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Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

Heu aus traditionellen Heuwiesen<br />

Im Gegensatz zu wiederholt abgefressenen Weideflächen aus niedrigen Pflanzenarten zeichnen sich<br />

traditionelle Heu- Wiesen, die nur ein bis zweimal im Jahr für das Winterfutter gemäht werden,<br />

durch hochwüchsige Gräser und Kräuter aus. Viele dieser Wiesenpflanzen vertragen zu häufiges<br />

Entfernen ihrer oberirdischen Teile nicht. Auf modernen Vielschnittwiesen mit etwa 5 Silageernten<br />

im Jahr sucht man sie daher vergeblich. Die weltweit wichtigsten Wirtschaftsgräser im Futterbau,<br />

also Weidelgräser (Lolium perenne, L. multiflorum) und breitblättrige Schwingel (Festuca<br />

arundinacea, F. pratensis), können zu schweren Vergiftungen beim Weidevieh führen. Besonders<br />

betroffen sind die Pferde, da Wiederkäuer wie Schaf und Rind erheblich höhere Giftmengen<br />

vertragen. Ursache der Vergiftungen sind Pilze, die von außen völlig unsichtbar innerhalb des<br />

Pflanzenkörpers leben, sogenannte Endophyten (endo: innerhalb; phyto: Pflanze). Diese Pilze<br />

helfen den Gräsern besser mit Stress klar zu kommen, sie sind also für die Widerstandskraft<br />

(Resistenz) der Futtergräser wichtig. Gräser ohne ihre pilzlichen Partner sind empfindlicher und<br />

vertragen keine so intensive (Über-) Nutzung. Leider gehören die erwähnten Pilze zur<br />

Verwandtschaft der Mutterkornpilze. Sie stellen ein ganzes Sammelsurium an Giftstoffen her, die<br />

jeder für sich bereits in Spuren hochgradig wirksam sind und beispielsweise zu Erkrankungen wie<br />

Laminitis (Klauenrehe, Hufrehe) führen. Die Ansaat von Monokulturen oder artenarmen<br />

Futterflächen aus resistenten Gräsern, die alle in der gleichen Weise auf bestimmte Fähigkeiten<br />

selektiert wurden, erhöht die Gefahr von Vergiftungen. Während im Grasland aus Wildpflanzen<br />

neben unterschiedlichsten Grasarten und Kräuterarten auch innerhalb der Art eine große,<br />

„individuelle“ Vielfalt an genetischen Reaktionsmöglichkeiten besteht und innerhalb einer Grasart<br />

ganz unterschiedliche Endophyten Partner sein können, finden sich im Zucht-Grasland nur wenige<br />

genetisch eingeengte Zuchtsorten und nur wenige Endophyten. Wildpflanzenbestände reagieren<br />

daher „elastisch“ auf Stress indem jede Pflanze den für sie besten Weg geht. Einzelne giftige Gräser<br />

werden vom Gesamtbestand verdünnt. Im Gegensatz dazu reagieren in einer Monokultur alle<br />

Individuen in sehr ähnlicher Weise, was im Falle steigender Giftgehalte zu einer Giftigkeit des<br />

Gesamtbestandes führen kann. Messungen aus den USA haben dabei gezeigt, dass der Giftgehalt<br />

des frischen Grases durch die Lagerung als Silage nur wenig abgebaut wird, dass die Herstellung<br />

von Heu den Giftgehalt dagegen deutlich senken kann – obwohl besonders giftige Ernten auch nach<br />

Jahren der Lagerung als Heu noch ungeeignet als Tierfutter sein können. Endophyten können<br />

Zuchtexemplare sein und sogar patentierte Lebewesen sein. Die gentechnische Manipulation von<br />

Zucht- Endophyten wird in der Wissenschaft praktiziert. Während Beweidungsdruck grundsätzlich<br />

den Infektionsgrad der Gräser mit (giftigen) Endophyten erhöht, gibt es Kräuter, die den<br />

Infektionsgrad zurück drängen: Pflanzliche Halbparasiten wie der Klappertopf spielen im Grasland<br />

eine ganz wichtige, regulierende Rolle und sind keineswegs „sinnlose Artenvielfalt“!<br />

Die sogenannten Wohlstandserkrankungen heutiger Pferde lassen immer mehr Pferdehalter nach<br />

Heu aus traditionellem Dauergrünland suchen. Darunter versteht man Grünland, das in den<br />

vergangenen drei bis fünf Jahrzehnten ununterbrochen als Grasland genutzt wurde, ohne mit<br />

Saatgut nach- oder übergesät zu werden und selbstverständlich ohne nach Umpflügen neu eingesät<br />

zu werden. Im Idealfall ist das Grasland irgendwann durch Selbstbegrünung aus einer Brache<br />

entstanden, wie die Dreifelderwirtschaft es ursprünglich praktizierte. Was über Jahrhunderte, wenn<br />

nicht Jahrtausende eine gesunde Futtergrundlage unserer Hauspferde war, kann nicht verkehrt sein –<br />

zumal die zahmen Weidetiere und ihre regionale Futterumgebung eine über Jahrtausende<br />

entwickelte Kulturleistung darstellen, die nur zusammen entwickelt werden konnte. Moderne<br />

Hochleistungs- Milchkühe benötigen eine völlig andere Ernährung als Pferde und die alten, heute<br />

vom Aussterben bedrohten Rinderrassen. Galloway und Robustpferde können auf einer Weide<br />

gesund zusammen leben, modernes Milchvieh benötigt dagegen höhere Zucker- und Eiweißgehalte<br />

1 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>


Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

bei geringerem Rohfaseranteil als die robusten Rassen. Doch was fraßen Pferde und Rinder noch<br />

vor gut einhundert Jahren, als Begriffe wie Naturschutz, Schwund der Artenvielfalt oder<br />

Wohlstandserkrankung unbekannte Fremdworte waren, weil die Bauern durch ihre Nutzung die<br />

kleinräumige und vielfältige Landschaft pflegten? Was finden wir also in traditionellen Wiesen für<br />

Gewächse, die wir heute im monotonen Wirtschaftsgrünland vergeblich suchen?<br />

Je nach Standort stellen sich optimal an Boden, Nährstoffangebot, Wasserverfügbarkeit und<br />

Witterung angepasste wilde Gräser und Kräuter ein.<br />

Auf feuchten bis nassen Böden finden wir zumeist kräftige, hochwüchsige Arten, die viel<br />

Aufwuchs auf wenig Fläche einbrachten. Nasse Böden, die nicht „ackerfähig“ waren, waren daher<br />

die wertvollsten Mähwiesen, und wo nicht genug nasse Flächen vorhanden waren wurde<br />

ausgeklügelt bewässert. Der heutige Pferdehalter wird staunen, was für „Ungräser“ unseren<br />

Altvorderen als bestes Pferdefutter galten:<br />

Die vor einhundert Jahren am teuersten gehandelten Heugräser auf dem Berliner Futtermittel-<br />

Markt finden sich im Feuchtgrünland der großen Flüsse im flachen Nordosten Deutschlands: die<br />

Echte Mielitz (Wasser-Schwaden, Glyceria maxima) für damalige Milchkühe, die Havelmilitz<br />

(Rohr-Glanzgras, Phalaris arundinacea) für die arbeitenden Pferde vor Droschken und unterm<br />

(Militär-) Sattel. Beide Gräser werden fast so hoch wie Schilf (Phragmitis australis) und müssen als<br />

Heu sehr früh, vor der Blütenbildung, geschnitten werden, sollen sie nicht zu hart werden und dann<br />

nur noch als Einstreu verwertbar sein. Warum der Unterschied zwischen Echter und Havel-Mielitz?<br />

Die Milchkühe benötigten schon damals für die Milchproduktion höhere Energie- und<br />

Proteingehalte als die arbeitenden Pferde. Die Havelmielitz hat mehr Struktur als die etwas<br />

weichere, schmackhaftere Echte Mielitz. Beide Gräser stehen auf derart nassen Flächen, dass<br />

schwere Maschinen nicht einsetzbar sind. Die Heumahd wurde per Hand mit der Sense<br />

durchgeführt oder mit Zugpferden vor dem Mähwerk. In besonders nassen Jahren konnten die<br />

Pferde nur mit Moorschuhen (das sind mit Lederhufschuhen verbundene Bretter, die wie<br />

Schneeschuhe ein Einsinken auch im Moor verhindern) auf die Flächen, um die bepackten Reuter<br />

auf Lastenschlitten auf trockeneres Gelände zu ziehen. Trotz der enorm hohen, gut dokumentierten<br />

Erntemengen damals von bis zu 16 Tonnen Havelmielitzheu in zwei Schnitten pro Hektar sind diese<br />

Gräser heute wirtschaftlich ohne Interesse, da sich der Arbeitsaufwand nicht mehr lohnt. Im<br />

<strong>Oberberg</strong>ischen fanden sich diese ertragreichen Gräser nur in schmalen Streifen am Rande der<br />

Bäche, die durch die engen Täler flossen.<br />

Andere Feuchtgrünländer, die Hochseggenrieder, werden dominiert von Sauergräsern. Riedgräser,<br />

wie die Sauergräser auch genannt werden, fanden sich sehr wohl im <strong>Oberberg</strong>ischen. Sie sind heute<br />

auf sehr kleine Teilflächen beschränkt, die mit modernen Methoden schwer zu ernten sind oder nur<br />

im Verbund mit anderen Wiesen den Ernteaufwand lohnen. Diese derben, dicht und recht hoch<br />

wachsenden Sauergräser zeigen höhere Kieselsäuregehalte als Süßgräser, zudem sehr niedrige<br />

Energie- und Proteingehalte. Kieselsäure wird heute nicht nur als gesunder Futterzusatz gegeben.<br />

Die Kieselsäure ist im Zinnkraut (Schachtelhalm) die Substanz, die unsere Vorfahren als<br />

„Schmirgelpapier“ nutzten. Sie schleift die Zähne der Pferde gleichmäßig ab. Nur wenige Süßgräser<br />

wie z.B. Schilf zeichnen sich durch höhere Kieselsäuregehalte aus und werden jung sehr gerne<br />

gefressen. Damit die harten Strukturen nach gründlichem Kauen noch verdaulich sind, darf auch<br />

Hochseggenried nicht zu spät gemäht werden, soll der Aufwuchs mehr als nur Einstreu sein.<br />

Ein besonders derbes, sehr Kieselsäure-reiches Süßgras findet sich ebenfalls im nassen Grünland<br />

sehr häufig: die heute oft als „DAS Ungras schlechthin“ bekämpfte Rasenschmiele. Während sie im<br />

Norddeutschen Flachland gerne bestandsbildend wird, findet sie sich im <strong>Oberberg</strong>ischen nur mit<br />

geringen Anteilen im Bestand. Die Rasenschmiele wurde keineswegs immer schon als Ungras<br />

bekämpft, im Gegenteil. Ihr uralter niederdeutscher Name „de groot Meddel“ weist uns darauf hin,<br />

was sie in früheren Zeiten für die Landwirtschaft in der moorreichen norddeutschen Tiefebene<br />

2 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>


Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

bedeutete: das große, also überwiegende Mähefutter. Dieses Gras ist daher ein wunderbares<br />

Beispiel, wie der Wert einer Pflanze sich über die Jahrhunderte verändert, obwohl es die gleiche<br />

Pflanze ist. Die Ursache der heutigen Verachtung ist die veränderte Erntetechnik: Weil dieses Gras<br />

gerne in extrem dichten, harten Büscheln (Horste, Bulte) wächst, fressen sich mechanische<br />

Schneidwerke wie Balkenmäher daran gnadenlos fest. Solange per Hand mit der Sense gemäht<br />

wurde, war das kein Problem. Dabei durfte die Rasenschmiele noch keine Blüten gebildet haben,<br />

sollte sie als Futter nicht zu hart sein. Der Schnitt musste also sehr früh erfolgen.<br />

Ein weiteres Beispiel aus dem süddeutschen Raum nahe den Alpen soll uns zeigen, wie enorm sich<br />

in kürzester Zeit das Futterangebot für unsere Pferde verändert hat: Auf extrem nassen Flächen<br />

getreidearmer Regionen wie beispielsweise Gebirgslagen kultivierte man bis vor wenigen<br />

Jahrzehnten Streuewiesen. Sie bestanden aus Sauergräsern und Pfeifengras auf urbar gemachten<br />

Hochmoorböden. Der Aufwuchs wurde nicht als Futter, sondern als Einstreu geerntet (daher der<br />

Name Streuewiese), und zwar nur einmal im Jahr im späten Herbst, oft erst im Winter, wenn<br />

Dauerfrost das Betreten der Flächen ermöglichte. In Oberbayern diente dieser andernorts als<br />

Einstreu gedachte Aufwuchs der Streuewiesen tatsächlich noch vor sechzig Jahren vor allem den<br />

Fohlen der dortigen Haflinger und Süddeutschen Kaltblutpferde (landwirtschaftliche Arbeitspferde)<br />

als Winterfutter. Dieses Ergebnis ergab eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 1953, die<br />

damals klären sollte, wie die wegen ihrer besonderen Leistungsfähigkeit und Gesundheit hoch<br />

gehandelten Arbeitspferde aus Oberbayern ernährt und aufgezogen werden. Die magere Ernährung<br />

mit derbem Winterfutter schmälerte die Einsatzfähigkeit und Langlebigkeit der an diese<br />

Gegebenheiten angepassten Pferdeschläge offensichtlich nicht.<br />

Auf trockeneren Standorten wie sandigen Böden und Hanglagen musste früher ebenfalls<br />

Winterfutter gewonnen werden. Vor einhundert Jahren waren nach Angaben des damaligen<br />

Grünlandexperten Prof. Carl Albert Weber Wiesenformen aus Niederseggen im Norddeutschen<br />

Flachland noch ungeheuer weit verbreitet. Auch hier handelt es sich um Sauergräser, die aber im<br />

Gegensatz zu den Hochseggen der Feuchtgrünländer nur sehr geringe Erträge bringen. Auch diese<br />

Gräser zeichnen sich durch hohe Rohfasergehalte bei geringen Eiweiß- und Energiegehalten aus. Im<br />

<strong>Oberberg</strong>ischen fanden sich keine Niederseggenwiesen, dafür aber unterschiedlich feuchte bis eher<br />

trockene Wiesen unterschiedlicher Zusammensetzung an den Hängen. Da Dünger knapp und<br />

kostbar war, wurden komplizierte Bewässerungssysteme in die Hänge gebaut, die die Futterqualität<br />

der Pflanzenzusammensetzung verbesserte. Die Rispengraswiesen waren die nahrhafteste<br />

Steigerung, die durch Bewässerung und Nutzung der Heuwiesen erzielt werden konnte. Verbreiteter<br />

waren Honiggraswiesen. Diese ordnete man vor einhundert Jahren neben den Ruchgraswiesen und<br />

Glatthaferwiesen den „Fettwiesen“ zu. Während das Ruchgras auf armen, sauren Böden zu wachsen<br />

vermag, braucht das Honiggras genug Wasser und der anspruchsvolle Glatthafer neben genug<br />

Wärme vor allem Nährstoffe, also Dünger oder fruchtbaren Boden. Lücken im Bestand werden<br />

auch im <strong>Oberberg</strong>ischen gerne von der einjährigen Behaarten Trespe gefüllt, die nur niedrigen<br />

Futterwert hat, aber noch Mitte des vorigen Jahrhunderts als „Deutsches Raigras“ im<br />

Norddeutschen Flachland als Futtergras angebaut wurde. Auf den zeitweise mehr oder weniger<br />

trockenen Standorten finden sich neben den im Futterwert zumeist niedrig eingestuften Wildgräsern<br />

oft besonders artenreiche und dabei kräuterreiche Pflanzenbestände mit vielen<br />

Schmetterlingsblütlern. Schmetterlingsblütler (Leguminosen) können mit Hilfe von<br />

Knöllchenbakterien im Wurzelraum den Stickstoff aus der Luft binden und als Dünger nutzen.<br />

Daher können solche Futterflächen dann sehr eiweißreich sein. Die vielen Kräuter enthalten viele<br />

wichtige Mineralien, sind aromatisch und haben häufig heilende Wirkung. Leider werden ihre<br />

zarten Strukturen von modernen Heuwendern zerschlagen und gehen verloren (Bröckelverlust).<br />

Beim Trocknen auf Reutern und Wenden im Pferdezug mit Gabelwendern gehen die Kräuter nicht<br />

verloren. Diese Arbeit ist heute jedoch unbezahlbar. Neben aromatischen Kräutern finden sich auf<br />

3 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>


Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

armen, meistens trockenen Standorten aromatische Gräser. Rotschwingel kann dem Heu einen<br />

gewissen „Rotbuschtee“- Geruch verleihen, also etwas herb-säuerlich, ähnlich wie Sauergräser. Im<br />

<strong>Oberberg</strong>ischen entstanden Rotschwingelwiesen durch die Ansaat von nicht an den Standort<br />

angepassten Gräsermischungen. Von sämtlichen angesäten Grasarten blieben in der Regel nur die<br />

Rotschwingel in unterschiedlichen Unterarten übrig. Auffällig ist der bei Menschen beliebte<br />

Waldmeistergeruch den das wenig anspruchsvolle, im Heu goldgelbe Ruchgras ausströmt. Sein<br />

Ruchstoff, das Cumarin, findet sich auch in Steinklee und Waldmeister. Cumarin ist ein<br />

Blutverdünner und wird medizinisch nicht nur bei Schlaganfällen, sondern auch bei Hufrehe<br />

eingesetzt.<br />

Alle diese aromatischen Futterbestandteile können bei Pferden Ablehnung oder auch Begierde<br />

auslösen. Dabei hängt die Akzeptanz des Futters stark davon ab, ob das Tier diesen Geruch und<br />

Geschmack kennt und positiv abgespeichert hat oder ob der Geruch fremd ist und Misstrauen<br />

auslöst. Säugetiere bauen in ihrem Leben ein beeindruckendes Geruchs- und<br />

Geschmacksgedächtnis auf, wenn sie dazu die Möglichkeit haben. Jedes fremde Futtermittel, jeder<br />

fremde Geruch wird gegebenenfalls über Tage, Wochen, Monate getestet, bevor entschieden wird,<br />

ob man gefahrlos von diesem Futter größere Mengen konsumieren kann. Dieses Verhalten zeigen<br />

nicht nur Ratten. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihr Pferd nichts Neues ausprobieren möchte,<br />

denn „wat de Buur nich kennt, eet hey nich“. Futterneid kann die Akzeptanz in Herdenhaltung<br />

beeinflussen, insbesondere, wenn Futter aus Sicht der Pferde eine Mangelware ist. Das kann auch<br />

bei hohen Futtermengen der Fall sein, speziell bei Sportpferden, die aufgrund der hohen<br />

Arbeitsleistung hohe Kraftfuttermengen erhalten, aber nur wenig, dafür nahrhaftes Heu aus<br />

modernem Wirtschaftsgrünland und kein Stroh (Späne-Einstreu). Als von ihrem Verdauungstrakt als<br />

Dauerfresser ausgelegte Tiere reagieren Pferde dann mit verzweifeltem Holzfressen, Fressen von<br />

ungenießbaren Strunken wie Stängel von Stumpfblättrigem Ampfer nicht selten begleitet mit<br />

Lecken von lehmigen Böden und schließlich mit Schleimhautentzündungen und –geschwüren in<br />

Magen und Darm. Obwohl energiearmes Heu aus Naturschutzflächen die hohe sportliche Leistung<br />

dieser Pferde nicht ermöglichen würde, könnten die rohfaserreichen Aufwüchse aus traditionellen<br />

Dauergrünländern als zusätzliches Futterangebot zwischen den eigentlichen Fütterungen helfen, den<br />

Verdauungstrakt der vierbeinigen Hochleistungssportler in Stresssituationen zu schützen.<br />

Im Naturschutz geht es oftmals um den Schutz brütender Vögel oder seltener Pflanzen. Das führt zu<br />

Schnittzeitpunkten nach dem Ausfliegen der Jungvögel oder dem Absamen der Pflanzen, die nach<br />

dem Termin liegen, der für den Erhalt einer guten Futterqualität wünschenswert wäre. Früh<br />

absamende Allerweltsgräser wie Wolliges Honiggras (Holcus lanatus) gelangen dann zur Dominanz<br />

und verdrängen schmackhaftere Wildgräser wie die Straußgräser oder den Echten Ausläufer-<br />

Rotschwingel. Trotzdem sind die weniger schmackhaften und besonders zuckerarmen Aufwüchse<br />

solcher Flächen für einzelne Pferdegruppen interessant. Das Heu ist geeignet für Pferde, die<br />

besonders energiearmes Futter aufgrund von (Stoffwechsel-) Erkrankungen benötigen, für Pferde<br />

die abspecken müssen und für besonders leichtfuttrige Pferde (-rassen), wobei immer für eine<br />

optimale Mineral- und Vitaminversorgung zusätzlich zu sorgen ist. Aus Erfahrungen mit Ziegen, die<br />

überständige Aufwüchse in Naturschutzgebieten fressen sollen, ist bekannt, dass die Gabe einer<br />

kleinen Menge leicht verdaulicher Futtermittel wie Hafer pro Tag dazu führt, dass die Ziegen<br />

erheblich intensiver vergilbtes, abgesamtes Altgras fressen. Ein Shetty, das eine halbe Stunde am<br />

Tag auf einer landwirtschaftlichen Grünlandmischung steht, nimmt unter Umständen eine<br />

Energiemenge auf, die bei dieser Rasse bereits zu Problemen wie Verfettung führen kann. Was soll<br />

dieser kleine Dauerfresser die restlichen Stunden am Tag als Schutz vor Magen- und<br />

Darmgeschwüren fressen? Auch Stroh kann bei derart leichtfuttrigen Tieren bereits zur Verfettung<br />

führen. Naturschutzheu aus spät geschnittenen und dadurch besonders energiearmen Wildgräsern<br />

kann hier eine den Tag über frei verfügbare Futtergrundlage bieten, die durch gezielte<br />

4 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>


Renate Vanselow, Biologie der Pferde für <strong>NABU</strong>-<strong>Oberberg</strong><br />

Zusatzfuttermittel und bei harter Arbeit z.B. vor der Kutsche durch Kraftfutter kontrolliert ergänzt<br />

wird. Gesamtzuckergehalte von 7 g pro kg Trockensubstanz (vollständig getrocknetes Heu)sind für<br />

Naturschutzheu keine Seltenheit.<br />

Schließlich stellt der Kauf von Heu aus Naturschutzflächen eine Unterstützung des Erhalts<br />

dieser alten Kulturlandschaft dar. Nur die Nutzung stellt eine Sicherung der Pflege dar. Und<br />

nur die Wirtschaftlichkeit der Nutzung sichert die Zukunft der naturnahen<br />

Kulturlandschaften unserer Vorfahren.<br />

Rotschwingel und Ruchgras machen diese Aufwüchse besonders würzig. Der Rotschwingel wird im<br />

Heu allgemein sehr gerne gefressen. Rotschwingel und Straußgräser können je nach Erntezeitpunkt<br />

durchaus gehaltvoll sein. Ein früher Schnitt würde sie fördern und das Honiggras zurück drängen.<br />

Honiggras ist energiearm und wenig schmackhaft, schrumpft durch die Trocknung jedoch stark<br />

zusammen, so dass sein Anteil im Heu hinter den anderen Gräsern zurück tritt. Wird diese Fläche<br />

früh geerntet, ergibt sie ein wertvolles, schmackhaftes Heu, mit dem Sportpferde mindestens einen<br />

Teil ihres Energiebedarfs decken können. Spät geerntet wird der Energiegehalt hier sehr gering, der<br />

Rohfasergehalt steigt stark und ein Heu dieser Artenzusammensetzung ist dann eher als<br />

Grundversorgung für leichtfuttrige Rassen im Erhaltungsbedarf geeignet.<br />

ANHANG: Weitere Infos / Literatur:<br />

Link zu VFD: Die “Tall Fescue Endophyte Story” auf deutsch:<br />

http://www.vfdnet.de/index.php/4741-lange-suche-nach-den-ursachen-toedlicherweidetiervergiftungen<br />

Link zu Pyrrolizidinalkaloiden in Futtergräsern:<br />

http://www.vfdnet.de/index.php/component/content/article/62-news/355-S-C3-BCndenbock-20f-<br />

C3-BCr-20fremde-20T-C3-A4ter-3F<br />

Link zum VFD-Handbuch kostenfreier download „Pferd & Heu“<br />

http://www.vfdnet.de/index.php/service/downloads/category/1-ratgeber<br />

Link zu „Giftige Gräser auf Pferdeweiden“ Vlg. Westarp<br />

http://www.biologie-der-pferde.de/buecher.html<br />

Link zu „Süßgräserfibel für Pferdehalter“ Vlg. Westarp<br />

http://www.biologie-der-pferde.de/buecher.html<br />

5 Heu von artenreichen Kräuterwiesen des <strong>NABU</strong> – <strong>Oberberg</strong>

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