Ausgabe 7.indd - Hungener Marktbote
Ausgabe 7.indd - Hungener Marktbote
Ausgabe 7.indd - Hungener Marktbote
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
5 <strong>Hungener</strong> <strong>Marktbote</strong><br />
Die <strong>Hungener</strong> Käsescheune<br />
Die Städte Hungen und Hüttenberg<br />
blicken auf eine lange<br />
Schäfertradition zurück: In<br />
Hungen hütet der Stadtschäfer<br />
eine gut 800-köpfige Herde<br />
und bildet bis Ende 2013 sogar<br />
eine Schäferin aus. In Hüttenberg<br />
gibt es noch eine Bauernschäferei,<br />
in der auch kleine<br />
Schafgruppen privater Besitzer<br />
in einer Herde gehütet werden.<br />
Alles Bio-Rasenmäher,<br />
also Fleischschafe, mit denen<br />
die Schäfer übers Land ziehen.<br />
Auch Stefan Heintz und sein<br />
Vater Reinhard, der bereits seit<br />
30 Jahren Schafe hält und Vorsitzender<br />
des Hessischen Verbandes<br />
für Schafszucht und –<br />
Haltung ist, wandern einmal im<br />
Jahr fünf Stunden mit ihrer 500<br />
kopf-starken Merinolandschafherde<br />
nach Fernwald-Steinbach,<br />
wo gut 8 ha Kuppen der<br />
Hutung „Hoher Stein“ beweidet<br />
werden, und dann wieder<br />
zurück. Dieses Areal ist eine der<br />
im Life+ Projekt „Wetterauer<br />
Hutungen“ ausgewiesenen Flächen.<br />
Ziel dieses Naturschutzprojektes<br />
ist es, die traditionell<br />
schafbeweideten Hutungen<br />
vor Verbuschung zu schützen,<br />
regionaltypische Pflanzen zu<br />
schützen und durch die Verbesserung<br />
der Infrastruktur (Tränken,<br />
Triftwege, Zäune) sowie<br />
Vernetzung der Schäfer und<br />
ehrenamtlicher Landschaftspfleger,<br />
zu erhalten.<br />
Milchschafhaltung wird durch<br />
Abnahmegarantien attraktiv.<br />
Stefan Heintz (27), Juniorchef<br />
der Traditionsschäferei<br />
Heintz, stockt seine bisher<br />
knapp 20-köpfige ostfriesische<br />
Milchschafherde derzeit auf.<br />
Der muntere Nachwuchs gehört<br />
ebenso dazu wie einige<br />
Zukäufe. Sein Ziel: um die 100<br />
Tiere. Denn er wird ab Mai 2013<br />
die Schaukäserei in der <strong>Hungener</strong><br />
Käsescheune mit Schafsmilch<br />
beliefern. „100 Tiere<br />
braucht man, um betriebswirtschaftlich<br />
erfolgreich die<br />
Milchschafshaltung betreiben<br />
zu können“, erklärt er. Und für<br />
einen Liter Schafsmilch muss er<br />
zwischen 1,20 und 1,60 Euro erzielen,<br />
damit sich die Schafshaltung<br />
auch rentiert. Im Gegensatz<br />
zur Wanderschäferei ist<br />
die Haltung von Milchschafen<br />
aufwendiger. Milchschafe wollen<br />
wie Kühe zwei Mal am Tag<br />
gemolken werden, müssen<br />
deswegen in Stallnähe gehalten<br />
werden. Bei Schäfer Heintz<br />
weiden die Schafe und Lämmer<br />
deswegen von Frühling<br />
bis Herbst auf rund 6 Hektar<br />
Flächen rund um die Stallungen.<br />
Gentechnikfreie Zusatzfütterung<br />
im Stall inklusive. Ein<br />
Schaf gibt bis zu 600 Liter jährlich.<br />
Im Vergleich: eine Turbo-<br />
Milchkuh bis zu 19.000 Liter.<br />
Um alle Schafe effizient melken<br />
zu können, erweitert Familie<br />
Heintz den bisherigen<br />
Melkstand auf 20 Positionen.<br />
Stefan Heintz, Lebensgefährtin<br />
Christine Damm und Lamm<br />
Die <strong>Hungener</strong> Schaukäserei hat<br />
Leuchtturmfunktion.<br />
Die <strong>Hungener</strong> Käsescheune<br />
wird im Juni 2013 ihren Betrieb<br />
aufnehmen und zunächst täglich<br />
zwischen 2000 und 3000<br />
Liter Kuhmilch aus der Region<br />
verarbeiten. Außerdem ist sie<br />
neben einer bayerischen Molkerei<br />
die einzige in Deutschland,<br />
die Schafsmilch in großen<br />
Mengen (300 Liter jeden<br />
zweiten Tag) annimmt und verarbeiten<br />
wird. „Leider überlassen<br />
wir das Geschäft mit<br />
der Schafsmilch den südeuropäischen<br />
Nachbarn wie Griechenland,<br />
Spanien oder Frankreich“,<br />
beklagt Stefan Heintz.<br />
Hessenweit müsse Schafsmilch<br />
bisher in der eigenen<br />
Hofkäserei verarbeitet und direkt<br />
auf Märkten, im Hofladen<br />
oder über Lebensmittelfachgeschäfte<br />
vermarktet werden. In<br />
der Wetterau und dem Landkreis<br />
Gießen bietet die <strong>Hungener</strong><br />
Käsescheune Schäfern und<br />
Landwirten nun ein zukunftsfähiges<br />
Vermarktungsstandbein<br />
mit wirtschaftlich berechenbaren<br />
Einkünften an und<br />
übernimmt so eine Vorreiterstellung<br />
– nicht nur in der grünen<br />
Mitte Hessens. „Es war in<br />
der Planungsphase der <strong>Hungener</strong><br />
Käsescheune zunächst<br />
schwierig, Schäfer zu finden,<br />
die bereit sind, ihre Milchschafbestände<br />
aufzustocken<br />
oder wie Andreas Schmid eine<br />
neue Herde aufzubauen. Aber<br />
wir wollen die Schäfertradition<br />
rund um Hungen nachhaltig<br />
wiederbeleben und regionale<br />
Wirtschaftskreisläufe stärken.<br />
Deswegen sind wir sehr froh,<br />
zwei Schäfer in der Nähe gefunden<br />
zu haben, die uns mit<br />
Schafsmilch beliefern werden“,<br />
sagt Reiner Wechs, Produktentwickler<br />
in der <strong>Hungener</strong><br />
Käsescheune.<br />
Junge Schäfer sind innovativ<br />
und risikofreudig.<br />
Die innovativen und risikofreudigen<br />
Schäfer Stefan Heintz<br />
(Hüttenberg) und Andreas<br />
Schmid (Münzenberg) investieren<br />
in die Zukunft der Milchschafhaltung.<br />
Familie Heintz<br />
legte sich bereits vor zwei Jahren<br />
Milchschafe zu. Ohne die<br />
Kooperation mit der Käserei<br />
in der <strong>Hungener</strong> Käsescheune<br />
wäre es jedoch bei etwa 20<br />
Tieren geblieben, resümiert<br />
Heintz. Einen Partner und zuverlässigen<br />
Abnehmer in der<br />
Nachbarschaft zu haben, hat<br />
auch den gelernten Forst- und<br />
Tierwirt Fachrichtung Schafshaltung<br />
Andreas Schmid aus<br />
Münzenberg-Gambach bewogen,<br />
seine bisherige Merino-<br />
Schafherde um eine bis zu<br />
200 Köpfen starke Milchschafherde<br />
zu erweitern. Andreas<br />
Schmid bevorzugt jedoch Lacaune-Schafe.<br />
Gerade hat er 50<br />
Lämmer und 35 Jährlinge gekauft.<br />
Die beweiden nun auch<br />
traditionelle Wetterauer Hutungen,<br />
u. a. in der Metz bei<br />
Münzenberg. Im großzügigen<br />
und luftigen Stall mit komfortablem<br />
Strohbett für die Tiere,<br />
werden die Schafe mit selbst<br />
angebauter und hergestellter<br />
Grassilage, Stroh und Mineralfutter<br />
zugefüttert. Der passionierte<br />
Schäfer – seine Familie<br />
betreibt seit gut 80 Jahren<br />
eine Schäferei – investiert<br />
zudem in eine nagelneue, moderne<br />
Melkanlage. Insgesamt<br />
gut 35.000 Euro. Er hofft, ab<br />
Spätsommer 2013 Schafsmilch<br />
an die <strong>Hungener</strong> Käsescheune<br />
liefern zu können. Mittelfristiges<br />
Ziel: 2000 Liter monatlich.<br />
„Gern mehr“, wie er verschmitzt<br />
sagt. Neben allen<br />
technischen und wirtschaftlichen<br />
Überlegungen soll aber<br />
auch das traditionelle Hüten<br />
der Schafe mit seinen Hunden<br />
(altdeutsche Schäferhunde<br />
und ein Australien Shepherd)<br />
nicht zu kurz kommen. „Der<br />
Umgang mit den Tieren, die Arbeit<br />
in der Natur, die Kontemplation,<br />
wenn man mit den<br />
Schafen zieht, das möchte ich<br />
auf keinen Fall missen“, erzählt<br />
Schmid mit leuchtenden<br />
Augen.<br />
Beide Schäfer müssen die Herausforderung<br />
„Lämmer“<br />
meistern.<br />
Was aber tun, wenn die Milchschafe<br />
Lämmer haben? Die<br />
sind nämlich die ersten an<br />
der Tankstelle und trinken die<br />
Milch weg. Die Käseproduktion<br />
in der <strong>Hungener</strong> Käsescheune<br />
müsste dann ruhen. Da das<br />
wirtschaftlich nicht darstellbar<br />
ist, überlegen beide Schäfer,<br />
wie sie eine konstante Milchleistung<br />
garantieren können. Erste<br />
Möglichkeit: die Lämmer<br />
gehen in einen Kuhbetrieb und<br />
werden mit der Kuhmilch-Flasche<br />
aufgezogen. Zweite Möglichkeit:<br />
die Herde wird aufgeteilt<br />
und die Mutterschafe<br />
bekommen zu unterschiedlichen<br />
Zeiten ihre Lämmer. Dann<br />
würde sich die Milchlieferung<br />
jedoch über zweimal acht Wochen<br />
halbieren. „Es ist ja noch<br />
etwas Zeit und wir werden eine<br />
nachhaltige Lösung finden“, so<br />
die beiden Schäfer unisono.<br />
<strong>Hungener</strong> Käsescheune, Brauhofstraße<br />
3-7, 35410 Hungen,<br />
Ansprechpartner Reiner<br />
Wechs, M +49 (0)176/70 29 24<br />
16, www.hungener –kaesescheune.de<br />
Text: Ingrid Schick