machen.’ 9<br />
2. Die Wertschätzung der menschlichen Werte: Der Schüler und die<br />
Schülerin Don Boscos erfassen die Werte der Welt und lehnen es<br />
ab, über die eigene Zeit zu klagen. Er/Sie nimmt alles an, was gut<br />
ist, besonders wenn es dem Wohl der Jugendlichen und des einfachen<br />
Volkes dient.<br />
3. Die Erziehung zu den alltäglichen Freuden: Es bedarf in der Pädagogik<br />
einer geduldigen Anstrengung, damit (wieder neu) gelernt<br />
wird, mit Einfachheit die vielfältigen menschlichen Freuden zu verkosten,<br />
die der Schöpfer Tag <strong>für</strong> Tag auf unseren Weg legt.<br />
Deshalb vertrauen sich die Schüler Don Boscos ganz ‚dem Gott der Freude’<br />
an und bezeugen als immer frohe Menschen in Wort und Tat das ‚Evangelium<br />
der Freude’. Sie verbreiten diese Freude und wissen zur Freude des<br />
christlichen Lebens und zum Sinn <strong>für</strong> das Feiern zu erziehen, eingedenk der<br />
Mahnung des hl. Paulus: ‚Freut euch im Herrn zu jeder Zeit. Noch einmal<br />
sage ich: Freut euch!‘ (Phil 4,4).“ 10<br />
2.2 Die Pädagogik der Güte<br />
„Die Liebenswürdigkeit Don Boscos ist zweifellos ein charakteristischer<br />
Zug seiner pädagogischen Methode, der sowohl in einem noch christlichen<br />
Kontext als auch dort, wo junge Menschen anderer Religionen leben, auch<br />
heute noch seine Gültigkeit hat. Daher darf die Liebenswürdigkeit (amorevolezza)<br />
nicht nur auf ein pädagogisches Prinzip beschränkt werden, sondern<br />
ist als grundlegendes Element unserer <strong>Spiritualität</strong> anzuerkennen.<br />
In der Tat ist sie eine echte Liebe, da sie aus der Liebe Gottes schöpft. Sie<br />
ist eine Liebe, die sich in der Sprache der Einfachheit, der Herzlichkeit und<br />
der Treue ausdrückt. Sie ist eine Liebe, die das Verlangen nach Erwiderung<br />
hervorruft. Sie ist eine Liebe, die Vertrauen erregt, indem sie den Weg zum<br />
Vertrauen und zu einer tiefgehenden Erwiderung führt (‚die Erziehung ist<br />
eine Sache des Herzens’); sie ist eine Liebe, die sich verbreitet und dadurch<br />
9<br />
10<br />
MB V, S. 367.<br />
Charta der charismatischen Identität der Don-Bosco-Familie, Rom 2012, Art.<br />
33.<br />
19
ein familiäres Klima schafft, in dem es schön und förderlich ist, zusammenzustehen.<br />
Für den Erzieher aber ist sie eine Liebe, die starke geistliche Energien erfordert:<br />
den Willen, da zu sein und präsent zu sein, Selbstvergessenheit und<br />
Opferbereitschaft, Keuschheit der Gefühle und Selbstkontrolle in den Haltungen,<br />
ein Hören, das Anteil nimmt, und geduldiges Warten, um die günstigsten<br />
Momente und Handlungsweisen zu erkennen; die Fähigkeit zu verzeihen<br />
und den Kontakt wieder aufzunehmen; die Sanftmut dessen, der<br />
manchmal auch zu verlieren weiß, aber weiterhin mit einer grenzenlosen<br />
Hoffnung glaubt. Es gibt keine Hoffnung ohne Askese und keine Askese<br />
ohne die Begegnung mit Gott im Gebet.<br />
Deshalb ist die Liebenswürdigkeit eine Frucht der pastoralen Liebe. Don<br />
Bosco sagte: ‚Worauf ist unsere gegenseitige Zuneigung gegründet? Auf<br />
dem Verlangen, das ich habe, eure Seelen zu retten, die durch das kostbare<br />
Blut Jesu Christi erkauft sind; und ihr sollt mich lieben, weil ich euch auf<br />
den Weg eures ewigen Heiles führen will. So ist das Heil unserer Seelen<br />
das Fundament unserer gegenseitigen Zuneigung.’ 11<br />
Die Liebenswürdigkeit wird so zum Zeichen der Gottesliebe und zum Mittel,<br />
um diese im Herzen derer wachsen zu lassen, die durch die Güte Don<br />
Boscos verbunden sind; sie ist ein Weg zur Verkündigung des Evangeliums.<br />
Daher stammt die Überzeugung, dass die apostolische <strong>Spiritualität</strong> der<br />
Don-Bosco-Familie nicht durch eine allgemein ausgerichtete Liebe charakterisiert<br />
wird, sondern durch die Fähigkeit, zu lieben und sich liebenswert<br />
zu machen.“ 12<br />
11<br />
12<br />
20<br />
GIOVANNI BOSCO, Lettera a don Giuseppe Lazzero e alla comunità degli artigiani<br />
di Valdocco, Roma 20 gennaio 1874, in: Epistoloraio, hg. von Francesco<br />
Motto, Roma 2003, Bd. IV, S. 208.<br />
Charta der charismatischen Identität der Don-Bosco-Familie, Rom 2012, Art.<br />
32.
2.3 Die Erziehung ist eine Sache des Herzens<br />
Um den berühmten Satz „Die Erziehung ist eine Sache des Herzens und<br />
Gott allein ist ihr Herr“ 13 und um die Pädagogik der Güte im Präventivsystem<br />
zu verstehen, scheint es mir wichtig zu sein, einen der anerkanntesten<br />
Experten des heiligen Erziehers zu hören: „Die Pädagogik Don Boscos<br />
zeigt sich in seinem gesamten Handeln; sein Handeln offenbart seine Persönlichkeit;<br />
und Don Bosco in seiner Ganzheit begegnet uns schließlich am<br />
dichtesten in seinem Herzen“. 14 Das ist seine Größe und das Geheimnis<br />
seines Erfolgs als Erzieher: Don Bosco hat es verstanden, Autorität und<br />
Milde sowie die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Jugendlichen miteinander<br />
in Einklang zu bringen.<br />
„Die Liebe Don Boscos zu diesen Jugendlichen bestand in konkreten und<br />
geeigneten Gesten. Er interessierte sich <strong>für</strong> ihr gesamtes Leben, indem er<br />
ihre dringendsten Bedürfnisse erkannte und die verborgenen erriet. Wenn<br />
man bestätigt, dass sein Herz ganz den Jugendlichen geschenkt war, so<br />
heißt das, dass seine gesamte Person, seine Intelligenz, sein Herz, sein Wille,<br />
seine physische Kraft, sein ganzes Sein darauf ausgerichtet waren, ihnen<br />
Gutes zu tun, ihr ganzheitliches Wachstum zu fördern und <strong>für</strong> sie das ewige<br />
Heil zu ersehnen. Ein Mensch des Herzens zu sein, bedeutete <strong>für</strong> Don Bosco<br />
demnach, ganz dem Wohl der Jugendlichen geweiht zu sein und ihnen<br />
bis zum letzten Atemzug alle seine Kräfte zu schenken!“ 15<br />
2.4 Die Bildung zum verantwortungsbewussten Bürger und zum guten<br />
Christen<br />
„‚Gute Christen und ehrenhafte Bürger’ heranzubilden, darin ist die Hauptabsicht<br />
zusammengefasst, die Don Bosco immer wieder zum Ausdruck gebracht<br />
hat, um zu benennen, was die Jugendlichen brauchen, damit sie in<br />
Fülle ihre menschliche und christliche Existenz entfalten können: Kleidung,<br />
Nahrung und Wohnung; Arbeit, Studium und Freizeit; Freude und Freund-<br />
13<br />
14<br />
15<br />
MB XVI, 447. Vgl. GIOVANNI BOSCO, Dei castighi da infliggersi nelle case salesiane,<br />
in: P. BRAIDO (Hg.): Don Bosco educatore. Scritti e testimonianze,<br />
Rom 1992, S. 340.<br />
P. BRAIDO, Il sistema educativo di Don Bosco, Rom 1999, S. 181.<br />
P. RUFFINATO, Educhiamo con il Cuore di Don Bosco, in: „Note di Pastorale<br />
Giovanile“, 6/2007, S. 9.<br />
21
schaft; einen tätigen Glauben, Gottes Gnade und den Weg zur Heiligkeit;<br />
Teilhabe, Dynamik, soziale und kirchliche Eingliederung usw. Aufgrund<br />
seiner erzieherischen Erfahrung legte Don Bosco ein spezifisches erzieherisches<br />
Projekt und einen besonderen Stil des Handelns nahe. Sie wurden<br />
von ihm selbst im Präventivsystem zusammengefasst, das sich nach seinen<br />
eigenen Worten ganz ‚auf Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit<br />
stützt’.“ 16<br />
Die erzieherische Präsenz im sozialen Bereich umfasst diese Realitäten: die<br />
erzieherische Sensibilität, die Bildungspolitik, die erzieherische Qualität<br />
des sozialen Lebens sowie die Kultur.<br />
2.5 <strong>Salesianische</strong>r Humanismus<br />
„<strong>Salesianische</strong>r Humanismus bedeutete <strong>für</strong> Don Bosco, alles Gute, das im<br />
Leben der Menschen, in der geschaffenen Wirklichkeit und in den Ereignissen<br />
der Geschichte begründet war, hoch zu schätzen. Das brachte ihn<br />
dazu, die vorhandenen echten Werte in der Welt aufzunehmen, besonders<br />
wenn sie <strong>für</strong> die Jugendlichen angenehm waren; sich in den Strom der Kultur<br />
und der menschlichen Entwicklung einzugliedern, indem er das Gute<br />
förderte und das Schlechte ablehnte; mit Klugheit die Zusammenarbeit von<br />
vielen zu suchen, in der Überzeugung, dass ein jeder gute Anlagen hat, die<br />
entdeckt, anerkannt und wertgeschätzt werden müssen; an die Kraft der<br />
Erziehung zu glauben, welche das Wachsen der Jugendlichen unterstützt<br />
und sie dazu ermutigt, ehrenhafte Bürger und gute Christen zu werden; sich<br />
selbst immer und überall der Vorsehung Gottes anzuvertrauen, den man als<br />
Vater ansieht und liebt.“ 17<br />
2.6 Präventivsystem und Menschenrechte<br />
Die Kongregation hat keinen anderen Daseinsgrund als das ganzheitliche<br />
Heil der Jugendlichen. Wie Don Bosco in seiner Zeit, so können auch wir<br />
nicht Zuschauer sein; wir müssen aktiv Handelnde zu ihrem Heil sein. Der<br />
16<br />
17<br />
22<br />
Charta der charismatischen Identität der Don-Bosco-Familie, Rom 2012, Art.<br />
17; darin zitiert: G. BOSCO, Il sistema preventivo nella educazione della gioventù,<br />
in: P. Braido (Hg.), Don Bosco Educatore. Scritti e testimonianze, Rom<br />
1997, S. 248 ff.<br />
Charta der charismatischen Identität der Don-Bosco-Familie, Rom 2012, Art. 7.
Rombrief von 1884 ruft uns auch heute auf, den „jungen Menschen ins<br />
Zentrum“ zu stellen und dies im tagtäglichen Engagement durch eine jede<br />
unserer Gesten und als beständige Lebensoption einer jeden unserer Gemeinschaften<br />
zum Ausdruck zu bringen. Um des ganzheitlichen Heils der<br />
jungen Menschen willen rufen uns das Evangelium und unser Charisma<br />
heute auch dazu auf, die Wege der Menschenrechte zu begehen. Es handelt<br />
sich um einen neuen Weg und eine neue Sprachweise, die wir nicht vernachlässigen<br />
dürfen. Wir dürfen um des Heiles der jungen Menschen willen<br />
nichts unversucht lassen. Einem Kind in die Augen zu schauen, ohne uns<br />
zugleich <strong>für</strong> seine Rechte stark zu machen, ist uns heute nicht möglich.<br />
Das Präventivsystem und die Menschenrechte ergänzen sich, indem sie einander<br />
bereichern. Das Präventivsystem bietet den Menschenrechten einen<br />
einzigartigen erzieherischen Zugang und einen neuen Respekt vor der Bewegung<br />
der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte an. Diese<br />
wurde bisher charakterisiert durch eine Perspektive der Anzeige „ex post“,<br />
d.h. der nachträglichen Anzeige bereits begangener Menschrechtsverletzungen.<br />
Das Präventivsystem bietet den Menschenrechten die präventive<br />
Erziehung an und damit ein vorausschauendes Handeln und ein Angebot<br />
„ex ante“.<br />
Als Glaubende können wir sagen, dass das Präventivsystem den Menschenrechten<br />
eine Anthropologie anbietet, die sich inspirieren lässt von der <strong>Spiritualität</strong><br />
des Evangeliums und die als Fundament der Menschenrechte die<br />
ontische Gegebenheit der Würde einer jeden Person betrachtet, und zwar<br />
„ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht,<br />
Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder<br />
sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ 18<br />
Gleichzeitig bieten die Menschrechte dem Präventivsystem neue Herausforderungen<br />
an sowie Gelegenheiten des Dialogs und der Zusammenarbeit<br />
im Netzwerk mit anderen Personen mit dem Ziel, die Ursachen von Ungerechtigkeit<br />
und Gewalt offenzulegen und zu beseitigen. Die Menschenrechte<br />
eröffnen dem Präventivsystem ferner neue Herausforderungen und Möglichkeiten<br />
sozialer und kultureller Art als wirksame Antwort auf das „heu-<br />
18<br />
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, Art. 2,<br />
hier zit. nach: http://www.un.org/depts/german/grunddok/ar217a3.html.<br />
23
tige Drama des Bruches zwischen Erziehung und Gesellschaft, der Distanz<br />
zwischen Schule und Gesellschaft“ 19 .<br />
Im neuen globalisierten Kontext werden die Menschenrechte zu einem Instrument,<br />
das in der Lage ist, die engen nationalen Grenzen zu überschreiten,<br />
um gemeinsame Grenzen und Zielsetzungen zu schaffen, Bündnisse<br />
und Strategien einzugehen und menschliche sowie wirtschaftliche Ressourcen<br />
zu mobilisieren.<br />
2.7 Lesempfehlungen<br />
Das Präventivsystem in der Erziehung der Jugend 20 , der Rombrief 21 , die<br />
Biographien über Dominikus Savio, Michael Magone und Franziskus Besucco<br />
22 sind alles Schriften Don Boscos, die sehr gut sowohl seine erzieherische<br />
Erfahrung als auch seine pädagogischen Optionen illustrieren. Diese<br />
Werke wurden geschrieben, damit wir die pädagogische und erzieherische<br />
Sensibilität unseres geschätzten Gründers und Vaters kennen lernen können<br />
und das verstehen lernen, was ihm im Hinblick auf die zentrale Bedeutung<br />
der Jugendlichen und ihrer aktiven Rolle in der eigenen Bildung oder auf<br />
das gute Klima als nötige Bedingung <strong>für</strong> den erzieherischen Erfolg am Herzen<br />
lag. Die drei Biographien stellen in dieser Perspektive drei verschiedene<br />
Wege dar, die den Ausgangspunkt eines jeden dieser drei Jungen des<br />
Oratoriums von Valdocco berücksichtigen und ihnen jeweils entsprechende<br />
19<br />
20<br />
21<br />
22<br />
24<br />
Pascual CHÀVEZ VILLANUEVA, Educazione e cittadinanza. Lectio Magistralis<br />
per la Laurea Honoris Causa, Genua, 23. April 2007.<br />
Eine Publikation des ISS zu diesem Text Don Boscos aus dem Jahr 1877 ist in<br />
Vorbereitung und wird voraussichtlich 2013 erscheinen.<br />
Vgl. hierzu: Reinhard Gesing (Hg.): „Mit der Liebe!“ Der „Rombrief“ Don<br />
Boscos und seine Bedeutung <strong>für</strong> die Pädagogik und Jugendpastoral heute,<br />
München 2009.<br />
Diese Schriften wurden jüngst von Aldo Giraudo neu herausgebracht und mit<br />
einer sehr lesenswerten Enführung sowie Anmerkungen versehen: GIOVANNI<br />
BOSCO, Vite di Giovani. Le biografie di Domenico Savio, Michele Magone e<br />
Francesco Besucco. Saggio introduttivo e note storiche a cura di Aldo Giraudo,<br />
Rom 2012. Leider liegen von diesen drei Schriften keine aktuellen deutschen<br />
Übersetzungen sowie wissenschaftlichen Aufarbeitungen vor. Daher sei<br />
verwiesen auf: JOHANNES BOSCO: Mein Schüler Dominikus Savio,<br />
München 1952. Ders.: Magone und Besucco. Zwei Zöglinge im <strong>Salesianische</strong>n<br />
Oratorium in Turin, München 1925.
Angebote machen. Don Bosco war es wichtig, von der Wirklichkeit eines<br />
jeden der Jungen auszugehen und dort anzufangen, ohne darauf zu warten,<br />
ideale Situationen zu haben, indem er bei ihren Werten und den dahinter<br />
stehenden Haltungen ansetzte und auf die zu erreichenden Gipfel verwies.<br />
3 Schluss<br />
Diesen Kommentar zum Jahresleitgedanken 2013 möchte ich mit einem<br />
Gedicht schließen, das mir von einem salesianischen Mitbruder aus Indien<br />
zugesandt wurde. Es fasst sehr gut all das zusammen, was die wahre Erziehung<br />
ist. Es betrachtet aus der Perspektive eines Kindes das Handeln seiner<br />
Mutter und drückt aus, was ihm durch den Kopf ging und was in seinem<br />
Herzen haften blieb, als es das Tun der Mutter erlebte. Das Lesen dieses<br />
Gedichtes hat mir das Zeugnis des kleinen Johannes Bosco über Mama<br />
Margareta in Erinnerung gerufen.<br />
In der Tat hat der in Valdocco praktizierte und heute in der ganzen Welt<br />
verbreitete Erziehungsstil seine Wurzeln in der Kindheit Don Boscos, die<br />
geprägt war vom entbehrungsreichen und starken ländlichen Leben in Becchi<br />
und besonders von den Personen, die an seiner Seite lebten. Don Bosco<br />
pflegte zu sagen: „Man fragt mich, wie ich die Jungen erziehe. Ich ziehe sie<br />
groß, wie meine Mutter uns in der Familie großgezogen hat. Mehr weiß ich<br />
nicht.“<br />
Mama Margareta war die erste und große Erzieherin Don Boscos. Nachdem<br />
sie ihren Mann verloren hatte, verstand sie es, ihren Söhnen die fordernde<br />
Liebe eines Vaters und die milde und unentgeltliche Liebe einer Mutter zu<br />
geben. Von ihr lernte Don Bosco jene Werte und Grundhaltungen, die er<br />
später selbst im Umgang mit seinen Jungen praktizierte. Im Verlauf der<br />
Jahre hinterließ er sie den <strong>Salesianer</strong>n, und so wurden sie die Basis seiner<br />
Pädagogik:<br />
<br />
Eine aktive Präsenz. Die salesianische Assistenz ist keine bloße Beaufsichtigung.<br />
Sie ist eine Präsenz, die den jungen Menschen spüren<br />
lässt, dass er geliebt wird; die mit ihm die Freude teilt, zusammen zu<br />
arbeiten und zu wachsen, wobei ihm die Rolle der Hauptperson zukommt.<br />
25
Die Wertschätzung der täglichen Arbeit. Als Lehre aus seiner eigenen<br />
Erfahrung der Landarbeit auf den Feldern von Becchi und auf<br />
dem Hofe der Moglias sagte Don Bosco gern zu seinen Jungen: „Ein<br />
fauler Junge wird immer ein Esel sein.“ – „Wer sich nicht in der Zeit<br />
der Jugend an die Arbeit gewöhnt, wird bis ins Alter ein Faulpelz<br />
sein.“ In Valdocco war die Faulheit stigmatisiert, und die Arbeit<br />
wechselte sich mit Gebet, Spiel und Lernen ab.<br />
Der Sinn <strong>für</strong> Gott. Mama Margareta war <strong>für</strong> den kleinen Johannes<br />
auch eine Katechetin: Sie bereitete ihn auf das Sakrament der Beichte<br />
und auf die Erstkommunion vor. Vor allem lehrte sie ihn, in der<br />
Schöpfung, im Alltag, in den schönen und in den traurigen Lebensereignissen<br />
die Gegenwart Gottes zu sehen. Indem er ihre Großherzigkeit<br />
mit den Armen und Bedürftigsten beobachtete, reifte in dem<br />
späteren Priester eine Frömmigkeit heran, die in der Lage war, sich<br />
im entsprechenden Moment in konkrete, schlichte und echte Nächstenliebe<br />
umzuwandeln.<br />
Die Vernunft als Synonym <strong>für</strong> den Dialog. Die bäuerliche Weisheit<br />
gab dem Begriff „lasst uns überlegen“ („ragioniamo“) verschiedene<br />
Bedeutungen. Er wurde gebraucht <strong>für</strong>: miteinander reden, sich verständlich<br />
machen, zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen,<br />
ohne dass einer den eigenen Gesichtspunkt aufdrängen wollte. Don<br />
Bosco machte in der Folgezeit aus dem Begriff „Vernunft“ („ragione“)<br />
eine der tragenden Säulen seiner Erziehungsmethode. Aus dieser<br />
Perspektive ist der Dialog zwischen Dominikus Savio und Don<br />
Bosco ein echter und eigener Erziehungsvertrag, der den jungen Heiligen<br />
zu einer Verpflichtung führte: „Also ich bin der Stoff, und Sie<br />
sind der Schneider. Nehmen Sie mich also und machen Sie aus mir<br />
ein schönes Kleid <strong>für</strong> den Herrn“.<br />
Im Licht dieser Erinnerungen wird das vorgestellte Gedicht zu einer Botschaft<br />
<strong>für</strong> jeden erwachsenen Erzieher, der sich seiner Aufgabe bewusst ist,<br />
weil die Kinder und Jugendlichen das beobachten und tun, was man selber<br />
tut, und nicht das, was man sagt.<br />
26
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du mein erstes Bild an den Kühlschrank hängtest,<br />
und ich wollte sofort ein weiteres malen.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du eine streunende Katze füttertest,<br />
und ich lernte, dass es gut ist,<br />
mit Tieren liebevoll umzugehen.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du mir meinen Lieblingskuchen backtest,<br />
und ich lernte, dass kleine Dinge im Leben<br />
etwas Besonderes sein können.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du etwas zu essen machtest<br />
und es einem kranken Freund brachtest,<br />
und ich lernte, dass wir alle einander helfen<br />
und <strong>für</strong>einander sorgen müssen.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du dich um unser Haus kümmertest<br />
und um alle, die darin wohnten,<br />
und ich lernte, dass wir auf das achten müssen,<br />
was uns geschenkt ist.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du dich verantwortlich fühltest,<br />
sogar wenn du krank warst,<br />
und ich lernte, dass auch ich Verantwortung zu tragen habe,<br />
wenn ich erwachsen bin.<br />
27
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich Tränen in deinen Augen<br />
und ich lernte, dass manche Dinge verletzen<br />
und dass es erlaubt ist zu weinen.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
sah ich, dass du dich um mich sorgst,<br />
und ich wollte werden, was ich sein kann.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
lernte ich die meisten Lektionen des Lebens, die ich brauche,<br />
um als Erwachsener ein guter und fruchtbarer Mensch zu sein.<br />
Wenn du meintest, ich würde nicht schauen,<br />
schaute ich auf dich und wollte dir sagen:<br />
„Danke <strong>für</strong> alle Dinge, die ich sah,<br />
wenn du meintest, ich würde nicht schauen!“<br />
Jeder von uns (Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten, Lehrer,<br />
Freunde) beeinflusst das Leben junger Menschen.<br />
Es ist sehr wichtig zu wissen, wie wir heute das Leben eines<br />
anderen Menschen berühren können.<br />
Leben wir einfach.<br />
Lieben wir großzügig.<br />
Kümmern wir uns auf ernsthafte Weise.<br />
Sprechen wir freundlich.<br />
Rom, den 31. Dezember 2012/1. Januar 2013<br />
Don Pascual Chávez V., SDB<br />
Generaloberer<br />
28
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit“<br />
Exegetische Überlegungen zur neutestamentlichen Lesung<br />
der Messfeier zu Ehren des hl. Johannes Bosco 23<br />
Phil 4,4-9<br />
4 Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch: Freut<br />
euch! 5 Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. 6<br />
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure<br />
Bitten mit Dank vor Gott! 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen<br />
übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit<br />
Christus Jesus bewahren. 8 Schließlich, Brüder: Was immer wahrhaft, edel,<br />
recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert<br />
ist, darauf seid bedacht! 9 Was ihr gelernt und angenommen, gehört<br />
und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit<br />
euch sein.<br />
Einführung<br />
Der Brief an die Gemeinde in Philippi hat seinen sehr persönlichen Ton.<br />
Paulus schreibt aus dem Gefängnis (Phil 1,7.13), wahrscheinlich in Ephesus,<br />
und will den Kontakt mit der Gemeinde in Mazedonien wieder aufnehmen<br />
– sie ist die erste Gründung auf europäischem Boden. Epaphroditus,<br />
einer seiner Mitarbeiter, hatte ihm eine Geldspende der Philipper gebracht<br />
(4,18). Nach einer schweren Krankheit wieder gesund (2,27) wird er<br />
von Paulus nach Philippi zurückgeschickt (2,25).<br />
23<br />
Vgl. Eigenfeiern der <strong>Salesianer</strong> Don Boscos (SDB), der Don-Bosco-<br />
Schwestern (FMA) und aller Gruppen der <strong>Salesianische</strong>n Familie, München<br />
1995, S. 31. Dieser exegetische Kommentar von P. Horacio Lona SDB wird<br />
hier dem Brief des Generalobern angefügt, da er eine Hilfe sein kann, das dem<br />
Jahresleitgedanken 2013 vorangestellte Schriftwort zu betrachten und die<br />
Freude als eine zentrale Dimension der Pädagogik Don Boscos biblisch zu<br />
fundieren.<br />
29
Aber das ist nicht der einzige Anlass des Briefes. In der Zeit seiner Missionierung<br />
in der Stadt ist eine innige Beziehung zwischen dem Apostel und<br />
den dortigen Gläubigen entstanden, wie manche Aussagen im Brief bezeugen:<br />
„Es ist nur recht, dass ich so über euch alle denke, weil ich euch ins<br />
Herz geschlossen habe“ (1,7a); „Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach<br />
euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat“<br />
(1,8) usw. Das Schreiben setzt Distanz und damit auch die Abwesenheit des<br />
Verfassers voraus, und zugleich schafft es durch den schriftlichen Ausdruck<br />
eine neue Art der Präsenz. So will Paulus mit seinem Brief mitten<br />
unter den Philippern sein.<br />
Ein weiterer Anlass ist die Auseinandersetzung mit anderen Christen jüdischer<br />
Herkunft. Darum betont Paulus seine jüdischen Wurzeln (3,2-6),<br />
weist auf die entscheidende Wende in seinem Leben hin, die ihn die Erkenntnis<br />
Christi Jesu gebracht hatte zusammen mit der Überzeugung, dass<br />
die Gerechtigkeit Gottes nicht „aus dem Gesetz hervorgeht“, sondern aus<br />
dem Glauben an Christus (3,7-11).<br />
Ein theologischer Höhepunkt des Briefes ist ohne Zweifel der bekannte<br />
Christushymnus (2,6-11), der Menschwerdung, Erniedrigung und Gehorsam<br />
Jesu Christi als eine absteigende Bewegung darstellt – „er erniedrigte<br />
sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ –, welcher<br />
der Aufstieg durch die Kraft Gottes folgt, bis es „im Himmel, auf der Erde<br />
und unter der Erde“ zu einem universalen Bekenntnis kommt: „Jesus Christus<br />
ist der Herr.“<br />
Der Kontext<br />
Der Abschnitt 4,4-9 gehört in den letzten Teil des Briefes als abschließende<br />
Ermahnung an die Gemeinde. Rückschauend auf das Kap. 3,2-21 fällt der<br />
Unterschied in der Sprache und in der Thematik auf. Anscheinend hat Paulus<br />
die Aufforderung zur Freude, die in 4,4 ansetzt, schon in 3,1 begonnen:<br />
„Vor allem, meine Brüder, freut euch im Herrn!“, aber sie gleich beiseite<br />
gelassen, um sich der Polemik gegen die Gegner zuzuwenden. Die gleiche<br />
Aufforderung in 4,4: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage<br />
ich euch: Freut euch!“ wäre in diesem Fall die Wiederaufnahme des angeschnittenen<br />
Themas.<br />
30
Als Ganzes gesehen passt 4,4-9 zu dem den Brief prägenden freundlichen<br />
Ton. Im Vergleich dazu wirkt die scharfe Sprache in 3,2-21 wie ein Fremdkörper.<br />
Nur ein Beispiel: „Denn viele – von denen ich oft zu euch gesprochen<br />
habe, doch jetzt unter Tränen spreche – leben als Feinde des Kreuzes<br />
Christi. Ihr Ende ist das Verderben, ihr Gott der Bauch, ihr Ruhm besteht in<br />
ihrer Schande, Irdisches haben sie im Sinn“ (3,18-19).<br />
Der Kontrast wurde in der Forschung längst festgestellt und hat zu verschiedenen<br />
Lösungsversuchen geführt: Manche Exegeten meinen, das<br />
Schreiben sei keine literarische Einheit, sondern bestünde aus zwei oder<br />
drei Fragmenten. Die Frage bleibt weiterhin umstritten. Für den Text, der<br />
uns beschäftigt, hat dies keine gravierenden Folgen.<br />
Kurze Erklärung<br />
Der Abschnitt 4,4-9 besteht aus zwei Teilen: 1. Aufforderung zur Freude<br />
und zum Vertrauen beim Bittgebet; die Gabe des Gottesfriedens an die<br />
Gemeinde (4,4-7); 2. Mahnung zum richtigen Verhalten und die Verheißung<br />
des Gottesfriedens (4,8-9).<br />
V.4: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ Paulus ist im Gefängnis, aber die<br />
bedrückende Wirklichkeit hindert ihn nicht daran, die Gläubigen in Philippi<br />
zur Freude einzuladen. Er weiß, dass auch diese keinen leichten Stand haben:<br />
„Denn ihr habt den gleichen Kampf zu bestehen, den ihr früher an mir<br />
gesehen habt und von dem ihr auch jetzt hört“ (1,30). Die Freude bedeutet<br />
hier also nicht ein angenehmes Gefühl, das aus einer positiven Stimmung<br />
oder aus einem beglückenden Erlebnis hervorgeht. Es handelt sich in diesem<br />
Fall um die Freude „im Herrn“, und das bedeutet, dass sie auf der Verbundenheit<br />
mit dem erhöhten Herrn begründet ist und sich allen widrigen<br />
Umständen zum Trotz behauptet: „Denn euch wurde die Gnade zuteil, <strong>für</strong><br />
Christus dazusein, also nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen<br />
zu leiden“ (1,29). Wenn das Leid als Gnade verstanden wird, dann<br />
haben die Christen berechtigten Grund, sich zu freuen.<br />
V.5: Der Wunsch des Apostels: „eure Güte werde allen Menschen bekannt“,<br />
deutet einen Zusammenhang zwischen der Freude und der Güte an.<br />
Die Gelassenheit, welche die Freude im Herrn hervorbringt, gehört zu den<br />
die Gemeinde tragenden Merkmalen, die ihre Güte bestimmen. Sie soll nun<br />
allen Menschen bekannt werden in der richtigen Annahme, dass diese Güte<br />
31
missionarische Kraft besitzt, die von den anderen erkannt werden kann. Die<br />
Eigenart der Gemeinde strahlt in der Gesellschaft wie ein Licht, und sie<br />
wird von ihr wahrgenommen.<br />
„Der Herr ist nahe“. Die Nähe des Herrn ist konkret zeitlich zu verstehen<br />
als der Tag Christi, den die Philipper „rein und ohne Tadel“ (1,10) erwarten<br />
sollen, weil der Herr an diesem Tag „unseren armseligen Leib verwandeln<br />
wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes“ (3,20). Paulus und die<br />
christlichen Gemeinden dieser Zeit sind überzeugt, dass das Ende der Welt<br />
bevorsteht (vgl. 1 Thess 4,15.17), aber beschäftigen sich nicht mit Spekulationen<br />
über das präzise Wann und Wie der Endereignisse. Diese Gewissheit<br />
lähmt keineswegs ihren missionarischen Drang, sondern wirkt wie ein zusätzlicher<br />
Impuls, den Glauben allen Menschen zu verkünden, auch durch<br />
den Erweis der eigenen Güte.<br />
V.6: Die Mahnung an die Philipper, sie sollen sich um nichts sorgen, verkennt<br />
nicht ihre prekäre Lage in der Gesellschaft, noch will sie als Zeichen<br />
der Unbekümmertheit oder Gleichgültigkeit verstanden werden. Die Wahrheit<br />
des Glaubens vermittelt Sicherheit, weil der Christ sicher sein darf,<br />
dass Gott bereit ist, sein Gebet und seine Bitten zu erhören. Deswegen wird<br />
das Bittgebet zur Danksagung. Das Wort Jesu in Mt 6,32 par. Lk 12,30,<br />
dass der Vater weiß, was die Gläubigen alles brauchen, scheint hier nachzuwirken.<br />
V.7: Der Friede Gottes ist keine „friedliche Koexistenz“ der Verfeindeten,<br />
sondern eine Kraft, die <strong>für</strong> den menschlichen Verstand unbegreiflich bleibt,<br />
<strong>für</strong> die Gläubigen aber eine kostbare Gabe beinhaltet. Dieser Friede „wird<br />
eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus bewahren.“<br />
Der Friede ist gleichbedeutend mit heilbringender Gnade, denn das<br />
Herz und die Gedanken des Menschen vermögen nicht, von sich aus in der<br />
Gemeinschaft mit Christus zu bleiben, es sei denn, Gott selbst gibt die<br />
Kraft dazu. Das Herz und die Gedanken bedeuten den Kern der ganzen<br />
menschlichen Wirklichkeit, ihre ureigene Befindlichkeit, die, auf den Herrn<br />
ausgerichtet, durch die Kraft des Friedens in ihm ihre Bleibe findet.<br />
V.8: Im zweiten Teil richtet sich die Ermahnung auf einen anderen Aspekt<br />
der christlichen Existenz, der mit der Orientierung im Alltag der Welt zu<br />
tun hat. In diesem und in anderen Briefen begründet Paulus die ethische<br />
32
Forderung biblisch-christologisch: Das ganze Gesetz ist in dem alttestamentlichen<br />
Wort über die Nächstenliebe zusammengefasst (Gal 5,14); die<br />
Gläubigen sollen das Gesetz Christi erfüllen (Gal 6,2). Das wird hier nicht<br />
zurückgenommen oder geleugnet, aber der sittliche Rahmen ist denkbar<br />
weit gedacht: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert,<br />
ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf sei bedacht!“<br />
(4,8). Das Objekt des aufmerksamen Denkens der Christen, ist erstaunlich<br />
offen. Nichts davon ist spezifisch christlich, sondern gehört zu den allgemein<br />
anerkannten Gütern, die in der Gesellschaft geschätzt werden. Die<br />
Gläubigen sollen sich nicht vor diesen Gütern verschließen, wobei die kritische<br />
Überprüfung vorausgesetzt wird: „Prüft alles und behaltet das Gute!“<br />
(1 Thess 5,21).<br />
V.9: Ohne sich zu widersprechen, sondern eher als ergänzende Überlegung<br />
zum vorhergehenden Gedanken, verweist Paulus auf eine andere Dimension<br />
der sittlichen Haltung, die mit der eigenen Person eng verbunden ist:<br />
„Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das<br />
tut!“ Lernen, Annahme der Überlieferung und Hören, lassen die Konturen<br />
des Unterrichts in der christlichen Unterweisung erkennen. Es sind also<br />
nicht allgemein gültige Werte, sondern Inhalte der christlichen Botschaft,<br />
die <strong>für</strong> die Gläubigen verbindlich bleiben. Dazu kommt ein anderer Maßstab,<br />
der in der Haltung des Paulus selbst verkörpert ist: Die Philipper sollen<br />
das tun, was sie an ihm gesehen haben. Der Apostel stellt sich damit als<br />
Vorbild dar, das von den Christen seiner Gemeinden nachgeahmt werden<br />
soll (vgl. Phil 3,17; 1 Thess 1,6; 1 Kor 4,16; 11,1). Weder Eitelkeit noch<br />
Selbstsucht stehen bei diesen Worten im Hintergrund, sondern das Selbstverständnis<br />
des Paulus, durch die Gnade Gottes als Apostel Jesu Christi<br />
sich ganz in den Dienst der Verkündigung gestellt zu haben. Darum wird er<br />
zum Vorbild <strong>für</strong> die Gläubigen.<br />
Die abschließende Zusage, dass der Gott des Friedens mit den Philippern<br />
sein wird, knüpft an die Verheißung in V.7 an. Gott schenkt den Gläubigen<br />
seinen Schalom, und mit ihm schenkt er sich selbst, um in ihrer Mitte zu<br />
wohnen.<br />
33
Zum Nachdenken<br />
Die Aktualisierung von biblischen Texten birgt die Gefahr in sich, aus ihnen<br />
Aussagen abzuleiten, die nicht ihrem Sinn entsprechen. Ohne diese Gefahr<br />
zu übersehen, meinen wir, dass der am Fest des heiligen Johannes<br />
Bosco vorgetragene Abschnitt aus dem Philipperbrief einige Motive<br />
enthält, die geeignet sind, die Bedeutung dieses Tages besser zu erfassen.<br />
Die Aufforderung zu Freude (V.4)<br />
Der Spruch von Philipp Neri: „Ein Heiliger, der traurig ist, ist ein trauriger<br />
Heiliger“, ist hinreichend bekannt. Auch Franz von Sales nahm ihn auf, und<br />
später wurde er von Don Bosco übernommen. Das Thema ist fest verankert<br />
in der salesianischen Tradition. „Deine Heiligkeit soll in der Freude bestehen“,<br />
soll Don Bosco zu seinem Jugendlichen Dominikus Savio gesagt haben.<br />
Nur ein junges Herz – unabhängig vom biographischen Alter – kann<br />
auch ein fröhliches sein, das <strong>für</strong> die Jugend ansprechend wirkt. Gemeint ist<br />
nicht eine oberflächliche Freude, die von den äußeren Umständen oder von<br />
der eigenen Laune abhängig ist. Echte Freude ist die, die sich im grauen<br />
Alltag trotz aller Anfechtungen behauptet. Heiterkeit und ein positiver<br />
Blick auf die Wirklichkeit, ohne naive Illusionen, sind die Früchte der<br />
Freude.<br />
Das Vertrauen (V.6)<br />
Zum Leben gehören Sorgen aller Art. Das Wort: „Sorgt euch um nichts“,<br />
verschließt die Augen nicht vor dieser Wirklichkeit, sondern erinnert an das<br />
Grundvertrauen der Gläubigen im Geist der Bergpredigt, weil Gott nahe ist.<br />
Trotz unserer Bemühungen lässt sich nicht alles berechnen und exakt planen,<br />
auch wenn dies immer notwendig bleibt. Das Vertrauen schenkt dieses<br />
Plus an Mut, Kreativität und Initiative, aus dem öfter große Werke entstanden<br />
sind. Bekannte Gründer, die auf sich selbst vertraut haben, sind ein<br />
Beispiel da<strong>für</strong>. Nach der Größe der Werke gehört auch Don Bosco zu ihnen,<br />
aber der Grund seines Vertrauens war nicht er selber, sondern der Gott<br />
seines Glaubens.<br />
34
Offenheit (V.8)<br />
Die Christen leben nicht isoliert in der Gesellschaft, noch ist diese ausgesprochen<br />
christlich geprägt. Der Pluralismus, der unseren Alltag bestimmt,<br />
lässt sich mit einem riesigen Markt vergleichen, der alles anbietet, und zwar<br />
oft anziehend oder gar verführerisch, aber nicht immer wertvoll und annehmbar<br />
<strong>für</strong> den, der nicht unbedingt dem Trend der Mode folgen will.<br />
Angesichts der Versuchung, sich zurückzuziehen und Gemeinden von<br />
„Sakristei-Christen“ zu bilden, kann man von Paulus und seinen Gemeinden<br />
lernen, die in einer feindseligen Gesellschaft lebten und dennoch bereit<br />
waren, <strong>für</strong> das, „was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert ist<br />
...“, offen zu bleiben. Wenn eine vornehmliche Aufgabe der Erziehung darin<br />
besteht, Werte zu vermitteln, kommt dem Wort des Apostels eine besondere<br />
Bedeutung zu, um die Offenheit <strong>für</strong> die allgemein anerkannten Werte<br />
mit der Treue zur eigenen christlichen Identität in Einklang zu bringen.<br />
Prof. em. P. Dr. Horacio Lona SDB<br />
Benediktbeuern<br />
35
Methodische Anregungen zur Arbeit mit dem<br />
Jahresleitgedanken 2013<br />
1 Schriftmeditation/Schriftgespräch zu Phil 4,4-9<br />
Dem Jahresleitgedanken ist der Aufruf zur Freude des Apostels Paulus aus<br />
dem Brief an die Philipper vorangestellt (Phil 4,4). Die entsprechende Perikope<br />
(Phil 4,4-9) stellt auch die neutestamentliche Lesung der Liturgie des<br />
Festes des hl. Johannes Bosco am 31. Januar dar. Der Text regt uns an, uns<br />
mit einer der wichtigsten christlichen Grundhaltungen auseinanderzusetzen,<br />
die auch ein zentrales Moment der <strong>Spiritualität</strong> und der Pädagogik des hl.<br />
Johannes Bosco darstellt: „Bei uns besteht die Heiligkeit in der Freude“<br />
(Dominikus Savio).<br />
Die Perikope kann gut nach der Methode „Bibel-Teilen in sieben Schritten“<br />
in der Gruppe miteinander meditiert und besprochen werden: 24<br />
a) Einladen: Gebet;<br />
b) Lesen: Text wird laut vorgetragen, evtl. mehrmals;<br />
c) Verweilen: Teilnehmer wiederholen Worte, die sie besonders angesprochen<br />
haben; dazwischen Besinnungspausen;<br />
d) Schweigen: einige Minuten der Stille; Gott zu sich sprechen lassen;<br />
e) Austausch: Austausch darüber, was die Teilnehmer besonders berührt<br />
und angesprochen hat;<br />
f) Handeln: Austausch darüber, wozu der Text uns heute einlädt, aufruft;<br />
g) Gebet: Abschlussgebet, Lied, Ritual;<br />
Vertiefende Fragen <strong>für</strong> die persönliche Besinnung und das Gespräch in<br />
der Gruppe:<br />
a) Was bedeuten <strong>für</strong> mich/uns die Begriffe: Spaß, Frohsinn, Fröhlichkeit,<br />
Heiterkeit, Freude …?<br />
b) Was macht die christliche Tugend der Freude aus?<br />
24 Vgl. hierzu Anleitung, die von Missio herausgegeben wurde: http://www.missio-hilft.de/<br />
media/pdf/spiritualitaet/Bibel_Teilen_Flyer_2008.pdf.<br />
36
c) Wenn Freude eine christliche Grundtugend ist, woran merkt man<br />
sie mir an?<br />
d) Was macht mich in meinem Leben froh? Was macht mich traurig?<br />
e) Welche Rolle spielt dabei das Evangelium, die „Frohbotschaft“?<br />
f) Jede Tugend ist Gabe und Aufgabe. Wie kann ich Freude „üben“?<br />
2 Reflexionsgespräch zum Kommentar des Generalobern<br />
zur Strenna 2013<br />
Dem Generalobern geht es um eine vertiefte Kenntnis sowie eine Aktualisierung<br />
der Pädagogik Don Boscos <strong>für</strong> die jungen Menschen von heute.<br />
Um seine Anliegen besser zu verstehen, können die folgenden Impulse eine<br />
Hilfe sein:<br />
Impulsfragen <strong>für</strong> die persönliche Besinnung und den Austausch in der<br />
Gruppe:<br />
a) Wie habe ich Don Boscos pädagogischen Ansatz kennen gelernt?<br />
Was hat mich besonders an ihm beeindruckt?<br />
b) Welche Bücher oder Schriften über die Pädagogik Don Boscos habe<br />
ich studiert? Was ist mir darin deutlich geworden?<br />
c) Welche Erfahrungen habe ich bisher in meinem pädagogischen<br />
Handeln mit dem pädagogischen Erbe Don Boscos gemacht? Was<br />
hat mir besonders geholfen? Was habe ich als schwierig erlebt?<br />
d) Welche Geschichten und Begebenheiten aus dem Leben Don Boscos<br />
oder welche Zitate aus seinem Mund, die sein pädagogisches<br />
Erbe zum Ausdruck bringen, sind mir besonders wichtig? Was sagen<br />
sie mir <strong>für</strong> meine Arbeit mit jungen Menschen heute?<br />
e) Welche Lücken sehe ich in meiner Kenntnis der Pädagogik Don<br />
Boscos und in der Auseinandersetzung mit ihr? Was interessiert<br />
mich? Womit möchte ich mich noch gerne beschäftigen? Wie<br />
möchte ich das umsetzen?<br />
37
Textarbeit:<br />
Wählen Sie einen Abschnitt aus dem Kommentar des Generalobern aus, der<br />
Sie bzw. die Gruppe besonders interessiert, und lesen Sie ihn gemeinsam<br />
oder einzeln.<br />
a) Bearbeiten Sie in Einzelarbeit den Text nach der Methode Västerås:<br />
Markieren Sie mit einem Ausrufezeichen (!) Textstellen, die Ihnen<br />
wichtig erscheinen; mit einem Fragezeichen (?) Textstellen, die<br />
Sie nicht verstanden haben, mit einem Pfeil () Textstellen, die<br />
Sie persönlich angesprochen haben.<br />
b) Im Plenum wird dann zunächst über die Stellen gesprochen, die<br />
nicht verstanden wurden, um Unklarheiten zu beseitigen; dann über<br />
die Aussagen, die die einzelnen Teilnehmer besonders angesprochen<br />
haben; und schließlich über die Stellen, die den Teilnehmern<br />
besonders wichtig erscheinen.<br />
c) Vertiefende Diskussion im Plenum: Was ist die zentrale Botschaft<br />
des Generalobern? Wo stehen wir in unserer Gruppe/Gemeinschaft<br />
in der Frage der Kenntnis und der Nachahmung der Pädagogik Don<br />
Boscos? Inwiefern bedürfen wir des „aggiornamento“? Wo sollen<br />
wir mehr „zu Don Bosco zurückkehren“, um mehr „zur Jugend zurückzukehren“?<br />
d) Im zweiten Teil macht der Generalobere Vorschläge zur Konkretisierung<br />
der Strenna 2013:<br />
Die Frohe Botschaft<br />
Pädagogik der Güte<br />
Erziehung ist eine Sache des Herzens<br />
Die Bildung zum rechtschaffenen Bürger und zum<br />
guten Christen<br />
<strong>Salesianische</strong>r Humanismus<br />
Das Präventivsystem und die Menschenrechte.<br />
Welche der angesprochenen Konkretisierungen interessiert mich/uns besonders?<br />
Welche ist <strong>für</strong> uns besonders aktuell? Wie könnte ich/könnten wir<br />
sie im Laufe des Jahres umsetzen?<br />
38
Welche der in 2.7 vorgeschlagenen Texte aus der Feder Don Boscos<br />
interessiert mich/uns besonders und möchte ich/möchten wir in diesem<br />
Jahr durcharbeiten?<br />
Was sagt mir/uns das Gedicht, mit dem der Generalobere seinen<br />
Kommentar schließt?<br />
39