Ausgabe als PDF. - Sodi
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<strong>Ausgabe</strong> 02/2013<br />
REPORT<br />
Bildquelle: Sascha Bachmann / SODI<br />
KAMPAGNE<br />
ERFOLGREICHES KAMPAGNENFINALE VON „ZEIG DEIN BEIN“<br />
NAMIBIA<br />
Für sexuelle Selbstbestimmung und<br />
Gleichberechtigung<br />
SCHWERPUNKT<br />
Diversität / Inklusion<br />
BELARUS<br />
Rückblick auf den 27.Gedenktag<br />
der Tschernobyl-Katastrophe<br />
MOSAMBIK<br />
Kleinbäuerliche Rechte stärken
2 EDITORIAL<br />
The Big Five – Der Postkolonialismus des BMZ<br />
3 KAMPAGNE<br />
Erfolgreiches Kampagnenfi nale von „Zeig dein<br />
Bein“<br />
4 MOSAMBIK<br />
Rechte haben und Rechte bekommen<br />
5 VIETNAM<br />
Gesundheit durch Vorbeugung<br />
5 SÜDAFRIKA<br />
Berufl iche Ausbildung mit Zukunft<br />
6 KAMPAGNE<br />
UmFAIRteilen<br />
7 NAMIBIA<br />
Wenn eine Idee zur Realität wird<br />
8 POSITION<br />
Inklusion – Chance zu mehr Gerechtigkeit?<br />
9 SCHWERPUNKT<br />
Vielfalt <strong>als</strong> Normalfall<br />
10 SCHWERPUNKT<br />
Für sexuelle Selbstbestimmung und Gleichberechtigung<br />
11 SCHWERPUNKT<br />
Gemeinsam einen Weg aus der Armut fi nden<br />
12 LAOS<br />
Aktuelle Herausforderungen für SODI<br />
13 MOSAMBIK<br />
Zu Gast bei Freunden<br />
14 KUBA<br />
Solidarität ist für Kuba nicht nur ein Lippenbekenntnis<br />
15 BELARUS<br />
Gegen das Verdrängen und Vergessen<br />
16 DIE LETZTE SEITE<br />
Rückblick: Konferenz Krieg und Frieden<br />
SODI-Fördermitgliedschaft<br />
Veranstaltungen<br />
THE BIG FIVE – DER POSTKOLONIALISMUS<br />
DES BMZ<br />
• Liebe Leserinnen und Leser,<br />
wer <strong>als</strong> aufmerksame/r Beobachter/in im Mai durch<br />
die Straßen eilte, konnte sie eigentlich nicht übersehen:<br />
die Plakatkampagne des Bundesministeriums<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) mit dem selbst ernannten Ziel, Lust auf Entwicklungspolitik<br />
zu machen. Das BMZ wolle „möglichst<br />
viele Menschen erreichen und zu Engagement<br />
und Mitmachen ermutigen“, teilt Entwicklungsminister<br />
Dirk Niebel beim Startschuss der Kampagne mit, die<br />
auch mit Unterstützung der Umweltorganisation WWF<br />
umgesetzt wurde. Auf den Plakaten sind der Kontinent<br />
Afrika und fünf afrikanische Tiere abgebildet, denen<br />
jeweils ein Entwicklungsziel, z. B. Armut bekämpfen –<br />
Wachstum fördern, zugeordnet ist. Überschrieben ist<br />
die Kampagne mit „The Big Five!“.<br />
Die Darstellung von Entwicklungspolitik auf Plakaten<br />
ist seit jeher von Klischees und Stereotypen geprägt.<br />
Man denke nur an die Darstellungen von hungernden<br />
Kindern, die vor allem über die Erregung von Mitleid<br />
zu Spenden anregen wollen. Dabei vermitteln diese<br />
Darstellungen auch ein Bild von Afrika, das ausschließ-<br />
lich negativ ist, die Menschen <strong>als</strong> Opfer darstellt und<br />
immer wieder deutlich macht, dass nur der Westen<br />
Afrika helfen kann. Eine ähnliche Aussage formuliert<br />
auch die BMZ-Kampagne, nämlich Afrika mit Tieren<br />
anstatt mit Menschen zu symbolisieren, auf die Natur<br />
statt auf die Kultur aufmerksam zu machen. Zudem<br />
bedient sie sich mit den „Big Five“ einem kolonialen<br />
Begriff, den Großwilderer für diejenigen Tiere verwendeten,<br />
die am Schwierigsten zu jagen waren.<br />
Diese Form der Darstellung lehnt SODI ab. Ein differenziertes<br />
Bild von der Welt zu vermitteln, Menschen<br />
des Südens <strong>als</strong> Akteure darzustellen, die Ursachen von<br />
Armut – dazu zählt auch Kolonialismus – aufzuzeigen,<br />
dafür setzt sich SODI in seiner Bildungs- und Kampagnenarbeit<br />
ein. Aus diesem Grund hat SODI gemeinsam<br />
mit anderen Organisationen einen offenen Brief an<br />
das BMZ unterzeichnet, in dem gefordert wird, andere<br />
Bilder für die Öffentlichkeitarbeit zu verwenden – eben<br />
über den Tellerrand hinauszuschauen.<br />
Sylvia Werther<br />
Geschäftsführerin<br />
IMPRESSUM<br />
Der SODI-Report wird herausgegeben und verlegt vom<br />
Solidaritätsdienst-international e. V. (SODI)<br />
Grevesmühlener Str. 16 - 13059 Berlin<br />
Tel.: 030 / 920 90 93-0; Fax: 030 / 920 9093-29<br />
E-Mail: info@sodi.de; Internet: www.sodi.de<br />
Spendenkonto: 10 20 100;<br />
Bank für Sozialwirtschaft: BLZ 100 205 00<br />
V.i.s.d.P.: Sylvia Werther; Redaktion: Dörte Lüneberg<br />
Gestaltung: Sven Ladhari<br />
Büro für Gestaltung, Sabine Bielfeldt<br />
Erscheint vierteljährlich; Redaktionsschluss: 23.05.2013<br />
Die Redaktion behält sich vor Leserzuschriften auch gekürzt<br />
zu veröffentlichen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben nicht unbedingt die Meinung von SODI wieder.<br />
Nachdruck ist erwünscht, Redaktion bittet um Belegexemplar.<br />
Herstellung: Oktoberdruck AG, gedruckt auf 100%<br />
Altpapier, zertifi ziert mit dem Umweltzeichen ‚Blauer Engel‘<br />
2<br />
SODI-Report 02/2013
ERFOLGREICHES KAMPAGNEN-<br />
FINALE VON „ZEIG DEIN BEIN“<br />
Der 4. April ist der internationale Tag zur Aufklärung über die Minengefahr. An diesem besonderen<br />
Tag fand auch die internationale Kampagne „Lend Your Leg – Zeig dein Bein für eine Welt<br />
ohne Minen“, die in Deutschland von SODI und Handicap International umgesetzt wurde, ihren<br />
Höhepunkt. In Berlin und München gab es viele Aktionen, die nicht nur zahlreiche PassantInnen<br />
anlockten, sondern auch ein großes Medieninteresse hervorriefen.<br />
• „Zeig dein Bein für eine Welt ohne Minen“ –<br />
unter diesem Motto engagierten sich in Deutschland<br />
und weltweit vom 1. März bis zum 4. April Menschen<br />
gegen Landminen und Streumunition. Bereits 2012<br />
mobilisierten SODI und Handicap International<br />
erfolgreich für diese Kampagne. Im Mittelpunkt der<br />
diesjährigen Kampagne stand eine Petition, die die<br />
US-Regierung auffordert, endlich dem Vertrag über<br />
ein Verbot von Anti-Personen-Minen beizutreten. Der<br />
1997 geschlossene Vertrag wurde bisher von 162<br />
Staaten unterzeichnet. Weltweit unterschrieben rund<br />
50.000 Menschen die Petition.<br />
Seit dem Kampagnenstart am 1. März fand die<br />
Kampagne „Lend your leg – Zeig dein Bein für eine<br />
Welt ohne Minen“ weltweit und auch in Deutschland<br />
prominente Unterstützung. Mit einer einfachen Geste<br />
– einem hochgeschlagenen Hosenbein – zeigten<br />
hierzulande Hunderte engagierte Menschen, darunter<br />
auch Prominente wie Schauspielerin Ulrike Folkerts<br />
und Sänger Sebastian Krumbiegel sowie zahlreiche<br />
PolitikerInnen aller Parteien, wie wichtig es ist, dass<br />
endlich in allen Ländern Landminen und Streubomben<br />
verboten werden. Auch international zeigte die<br />
Kampagne Wirkung, neben UN-Gener<strong>als</strong>ekretär Ban<br />
Ki-moon zeigte auch Prinzessin Astrid von Belgien<br />
„Bein“.<br />
Die Abschlussaktionen am 4. April in Berlin und München<br />
waren ein großer Erfolg, was sich auch in dem<br />
regen Medieninteresse widerspiegelte: Neben der<br />
Tagesschau berichteten sechs weitere Fernsehanstalten<br />
und wichtige Tageszeitungen. Vor dem Brandenburger<br />
Tor in Berlin zeigte ein Kampfmittelräumer auf<br />
einem künstlichen Minenfeld seine riskante Arbeit.<br />
Gespannt beobachteten PassantInnen die Arbeit des<br />
Experten. Eine gute Möglichkeit, um so auf die noch<br />
immer lauernden Gefahren von Minen und Blindgängern<br />
aufmerksam zu machen. Lebensgroße Tafeln von<br />
Minenopfern mahnten mit eindringlichen Worten und<br />
standen stellvertretend für über 500.000 überlebende<br />
Opfer von Minen und anderen Blindgängern. Da der<br />
US-Botschafter in Berlin für eine Übernahme der gesammelten<br />
Unterschriften leider nicht zur Verfügung<br />
stand, wurde das Petitionsbuch in einer symbolischen<br />
Aktion übergeben.<br />
In München stand der stets menschengefüllte Marienplatz<br />
vor dem Rathaus im Zeichen des Engagements<br />
für eine Welt ohne Minen. Durch eine sechs Meter<br />
lange Hose mit einem hochgerollten Hosenbein wurden<br />
PassantInnen schon von weitem auf die Veranstaltung<br />
aufmerksam. Eine eindrucksvolle Inszenierung<br />
des Kampagnensymbols! Auch in München fanden<br />
auf einem künstlichen Minenfeld Entminungsvorführungen<br />
statt. Prominente Unterstützung erhielt die<br />
Veranstaltung durch die Regisseurin Doris Dörrie und<br />
den dritten Bürgermeister Münchens, Hep Monatzeder.<br />
Zusammen mit vielen MünchnerInnen – und mit<br />
hochgeschlagenem Hosenbein – ließen sie sich vor<br />
dem Rathaus und der „Riesenhose“ ablichten.<br />
Eine Welt ohne Minen und Streubomben muss keine<br />
Illusion sein. Das zeigen die Erfolge internationaler<br />
Nichtregierungsorganisationen seit dem Inkrafttreten<br />
des Vertrags über ein Verbot von Anti-Personen-Minen.<br />
Wir hoffen, dass die USA dem Beispiel der anderen<br />
Vertragsstaaten bald folgen wird, indem sie dem<br />
Abkommen beitreten und damit weitere Staaten dazu<br />
bewegen, sich anzuschließen.<br />
Linda Englisch<br />
Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit, Handicap International<br />
Dörte Lüneberg<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, SODI<br />
Quelle: S. Bachmann / SODI<br />
In einer symbolischen<br />
Aktion übergaben die<br />
beiden GeschäftsführerInnen<br />
von SODI und<br />
Handicap International<br />
fast 50.000 Unterschriften<br />
an die US-Regierung.<br />
Zudem zeigten erfahrene<br />
Kampfmittelräumer bei<br />
den Aktionen in Berlin<br />
und München ihre riskante<br />
Arbeit<br />
Quelle: S. Bachmann / SODI<br />
SODI-Report 02/2013 3
RECHTE HABEN UND RECHTE<br />
BEKOMMEN<br />
Finanzieren Sie durch<br />
Ihre Spende Trainingsmaßnahmen<br />
für<br />
nachhaltige Landwirtschaft<br />
und helfen Sie<br />
dabei, Kleinbauern/<br />
-bäuerinnen den<br />
Zugang zu Land und<br />
deren Landrechte zu<br />
sichern.<br />
Für 30 Euro kann<br />
ein/e Kleinbauer/-<br />
bäuerin an einem<br />
landwirtschaftlichen<br />
Training teilnehmen.<br />
!<br />
SPENDENKENNWORT<br />
MOSAMBIK<br />
Projektlaufzeit<br />
März 2013 bis<br />
Februar 2014<br />
Projektkosten<br />
41.398 €<br />
Finanzierung<br />
Fördermittel: 31.048 €<br />
(BMZ)<br />
Spenden: 10.350 €<br />
Projektregion<br />
Provinz Gaza, Mosambik<br />
Projektpartner<br />
União Nacional de<br />
Camponeses (UNAC)<br />
In einem neuen Projekt unterstützen die mosambikanische Kleinbauernbewegung UNAC und<br />
SODI mehr <strong>als</strong> 300 lokale Kleinbauern und -bäuerinnen durch landwirtschaftliche Schulungen und<br />
bei der Legalisierung ihrer Assoziationen. Die Unterstützung und die Sicherung der Rechte von<br />
Kleinbauern und -bäuerinnen sind notwendig, um eine landwirtschaftliche und menschenrechtsbasierte<br />
Entwicklung zu ermöglichen.<br />
• Luis Muchanga, nationaler Koordinator von der<br />
mosambikanischen Kleinbauernbewegung União<br />
Nacional de Camponeses (UNAC), bringt es auf den<br />
Punkt: „Um den Entwicklungsprozess im Landwirtschaftssektor<br />
voranzutreiben, müssen die Kooperativen<br />
und Kleinbauern/-bäuerinnen unterstützt werden“.<br />
Ungefähr Dreiviertel der mosambikanischen Bevölkerung<br />
sind in der Landwirtschaft tätig, überwiegend<br />
<strong>als</strong> Kleinbauern/-bäuerinnen. Die landwirtschaftliche<br />
Produktion ist notwendig für die Ernährungssicherung<br />
der Familien, sie stellt aber auch eine Einkommensquelle<br />
dar. Oftm<strong>als</strong> ist die landwirtschaftliche Produktion<br />
jedoch nicht ausreichend, um eine umfassende<br />
Nahrungsmittelversorgung zu ermöglichen.<br />
Zusammen mit UNAC werden 15 landwirtschaftliche<br />
Assoziationen im Manjacaze-Distrikt in der Provinz<br />
Gaza unterstützt, um ihre Ernährungssituation zu<br />
stärken, Rechte wahrzunehmen und einzufordern.<br />
Mehr <strong>als</strong> 300 kleinbäuerliche ProduzentInnen sind in<br />
den Assoziationen organisiert. Mit mehr <strong>als</strong> 70 Prozent<br />
stellen Frauen die überwiegende Anzahl der Mitglieder.<br />
Auch sind sie zunehmend in den Leitungspositionen<br />
vertreten.<br />
Vielseitige Rechte von Kleinbauern/-bäuerinnen<br />
stärken<br />
Kleinbauern/-bäuerinnen besitzen das Recht auf<br />
ausreichende Nahrung, sowohl <strong>als</strong> landwirtschaftliche<br />
ProduzentInnen <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> KonsumentInnen. In Mosambik<br />
lebt vor allem die ländliche Bevölkerung unter<br />
ärmlichen Bedingungen, ohne ausreichende Nahrung.<br />
Als Mitglieder von Assoziationen, Zusammenschlüssen<br />
und Initiativen haben Bauern/Bäuerinnen das<br />
Recht auf Mitbestimmung bei Entscheidungen. Ohne<br />
das Recht auf Zugang zu Land und die Sicherung<br />
ihrer Besitzrechte an Boden können Bauern/Bäuerinnen<br />
nicht landwirtschaftlich tätig sein und verlieren<br />
ihre Existenz- und Lebensgrundlage. Gerade Mosambik<br />
ist von großfl ächigen Landnahmen durch<br />
internationale Agrarunternehmen betroffen.<br />
Lokale Assoziationen und ihre Mitglieder unterstützen,<br />
um Rechte wahrzunehmen<br />
Die Unterstützung der Assoziationen und ihrer<br />
Mitglieder hat vor allem zum Ziel, dass sie ihre<br />
Rechte kennen, um diese auch wahrzunehmen.<br />
Um dies zu erreichen, soll die landwirtschaftliche<br />
Produktion verbessert werden, um das Recht auf<br />
Nahrung zu stärken. Dazu werden mehrtägige<br />
Trainingsmaßnahmen für Mitglieder in nachhaltiger<br />
und standortgerechter Landwirtschaft durchgeführt<br />
und für einzelne Mitglieder Erfahrungsaustausche<br />
mit anderen Gruppen ermöglicht, um voneinander zu<br />
lernen. Auch werden Geräte wie Hacken oder Pfl üge<br />
angeschafft, um alte Geräte zu ersetzen oder neue<br />
bereitzustellen. Die Legalisierung von Assoziationen<br />
bildet die Grundlage, um Landrechte und -zugang zu<br />
sichern. Daher werden mindestens vier Assoziationen<br />
auf ihrem Weg der Legalisierung unterstützt. Zudem<br />
werden die Assoziationen durch Trainingsmaßnahmen<br />
in genossenschaftlichem Leben für Mitglieder und<br />
Leitungsgremien organisatorisch gestärkt. Die Durchführung<br />
von Mitgliederversammlungen oder Trainings<br />
gewährleistet, dass die Mitglieder ihre Interessen und<br />
politische Forderungen – wie fehlenden Landzugang<br />
– formulieren und einfordern. Am Ende des Projektes<br />
soll ein gemeinsames Forderungspapier an die<br />
mosambikanische Politik überreicht werden.<br />
Die meisten EinwohnerInnen der Provinz Gaza sind<br />
abhängig von der Landwirtschaft<br />
Andreas Bohne<br />
Projektmanager Afrika<br />
4<br />
SODI-Report 02/2013
GESUNDHEIT DURCH VORBEUGUNG<br />
Bevor im Juni das Gesundheitszentrum in der Gemeinde Hai Thuong eröffnet wird, klärt die<br />
Distriktverwaltung, SODIs Projektpartner, die Menschen über gesundheitserhaltende Maßnahmen<br />
auf.<br />
• Für die rund 20.000 Menschen in vier Gemeinden<br />
bedeutet die bevorstehende Eröffnung des Gesundheitszentrums<br />
eine erhebliche Verbesserung der<br />
medizinischen Versorgung. Doch ebenso wichtig ist es,<br />
häufi ge Krankheiten wie Durchfall oder Denguefi eber<br />
durch Verhaltensänderungen gar nicht erst entstehen<br />
zu lassen. Die mangelhafte Versorgung mit Toiletten<br />
und der unzureichende Zugang zu sauberem Trinkwasser,<br />
aber auch fehlendes Wissen über die Aufbereitung<br />
von Trinkwasser, tragen zu der schlechten gesundheitlichen<br />
Situation in den Gemeinden bei. Fast die Hälfte<br />
der Familien dort hat keine eigene Toilette. Ein Viertel<br />
hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, oder<br />
es fehlt an Wissen, wie Wasser beispielsweise durch<br />
Filtern oder Abkochen gereinigt werden kann.<br />
Um diese Situation zu ändern, beinhaltet das Projekt<br />
nicht nur den Bau und die Ausstattung des Gesund-<br />
heitszentrums, sondern auch Aufklärungskurse für die<br />
Bevölkerung. Über 1.000 Menschen haben bereits<br />
an Kursen teilgenommen und gelernt, wie man sich<br />
mit einfachen Hygienemaßnahmen, wie u. a. das<br />
Händewaschen mit Seife, vor Infektionskrankheiten<br />
schützen kann. Die Teilnehmenden wurden auch<br />
darüber aufgeklärt, wie die richtige Abfallbeseitigung<br />
und das Sauberhalten des gesamten Wohnumfeldes,<br />
z. B. durch den Bau einfacher Toiletten, einen Beitrag<br />
zur allgemeinen Gesundheit leisten können. Die<br />
Überzeugungsarbeit hat funktioniert: Nach den Aufklärungskursen<br />
haben 25 Prozent der Teilnehmenden<br />
eine eigene Toilette gebaut und 80 Prozent nutzen<br />
aufbereitetes Trinkwasser.<br />
Susanne Wienke<br />
Projektmanagerin Asien<br />
Retten Sie Leben und<br />
tragen Sie mit Ihrer<br />
Spende dazu bei, dass<br />
ein Gesundheitszentrum<br />
für vier umliegende<br />
Gemeinden<br />
entstehen kann.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
!<br />
VIETNAM<br />
BERUFLICHE AUSBILDUNG MIT ZUKUNFT<br />
Mit über 2.500 Sonnenstunden pro Jahr ist Südafrika eines der sonnenreichsten Länder der Erde.<br />
Es liegt daher nahe, diese erneuerbare und kostenlose Energieform gerade hier zu nutzen –<br />
insbesondere in den ärmsten Gebieten des Landes, in den sogenannten Townships.<br />
• Im Township Philippi, nahe des Kapstadter Flughafens,<br />
leben bis zu 400.000 Menschen in ärmsten<br />
Verhältnissen in Wellblech- und Bretterhütten. SODIs<br />
Projektpartner, das Gemeindezentrum „iThemba<br />
Labantu“ (Hoffnung für die Menschen), eine soziale<br />
Einrichtung der evangelischen Kirche in Südafrika,<br />
kümmert sich um die einkommenslose Bevölkerung<br />
in dieser Armensiedlung und bildet – neben vielen<br />
anderen Programmen – junge Männer und Frauen aus<br />
dem Township in einem intensiven, viermonatigen Training<br />
zu SolartechnikerInnen aus und vermittelt ihnen<br />
Grundkenntnisse in der Nutzung von solarer Energiegewinnung.<br />
Es werden dabei sowohl die Warmwasser-<br />
Erzeugung <strong>als</strong> auch Photovoltaik unterrichtet.<br />
Die Arbeitslosigkeit in Philippi liegt bei über 50<br />
Prozent und so ist bereits die Ausbildungszeit für die<br />
jungen Männer und Frauen der erste Schritt in ein<br />
neues Leben. Sie lernen, einem geregelten Tagesablauf<br />
nachzugehen, mehr Selbstständigkeit und sie kommen<br />
raus aus dem hoffnungslosen Strudel von Gewalt,<br />
Drogenkonsum und Lethargie.<br />
Natürlich kann nicht erwartet werden, dass nach<br />
dieser Lehre alle SchülerInnen <strong>als</strong> SolartechnikerInnen<br />
eine feste Anstellung fi nden, dennoch eröffnet die<br />
Ausbildung die Chance auf das erste selbstverdiente<br />
Geld und gibt eine greifbare Perspektive. Gelingt es einer/einem<br />
SchülerIn einen Arbeitsplatz zu bekommen,<br />
hat sich die Anstrengung bereits gelohnt; denn schon<br />
ein verdienendes Familienmitglied kann in Philippi<br />
eine Großfamilie ernähren.<br />
Prof. Alexander Krombholz<br />
Elektro-Ingenieur<br />
Dank Ihrer finanziellen Unterstützung konnte<br />
zwanzig jungen, arbeitslosen Menschen durch<br />
diese Ausbildung neuer Lebensmut gegeben<br />
werden. Das Projekt wurde im April erfolgreich<br />
abgeschlossen.<br />
Die Azubis lernten nicht nur im Klassenraum, sondern<br />
machten auch viele praktische Übungen<br />
Der Elektro-Ingenieur<br />
Prof. Alexander Krombholz<br />
unterrichtet an<br />
verschiedenen deutschen<br />
und schweizer Hochschulen.<br />
Von Februar bis April<br />
2013 war er in Kapstadt<br />
und unterstützte dort <strong>als</strong><br />
Trainer ehrenamtlich das<br />
Solar-Projekt.<br />
SODI-Report 02/2013<br />
5
GERECHTE VERTEILUNG IST<br />
EINE ÜBERLEBENSFRAGE<br />
Ein Trägerkreis von über 20 Nichtregierungsorganisation, Vereinen und Verbänden fordert mit<br />
der Kampagne umFAIRteilen eine stärkere Besteuerung von Reichtum zur Finanzierung des Sozi<strong>als</strong>taats,<br />
zur Eindämmung der Finanz- und Wirtschaftskrise und zur Bekämpfung der weltweiten<br />
Armut. Auch SODI unterstützt die Kampagne.<br />
Das Interview mit Anne Jung, Campaignerin bei medico international und im Trägerkreis der Kampagne, führte<br />
Dörte Lüneberg, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei SODI.<br />
Anne Jung ist Politikwissenschaftlerin<br />
und seit<br />
1998 Campaignerin bei<br />
der sozialmedizinischen<br />
Hilfs- und Menschenrechtsorganisation<br />
medico international.<br />
Seit Beginn der Kampagne<br />
UmFAIRteilen setzt<br />
sich Anne Jung für eine<br />
stärkere Besteuerung von<br />
Reichtum zur Finanzierung<br />
des Sozi<strong>als</strong>taats<br />
und zur Bekämpfung der<br />
weltweiten Armut ein.<br />
• Im Sommer letzten Jahres startete die<br />
Kampagne UmFAIRteilen mit viel Elan und<br />
vielen Bündnispartnern. Über 40.000 Menschen<br />
demonstrierten in ganz Deutschland für eine<br />
gerechte Verteilung des Vermögens von oben<br />
nach unten. Doch dann wurde es zunehmend<br />
still um die Kampagne. Und auch beim diesjährigen<br />
Aktionstag beteiligten sich zwar mehr<br />
Städte, mit jedoch weitaus weniger TeilnehmerInnen.<br />
Hat das Bündnis seinen anfänglichen<br />
Schwung verloren?<br />
Die Mobilisierung läuft tatsächlich nicht ganz so gut<br />
wie gehofft. Es zählen aber nicht nur die Teilnehmerzahlen<br />
bei Demos. Das Thema Umverteilen ist auf der<br />
politischen Agenda und das ist ein großer Erfolg. In allen<br />
Talkshows wird über Armut und Reichtum gestritten<br />
und alle Parteien fühlen sich inzwischen genötigt,<br />
zum Thema Umverteilen eine Position einzunehmen.<br />
Seht ihr eine reelle Chance für eure Forderungen?<br />
Die Kampagne Umfairteilen erhebt ihre Forderungen<br />
nach einer gerechteren Verteilung des gesellschaftlichen<br />
Reichtums zu einem guten Zeitpunkt. Es sind<br />
global betrachtet genügend Ressourcen für alle da,<br />
denn nie zuvor war die Weltgesellschaft so wohlhabend<br />
wie heute. Wenn der politische Wille da ist, lässt<br />
sich fast alles ändern. Der Beitrag der Kampagne ist<br />
es, die Politik unter Druck zu setzen. Es ist eine Frage<br />
der Gerechtigkeit, dass Reiche überall auf der Welt<br />
maßgeblich zur Finanzierung der staatlichen Sozialausgaben<br />
beitragen müssen.<br />
Was stellt ihr euch unter einer „fairen Umverteilung“<br />
vor?<br />
Wir brauchen eine europaweit koordinierte Reichensteuer,<br />
um kontinuierlich den vorhandenen Reichtum<br />
global umzuverteilen. Auch durch Erbschaften wird<br />
Reichtum von Generation zu Generation weitergegeben.<br />
Die Erbschaftsteuer kann da keinen Ausgleich<br />
schaffen: Umfangreiche Ausnahmeregelungen<br />
ermöglichen vor allem Unternehmen Milliardenwerte<br />
steuerfrei zu übertragen. Weltweit haben es Regierungen<br />
versäumt, eine Reihe von Regelungen durchzusetzen,<br />
mit denen verhindert werden kann, dass Kapital<br />
und Gewinne der Besteuerung entzogen werden.<br />
Dadurch gehen Staaten notwendige Einnahmen für<br />
Sozialausgaben verloren; den Preis für den gewaltigen<br />
Reichtum Weniger zahlen Millionen Arme.<br />
Wie schlägt die Kampagne die Brücke vom<br />
Globalen Norden in den Globalen Süden?<br />
Die Verbindung liegt auf der Hand. Die genannten<br />
steuerbezogenen Maßnahmen haben ja alle schon<br />
eine globale Dimension. Wenn wir über Umverteilung<br />
sprechen, dann müssen wir auch die globalen<br />
Handelsbeziehungen in den Blick nehmen. Solange<br />
wir aber hierzulande von billigen Rohstoffi mporten<br />
profi tieren und T-Shirts inzwischen für ein paar Euro<br />
zu haben sind, während in den Ländern Südasiens<br />
Tausende Näherinnen ihre Gesundheit ruinieren und<br />
sterben, weil die europäischen Textilfi rmen aus einer<br />
Mischung aus Ignoranz und Profi tgier keinen Arbeitsschutz<br />
vorsehen, dann wird die globale Ungleichheit<br />
weiter zunehmen. Die Europäische Union ist übrigens<br />
ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, diese<br />
Strukturen und damit auch die Abhängigkeiten dieser<br />
Länder zu erhalten und auszubauen.<br />
Die Kampagne konzentriert sich ja auf die<br />
Besteuerung von Reichtum. Wie stellt ihr euch<br />
die Umsetzung dieses Ziels in einer globalisierten<br />
Welt vor, in der die Ausbeutung der Ärmsten<br />
und Steuerflucht zur Normalität gehören?<br />
Natürlich lassen sich durch Steuerregelungen die<br />
ungerechten gesellschaftlichen Produktions- und<br />
Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus nicht grundlegend<br />
verändern. Doch die negativen Effekte für die<br />
Allgemeinheit lassen sich durch eine permanente,<br />
kontrollierte Umverteilung von oben nach unten<br />
begrenzen. Steuerregelungen zur Erhöhung von<br />
Staatseinnahmen stellen trotz aller Begrenztheit ein<br />
erfolgversprechendes Mittel dar.<br />
Was sind die nächsten Schritte der Kampagne?<br />
Wie kann man sich beteiligen?<br />
Nach der Bundestagswahl wird es hierzulande darum<br />
gehen, die PolitikerInnen an ihre Wahlversprechen zu<br />
erinnern und mit politischem Druck von unten auf die<br />
Durchsetzung der Reichensteuer zu dringen. Und wir<br />
werden weiterhin mit unseren Partnerorganisationen<br />
aus vielen Ländern des Südens um gerechte Verteilung<br />
kämpfen.<br />
6<br />
SODI-Report 02/2013
WENN EINE IDEE ZUR<br />
REALITÄT WIRD<br />
Corris Kaapehi, Mitarbeiter der namibischen Partnerorganisation von SODI, EduVentures, gibt<br />
einen Einblick über die ersten Schritte im Projekt „EduMobile – Mobile Umweltbildung“.<br />
Das Fahrzeug, mit<br />
dem Umweltbildung<br />
in entlegene Schulen<br />
Namibias gebracht<br />
wird, ist bereits vorhanden.<br />
Jetzt fehlt<br />
nur noch die Ausstattung.<br />
Helfen Sie mit!<br />
Für 100 Euro können<br />
Schreibhefte und<br />
Bücher zum Thema<br />
Umweltschutz für<br />
eine Schulklasse<br />
erworben werden.<br />
Das Fahrzeug mit dem zukünftig Umweltbildung in<br />
entlegene Schulen Namibias gebracht werden soll, ist<br />
vor kurzem bei SODIs Partnerorganisation eingetroffen.<br />
Die Mitarbeiter von EduVentures nehmen schon<br />
einmal Platz<br />
SPENDENKENNWORT<br />
!<br />
NAMIBIA<br />
• Die Idee eines mobilen Umweltklassenzimmers<br />
für Namibia, welche die EduVentures Mitarbeiter<br />
Benson Muramba und Holger Vollbrecht entwickelt<br />
haben, wird langsam zur Realität: mit dem Kauf eines<br />
Mitsubishi Fuso 4WD. Dieser Truck wird in ein mobiles<br />
Klassenzimmer umgebaut, um so Umweltbildung in<br />
entlegene Schulen Namibias zu bringen.<br />
Auf die Idee kam Benson Muramba im Jahr 2009.<br />
Auf einer Konferenz in Deutschland sah er einen Truck<br />
für Umweltbildung, ausgestattet mit verschiedenen<br />
Materialien und Apparaten. Sofort wusste er, dass dies<br />
die perfekte Lösung für das weite Namibia mit seinen<br />
entfernten Gebieten ist. Mit Unterstützung vieler<br />
Institutionen und einzelner Personen wurde die Idee<br />
jetzt Realität.<br />
Gegenwärtig ist das Team von EduVentures damit<br />
beschäftigt, die Bildungsmaterialien für das EduMobile<br />
(Fahrzeug zur mobilen Umweltbildung) zu entwickeln.<br />
Da die Materialien für Schulen gedacht sind, haben<br />
wir ein sogenanntes Umweltnetzwerk etabliert. Das<br />
Netzwerk besteht aus zehn SchülerInnen aus drei<br />
Schulen in Windhoek. Die SchülerInnen helfen uns zu<br />
verstehen, welche Themen jungen Menschen wichtig<br />
sind und wie diese spannend und interessant aufbereitet<br />
werden können. Außerdem ermöglichen uns<br />
die SchülerInnen Gespür dafür zu entwickeln, welche<br />
Aktivitäten von zukünftigen Umweltklubs – das sind<br />
kleine Schülergruppen, die an ihren Schulen gezielt<br />
Umweltaktionen planen und durchführen – möglich<br />
sind. Schließlich ist der Aufbau von Umweltklubs an<br />
Schulen eines der Projektziele.<br />
Daneben besuchten wir im März andere Organisationen,<br />
um von ihren Erfahrungen zu lernen und Ideen<br />
auszutauschen. Wir erhielten viel Unterstützung. So<br />
hat der Namib Desert Environmental Education Trust<br />
großes Interesse an unserem Projekt geäußert und<br />
uns Tipps für Aktivitäten und Spiele gegeben, die<br />
später mit den SchülerInnen durchgeführt werden<br />
können.<br />
Corris Kaapehi<br />
Projektmanager bei EduVentures<br />
Corris Kaapehi<br />
besitzt einen Abschluss<br />
im Bereich Naturschutz<br />
und ist Projektmanager<br />
bei EduVentures, SODIs<br />
namibischer Partnerorganisation.<br />
Er ist u.a.<br />
verantwortlich für das<br />
EduMobile-Projekt und<br />
erster Ansprechpartner<br />
bei der Kommunikation<br />
zwischen SODI und Edu-<br />
Ventures.<br />
SODI-Report 02 /2013 7
INKLUSION – CHANCE ZU MEHR<br />
GERECHTIGKEIT?<br />
Das Wort Inklusion bedeutet Einbezug und im makro-gesellschaftlichen Kontext meint es „mitgenommen<br />
werden“, „für alle einen Lebensraum schaffen“. Einen Lebensraum, der sich für alle<br />
innerhalb der Gesellschaft befindet.<br />
Lucía Muriel stammt aus<br />
Ecuador und ist Diplompsychologin.<br />
Seit 1984<br />
engagiert sie sich in der<br />
bundesweiten politischen<br />
Migrant/innenarbeit.<br />
Sie ist Gründungsmitglied<br />
des migrantischen<br />
Berliner Verbandes in<br />
der EINE-Welt-Arbeit<br />
moveGLOBAL e.V. sowie<br />
des Bundesverbandes<br />
Migration, Entwicklung<br />
und Partiziaption MEPa<br />
e.V. Seit Mai 2013 ist sie<br />
Fachpromotorin für die<br />
Stärkung des zivilgesellschaftlichen<br />
Engagements:<br />
Empowerment<br />
von Migrant/innen und<br />
Diaspora bei moveGLO-<br />
BAL.<br />
• Inklusion betrachtet die Gesellschaft <strong>als</strong> ein System,<br />
in dem es ein Innen und ein Außen gibt. Einbezogen<br />
wird von außen nach innen, von der Peripherie in<br />
das Zentrum, vom Rand in die Mitte. Einbezogen werden<br />
Menschen oder Gruppen, die sich aufgrund ihrer<br />
Merkmale, Lebensweisen, ihrer Biografi en, Herkunft<br />
oder Religion bisher am Rande der gesellschaftlich<br />
wichtigsten Bereiche und Prozesse befi nden und sogar<br />
außerhalb des Zugangs zu gesellschaftlichen Gütern.<br />
Außerhalb des Zentrums<br />
Am Rande zu stehen bedeutet außerhalb des Zentrums<br />
leben zu müssen. Das Zentrum ist der Ort, wo<br />
beispielsweise politisch-relevante Entscheidungen<br />
getroffen werden, wo gestaltet wird, wo Macht ausgeübt<br />
wird, wo die Begriffs- <strong>als</strong> auch die Deutungsmacht<br />
sitzt. Das Zentrum ist schließlich der Ort, in dem mit<br />
einem oftm<strong>als</strong> erstaunlichen Sinn für Differenzierungen<br />
und Abgrenzungen bestimmt wird, wer in die<br />
Mitte und wer zum Rand gehört. Hier wird bestimmt,<br />
wie ein/e Träger/in bestimmter Merkmale wann an<br />
der Macht, an den Entscheidungen einbezogen wird<br />
und wann nicht. Und, hier werden auch die Grenzen<br />
gezogen zwischen Mitte und Rand.<br />
Es gibt Ausgrenzung<br />
So sehr, wie wir dem Begriff Inklusion im Mainstreaming<br />
begegnen, so sehr weist er auch darauf hin,<br />
dass es Exklusion, <strong>als</strong>o Ausgrenzung gibt. Gleichzeitig<br />
verdeutlicht der Begriff das Gewicht struktureller<br />
Exklusion. Die Rhetorik im Mainstreaming erweckt<br />
manches Mal den Eindruck, es genüge von Inklusion<br />
zu reden, sich ein paar Instruktionen dazu anzueignen<br />
und dann wäre man/frau schon auf dem richtigen<br />
Weg zur Inklusion. Aber Vorsicht, der Weg ist lang<br />
und voller Barrieren, von denen heute nur diejenigen<br />
ahnen – wie sie heißen, wo sie stehen, wie real und<br />
beschwerlich sie zu überwinden sind – die an den<br />
Rand gedrängt werden. Das Anerkennen der Existenz<br />
von Barrieren allein ist noch lange nicht das Ziel.<br />
Chancengleichheit anstelle von Gleichberechtigung<br />
Neulich sah ich zwei Zeichnungen, die genau illustrierten,<br />
wovon hier die Rede ist: An der Zuschauertribüne<br />
eines Fußballstadions standen auf der einen Seite drei<br />
Personen mit unterschiedlichen Körpergrößen. Der,<br />
der am höchsten gewachsen war, konnte im Stehen<br />
bequem das gesamte Fußballfeld überschauen, der<br />
Mittlere stand auch, konnte aber nur mit Mühe über<br />
die anderen hinweg sehen und der Kleinste stand mit<br />
ihnen auf der gleichen Reihe, konnte aber aufgrund<br />
seines Wachstums das Fußballspielfeld gar nicht erblicken.<br />
Sein Ausblick war völlig verstellt. Darunter stand<br />
das Wort Gleichberechtigung. Daneben gab es eine<br />
weitere Zeichnung: Wieder konnte der Größte alles<br />
gut sehen, der Mittlere stand auf einem Treppchen mit<br />
zwei Stufen und der Kleinere auf einer Leiter mit drei<br />
Stufen. So konnten alle drei das Spiel auf dem Feld aus<br />
der genau gleichen Höhe verfolgen und überblicken.<br />
Darunter stand das Wort Chancengerechtigkeit. Eine<br />
solche Perspektive würde <strong>als</strong>o ALLEN ZuschauerInnen<br />
eines Fußballspieles erlauben, das Spiel aus demselben<br />
Blickwinkel zu sehen, vielleicht sogar zu genießen.<br />
Aber vor allem, alle drei könnten nach dem Spiel ihre<br />
Einschätzung und Wahrnehmungen austauschen und<br />
jeweils eine authentische Meinung äußern. Sie werden<br />
das aus der Erfahrung heraus können, das gleiche Geschehen<br />
mit der gleichen Chance gesehen zu haben.<br />
Jede der einzelnen Meinungen und Wahrnehmungen<br />
würden gleich viel bedeuten und die gleiche Chance<br />
haben, wahrgenommen, <strong>als</strong>o einbezogen zu werden.<br />
Verantwortung der ersten Reihe<br />
Die aus meiner Perspektive größte Herausforderung<br />
wird darin bestehen, wie es denjenigen gelingt, die<br />
aufgrund ihrer Merkmale schon immer in der ersten<br />
Reihe standen und die besten Aussichten hatten, sich<br />
für den Einbezug aller zu verantworten?!<br />
Lucía Muriel, Fachpromotorin für die Stärkung des<br />
zivilgesellschaftlichen Engagements, moveGLOBAL e.V.<br />
8<br />
SODI-Report 02/2013
VIELFALT ALS NORMALFALL<br />
Dem Konzept der Diversity (Diversität oder Vielfalt) liegt ein grundlegendes Menschenbild zugrunde,<br />
das von Toleranz und Respekt gekennzeichnet ist. Es konzentriert sich nicht mehr auf die<br />
Defizite, sondern daran, was jeder Mensch an Ressourcen in die Gesellschaft einbringen kann.<br />
• Diversity geht davon aus, dass „Mensch sein“ an<br />
sich schon Vielfalt bedeutet. Jeder Mensch wird durch<br />
das Zusammenspiel von unterschiedlichen Merkmalen,<br />
den sogenannten Dimensionen zu dem, was er oder<br />
sie ist: Davon sind die physischen Fähigkeiten, wie<br />
zum Beispiel eine mögliche Behinderung nur eine von<br />
vielen. Andere Dimensionen sind Alter, Herkunft, Geschlecht<br />
und sexuelle Orientierung oder auch äußere<br />
Dimensionen, die sich (schneller) verändern können<br />
wie Familienstand, Bildungsstand und Berufserfahrung.<br />
Wenn man dieses Menschenbild auch für die Arbeit<br />
in einem Unternehmen oder Verein zugrunde legt,<br />
dann kann das ein mitunter radikales Umdenken alter<br />
Denkmuster und Veränderungen alter Strukturen nach<br />
sich ziehen. Es geht nämlich nicht mehr darum, die<br />
Menschen ungeachtet ihrer Unterschiedlichkeit, die<br />
wir zwecks unseres Menschseins alle haben, in starre<br />
Strukturen zu pressen, sondern eher, die Vielfalt <strong>als</strong><br />
Gewinn für jedes Unternehmen wertzuschätzen.<br />
In der 2006 gegründeten Initiative „Charta der<br />
Vielfalt“ haben sich bundesweit bereits bis zu 1.350<br />
Unternehmen und gemeinnützige Organisationen<br />
verpfl ichtet, die Vielfalt der Menschen in der Unternehmenskultur<br />
in Deutschland voranzubringen. Alle<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung<br />
erfahren – unabhängig von Geschlecht, Nationalität,<br />
Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung,<br />
Alter, sexueller Orientierung und Identität.<br />
Gesetzlich verankerte Rechte<br />
Das Konzept der Diversity hat seinen Ursprung in der<br />
Bürgerrechtsbewegung der USA, die gegen die Benachteiligung<br />
von Schwarzen gekämpft und seitdem<br />
weltweit den Weg zu Antidiskriminierungsgesetzen<br />
geebnet hat. In Deutschland trat 2006 das Allgemeine<br />
Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. Es verbietet<br />
Benachteiligungen auf Grund der ethnischen Herkunft,<br />
des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,<br />
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen<br />
Identität.<br />
Behinderung wird zwar nicht geleugnet, aber dabei<br />
nicht der ganze Mensch an sich <strong>als</strong> „hilfsbedürftig“<br />
abgestempelt. Notwendige Strukturen sind beispielsweise<br />
Barrierefreiheit, die aber nicht nur räumlich<br />
zu verstehen ist. Ein Mensch im Rollstuhl wird durch<br />
kulturelle und politische Veranstaltungen möglicherweise<br />
gar nicht erreicht, wenn in der Veranstaltungsankündigung<br />
nicht ausdrücklich auf Barrierefreiheit<br />
hingewiesen wird. Aber auch fehlende Lautsprecheransagen<br />
in Aufzügen für Sehbehinderte oder fehlende<br />
Übersetzungen in Gebärdensprache oder Brailleschrift<br />
signalisiert vielen Menschen: „Wir sind nicht erwünscht.“<br />
Das ist nicht nur gegen das Menschenrecht.<br />
Ein ungeheurer Schatz geht der Gesellschaft<br />
dadurch verloren. Denn so vielfältig die Probleme der<br />
Menschen sind, so liegen auch nur in der Vielfalt die<br />
Lösungen für die Probleme.<br />
Susanne Wienke<br />
Projektmanagerin Asien<br />
Den Aktionsplan des<br />
Bundesministeriums<br />
für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung zur<br />
Inklusion von Menschen<br />
mit Behinderung<br />
finden Sie online<br />
unter:<br />
www.bmz.de/de/<br />
publikationen/reihen/<br />
strategiepapiere/<br />
Strategiepapier325<br />
_01_2013.pdf<br />
Behinderung – nur ein Merkmal von vielen<br />
Im Zusammenhang mit Behinderung wird zunehmend<br />
der Begriff der Inklusion verwendet. Obwohl er<br />
genau genommen das gleiche meint wie das Diversity<br />
Konzept, d. h. die Berücksichtigung aller Dimensionen<br />
wie Alter, Geschlecht etc. So muss sich ein Mensch mit<br />
Behinderung demnach nicht mehr gezwungen sehen,<br />
nicht erreichbare Normen zu erfüllen. Stattdessen<br />
ist es die Aufgabe der Gesellschaft, Strukturen zu<br />
schaffen, mit denen sich Menschen mit Behinderung<br />
einbringen können. Der Hilfebedarf der Menschen mit<br />
Seit vielen Jahren unterstützt SODI durch verschiedene Projekte Menschen mit<br />
Behinderung und ermöglicht damit ihre gleichberechtigte Teilhabe an der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung<br />
SODI-Report 02/2013 9
FÜR SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG<br />
UND GLEICHBERECHTIGUNG<br />
„ALLE MENSCHENRECHTE FÜR ALLE!“<br />
Helfen Sie mit Ihrer<br />
Spende die gesellschaftliche<br />
Akzeptanz<br />
gleichgeschlechtlicher<br />
Lebensweisen zu<br />
erhöhen.<br />
Seit Februar unterstützt SODI das namibische Women’s Leadership Centre (WLC) bei der Durchsetzung<br />
des Rechts auf Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung von lesbischen Frauen<br />
in Namibia. In Workshops, im Austausch miteinander und durch die Erarbeitung einer Fotoausstellung<br />
lernen die Frauen ihre Rechte kennen. Gleichzeitig soll die gesellschaftliche Akzeptanz<br />
gleichgeschlechtlicher Lebensweisen durch die öffentliche Ausstellung erhöht werden.<br />
Das Interview mit Elizatbeth IKhaxas, Direktorin des Women’s Leadership Centre, führte Andreas Bohne, Projektmanager<br />
Afrika bei SODI.<br />
Mit 70 Euro kann der<br />
Druck einer Leinwand<br />
für die Ausstellung<br />
finanziert werden.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
! NAMIBIA<br />
Elizabeth IKhaxas ist Mitbegründerin<br />
und Direktorin<br />
von WLC.<br />
Projektlaufzeit<br />
Februar 2013 bis<br />
Oktober 2013<br />
Projektkosten<br />
17.805 €<br />
Finanzierung<br />
Fördermittel: 10.000 €<br />
(Stiftung Nord-Süd-<br />
Brücken)<br />
3.000 € (Hannchen-<br />
Mehrzweck-Stiftung)<br />
Partner: 3.575 €<br />
Spenden: 1.230 €<br />
Projektregion<br />
Namibia<br />
Projektpartner<br />
Women’s Leadership<br />
Centre (WLC)<br />
• Könntest Du bitte das Women‘s Leadership<br />
Centre vorstellen?<br />
WLC wurde 2004 mit dem Ziel gegründet, feministische<br />
kritische Analysen und ein Bewusstsein innerhalb<br />
der verschiedenen kulturellen und sozialen Kontexte<br />
in Namibia zu entwickeln. Wir führen Workshops mit<br />
Frauen durch, die zu den am stärksten marginalisierten<br />
Gruppen gehören. Das sind u.a. Angehörige der<br />
San-Gemeinschaften und lesbische Frauen. In den<br />
Workshops sprechen die Frauen über Menschen- und<br />
Frauenrechte, um diese <strong>als</strong> Refl ektion für ihr eigenes<br />
Leben zu nutzen. Wir führen sie ein in kreatives<br />
Schreiben und Fotografi e <strong>als</strong> ein Mittel, ihr Leben und<br />
ihre zukünftige Vorstellungen auszudrücken. Und wir<br />
publizieren ihre Texte und Bilder, um ihre Stimme, ihre<br />
Sichtbarkeit und ihre Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit<br />
zu fördern.<br />
Kannst Du kurz die Situation sexueller Minderheiten<br />
in Namibia beschreiben?<br />
Trotz der in der namibischen Verfassung festgeschriebenen<br />
Rechte der Gleichheit und Freiheit, erfahren<br />
Menschen mit nicht-normgerechter sexueller Orientierung<br />
und Geschlechteridentitäten viele Formen von<br />
Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung. Insbesondere<br />
lesbische Frauen sind Opfer von Gewalt, wie z. B.<br />
Vergewaltigung.<br />
Würdest Du zustimmen, dass sich die Situation<br />
sexueller Minderheiten, insbesondere<br />
lesbischer Frauen, in den vergangenen Jahren<br />
verbessert hat?<br />
Durch den politischen Aktivismus von Frauenrechtsund<br />
LSBTI-Organisationen (LSBTI steht für Lesben,<br />
Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle)<br />
erlangten mehr Menschen den Mut, ihr Leben freier<br />
zu gestalten. Jedoch kann Sichtbarkeit auch zu mehr<br />
Gewalt führen. Lesbische Frauen in den ländlichen<br />
Gebieten leben sehr isoliert. Sowohl auf dem Land<br />
<strong>als</strong> auch in den Townships verfügen diese Frauen<br />
über eine geringe formale Bildung und besitzen kaum<br />
Informationen über ihre Rechte. Häufi g sind sie Opfer<br />
von Stigmatisierung und Diskriminierung.<br />
Welche Forderungen richtest Du an PolitikerInnen<br />
und die Zivilgesellschaft?<br />
Wir fordern, dass sowohl PolitikerInnen und Zivilgesellschaft,<br />
die vollen Menschenrechte von Personen<br />
mit verschiedener sexueller Orientierung und<br />
Geschlechteridentitäten respektieren, fördern und<br />
schützen. Unter dem Slogan: Alle Menschenrechte für<br />
alle!<br />
Welche Schritte muss für eine Inklusion der<br />
verschiedenen Lebensstile getan werden?<br />
Das Sodomie-Gesetz, welches sexuelle Aktivitäten<br />
zwischen Männern verbietet, muss aufgehoben<br />
werden und LSBTI-Personen müssen das juristische<br />
Recht auf Heirat, Familie und volle Gleichheit in<br />
allen Lebensbereichen erhalten. Darüber hinaus<br />
muss Bildung über Menschen- und Frauenrechte alle<br />
Mitglieder unserer Gesellschaft erreichen. Das umfasst<br />
ein Verständnis patriarchaler Geschlechterbeziehungen<br />
<strong>als</strong> einen Grund für Diskriminierung und Gewalt.<br />
Insbesondere Eltern und LehrerInnen müssen lernen,<br />
wie Geschlechtergleichheit und ein gewaltfreies Leben<br />
ihrer Kinder gefördert werden kann.<br />
Was erwartest Du von dem aktuellen Kleinprojekt?<br />
Mit diesem Projekt schaffen wir sichere Räume, in<br />
welchen lesbische Frauen aus verschiedenen Regionen<br />
mehr über ihre Rechte lernen, ihre Erfahrungen<br />
austauschen und ihre Träume für eine andere Zukunft<br />
durch Schreiben und Fotografi e dokumentieren. Wir<br />
hoffen, dass wir damit ihre Willenskraft gegen Stigmatisierung<br />
und Diskriminierung stärken.<br />
Ein Projektresultat ist die Produktion einer<br />
Fotoausstellung. Wieso wählt Ihr diese Kommunikationsmethode?<br />
Visuelle Bilder bilden eine kraftvolle und sehr direkte<br />
Form von Sichtbarkeit und Stimme, welche Grenzen<br />
von Sprache, Bildung und Herkunft überwinden können.<br />
Durch das Projekt können verschiedene Lesben<br />
aus Namibia „Ihr eigenes Bild (er)schaffen“, ihre<br />
Erfahrungen und ihre Visionen an ein unterschiedliches<br />
Publikum richten. Wir werden diese Ausstellung<br />
in verschiedenen namibischen Städten zeigen und zu<br />
regionalen und internationalen Treffen mitnehmen.<br />
10<br />
SODI-Report 02/2013
GEMEINSAM EINEN WEG AUS<br />
DER ARMUT FINDEN<br />
Das neue Ausbildungsprojekt in Nghe An verbessert nicht nur die wirtschaftliche Situation einzelner<br />
Familien, sondern trägt auch dazu bei, Inklusion <strong>als</strong> gesellschaftliches Prinzip zu verankern.<br />
Unterstützen Sie<br />
Frauen auf ihrem<br />
Weg in die Selbstständigkeit.<br />
Für 155 Euro kann<br />
eine Frau einen<br />
dreimonatigen<br />
Schneiderkurs besuchen.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
!<br />
VIETNAM<br />
Frau Lo Thi Xingh wird demnächst an einer dreimonatigen Schneiderausbildung teilnehmen<br />
• Ein einfaches kleines Haus mit Bambuswänden<br />
und festgestampftem Erdboden in einem kleinen<br />
entlegenen Dorf im Bergdistrikt Thuong Duong: Ein<br />
paar Hunde streunen umher, der karge Gemüsegarten<br />
hinter dem Haus wirkt verlassen. In dem mit einem<br />
Schrank und einem Bett spärlich eingerichteten Haus<br />
sitzt die 35-jährige Lo Thi Xingh, die seit ihrer Geburt<br />
eine Gehbehinderung hat, alleine auf einer Bastmatte.<br />
Alleine mit ihren bescheidenen Hoffnungen, die sie<br />
sich erst im Laufe des Besuchs von den Mitarbeiterinnen<br />
der Frauenunion, SODIs vietnamesischem<br />
Projektpartner, überhaupt zu nennen traut: Nicht mehr<br />
so alleine sein, selber etwas Geld verdienen.<br />
Frau Lo Thi Xinghs Lebensgeschichte zeigt, warum<br />
Inklusion so wichtig ist, warum ohne eine Beteiligung<br />
von Menschen mit Behinderung das UN-Ziel, die<br />
weltweite Armut zu halbieren, nicht erreicht werden<br />
kann. Die Mitarbeiterinnen der Frauenunion, die selber<br />
aus dem Bergdistrikt stammen, versuchen Lo Thi Xingh<br />
zu überzeugen, an einem Ausbildungskurs teilzunehmen.<br />
Keine einfache Aufgabe, denn die junge Frau hat<br />
über die Jahre der Isolation und Passivität ihre eigenen<br />
Fähigkeiten nie entdecken können. Ihre Eltern bauen<br />
in den Bergen Klebreis an für den Eigenbedarf und für<br />
den Verkauf auf dem lokalen Markt. Doch die Ernteerträge<br />
sind wegen der Wettereinfl üsse nie vorhersehbar<br />
und somit weiß man nie, ob die diesjährige Ernte die<br />
Familie ernähren kann oder nicht. Wie viele in dem<br />
Dorf lebt die Familie unterhalb der Armutsgrenze. Die<br />
Behinderung der Tochter, aber auch die gesellschaftlichen<br />
Vorurteile über Menschen mit Behinderung<br />
sind eine fi nanzielle und emotionale Belastung für die<br />
Familie.<br />
Eine Schneiderausbildung für die Tochter und das<br />
Einrichten einer eigenen kleinen Schneiderwerkstatt<br />
in ihrem Haus könnte helfen, ihre bescheidenen Wünsche<br />
zu erfüllen. Bis jetzt gibt es noch keine Schneiderei<br />
im Dorf, die DorfbewohnerInnen müssen zum<br />
Beispiel für den Kauf von Schuluniformen in einen<br />
weiter entfernten Ort fahren. Eine Ausbildung für Lo<br />
Thi Xingh würde <strong>als</strong>o nicht nur ihr und ihrer Familie<br />
zu einem zusätzlichen Einkommen verhelfen. Auch die<br />
lokalen Strukturen könnten dadurch gestärkt werden.<br />
In dem neuen Ausbildungsprojekt für Frauen, das<br />
SODI mit der Vietnamesischen Frauenunion in diesem<br />
Jahr gestartet hat, lernen Frauen mit und ohne Behinderung<br />
und Angehörige von ethnischen Minderheiten<br />
gemeinsam ein Handwerk und gründen anschließend<br />
Gruppen für die gemeinsame Produktion und<br />
Vermarktung von Erdnusskeksen, Fischsaucen oder<br />
Gebrauchsgegenstände aus Rattan. Damit werden<br />
Frauen mit Behinderung selbstverständlich <strong>als</strong> aktive<br />
und produktive Kraft erlebt. Und diese Selbstverständlichkeit<br />
wird hoffentlich dazu beitragen, dass<br />
Behinderung <strong>als</strong> eine Facette der menschlichen Vielfalt<br />
gesehen wird.<br />
Susanne Wienke<br />
Projektmanagerin Asien<br />
SODI-Report 02/2013 11
AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN<br />
FÜR SODI<br />
Zu unserem großen Bedauern muss sich SODI aktuell mit Unterschlagung und Veruntreuung auseinandersetzen.<br />
Der Verein hat in Deutschland Strafanzeige gegen einen ehemaligen Programmmanager,<br />
der in Laos eingesetzt war, gestellt.<br />
Sylvia Werther<br />
Geschäftsführerin, SODI<br />
• Es war für SODI schockierend, bei einer internen<br />
Prüfung im Dezember letzten Jahres festzustellen,<br />
dass der verantwortliche Programmmanager für das<br />
Räumprogramm in Laos SODI anvertraute Fördermittel<br />
für private Zwecke veruntreut hatte. Als Konsequenz<br />
hat SODI dem Programmmanager fristlos gekündigt,<br />
die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer<br />
Tiefenprüfung zur Schadensfeststellung beauftragt.<br />
Parallel dazu ist Strafanzeige gestellt worden. Seit<br />
Anfang des Jahres ist Marion Gnanko, die Projektmanagerin<br />
für Kampfmittelräumung in der SODI-<br />
Geschäftsstelle, <strong>als</strong> amtierende Programmmanagerin<br />
in Laos eingesetzt und leitet einen umfassenden<br />
Konsolidierungsprozess. Neben der Verbesserung<br />
des Managements vor Ort und der Verteilung der<br />
Verantwortlichkeiten, um Korruption präventiv zu<br />
bekämpfen, ist es auch notwendig alle Arbeitsabläufe<br />
auf ihre Qualität und Transparenz zu überprüfen sowie<br />
die nötigen Änderungen und das Controlling umzusetzen.<br />
Für ihren engagierten Einsatz vor Ort sind der<br />
SODI-Vorstand und die SODI-Geschäftsführung Marion<br />
Gnanko sehr dankbar.<br />
In dem ganzen Prozess ist es ermutigend, dass sowohl<br />
der Fördermittelgeber <strong>als</strong> auch die Partner vor Ort<br />
zwischen dem SODI-Projekt und seinen für die Menschen<br />
vor Ort wichtigen Ergebnissen und Impulsen<br />
sowie den ungesetzlichen Handlungen einer einzelnen<br />
Person unterscheiden. Die Wertschätzung der Arbeit<br />
von SODI gilt vor Ort weiterhin uneingeschränkt.<br />
Deshalb wird das Projekt vorbehaltlich der lückenlosen<br />
Aufklärung weiter gefördert.<br />
Im Februar 2011 hat der SODI-Vorstand Richtlinien zur<br />
Prävention und Bekämpfung von Korruption verabschiedet.<br />
Diese waren in Umsetzung des VENRO-Verhaltenskodexes<br />
gemeinsam mit dem ehrenamtlichen<br />
Ombudsmann Hans-Jürgen Ebert entstanden und sind<br />
seitdem bindend für alle MitarbeiterInnen von SODI<br />
sowie seine Partnerorganisationen. Darin sind u.a.<br />
folgende Regeln verankert:<br />
- Es ist nicht gestattet, direkt oder indirekt Bestechungsgelder<br />
oder Geschenke bzw. Vorteile anzu<br />
nehmen oder zu geben.<br />
- Dienstliche bzw. Geschäftsbeziehungen dürfen nicht<br />
zur Erlangung privater Vorteile genutzt werden.<br />
- Durch interne Kontrollen und geeignete interne<br />
Kontrollsysteme ist sicherzustellen, dass Arbeitsabläufe<br />
ordnungsgemäß ablaufen, Gesetze<br />
und Verordnungen eingehalten werden, korrumpierendes<br />
und korruptes Verhalten vorgebeugt wird.<br />
- Handeln und Wirtschaften von SODI, seiner Partner<br />
sowie der geförderten Träger und Projekte wird<br />
regelmäßig von unabhängigen Stellen überprüft.<br />
- Alle verfügbaren Ressourcen sind zielorientiert und<br />
nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit einzusetzen.<br />
Die letzten Ereignisse haben deutlich gemacht, dass<br />
die Umsetzung der bestehenden Anti-Korruptions-<br />
Richtlinien und auch die Regelungen für das Management<br />
und das Controlling von Projekten nicht<br />
ausreichend sind. Für die Verbesserung sind folgende<br />
Maßnahmen notwendig:<br />
- Erstellung klarer Regelungen und Arbeitsanweisungen<br />
sowie Schulungen für die einzelnen MitarbeiterInnen<br />
und Kontrolle der Einhaltung der Regelungen<br />
in allen Projekten und Programmen,<br />
- stärkere schriftliche Dokumentation aller Arbeitsprozesse,<br />
- Verteilung von Verantwortlichkeiten, engmaschigeres<br />
und ausführlicheres Berichtswesen aller Bereiche<br />
und Organe,<br />
- stärkere Kontrolle der Projektfi nanzen nach einem<br />
formalisierten System auf Projektreisen,<br />
- zusätzliche externe, unabhängige Prüfungen.<br />
Zugleich muss die Einordnung der humanitären<br />
Kampfmittelräumung in die bisherige Struktur bei<br />
SODI angesichts des Vorfalls überdacht werden, auch<br />
weil die humanitäre Kampfmittelräumung im Vergleich<br />
zu den Projekten der Entwicklungszusammenarbeit<br />
fi nanziell weit über den sonst üblichen Rahmen<br />
hinausgeht und von SODI vor Ort hauptverantwortlich<br />
mit vertraglich gebundenem lokalem Personal umgesetzt<br />
wird.<br />
Auf der SODI-Mitgliederversammlung am 29.06.2013<br />
ist Gelegenheit, sich zu den Ereignissen zu beraten.<br />
Sylvia Werther<br />
Geschäftsführerin<br />
12<br />
SODI-Report 02/2013
ZU GAST BEI FREUNDEN<br />
Auf Einladung des Bezirksamtes Berlin-Lichtenberg und von SODI besuchte David Cangua, Administrator<br />
von Maputo-KaMubukwana, Anfang März den Partnerbezirk Berlin-Lichtenberg.<br />
Unterstützen Sie<br />
den Austausch der<br />
Partner und fördern<br />
Sie mit Ihrer Spende<br />
den interkulturellen<br />
Dialog.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
MOSAMBIK!<br />
David Cangua (links), Administrator von Maputo-KaMubukwana, und sein Amtskollege Andreas Geisel (rechts),<br />
Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg<br />
• Es war das erste Treffen der beiden neuen<br />
Bürgermeister und mit dementsprechend hoher<br />
Spannung wurde der Delegationsbesuch (fi nanziell<br />
unterstützt durch die Stiftung Nord-Süd-Brücken und<br />
die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit)<br />
erwartet. Da war es vorteilhaft, dass zwei „alte Bekannte“<br />
den Administrator begleiteten: Rui Matusse,<br />
ehemaliger Administrator von KaMubukwana führt<br />
seine Begeisterung für die Städtepartnerschaft <strong>als</strong><br />
Präsident des Partnerschaftsvereines ASDA weiter und<br />
Alexander Nhacutou ist langjährige Kontaktperson in<br />
Maputo.<br />
Diese beiden konnten an den Erfahrungen aus ihrem<br />
ersten Besuch 2008 in Berlin anknüpfen und so trafen<br />
sie viele „alte Freunde“. Zum umfangreichen Besuchsprogramm<br />
gehörte unter anderem die Teilnahme<br />
an einer öffentlichen Sitzung in der Alexander Puschkin<br />
Schule mit den ElternvertreterInnen, eine Führung<br />
mit Scheckübergabe bei den KleingärtnerInnen in der<br />
Anlage Feldtmannsburg, ein Besuch im Sana-Klinikum<br />
und natürlich auch in der SODI-Geschäftsstelle.<br />
Doch nicht nur mit langjährigen Partnerinstitutionen<br />
– denn schließlich besteht die Städtepartnerschaft<br />
bereits seit 18 Jahren – wurde der Kontakt aufgefrischt<br />
und intensiviert. Es gab auch einiges Neues im<br />
Programm. In der Havita Berlin Frischgemüse GmbH<br />
konnten die drei Mosambikaner die Weiterverarbeitung<br />
von frischem Gemüse intensiv beobachten<br />
und hinterfragen. Abgerundet wurde das Programm<br />
durch einen Kulturabend im Theater an der Parkaue.<br />
Die regelmäßig stattfi ndende Arbeitskreissitzung der<br />
Städtepartnerschaft wurde aus Anlass der mosambikanischen<br />
Gäste ins Theater verlegt und Berliner<br />
BürgerInnen zu einem gemeinsamen Gesprächsforum<br />
eingeladen. Das im Anschluss aufgeführte Theaterstück<br />
„Der Sandmann“ gab den Gästen Motivation für<br />
ein gemeinsames Kulturprojekt zwischen den mosambikanischen<br />
und deutschen Partnern. Ein weiterer<br />
Höhepunkt für SODI und die Delegation war die Verladung<br />
eines Containers mit medizinischen Hilfsgütern<br />
für KaMubukwana.<br />
Viele weitere wichtige Termine, wie die Teilnahme an<br />
der Sitzung des Bezirksamtes, Gespräche mit dem Mosambikanischen<br />
Botschafter, mit Engagement Global<br />
und den Förderprogrammen der Bundesregierung ASA<br />
und ENSA rundeten das Programm ab und führten zu<br />
konkreten Planungen der weiteren Zusammenarbeit.<br />
Das gegenseitige Kennenlernen hat dazu geführt, dass<br />
beide Bezirksbürgermeister einen umfassenden Eindruck<br />
von der Vielfalt der Städtepartnerschaft erhalten<br />
haben und sich nun noch intensiver für eine Fortführung<br />
einsetzen wollen. „Der Besuch war für mich wie<br />
eine Schule. Ich hatte vorher gar keine Vorstellungen,<br />
wie vielfältig die Städtepartnerschaft ist.“, stellte<br />
David Cangua fest.<br />
Vor allem der persönliche Austausch zwischen den<br />
Partnerschulen und der Verwaltung, die Unterstützung<br />
in Notsituationen und bei der bezirklichen Entwicklung,<br />
z. B. in den Bereichen Schule, Gesundheit und<br />
Landwirtschaft, sowie der geplante Aufbau wirtschaftlicher<br />
und kultureller Kontakte sollen in den nächsten<br />
Jahren Grundlage der Partnerschaft sein. Um auch die<br />
mosambikanische Situation und die Partner kennenzulernen<br />
lud David Cangua seinen Amtskollegen zu<br />
einem Gegenbesuch nach KaMubukwana ein.<br />
Susanne Laudahn<br />
Projektmanagerin Kommunale Entwicklungszusammenarbeit<br />
SODI-Report 02/2013 13
SOLIDARITÄT IST FÜR KUBA NICHT<br />
NUR EIN LIPPENBEKENNTNIS<br />
Noch dieses Jahr plant<br />
SODI den Versand von<br />
zwei medizinischen<br />
Hilfscontainern nach<br />
Kuba.<br />
Dr. med. Ruth Böttner, Mitglied des SODI-Förderkreises Kuba/Lateinamerika, berichtete bereits in<br />
der letzten <strong>Ausgabe</strong> des SODI-Reports vom Internationalen Ärztekongress im Dezember 2012 in<br />
Kuba. Im zweiten Teil ihrer Kubareportage berichtet Frau Böttner, wie Kuba internationale Solidarität<br />
lebt.<br />
Bitte unterstützen<br />
Sie den Versand der<br />
Container mit Ihrer<br />
Spende.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
!KUBA<br />
• „Die Solidarität mit Kuba ist für uns eine<br />
Herzensangelegenheit!“, sagte ich der Vertreterin<br />
des Ministeriums für Gesundheitswesen zu Beginn<br />
unseres offi ziellen Gesprächs in Havanna im letzten<br />
Dezember. Sie freute sich natürlich darüber, ist doch<br />
Solidarität seit mehr <strong>als</strong> 50 Jahren einer der Grundbestandteile<br />
der kubanischen Politik. So arbeiten zum<br />
Beispiel gegenwärtig kubanische ÄrztInnen, ZahnärztInnen,<br />
PhysiotherapeutInnen, Krankenschwestern<br />
und ApothekerInnen in 66 Ländern. Dies wurde auch<br />
von zahlreichen TeilnehmerInnen des Internationalen<br />
Ärztekongresses im Dezember 2012 in Havanna ausdrücklich<br />
hervorgehoben. Darüber hinaus unterhält<br />
Kuba in drei Ländern (Gambia, Äquatorial-Guinea<br />
und Eritrea) medizinische Fakultäten.<br />
An der Lateinamerikanischen Fakultät für Medizin<br />
(ELAM) bildet Kuba jährlich 10.000 junge Menschen<br />
aus verschiedenen Ländern aus, die aus einfachen<br />
Verhältnissen kommen, einschließlich aus den<br />
Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Jugendlichen<br />
studieren hier sieben Jahre kostenfrei, bekommen<br />
Lehrbücher, Unterkunft und Verpfl egung sowie 100<br />
Peso pro Monat.<br />
Dass für Kuba die internationale Solidarität nicht<br />
nur ein Lippenbekenntnis ist, zeigt ferner folgendes<br />
Beispiel: Seit mehr <strong>als</strong> 25 Jahren erholen sich Jahr für<br />
Jahr Tausende von nach der Tschernobyl-Katastrophe<br />
strahlengeschädigte Kinder aus der Ukraine an den<br />
Stränden von Playas del Este nahe Havanna – natürlich<br />
kostenlos. Und nach dem verheerenden Erdbeben<br />
2010 in Haiti war Kuba das erste Land, das schnell<br />
und unbürokratisch medizinische Fachkräfte dorthin<br />
schickte.<br />
Nun mag sich manch einer fragen, ob denn Kuba<br />
unsere Solidarität noch braucht, wenn es sich solch<br />
großzügige Gesten leistet. Die Antwort darauf kann<br />
nur lauten: „Ja!“ Denn man darf nicht die mehr <strong>als</strong><br />
50-jährige Blockade dieses Landes durch die Vereinigten<br />
Staaten von Amerika vergessen, die für einen<br />
großen Teil der noch immer vorhandenen Mängel im<br />
Land verantwortlich ist. So werden beispielsweise<br />
Drittländer abgestraft, sollten sie es wagen, diese<br />
Blockade zu durchbrechen. Auch dürfen kubanische<br />
Forschungsergebnisse nicht in amerikanischen Medien<br />
veröffentlicht werden. Diese Liste ließe sich beliebig<br />
fortsetzen. Dass dieses kleine Land mit seinem<br />
bescheidenen Lebensstandard von dem Wenigen, das<br />
es besitzt, anderen, die Hilfe brauchen, etwas abgibt,<br />
kann meines Erachtens nicht hoch genug eingeschätzt<br />
werden und sucht weltweit seinesgleichen. Wie<br />
könnten wir angesichts solcher geradezu beschämender<br />
Tatsachen unsere Solidarität mit Kuba in Frage<br />
stellen?<br />
Dr. med. Ruth Böttner<br />
Mitglied des SODI-Förderkreises Kuba/Lateinamerika<br />
14<br />
SODI-Report 02/2013
GEGEN DAS VERDRÄNGEN UND<br />
VERGESSEN<br />
Die Arbeit der SODI-Ortsgruppen in Brandenburg zum Thema Tschernobyl ist vielfältig und mit<br />
viel persönlichem Engagement verbunden. Mitglieder der Ortsgruppen aus Eisenhüttenstadt-LOS<br />
(Landkreis Oder-Spree) und Schwedt berichten über ihre Aktionen rund um den 27. Gedenktag der<br />
Tschernobyl Katastrophe.<br />
TSCHERNOBYL-AKTIONSWOCHE<br />
• Fröhlich feiernde Menschen, spielende Kinder an<br />
einem Tag im April 1986 in Pripjat – scheinbar wie<br />
jeder andere. Plötzlich Feuer über dem havarierten<br />
Reaktorblock. Verharmlosende „Informationen“ vom<br />
GAU ... Szenen eines von ARTE kürzlich ausgestrahlten<br />
Spielfi lms, die uns erschütterten. Das, was jene<br />
schreckliche Katastrophe hinterließ, sind Erbschäden,<br />
soziale und wirtschaftliche Folgen für die betroffenen<br />
Regionen. Deshalb lautet das bestimmende Motiv<br />
des Handelns der SODI- Ortsgruppen an der Oder:<br />
Wider das Vergessen! Die diesjährige Tschernobyl-<br />
Aktionswoche (21. bis 27.4.), für die Ministerpräsident<br />
Matthias Platzeck die Schirmherrschaft übernommen<br />
hatte, trug dem auf vielfältige Weise Rechnung.<br />
Eine informative Ausstellung von SODI-Mitgliedern in<br />
der Eisenhüttenstädter Schule für Gesundheitsberufe<br />
erinnerte mit Bildern und Fakten an den GAU vor 27<br />
Jahren und machte auf akute Gefahren nach Fukushima<br />
aufmerksam. Mit der Ausstellung „Erinnerung an<br />
die Zukunft“ im Evangelischen Johanniter-Gymnasium<br />
nahmen sich Wriezener Freunde der Thematik an.<br />
Unterstützt vom IBB Dortmund und VertreterInnen des<br />
Unabhängigen Institutes für Strahlenschutz BELRAD,<br />
diskutierten Prenzlauer über erneuerbare Energien.<br />
Über Ländergrenzen hinweg schlugen die FrankfurterInnen<br />
und SchwedterInnen erneut eine Brücke in die<br />
polnischen Nachbarstädte Słubice und Chojna, um mit<br />
polnischen Jugendlichen über Probleme zum Für und<br />
Wider von Atomkraft zu debattieren. Bei bewegenden<br />
Kerzenaktionen erinnerten BürgerInnen in Prenzlau,<br />
Schwedt, Wriezen, Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt<br />
an die Tschernobyl-Katastrophe vor 27 Jahren.<br />
Diese Aktionswoche war erfolgreich und motivierend<br />
zugleich durch das engagierte Zusammenwirken von<br />
SODI-Mitgliedern, Gästen aus Belarus, Bundestagsund<br />
Landtagsabgeordneten, BürgermeisterInnen,<br />
Pfarrern und Schulleitern.<br />
Maja Klopsch und Jürgen Sobeck<br />
SODI-Ortsgruppe Eisenhüttenstadtt<br />
Unterstützen Sie mit<br />
Ihrer Spende strahlengeschädigte<br />
Kinder in<br />
Belarus und ermöglichen<br />
Sie ihnen Genesungsaufenthalte<br />
und<br />
dringend medizinisch<br />
notwendige Behandlungen.<br />
SPENDENKENNWORT<br />
!<br />
BELARUS<br />
EIN BENEFIZABEND FÜR NASTJA<br />
• Zum achten Mal kommt Nastja diesen Sommer<br />
nun nach Schwedt. Bei dem 13-jährigen Mädchen<br />
aus der belarussischen Stadt Witebsk muss eine neue<br />
Beinprothese angepasst werden. Jedes Jahr wird dann<br />
das zu Hause von Christa Dannehl der Dreh- und Angelpunkt<br />
bei der Unterstützung für Nastja. Jedes Jahr<br />
wird dafür auch fi nanzielle Unterstützung benötigt.<br />
Es entstehen Kosten für die Reise, Versicherungen,<br />
verschiedenste Therapien und für die neue Prothese,<br />
die mittlerweile ca. 4.000 Euro pro Aufenthalt betragen.<br />
So haben die Schwedterinnen und Schwedter<br />
inzwischen 22.000 Euro für Nastjas Hilfe gespendet,<br />
berichtete Gast-„Oma“ Christa Dannehl den anwesenden<br />
Gästen beim Benefi zkonzert Ende April in der<br />
Musik- und Kunstschule. Das Benefi zkonzert war in<br />
Kooperation mit Herrn Rehberg von der Musik- und<br />
Kunstschule Schwedt, der gleichzeitig durch das<br />
Programm führte, organisiert worden. Die Akteure<br />
der Musik- und Kunstschule präsentierten an diesem<br />
Abend ein sehr abwechslungsreiches Programm aus<br />
Solo-, Duett- und Chorauftritten mit klassischer und<br />
moderner Musik. Das Benefi zkonzert, welches unter<br />
dem Titel „Für Nastja und die Kinder von Sokolowka“<br />
stattfand, war vor allem ein besonderer Dank an alle<br />
UnterstützerInnen! An diesem Abend wurden von<br />
Jedes Jahr muss die Prothese von Nastja angepasst<br />
werden - das ist aufwendig und sehr kostspielig<br />
den Schwedterinnen und Schwedtern 402,80 Euro<br />
gespendet und der Lionsclub ließ Nastja eine weitere<br />
Spende in Höhe von 500 Euro für ihre neue Prothese<br />
zukommen.<br />
Julius Vogt<br />
SODI-Ortsgruppe Schwedt<br />
Jürgen Sobeck, Maja<br />
Klopsch und Julius Vogt<br />
(v.l.n.r.) von den SODI-<br />
Ortsgruppen Eisenhüttenstadt-LOS<br />
und Schwedt<br />
engagieren sich bei SODI<br />
gegen das Verdrängen<br />
und Vergessen der<br />
Tschernobyl-Katastrophe<br />
und für strahlengeschädigte<br />
Kinder in Belarus.<br />
SODI-Report 02/2013 15
Vor mehr <strong>als</strong> 60 ZuschauerInnen<br />
sprach u. a. Adebayo Olukoshi aus<br />
Dakar / Senegal über die afrikanische<br />
Sicherheitsarchitektur<br />
ANSICHTEN ZU<br />
KRIEG UND FRIEDEN<br />
IN AFRIKA<br />
• Sowohl der 50. Gründungstag der Organisation<br />
für Afrikanische Einheit (OAU) bzw.<br />
deren Nachfolgeorganisation, die Afrikanische<br />
Union (AU), <strong>als</strong> auch aktuelle Konfl ikte wie in<br />
Mali gaben den Rahmen zur Konferenz „Krieg<br />
und Frieden in Afrika“ über afrikanische<br />
Sicherheitsarchitektur. Vor mehr <strong>als</strong> 60 ZuschauerInnen<br />
im Berliner Haus der Demokratie<br />
und Menschenrechte wurde über politische<br />
Interessenskonfl ikte, externe Einfl ussnahme<br />
und das Scheitern innerafrikanischer Friedensinitiativen<br />
diskutiert und gestritten.<br />
Adebayo Olukoshi aus Dakar / Senegal betonte in seinem Einführungsreferat<br />
u.a. den Gegensatz zwischen den Friedensinitiativen der AU und den Interessen<br />
afrikanischer Regionalorganisationen und einzelner Staaten innerhalb von Konfl<br />
ikten. Unzureichende soziale und wirtschaftliche Entwicklungen oder autoritäre<br />
Regierungsstile spielen eine wichtige Rolle bei Konfl iktursachen. Salua Nour von der<br />
Freien Universität Berlin forderte dagegen externe Faktoren wie die Hegemonialbestrebungen<br />
von außerafrikanischen Ländern stärker einzubeziehen und den Kampf<br />
um Zugang zu Ressourcen <strong>als</strong> eine wichtige Quelle anzusehen. Aus Sicht von Judith<br />
Vorrath, Mitarbeiterin der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, haben die<br />
AU und die Regionalorganisationen in den vergangenen Jahren viel erreicht, jedoch<br />
setzte nach Libyen und Mali eine gewisse Ernüchterung ein. Problematisch bleibe<br />
die externe Abhängigkeit der AU – sowohl fi nanziell <strong>als</strong> auch durch Beeinfl ussung.<br />
Insgesamt verdeutlichten die Diskussionen und Dispute unterschiedliche Ansichten<br />
zu Ursachen von Konfl ikten und Kriegen sowie Formen der Friedenssicherung.<br />
Andreas Bohne<br />
Projektmanager Afrika<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
02.06.2013 | 10:00 - 18:00 Uhr<br />
Infostand auf dem „nd-Pressefest“ und dem „Fest<br />
der Linken“<br />
SODI informiert an einem Infostand über seine Arbeit und<br />
stellt seine vielfältigen Projekte vor.<br />
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />
Rosa-Luxemburg Platz, 10178 Berlin-Mitte<br />
17.06.2013 | 19:00 - 21:00 Uhr<br />
Podiumsdiskussion - Mit Kohle in die Zukunft?<br />
Informationsabend zur Energiepolitik Südafrikas und der<br />
Rolle Deutschlands.<br />
Afrika Haus, Bochumer Straße 25, 10555 Berlin<br />
08. und 22.06, 06. und 20.07., 03.08.2013<br />
19:00 - 22:00 Uhr<br />
Jazz-Benefizkonzerte zugunsten eines SODI-Projekts<br />
In der Wagenburg Lohmühle fi nden unter freiem Himmel<br />
Jazz-Benefi zkonzerte zugunsten von SODI statt. Der Eintritt<br />
ist frei. In den Pausen werden Spenden für ein SODI-Projekt<br />
in Mosambik gesammelt.<br />
Lohmühlenstraße / Ecke Kiefholzstr. (am Landwehrkanal)<br />
12435 Berlin<br />
29.06.2013 | 10:00 - 20:00 Uhr<br />
SODI-Mitgliederversammlung und Sommerfest<br />
Kiezspinne Lichtenberg, Schulze-Boysen-Straße 38<br />
10365 Berlin Nur auf Einladung!<br />
Weitere Veranstaltungen finden Sie im Internet<br />
unter: www.sodi.de/aktuell/terminekalender<br />
Besuchen Sie SODI auf:<br />
www.facebook.com/sodi.de und<br />
www.twitter.com/sodi_ev<br />
Der SODI-Report wird gedruckt von:<br />
40 Jahre<br />
Selbstverwaltung<br />
WWW.OKTOBERDRUCK.DE<br />
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Kontonummer<br />
_______ EUR quart<strong>als</strong>weise ab____.____. 2013<br />
___________________ Bankleitzahl _____________________________<br />
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Straße, Nr.<br />
PLZ/Ort<br />
____________________________________________________________<br />
____________________________________________________________<br />
Datum, Unterschrift _________________________________________________________<br />
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