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bei Grenzenlos - a3kultur

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10. bis 23. Juni 2013<br />

INTERVIEW<br />

Sammelstopp für Fleischwölfe<br />

Im Rahmen seines Aktionstages »Kultur für Schwaben« am 9. Juni übergibt der Bezirk das neue Besucherzentrum<br />

im alten Schafstall des Klosters Oberschönenfeld der Öffentlichkeit und lädt zum großen Museumsfest. Aus diesem<br />

schönen Anlass baten wir Dr. Beate Spiegel, die Leiterin des Volkskundemuseums Oberschönenfeld, zum Gespräch.<br />

Von Jürgen Kannler<br />

Kultur im Bezirk<br />

Erhalt der schwäbischen Identität und<br />

Integration neuer kultureller Strömungen<br />

<strong>a3kultur</strong>: Was ist für Ihr Museum der wichtigere<br />

Aspekt, das Sammeln oder das Präsentieren?<br />

Dr. Beate Spiegel: Das eine geht nicht ohne das<br />

andere. Für die Museumsar<strong>bei</strong>t ist die Sammlung<br />

die Grundlage und aus der Sammlung erwachsen<br />

je nach Fragestellung und je nach Zeit wieder<br />

neue Aspekte, die in die Präsentation einfließen.<br />

Die Qualität der Sammlung und die Aufar<strong>bei</strong>tung<br />

der Sammlung sind im Grunde das Fundament.<br />

Ohne das kann ich auch nichts präsentieren.<br />

Als Volkskundemuseum ist Ihr Haus <strong>bei</strong> der Pflege<br />

seiner Sammlung nicht zuletzt auf Materialspenden<br />

aus der Bevölkerung angewiesen. Wie vermittelt<br />

man den Besuchern, welche Exponate willkommen<br />

sind und welche weniger, um Enttäuschungen zu<br />

vermeiden?<br />

Das ist in der Tat nicht immer ganz einfach.<br />

Unser härtester Fall war eine halb fertig gestickte<br />

Kreuzstichtischdecke, die dann an der Info abgegeben<br />

wurde mit der Begründung, die Damen<br />

an der Kasse hätten doch Zeit, die Decke fertig<br />

zu sticken. Um solche Beispiele in puncto Spendenbereitschaft<br />

einzudämmen, haben wir in<br />

den letzten Jahren ein Sammlungskonzept erar<strong>bei</strong>tet<br />

und darin festgelegt, was in die Sammlung<br />

gehört, welche Bereiche wir noch ausbauen<br />

wollen und auch von welchen Exponaten wir<br />

schon jetzt zu viele in den Lagern haben. Es gibt<br />

zum Beispiel einen absoluten Sammlungsstopp<br />

für Fleischwölfe. Bei der Erweiterung der Sammlung<br />

geht es uns darum, Schwerpunkte auszubauen<br />

und nach Möglichkeit Sammlungslücken<br />

zu schließen.<br />

Und wo wären solche Lücken?<br />

Bei der Souvenirausstellung im letzten Jahr hat<br />

sich <strong>bei</strong>spielsweise gezeigt, dass wir kaum einen<br />

Bestand an Urlaubsmitbringseln mit Schwabenbezug<br />

haben. Da sammeln wir jetzt sehr konsequent<br />

weiter. In so einem Fall helfen uns dann<br />

auch Schenkungen wie die von der Traditionsfirma<br />

Walter & Prediger aus Neugablonz, die<br />

uns einen Teil ihrer sehr schönen Leihgaben<br />

überlassen hat.<br />

Definieren Sie Ihre Ausrichtung immer wieder neu?<br />

Ein Sammlungskonzept muss man alle paar<br />

Jahre überar<strong>bei</strong>ten. Dann stellt man zum Beispiel<br />

fest, dass im Bereich Landwirtschaft, wo<br />

wir eigentlich einen Sammlungsstopp haben,<br />

sehr wohl noch Geräte fehlen, mit denen Kinder<br />

in die Ar<strong>bei</strong>t sozialisiert wurden. Bei diesem<br />

Thema schließen wir uns natürlich auch mit<br />

den Museen in Maihingen und Illerbeuren<br />

zusammen und versuchen so Sammlungsdoppelungen<br />

zu vermeiden.<br />

Wie besänftigen Sie denn enttäuschte Sammler, die<br />

gehofft hatten, einen ganz großen Schatz zu Ihnen<br />

zu bringen, und dann erfahren, dass es genau zu<br />

diesem Thema einen Sammlungsstopp gibt?<br />

In diesen Fällen hoffen wir freundlich auf Verständnis.<br />

Das ist auch eine Kostenfrage.<br />

Sammeln ist teuer.<br />

Ja, ein niederländischer Wissenschaftler hat vor<br />

Jahren ausgerechnet, dass allein die Sichtung<br />

eines Objekts damals um die 75 Mark gekostet<br />

hat. Ich denke, heute dürften die Kosten für so<br />

eine Ansicht samt Recherche deutlich höher liegen.<br />

In jedem Einzelfall muss eine Reihe von<br />

Fragen geklärt werden: Ist das Stück aussagekräftig<br />

für die Sammlung? Bringt es die Sammlung<br />

weiter? Wie ist der Zustand? Haben wir den Platz<br />

dafür? Gibt es vergleichbare oder identische<br />

Objekte schon in anderen Sammlungen? Es ist<br />

sinnvoll, sich als Museum zu spezialisieren, und<br />

dann zu schauen, dass man von Kollegen Leihgaben<br />

erhält, um <strong>bei</strong> einer Sonderausstellung einmal<br />

etwas ergänzen zu können.<br />

Wie würden Sie denn Ihre Zielgruppe definieren?<br />

Unsere Durchschnittsbesucher sind um die 57<br />

Jahre alt, besser gebildet und Wiederholungstäter.<br />

Wir haben wirklich sehr viele Besucher, die<br />

oft wiederkommen. Was uns ein wenig fehlt,<br />

sind mehr jüngere Familien. Im Gegensatz dazu<br />

kommen immer häufiger Senioren. Diese Gruppe<br />

ist heute mobiler als noch vor einigen Jahren<br />

und erwartet ein anderes Erlebnis im Museum<br />

als junge Familien. Ich kann also nicht nur für<br />

eine Zielgruppe sammeln. Diese verschieben sich<br />

ja auch, ebenso wie sich die Interessen der Besucher<br />

generell verschieben.<br />

Welche Zielvorgaben – wenn man das so formulieren<br />

kann – haben Sie denn vom Bezirk, was Ihre Ar<strong>bei</strong>t<br />

hier im Museum angeht? Soll sich das Haus in eine<br />

bestimmte Richtung entwickeln?<br />

Eine Zielvorgabe ist schwierig zu definieren. Es<br />

steht seit Anfang an fest, dass dieses Museum die<br />

Alltagskultur der breiteren Bevölkerung etwa in<br />

den letzten 150 Jahren sammeln und auch präsentieren<br />

soll, neben einer Erweiterung um ausgewählte<br />

kulturhistorische Themen, die dann<br />

hier auch in den Kontext passen. Präsident Jürgen<br />

Reichert bezeichnet uns ja als Leuchtturmprojekt<br />

für Schwaben. Das ist unsere Richtschnur.<br />

In Oberschönenfeld gibt es die feste Sammlung, es<br />

gibt die Sonderschauen und die Galerie. Und ab Juni<br />

ein nagelneues Besucherzentrum. Welche Funktion<br />

hat diese Erweiterung?<br />

Im Grunde ist das Besucherzentrum ein Empfangsgebäude<br />

für die Menschen, die auf dem<br />

Gelände eine Ausstellung, das Museum oder<br />

auch das Naturpark-Haus oder das Staudenhaus<br />

besichtigen wollen. Es geht uns hier darum, Orientierung<br />

zu bieten und unsere Möglichkeiten<br />

und Angebote aufzuzeigen. Wir führen auch an<br />

das heran, was das ist, unser Schwaben, und was<br />

wir hier im Schwäbischen Volkskundemuseum<br />

machen. Das ist ja durchaus erklärungsbedürftig<br />

und noch nie so thematisiert worden.<br />

Mit Ihren Veranstaltungen, die jetzt nicht unmittelbar<br />

mit dem Museum zu tun haben müssen, aber<br />

doch zum Gesamtprogramm des Hauses gehören,<br />

stoßen Sie gelegentlich auch an die Kapazitätsgrenzen<br />

des Geländes. Oberschönenfeld wird immer häufiger<br />

zum Besuchermagnet. Ist dieses große Interesse<br />

am Programm eher Fluch oder Segen für Ihr Haus?<br />

Für uns als Museum ist es eigentlich nur schwierig,<br />

die Menschen zum ersten Mal hierherzubringen.<br />

Wer einmal hier war, kommt gerne<br />

wieder. Das können wir belegen. Darum sind<br />

Veranstaltungen mit so überwältigender Resonanz<br />

wie <strong>bei</strong>m internationalen Museumstag,<br />

<strong>bei</strong>m Museumsfest und auch <strong>bei</strong>m Weihnachtsmarkt<br />

für uns sehr wichtig. An diesen Tagen ist<br />

der Eintritt frei und wir gewinnen so ein Publikum,<br />

das sich sonst vielleicht gar nicht in eine<br />

von unseren Einrichtungen trauen würde.<br />

Also ist der gewaltige Mehraufwand, den diese Veranstaltungen<br />

bedeuten, gerechtfertigt?<br />

Es ist auch ein Service für die Besucher. Ich<br />

meine, wir bezahlen ja alles von Steuergeldern,<br />

und das ist doch eine Möglichkeit, viele anzusprechen,<br />

für die ein Museum eine Hemmschwelle<br />

darstellt.<br />

Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert definiert<br />

für <strong>a3kultur</strong> das kulturelle Engagement<br />

des Bezirks Schwaben.<br />

Um zu erklären, wie der Bezirk sein kulturelles<br />

Engagement definiert, möchte ich<br />

etwas weiter ausholen: Wir haben das Glück,<br />

in einer Region mit sehr reicher kultureller<br />

Vergangenheit zu leben – Schwaben liegt ja<br />

seit den Römern auf einer zentralen europäischen<br />

Magistrale. Über die Denkmal- und<br />

Bezirksheimatpflege, die Beratungsstellen<br />

für Trachtenkultur und Volksmusik erhalten<br />

und fördern wir schwäbische Identität. Unsere<br />

volkskundlich ausgerichteten Bezirksmuseen<br />

schlagen mit publikumsnahen<br />

Sonderausstellungen einen spannenden<br />

Bogen vom Gestern zum Heute.<br />

Kulturvermittlung heißt für den Bezirk<br />

Schwaben aber ganz und gar nicht, im Vergangenen<br />

zu schwelgen! Als überörtlicher<br />

Dienstleister im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-,<br />

Natur- und Umweltbereich sind wir<br />

über gesellschaftliche Entwicklungen im<br />

Bilde. Der Bezirk unterhält im Rahmen seiner<br />

europäischen Ar<strong>bei</strong>t Regionalpartnerschaften<br />

nach Frankreich und in die<br />

ukrainisch-rumänische Grenzregion Bukowina.<br />

In der Weise bestens vernetzt stellen<br />

wir in unserer Kulturpflege die Weichen<br />

immer neu: Denn neben dem Erhalt der<br />

schwäbischen Identität tragen wir in<br />

unserer Kulturar<strong>bei</strong>t auch maßgeblich dazu<br />

<strong>bei</strong>, dass neue kulturelle Strömungen integriert<br />

werden. Zuwanderung und steter<br />

Wandel sind so alt wie die Menschheit. Der<br />

interkulturelle Musikantenstammtisch der<br />

Volksmusikberatung, unsere wissenschaftlichen<br />

Fachtagungen, Jugendbegegnungen<br />

mit den europäischen Partnerregionen,<br />

Konzerte, Theatertage und Kulturpreise weisen<br />

hier den Weg.<br />

Kulturprojekte des Bezirks zum<br />

Jubiläumsjahr – eine Auswahl<br />

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Am Tag der »Kultur für Schwaben« am 9.<br />

Juni lädt nicht nur das Schwäbische Volkskundemuseum<br />

in Oberschönenfeld zu<br />

einem bunten Programm. Auch die Einrichtungen<br />

des Bezirks in Naichen (Hammerschmiede<br />

und Stockerhof) und Maihingen<br />

(Rieser Bauernmuseum) sowie das Schloss<br />

Höchstädt und der Volksmusik- und Trachtentag<br />

in Krumbach haben sich zu dieser<br />

Gelegenheit einiges einfallen lassen, und<br />

das <strong>bei</strong> freiem Eintritt.<br />

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Die Illustration zeigt Oberschönenfeld aus der Vogelperspektive. Neben der<br />

Zisterzienserinnenabtei rechts oben befinden sich die Gebäude des Schwäbischen<br />

Volkskundemuseums. Im Detail: a) neues Besucherzentrum b) Naturpark-Haus<br />

c) Volkskundemuseum d) Klosterkirche e) Klosterstüble f) Schwäbische<br />

Galerie. Illustration und Foto a: Bezirk Schwaben, Fotos b – f, Porträts: <strong>a3kultur</strong><br />

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Am 1. November gibt es eine zentrale Gedenkveranstaltung<br />

im Kloster Irsee in Erinnerung<br />

an die über 2.000 Patienten in Kaufbeuren<br />

und Irsee, die im Dritten Reich dem nationalsozialistischen<br />

Regime zum Opfer fielen. Es<br />

ist dem Bezirk und seinem Präsidenten wichtig,<br />

gerade in einem Jubiläumsjahr auch an<br />

diese sehr dunkle Vorgeschichte zu erinnern.<br />

Vom 13. bis zum 15. Dezember findet auch<br />

in diesem Jahr der Oberschönenfelder Weihnachtsmarkt<br />

statt.<br />

www.60-jahre-bezirk-schwaben.de<br />

w w w . a 3 k u l t u r . d e

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