pfalzsport_130708.pdf (9,5 MB) - Sportbund Pfalz
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28 A k t u e l l <strong>pfalzsport</strong> 07/08·2013<br />
Schwimmen in Flüssen – ein elementares Naturerlebnis<br />
Die glücklichen Schweizer sind zu beneiden – von Rolf Salinger<br />
Seit mir vor einigen Jahren<br />
in einem Zufallsgespräch<br />
jemand, den es nach Bern<br />
verschlagen hatte, vom<br />
Aareschwimmen erzählte,<br />
ließ mich das nicht mehr los.<br />
Vor sechs Jahren habe ich<br />
es zum ersten mal gewagt<br />
und seither fahre ich jedes<br />
Jahr im Sommer einmal nach<br />
Bern um dieses Erlebnis des<br />
kollektiven Aareschwimmens<br />
im Schmelzwasser ferner<br />
Gletscher, dem manche eine<br />
transzendentale Erfahrung<br />
nachsagen, am eigenen Körper<br />
zu spüren.<br />
Ich fuhr mit dem Auto<br />
Aareaufwärts von Bern, dann<br />
mit dem Rad entlang des türkisenen<br />
Flusses stadteinwärts<br />
in die Altstadt. Die zügig<br />
dahinströmenden grünblauen<br />
Fluten haben etwas magisch<br />
Anziehendes. Die Bewegung<br />
zeigt sich nicht durch<br />
Stromschnellen, Wellen oder<br />
wildes Rauschen, vielmehr<br />
lassen rasch vorbeiziehende<br />
Oberflächen unterirdische<br />
Turbulenzen erahnen.<br />
Manche Uferzonen mit fast<br />
stehendem Wasser erinnern<br />
an einsame Südsee-Strände<br />
und werden am Nachmittag<br />
meist von Familien mit<br />
Kindern aufgesucht. Meistens<br />
jedoch ist das Ufer etwas<br />
steiler und an vielen Stellen<br />
durch Treppen (»Stägli«) mit<br />
Geländer durchbrochen. Sie<br />
dienen den Flussschwimmern<br />
als Ein- bzw. Ausstiegstellen.<br />
Mein Weg führte mich am<br />
Tierpark vorbei in das legendäre<br />
Marzili-Bad am Fuße der<br />
Altstadt direkt an der Aare.<br />
Eine wunderschöne Anlage<br />
mit gepflegten Liegewiesen,<br />
Umkleidekabinen, Duschen,<br />
Schwimmbecken, Restauration<br />
– kurz allem, was man von<br />
einem Spitzen-Freibad erwartet<br />
– und das bei kostenlosem<br />
Eintritt. Die meisten Gäste<br />
legen ihre Liegetücher auf die<br />
Wiese und reihen sich nach<br />
einem kurzen Blick auf die<br />
überdimensionierten Anzeigetafeln,<br />
die die Temperatur<br />
der Aare anzeigen, in den<br />
Strom Gleichgesinnter ein, die<br />
flussaufwärts streben, um sich<br />
dort von geeigneter Stelle aus<br />
ins Wasser gleiten zu lassen<br />
oder durch einen mutigen<br />
Sprung von einer Fußgängerbrücke<br />
in die Fluten zu<br />
stürzen.<br />
Dann beginnt dieses fast<br />
mystische Erlebnis. Man wird<br />
sofort Teil dieser zügig hinweg<br />
tragenden Strömung, genießt<br />
das lautlose schwebende Mitfließen<br />
mit der bewegenden Kraft<br />
einer sanften Urgewalt. Den<br />
Schwimmer reizt es natürlich gegen<br />
den Strom anzuschwimmen:<br />
hoffnungslos. Man steuert mit<br />
leichten Bewegungen mal mehr<br />
zur Flussmitte oder mehr zum<br />
Rand hin, um für den Ausstieg<br />
gewappnet zu sein.<br />
Ein besonderes Erlebnis<br />
bietet sich auf dem Rücken<br />
treibend: Tauchen die<br />
Ohren in das Wasser ein,<br />
hört man erstaunlich laut<br />
und klangvoll das Kullern<br />
und Klunkern der rieselnden<br />
Kieselsteine auf dem Boden.<br />
Man denkt möglicherweise<br />
daran, dass man in geschmolzenen<br />
Gletschern von<br />
Eiger, Mönch und Jungfrau<br />
schwimmt und dieses durch<br />
das Wasser dringende Geräusch<br />
von den schleifenden<br />
»Hobelspänen« der immer<br />
noch andauernden Gebirgsbildung<br />
herrührt.<br />
Der Blick gleitet zum vorbeiziehenden<br />
waldumsäumten<br />
Ufer und dann nach der<br />
letzten Biegung auf die schier<br />
atemberaubende Kulisse der<br />
Berner Altstadt, gekrönt vom<br />
imposanten Bundeshaus mit<br />
seiner mächtigen Kuppel.<br />
Man nähert sich dem<br />
»Marzili«. Jetzt wird es Zeit,<br />
sich für den Ausstieg bereitzumachen<br />
und eine der zahlreichen<br />
Treppen anzusteuern,<br />
mit cooler Miene das Geländer<br />
zu greifen und gelassen<br />
und erfrischt wieder Boden<br />
unter die Füße zu nehmen.<br />
Die Einheimischen ignorieren<br />
natürlich die zahlreichen Hinweisschilder,<br />
dass der letzte<br />
Ausstieg jetzt noch soundso<br />
viele Meter weit entfernt sei,<br />
und nehmen total abgeklärt<br />
das letzte »Stägli« – Ehrensache!<br />
Ein paar Daten<br />
Im Sommer beträgt die Fließgeschwindigkeit<br />
ca. 3 Meter<br />
pro Sekunde, die Wassertemperatur<br />
kann bis 20 Grad<br />
erreichen. Aber selbst bei<br />
winterlichen 5 Grad schwimmen<br />
noch Dutzende auf der<br />
etwa 1 Kilometer langen Strecke<br />
zwischen dem Schönausteg<br />
und dem Marzilibad. An<br />
schönen Sommertagen frönen<br />
Tausende diesem Volkssport<br />
zum Nulltarif. ‹<br />
Rolf Salinger<br />
Fachwart Breiten-, Freizeitund<br />
Gesundheitssport im<br />
Südwestdeutschen Schwimmverband<br />
Neue Züricher Zeitung,<br />
05. Juli 2009:<br />
»Gratis und frei von Leistungsdenken:<br />
»Urban Swimming«<br />
ist der Trendsport des<br />
Krisensommers. Von Wien bis<br />
Boston reicht die Bewegung.<br />
Grosses Vorbild bleibt das<br />
Aareschwimmen in Bern.«<br />
Die Süddeutsche Zeitung<br />
schrieb 2008 über das Aareschwimmen:<br />
»Man kann nicht mehr aufhören,<br />
wenn man einmal damit<br />
angefangen hat!<br />
Aareschwimmen: »… ein fast mystisches Erlebnis. Man wird sofort Teil dieser zügig hinweg tragenden<br />
Strömung, genießt das lautlose schwebende Mitfließen mit der bewegenden Kraft einer sanften Urgewalt.«<br />
Foto: Salinger<br />
Eine weitere Besonderheit ist<br />
das Riversurfen: An einem<br />
überhängenden starken Ast ist<br />
eine Art Bungee-Seil befestigt,<br />
dessen anderes Ende ein<br />
Surfer hält. Durch Anstellen<br />
des Brettes lässt er sich flussabwärts<br />
treiben, wobei sich<br />
das Gummiseil zunehmend<br />
spannt. Bei der gewünschten<br />
Höchstspannung drückt er das<br />
Brett dann in eine waagrechtere<br />
Lage und schießt auf der<br />
Wasseroberfläche in eleganten<br />
Schwüngen flussaufwärts, von<br />
wo sich das Ganze wiederholt.<br />
Ein faszinierendes Freizeitvergnügen!<br />
«<br />
www.aaremarzili.info<br />
Tipp: Vielleicht führt Sie Ihr<br />
nächster Vereinsausflug nach<br />
Bern und Sie probieren es<br />
einfach mal aus! ‹