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Download - NABU Oberberg

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Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

bei geringerem Rohfaseranteil als die robusten Rassen. Doch was fraßen Pferde und Rinder noch<br />

vor gut einhundert Jahren, als Begriffe wie Naturschutz, Schwund der Artenvielfalt oder<br />

Wohlstandserkrankung unbekannte Fremdworte waren, weil die Bauern durch ihre Nutzung die<br />

kleinräumige und vielfältige Landschaft pflegten? Was finden wir also in traditionellen Wiesen für<br />

Gewächse, die wir heute im monotonen Wirtschaftsgrünland vergeblich suchen?<br />

Je nach Standort stellen sich optimal an Boden, Nährstoffangebot, Wasserverfügbarkeit und<br />

Witterung angepasste wilde Gräser und Kräuter ein.<br />

Auf feuchten bis nassen Böden finden wir zumeist kräftige, hochwüchsige Arten, die viel<br />

Aufwuchs auf wenig Fläche einbrachten. Nasse Böden, die nicht „ackerfähig“ waren, waren daher<br />

die wertvollsten Mähwiesen, und wo nicht genug nasse Flächen vorhanden waren wurde<br />

ausgeklügelt bewässert. Der heutige Pferdehalter wird staunen, was für „Ungräser“ unseren<br />

Altvorderen als bestes Pferdefutter galten:<br />

Die vor einhundert Jahren am teuersten gehandelten Heugräser auf dem Berliner Futtermittel-<br />

Markt finden sich im Feuchtgrünland der großen Flüsse im flachen Nordosten Deutschlands: die<br />

Echte Mielitz (Wasser-Schwaden, Glyceria maxima) für damalige Milchkühe, die Havelmilitz<br />

(Rohr-Glanzgras, Phalaris arundinacea) für die arbeitenden Pferde vor Droschken und unterm<br />

(Militär-) Sattel. Beide Gräser werden fast so hoch wie Schilf (Phragmitis australis) und müssen als<br />

Heu sehr früh, vor der Blütenbildung, geschnitten werden, sollen sie nicht zu hart werden und dann<br />

nur noch als Einstreu verwertbar sein. Warum der Unterschied zwischen Echter und Havel-Mielitz?<br />

Die Milchkühe benötigten schon damals für die Milchproduktion höhere Energie- und<br />

Proteingehalte als die arbeitenden Pferde. Die Havelmielitz hat mehr Struktur als die etwas<br />

weichere, schmackhaftere Echte Mielitz. Beide Gräser stehen auf derart nassen Flächen, dass<br />

schwere Maschinen nicht einsetzbar sind. Die Heumahd wurde per Hand mit der Sense<br />

durchgeführt oder mit Zugpferden vor dem Mähwerk. In besonders nassen Jahren konnten die<br />

Pferde nur mit Moorschuhen (das sind mit Lederhufschuhen verbundene Bretter, die wie<br />

Schneeschuhe ein Einsinken auch im Moor verhindern) auf die Flächen, um die bepackten Reuter<br />

auf Lastenschlitten auf trockeneres Gelände zu ziehen. Trotz der enorm hohen, gut dokumentierten<br />

Erntemengen damals von bis zu 16 Tonnen Havelmielitzheu in zwei Schnitten pro Hektar sind diese<br />

Gräser heute wirtschaftlich ohne Interesse, da sich der Arbeitsaufwand nicht mehr lohnt. Im<br />

<strong>Oberberg</strong>ischen fanden sich diese ertragreichen Gräser nur in schmalen Streifen am Rande der<br />

Bäche, die durch die engen Täler flossen.<br />

Andere Feuchtgrünländer, die Hochseggenrieder, werden dominiert von Sauergräsern. Riedgräser,<br />

wie die Sauergräser auch genannt werden, fanden sich sehr wohl im <strong>Oberberg</strong>ischen. Sie sind heute<br />

auf sehr kleine Teilflächen beschränkt, die mit modernen Methoden schwer zu ernten sind oder nur<br />

im Verbund mit anderen Wiesen den Ernteaufwand lohnen. Diese derben, dicht und recht hoch<br />

wachsenden Sauergräser zeigen höhere Kieselsäuregehalte als Süßgräser, zudem sehr niedrige<br />

Energie- und Proteingehalte. Kieselsäure wird heute nicht nur als gesunder Futterzusatz gegeben.<br />

Die Kieselsäure ist im Zinnkraut (Schachtelhalm) die Substanz, die unsere Vorfahren als<br />

„Schmirgelpapier“ nutzten. Sie schleift die Zähne der Pferde gleichmäßig ab. Nur wenige Süßgräser<br />

wie z.B. Schilf zeichnen sich durch höhere Kieselsäuregehalte aus und werden jung sehr gerne<br />

gefressen. Damit die harten Strukturen nach gründlichem Kauen noch verdaulich sind, darf auch<br />

Hochseggenried nicht zu spät gemäht werden, soll der Aufwuchs mehr als nur Einstreu sein.<br />

Ein besonders derbes, sehr Kieselsäure-reiches Süßgras findet sich ebenfalls im nassen Grünland<br />

sehr häufig: die heute oft als „DAS Ungras schlechthin“ bekämpfte Rasenschmiele. Während sie im<br />

Norddeutschen Flachland gerne bestandsbildend wird, findet sie sich im <strong>Oberberg</strong>ischen nur mit<br />

geringen Anteilen im Bestand. Die Rasenschmiele wurde keineswegs immer schon als Ungras<br />

bekämpft, im Gegenteil. Ihr uralter niederdeutscher Name „de groot Meddel“ weist uns darauf hin,<br />

was sie in früheren Zeiten für die Landwirtschaft in der moorreichen norddeutschen Tiefebene<br />

2 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>

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