Regionale Bildungsströme in Ãsterreich - ibw
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<strong>ibw</strong>-research brief – Ausgabe Nr. 03 | September 2003<br />
Ausgabe Nr. 03 | September 2003<br />
KURT SCHMID<br />
<strong>Regionale</strong> Bildungsströme <strong>in</strong> Österreich<br />
Entwicklungen seit dem Schuljahr 1985/86 und Prognosen<br />
für die Sekundarstufe I und II bis zum Jahr 2020<br />
An der öffentlichen Diskussion bezüglich der Entwicklungstendenzen im Bereich der Erstausbildung fällt auf,<br />
dass dem Aspekt der regionalen Variabilität meist wenig Beachtung geschenkt wird. Der Anspruch der<br />
vorliegenden Studie ist e<strong>in</strong> zweifacher: E<strong>in</strong>erseits werden wesentliche Entwicklungen der Bildungsströme <strong>in</strong><br />
der Sekundarstufe I und II seit Mitte der 80er Jahre sowohl für Österreich als auch h<strong>in</strong>sichtlich ihrer regionalen<br />
Ausprägungen (Bundesländerebene) <strong>in</strong> empirisch geraffter und vergleichender Weise dargestellt. Andererseits<br />
bzw. darüber h<strong>in</strong>aus wird der Versuch unternommen, basierend auf diesen Trends mögliche Entwicklungsszenarien<br />
für die kurz- und mittelfristige Zukunft abzuleiten (Prognosehorizont 2020). Besonderes<br />
Augenmerk ist dabei der demografischen und sozialen Komponente der Bildungsexpansion gewidmet. Das<br />
Forschungsprojekt wurde dankenswerterweise von der Wirtschaftskammer Österreich sowie von den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Landeskammern unterstützt.<br />
Bildungsströme <strong>in</strong> der Grundstufe und<br />
<strong>in</strong> der Sekundarstufe I<br />
In Österreich muss die erste grundlegende Entscheidung<br />
über die weitere Schulkarriere nach der 4-jährigen Volksschule<br />
getroffen werden. Dabei stehen im Wesentlichen<br />
zwei Schultypen zur Auswahl: die Hauptschule und die<br />
AHS-Unterstufe 1 . Wie anhand der Grafik 1 deutlich wird,<br />
ist e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>e Tendenz <strong>in</strong> Richtung AHS-Unterstufe<br />
gegeben. Der oftmals beklagte dramatische Trend zur<br />
AHS-Unterstufe ist aber, gemessen an der relativen Bildungsverteilung<br />
auf Bundesebene, nicht nachvollziehbar.<br />
Somit gilt nach wie vor, dass – bezogen auf das gesamte<br />
Bundesgebiet – die Hauptschule die „Haupt-Schule“ ist.<br />
Zwar gibt es e<strong>in</strong>e steigende Tendenz zur AHS-Unterstufe,<br />
der Anteil der Hauptschüler/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Sekundarstufe I<br />
beträgt aber immer noch mehr als zwei Drittel.<br />
regionale Anteile der AHS-SchülerInnen <strong>in</strong> %<br />
60%<br />
55%<br />
50%<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
Grafik 1: AHS-Schüleranteile <strong>in</strong> der Sekundarstufe I<br />
1984<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
Wien<br />
Burgenland<br />
Kärnten<br />
NÖ<br />
OÖ<br />
Salzburg<br />
Steiermark<br />
Tirol<br />
Vorarlberg<br />
Österreich gesamt<br />
Vergleicht man die Bundesländer, dann ist e<strong>in</strong>e klare Dichotomie<br />
erkennbar: der hohe AHS-Anteil <strong>in</strong> der Bundeshauptstadt<br />
Wien (~50%) und die durchwegs deutlich<br />
niedrigeren Anteile <strong>in</strong> allen anderen Bundesländern (20-<br />
30%). Noch prägnanter stellt sich das Bild dar, wenn<br />
Stadt/Land Unterschiede analysiert werden: hier divergieren<br />
die Schülerströme deutlich. In den ländlichen Regionen<br />
s<strong>in</strong>d oftmals Hauptschulanteile von 80-90% gegeben,<br />
wogegen <strong>in</strong> den großstädtischen Ballungszentren der<br />
Trend zur AHS stark ausgeprägt ist 2 . In etwa drei Viertel<br />
aller Schulbezirke beträgt der Anteil der Hauptschüler/<strong>in</strong>nen<br />
an den Schüler/<strong>in</strong>nen der Sekundarstufe I mehr<br />
als 60% 3 . E<strong>in</strong>e Detailanalyse derjenigen Schulbezirke, <strong>in</strong><br />
denen der Anteil der Hauptschüler/<strong>in</strong>nen unter 60% liegt,<br />
fördert zutage, dass es sich durchwegs um Schulbezirke<br />
<strong>in</strong> (groß)städtischen Lagen handelt. Der Anstieg der<br />
AHS-Übertritte ist also e<strong>in</strong> Phänomen der Städte.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Schulformenwahl, gibt es <strong>in</strong> Österreich<br />
<strong>in</strong> der Sekundarstufe I nur relativ ger<strong>in</strong>ge Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern, wenngleich zwei<br />
Aspekte hervorzuheben s<strong>in</strong>d: Entsprach zu Mitte der 80er<br />
Jahre der Mädchenanteil <strong>in</strong> der Hauptschule noch dem<br />
demografischen Verhältnis der Geschlechter, so ist mittlerweile<br />
der Mädchenanteil <strong>in</strong> der Hauptschule zurückgegangen,<br />
jener <strong>in</strong> der AHS-Unterstufe angestiegen. Der<br />
Mädchenanteil <strong>in</strong> dieser Schulform beträgt aktuell ~52%.<br />
Im Gegensatz dazu bewegte sich der Mädchenanteil <strong>in</strong><br />
der Sonderschule im Zeitablauf konstant unter der 40<br />
Prozentmarke (Tendenz s<strong>in</strong>kend). Die Bundesländer<br />
unterscheiden sich im Wesentlichen nur h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
„Tim<strong>in</strong>gs“, d.h. ab welchem Zeitpunkt der Mädchenanteil<br />
<strong>in</strong> der AHS ihrem demografischen Anteil überstieg. Derzeit<br />
ist <strong>in</strong> allen Bundesländern e<strong>in</strong> praktisch identischer<br />
AHS- Mädchenanteil von ~52% gegeben.<br />
01
<strong>ibw</strong>-research brief – Ausgabe Nr. 03 | September 2003<br />
Bildungsströme <strong>in</strong> der Sekundarstufe II<br />
Österreich ist durch e<strong>in</strong> qualifikationsorientiertes Bildungssystem<br />
auf der Ebene der Sekundarstufe II gekennzeichnet,<br />
was bedeutet, dass es sich durch e<strong>in</strong>en<br />
hohen Anteil spezifischer beruflicher Bildung auszeichnet.<br />
Durch die Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>es entwickelten Lehrl<strong>in</strong>gssystems<br />
mit e<strong>in</strong>em umfassenden schulischen Berufsbildungssystem<br />
kommt es zu e<strong>in</strong>er Vermittlung beruflich<br />
relevanter Fertigkeiten durch das Bildungssystem. Zählt<br />
man alle berufsbildenden Ausbildungsformen zusammen,<br />
so s<strong>in</strong>d derzeit fast 80% der österreichischen Jugendlichen<br />
der Sekundarstufe II <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dieser berufsbildenden<br />
postobligatorischen Ausbildungsformen. Etwas über die<br />
Hälfte (55%) dieser sich <strong>in</strong> berufsbildenden Ausbildungsformen<br />
bef<strong>in</strong>dlichen SchülerInnen belegen e<strong>in</strong>e schulische<br />
Variante, die restlichen 45% durchlaufen die duale<br />
berufliche Bildung.<br />
Grafik 2 verdeutlicht, dass die Bildungsbeteiligung <strong>in</strong><br />
der Sekundarstufe II <strong>in</strong> Österreich im gesamten beobachteten<br />
Zeitraum kont<strong>in</strong>uierlich angestiegen ist. Befanden<br />
sich Mitte der 80er Jahre erst 70% der 14- bis 18-<br />
jährigen Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiterführenden Ausbildung,<br />
so ist dieser Wert auf gegenwärtig fast 81% angestiegen<br />
4 . Zwar konnten weibliche Jugendliche ihre Bildungsbeteiligung<br />
stärker erhöhen als ihre männlichen<br />
Alterskollegen, e<strong>in</strong> deutlicher Abstand zwischen den beiden<br />
Geschlechtern besteht aber nach wie vor (8 %) 5 . Seit<br />
Mitte der 90er Jahre ist die Dynamik des Anstiegs der<br />
Bildungsbeteiligungsquoten zurückgegangen (bei männlichen<br />
Jugendlichen ist sogar e<strong>in</strong>e Stagnation zu verzeichnen).<br />
Die Bundesländer unterscheiden sich aber zum<br />
Teil doch sehr deutlich – nicht nur was die Höhe sondern<br />
auch was den zeitlichen Verlauf betrifft.<br />
In der Grafik 4 werden die regionalen Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich<br />
der aktuellen Bildungsverteilung der sich <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Ausbildung bef<strong>in</strong>dlichen Schüler/<strong>in</strong>nen der 10.<br />
Schulstufe nach den diversen Schulformen (für das<br />
Schuljahr 2000/01) ausgewiesen. So schwankt der Anteil<br />
der Berufsschüler/<strong>in</strong>nen zwischen den Extremwerten 25%<br />
(Burgenland) und 48% (Tirol!). Demgegenüber gehen<br />
aber 40% aller Schüler/<strong>in</strong>nen im Burgenland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e BHS<br />
(Tirol nur 20%!). Die Unterschiede <strong>in</strong> den regionalen Anteilen<br />
der BMS-Schüler/<strong>in</strong>nen weisen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere<br />
Streuung auf. Interessant ist auch, dass (abgesehen von<br />
Wien) zwischen 79% und 85% der Schüler/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e<br />
berufsbildende Ausbildungsvariante (BMHS oder Lehre)<br />
gewählt haben.<br />
Die Steiermark weist den höchsten Anteil des dualen<br />
Systems an den gesamten berufsbildenden Ausbildungsvarianten<br />
auf (60%). Auch <strong>in</strong> Tirol, <strong>in</strong> Oberösterreich und<br />
<strong>in</strong> Vorarlberg ist er fast gleich hoch wie <strong>in</strong> der Steiermark.<br />
Grafik 4: aktuelle regionale Verteilung der Schülerzahlen<br />
nach Schulformen <strong>in</strong> der 10. Schulstufe<br />
Burgenland<br />
17%<br />
18%<br />
40%<br />
25%<br />
Wien<br />
29%<br />
13%<br />
24%<br />
34%<br />
NÖ<br />
16%<br />
17%<br />
28%<br />
39%<br />
Kärnten<br />
18%<br />
12%<br />
30%<br />
40%<br />
Österreich<br />
19%<br />
14%<br />
25%<br />
42%<br />
Salzburg<br />
18%<br />
16%<br />
23%<br />
43%<br />
Vorarlberg<br />
17%<br />
13%<br />
22%<br />
47%<br />
Steiermark<br />
21%<br />
12%<br />
20%<br />
47%<br />
OÖ<br />
15%<br />
12%<br />
26%<br />
47%<br />
Tirol<br />
17%<br />
16%<br />
20%<br />
48%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
AHS BMS BHS Berufsschule<br />
Grundsätzlich ist <strong>in</strong> allen Bundesländern diese Bildungsexpansion<br />
<strong>in</strong> der Sekundarstufe II im Wesentlichen<br />
über <strong>in</strong>sgesamt gestiegene Bildungsbeteiligungsquoten<br />
und <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den Schulformen<br />
BHS und AHS (weniger stark) vor sich gegangen –<br />
also gerade <strong>in</strong> jenen Schulformen, die e<strong>in</strong>en formal<br />
höheren Abschluss – die Matura – als Bildungsziel vorgeben.<br />
E<strong>in</strong>en deutlichen Rückgang hat dagegen die<br />
Lehrl<strong>in</strong>gsausbildung zu verzeichnen (vgl. Grafik 3). Auch<br />
die BMS-Anteile s<strong>in</strong>d gesunken. H<strong>in</strong>sichtlich der relativen<br />
Bedeutung und der Verlaufsdynamiken gibt es<br />
aber durchaus ausgeprägte regionale Differenzen.<br />
02<br />
Grafik 5 veranschaulicht die Vorbildungsverteilung der<br />
SchülerInnen der 9. Schulstufe. Dabei wird deutlich,<br />
dass diese <strong>in</strong> zeitlicher H<strong>in</strong>sicht sehr stabil s<strong>in</strong>d: Die AHS-<br />
Oberstufe rekrutiert sich überwiegend (70-80%) aus den<br />
AHS-Unterstufenabgänger/<strong>in</strong>nen, die BHS dagegen nur<br />
zu etwa 20-30% aus den Abgänger/<strong>in</strong>nen der AHS-Unterstufe<br />
und zu ~70% aus jenen der Hauptschule. In der<br />
BMS und <strong>in</strong> der Polytechnischen Schule ist die Hauptschule<br />
die fast ausschließliche „Zuliefer“schule. Diese<br />
grundsätzliche Struktur des gesamtösterreichischen Befunds<br />
ist auch <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Bundesländern gegeben.<br />
E<strong>in</strong>zig Wien weicht von diesem Muster etwas ab 6 :<br />
E<strong>in</strong> weiterer Aspekt ist bemerkenswert: Da <strong>in</strong> der BMS<br />
und BHS der Anteil der nicht-aufstiegsberechtigten Schüler/<strong>in</strong>nen<br />
am Ende e<strong>in</strong>es Schuljahres durchwegs über je-
<strong>ibw</strong>-research brief – Ausgabe Nr. 03 | September 2003<br />
nen der AHS liegt, wiederholen anteilsmäßig mehr Schüler/<strong>in</strong>nen<br />
die Schulstufe. Zusätzlich ist <strong>in</strong> diesen beiden<br />
Schulformen der Anteil der Schulformenwechsler (aus<br />
e<strong>in</strong>er Schulform der Sekundarstufe II) nicht unbedeutend.<br />
Vorbildungsanteil der SchülerInnen<br />
der 9. Schulstufe<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
1987<br />
1990<br />
Grafik 5: Vorbildungsverteilung <strong>in</strong> der 9. Schulstufe<br />
1995<br />
2000<br />
1987<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
1987<br />
Repetenten, Schulformenwechsler<br />
aus AHS (8.Stufe)<br />
aus Hauptschule (8. Stufe)<br />
Die Vorbildungsverteilung <strong>in</strong> der 10. Schulstufe ist e<strong>in</strong>erseits<br />
geprägt durch die <strong>in</strong> der 9. Schulstufe getroffene<br />
Schulwahl. So kommen praktisch alle Schüler/<strong>in</strong>nen der<br />
10. Schulstufe e<strong>in</strong>er AHS aus e<strong>in</strong>er AHS der 9. Stufe. In<br />
der BHS ergibt sich e<strong>in</strong> analoges Bild. Auch die BMS<br />
bezieht ihre Schüler/<strong>in</strong>nen primär aus der „eigenen“<br />
Schulform (91%). Von der BHS <strong>in</strong> die BMS s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
ger<strong>in</strong>gen Ausmaß Schulwechsler feststellbar.<br />
Die Lehrl<strong>in</strong>gsrekrutierung erfolgt dagegen deutlich<br />
breiter gestreut: Etwa 42% kommen aus den polytechnischen<br />
Schulen, etwa e<strong>in</strong> Fünftel direkt aus den Hauptschulen<br />
und über e<strong>in</strong> Viertel (28%) aller Berufsschüler/<strong>in</strong>nen<br />
aus den anderen Schulformen (hier vorwiegend<br />
aus e<strong>in</strong>er BMS: 13,3%) 7 . Auffallend ist, dass e<strong>in</strong> zunehmender<br />
Anteil an Jugendlichen die Pflichtschulzeit <strong>in</strong> der<br />
9. Schulstufe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er BMHS „absolviert“ und (danach)<br />
diese Ausbildung abbricht, um e<strong>in</strong>e Lehrl<strong>in</strong>gsausbildung<br />
zu beg<strong>in</strong>nen. Das kann dah<strong>in</strong>gehend <strong>in</strong>terpretiert werden,<br />
dass sie sich von diesen Schulformen e<strong>in</strong>en besseren<br />
Signaleffekt für die Lehrstellensuche erwarten 8 .<br />
Waren <strong>in</strong> der Sekundarstufe I nur eher ger<strong>in</strong>ge Unterschiede<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der geschlechtstypischen Schulwahl<br />
österreichischer Jugendlicher erkennbar, so treten <strong>in</strong> der<br />
Sekundarstufe II ausgeprägte Unterschiede <strong>in</strong> der<br />
Ausbildungswahl zwischen den Geschlechtern deutlich<br />
hervor. Zwar s<strong>in</strong>d die Anteile weiblicher Jugendlicher<br />
<strong>in</strong> der BMS von 65% zu Beg<strong>in</strong>n des Beobachtungszeitraumes<br />
auf derzeit knapp 60% zurückgegangen; die BMS<br />
ist aber nach wie vor – nunmehr geme<strong>in</strong>sam mit der<br />
AHS-Oberstufe – die Schulform mit dem höchsten Anteil<br />
an Schüler<strong>in</strong>nen. Auch <strong>in</strong> der BHS ist der Frauenanteil<br />
auf mittlerweile etwas über 50% angestiegen. Deutlich<br />
niedrigere Anteile s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lehrausbildung und <strong>in</strong> der<br />
polytechnischen Schule gegeben.<br />
Die grobe E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> BMS und BHS verdeckt aber die<br />
ausgeprägte geschlechtstypische Verteilung entlang den<br />
Fachrichtungen. Die Anteile <strong>in</strong> der wirtschaftsberuflichen<br />
(& sonstigen) Fachrichtung sowie jene <strong>in</strong> den kaufmännischen<br />
Fachrichtungen s<strong>in</strong>d sowohl <strong>in</strong> der BHS als auch <strong>in</strong><br />
der BMS sehr hoch. „Klassisch“ niedrig s<strong>in</strong>d die Frauenanteile<br />
<strong>in</strong> den technisch/gewerblichen (<strong>in</strong>klusive der<br />
kunstgewerblichen) Fachrichtungen 9 . Auffallend s<strong>in</strong>d des<br />
weiteren die äußerst stabilen Verläufe dieser Anteile <strong>in</strong><br />
zeitlicher H<strong>in</strong>sicht.<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
1987<br />
AHS-Oberstufe BHS BMS Poly<br />
aktuelle besuchte Schulform <strong>in</strong> der 9. Schulstufe<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
Bildungsstromprognosen<br />
Das <strong>ibw</strong>-Bildungsstromprognosemodell wurde anhand<br />
e<strong>in</strong>es Schulbesuchsquotenmodells durchgeführt. Dabei<br />
werden jeweils entweder die aktuellen Werte oder Trendentwicklungen<br />
des Schulwahlverhaltens anhand der prognostizierten<br />
Bevölkerungsentwicklung <strong>in</strong> den relevanten<br />
Altersgruppen fortgeschrieben.<br />
Zusätzlich bietet das Prognosemodell auch die Möglichkeit,<br />
die reale Entwicklung der Bildungsströme (von Mitte<br />
der 80er Jahre bis 2001) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e demografische und e<strong>in</strong>e<br />
soziale Komponente zu unterteilen. Die demografische<br />
Komponente beschreibt dabei das Ausmaß des demografischen<br />
E<strong>in</strong>flusses auf die Bildungsströme <strong>in</strong> der Vergangenheit.<br />
Die Differenz der tatsächlichen Bildungsströme<br />
von den re<strong>in</strong> durch die demografische Entwicklung<br />
bed<strong>in</strong>gten, wird als „soziale Komponente“ bezeichnet. Sie<br />
umfasst alle anderen – dh. nicht von der demografischen<br />
Entwicklung bed<strong>in</strong>gten – Effekte (meist als Veränderung<br />
des Schulwahlverhaltens <strong>in</strong>terpretiert).<br />
In der Sekundarstufe I kann <strong>in</strong> Österreich e<strong>in</strong> – von der<br />
demografischen Entwicklung nicht direkt bee<strong>in</strong>flusster –<br />
Trend weg von der Hauptschule und h<strong>in</strong> zur AHS beobachtet<br />
werden kann. Gleichzeitig war auffällig, dass die<br />
Kurven doch die generellen Trends der Bevölkerungsentwicklung<br />
nachzeichnen. Dh. die absoluten Bildungsströme<br />
sehr wohl auch durch die demografische Entwicklung mitbee<strong>in</strong>flusst<br />
waren. Auf Bundesländerebene s<strong>in</strong>d ähnliche<br />
Entwicklungen – bei ger<strong>in</strong>gfügigen regionalen Modifikationen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Ausprägungen – zu erwarten. Grafik 6<br />
weist die absoluten Bildungsströme <strong>in</strong> den beiden Schulformen<br />
der Sekundarstufe I für Österreich aus. Die Hauptvariante<br />
bezeichnet dabei die prognostizierten absoluten<br />
Schülerströme bei unveränderter Schulformenwahl. Die<br />
Trend-Variante berücksichtigt zusätzlich die während der<br />
letzten 15 Jahre aufgetretenen Schulwahlverhaltenstrends.<br />
Für die Hauptschule ergeben beide Ansätze deutlich s<strong>in</strong>kende<br />
SchülerInnenzahlen bis zum Ende des Jahrzehntes.<br />
Danach sollten sich diese aber stabilisieren. Für die AHS-<br />
Unterstufe ist bei konstanten Schulwahltrends aufgrund<br />
der demografischen Entwicklungen von e<strong>in</strong>em Rückgang<br />
der SchülerInnenzahlen auszugehen. Sollte aber der<br />
Trend <strong>in</strong> die AHS-Unterstufe anhalten, dann würden die<br />
absoluten SchülerInnenzahlen <strong>in</strong> etwa auf dem aktuellen<br />
Niveau „verbleiben“.<br />
Schülerzahlen absolut<br />
70.000<br />
60.000<br />
50.000<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
1984<br />
1986<br />
Grafik 6: Bildungsströme bei anhaltenden Schulwahltrends<br />
HS: Hauptvariante<br />
HS: Trend<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
AHS:Hauptvariante<br />
AHS: Trend<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
2002<br />
2004<br />
2006<br />
2008<br />
2010<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
2018<br />
2020<br />
In der Sekundarstufe II sollten bei unverändertem Schulwahlverhalten<br />
bis zum Ende des Jahrzehntes die absoluten<br />
Bildungsströme <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Ausbildungsformen<br />
im Wesentlichen stabil bleiben. Erst danach würde e<strong>in</strong><br />
demografisch bed<strong>in</strong>gter Rückgang e<strong>in</strong>treten (Hauptvari-<br />
03
<strong>ibw</strong>-research brief – Ausgabe Nr. 03 | September 2003<br />
ante <strong>in</strong> Grafik 7). Geht man aber davon aus, dass die <strong>in</strong><br />
der Vergangenheit erfolgten Bildungswahltrends auch <strong>in</strong><br />
der Zukunft andauern, dann ist <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> deutlicher<br />
Rückgang der LehranfängerInnenzahlen zu erwarten 10 .<br />
Demgegenüber würden die BHS-SchülerInnenzahlen stark<br />
ansteigen. Für die AHS-Oberstufe und die BMS ergäben<br />
sich im Vergleich mit dem Benchmark aber nur sehr ger<strong>in</strong>ge<br />
Abweichungen (Trendvariante der Grafik 7). Die „extremen“<br />
Prognosewerte der Trendvariante für die Lehrl<strong>in</strong>gsausbildung<br />
bzw. die BHS sollten weniger als konkrete<br />
Aussagen zu den real erwartbaren Bildungsströmen, denn<br />
als „ausgeprägte Schulwahltrends“ <strong>in</strong>terpretiert werden. In<br />
diesen Fällen spiegeln sie also eher die Bildungswahlwünsche<br />
der Jugendlichen wider 11 . Da das reale Ausbildungsangebot<br />
aber – zum<strong>in</strong>dest kurz- und mittelfristig – der<br />
Realisierung dieser Wünsche Grenzen setzt, ist mit e<strong>in</strong>er<br />
„Realisierung“ dieser Schulwahlwünsche nicht zu rechnen.<br />
Schülerzahlen absolut<br />
60.000<br />
50.000<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
1984<br />
1986<br />
Grafik 7: Bildungsströme bei anhaltenden Schulwahltrends<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
BerufsS.: Hauptvariante<br />
AHS: Hauptvariante<br />
BMS: Hauptvariante<br />
BHS: Hauptvariante<br />
1998<br />
2000<br />
2002<br />
2004<br />
2006<br />
2008<br />
2010<br />
BerufsS.: Trend<br />
AHS: Trend<br />
BMS: Trend<br />
BHS: Trend<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
2018<br />
2020<br />
Aus der Analyse der demografischen und sozialen Komponenten<br />
kann gefolgert werden, dass der Rückgang der<br />
LehranfängerInnen bis Mitte der 90er Jahre weniger stark<br />
ausgefallen ist, als es durch die demografische Entwicklung<br />
bed<strong>in</strong>gt gewesen wäre. Ab Mitte der 90er Jahre<br />
(also zum Zeitpunkt des Kippens am Lehrstellenmarkt)<br />
schlägt das Bild um: Für diesen Zeitraum hätte man aufgrund<br />
der Bevölkerungsentwicklung mehr Lehranfänger/<strong>in</strong>nen<br />
erwartet. Die BMS-SchülerInnenzahlen s<strong>in</strong>d dagegen<br />
überwiegend der demografischen Entwicklung<br />
gefolgt. In der BHS sowie der AHS-Oberstufe ist dagegen<br />
die soziale Komponente der primär ausschlaggebende<br />
Faktor für die Entwicklung der SchülerInnenzahlen während<br />
der letzten 15 Jahre gewesen.<br />
In diesem Research Brief konnten nur e<strong>in</strong>ige wenige<br />
Highlights der Studie kurz angerissen werden. Die Arbeit<br />
selbst enthält u.a. detaillierte Aussagen h<strong>in</strong>sichtlich weiterer<br />
wichtiger Aspekte wie Vorbildungsverteilung, Übertrittsquote,<br />
Entwicklung der Fachrichtungen <strong>in</strong> den BMHS,<br />
„ausländische“ SchülerInnen, Zusammenhang zwischen<br />
der Situation am Lehrstellenmarkt und den Bildungsströmen<br />
<strong>in</strong> den schulischen Ausbildungsvarianten der Sekundarstufe<br />
II sowie Analysen zur demografischen und sozialen<br />
Komponente der Bildungsstromentwicklungen <strong>in</strong> den<br />
Schulformen der Sekundarstufe I und II.<br />
Schmid Kurt: „<strong>Regionale</strong> Bildungsströme <strong>in</strong> Österreich.<br />
Entwicklungen seit dem Schuljahr 1985/86 und Prognosen<br />
für die Sekundarstufe I und II bis zum Jahr 2020“<br />
(Endbericht ersche<strong>in</strong>t demnächst)<br />
1<br />
Abgesehen von der Sonderschule (deren Anteil 2-3% aller<br />
SchülerInnen ausmacht), gibt es <strong>in</strong> Österreich zusätzlich e<strong>in</strong>e<br />
Anzahl von diversen Schulversuchen <strong>in</strong> der Sekundarstufe I,<br />
die <strong>in</strong> der Studie entweder der Hauptschule oder der AHS-<br />
Unterstufe zugeordnet wurden. Näheres dazu ist dem Endbericht<br />
zu entnehmen.<br />
2<br />
E<strong>in</strong> Teil dieser hohen AHS-Anteile <strong>in</strong> den Ballungszentren ist<br />
auch durch die Schulpendler aus den umliegenden Geme<strong>in</strong>den<br />
bed<strong>in</strong>gt. Voraussetzung dafür, dass diese Jugendlichen <strong>in</strong> der<br />
„Stadt“ e<strong>in</strong>en AHS-Platz belegen können, ist aber e<strong>in</strong> entsprechend<br />
umfangreiches AHS-Schulangebot <strong>in</strong> den Ballungszentren.<br />
3<br />
13 der <strong>in</strong>sgesamt 121 Schulbezirke weisen e<strong>in</strong>en Hauptschüleranteil<br />
von 100% aus!<br />
4<br />
Die hier vorgenommene Berechnung der Bildungsbeteiligung<br />
stellt streng genommen nur e<strong>in</strong>en Indikator dar, da ke<strong>in</strong>e exakte<br />
Zuordnung der Schülerzahlen zu den e<strong>in</strong>zelnen Altersjahrgängen<br />
vorgenommen wurde. Die „fehlenden“ Prozentpunkte<br />
auf 100% können daher nicht als e<strong>in</strong>e Schätzung der Gruppe<br />
der Drop- Outs der Sekundarstufe II bzw. derjenigen Jugendlichen<br />
angesehen werden, die ke<strong>in</strong>e über die Pflichtschule<br />
h<strong>in</strong>ausgehende Ausbildung durchlaufen. Zur Problematik der<br />
Schätzung dieser Personengruppe vgl. z.B. Ste<strong>in</strong>er Mario und<br />
Lassnigg Lorenz (Schnittstellenproblematik <strong>in</strong> der Sekundarstufe;<br />
<strong>in</strong>: Erziehung und Unterricht, Nr. 9/10, 2000).<br />
5<br />
Dies hängt auch mit der geschlechtstypischen Schulwahl <strong>in</strong><br />
der Sekundarstufe II zusammen (vgl. dazu weiter unten).<br />
6<br />
Zwar ist auch <strong>in</strong> der Bundeshauptstadt die beschriebene<br />
Struktur gegeben, die AHS-Unterstufe hat aber vor allem für<br />
die AHS-Oberstufe und die BMHS e<strong>in</strong>e stärkere Zulieferfunktion.<br />
Dies ist e<strong>in</strong>e Folgewirkung der weitaus größeren<br />
Schüleranteile der AHS <strong>in</strong> der Sekundarstufe I.<br />
7<br />
Die restlichen ~10% auf die Gesamtzahl der Lehranfänger/<strong>in</strong>nen<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits Repetenten von Berufsschulen und Lehrberufswechsler.<br />
Andererseits Drop-Outs aus den höheren<br />
Schulstufen e<strong>in</strong>er ABMHS, die e<strong>in</strong>e Lehrausbildung beg<strong>in</strong>nen<br />
sowie Jugendliche, die nach Absolvierung ihrer Erstausbildung<br />
<strong>in</strong> den schulischen Varianten der Sekundarstufe II e<strong>in</strong>en<br />
Lehrberuf erlernen wollen.<br />
8<br />
Bzw. dass Lehrbetriebe bei der Lehrl<strong>in</strong>gsauswahl BMHS-<br />
Schulabbrecher/<strong>in</strong>nen gegenüber Absolvent/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er<br />
Hauptschule bzw. der polytechnischen Schule „bevorzugt“<br />
e<strong>in</strong>stellen. Näheres dazu ist dem Endbericht bzw. den <strong>ibw</strong>-<br />
Mitteilungen vom September 2003 zu entnehmen.<br />
9<br />
Aber auch diese Aggregationsebene verdeckt noch das Ausmaß<br />
geschlechtstypischer Bildungswahl: So ist z.B. der Mädchenanteil<br />
<strong>in</strong> höheren Lehranstalten für Bekleidung extrem<br />
hoch (~90%), h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> HTLs extrem niedrig (unter 10%).<br />
10 Dh. <strong>in</strong> diesem Prognoseszenario s<strong>in</strong>d allfällige positive Auswirkungen<br />
e<strong>in</strong>er Modularisierung der Lehrl<strong>in</strong>gsausbildung bzw.<br />
der Schaffung neuer Lehrberufe (<strong>in</strong>sbesondere im Dienstleistungssektor)<br />
nicht berücksichtigt.<br />
11 Die Interpretation dieses prognostizierten Rückgangs ist komplex:<br />
Die Gründe können sowohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>kenden Ausbildungsbereitschaft<br />
der Wirtschaft (was auch immer die Gründe<br />
dafür s<strong>in</strong>d: ke<strong>in</strong>e geeigneten Lehrstellenbewerber, zu hohe<br />
Ausbildungskosten, Substitutionseffekte zwischen eigener<br />
Lehrausbildung und E<strong>in</strong>stellung von BMHS-AbsolventInnen/<br />
AbbrecherInnen etc.) als auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>kenden Nachfrage<br />
seitens der Jugendlichen nach e<strong>in</strong>er Lehrausbildung liegen.<br />
Herausgeber<br />
<strong>ibw</strong> – Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft<br />
Ra<strong>in</strong>ergasse 38, A-1050 Wien<br />
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04<br />
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