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helmut thielicke leben kann noch einmal beginn

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ich nur in die Fülle der Gottheit hineinzuspringen, weil sie ja<br />

überall ist, in jedem Baum, in jeder glitzernden Welle, in jedem<br />

Alpenglühen, in jedem Takt der unsterblichen Musik. »Wie ein<br />

Fluß durch ein Urgebirg«, so bricht er (nämlich der religiöse<br />

Mensch, sagt Rilke in dem gleichen Brief) durch zu dem einen<br />

Gott, mit dem sich so großartig reden läßt jeden Morgen, ohne das<br />

»Telefon Christus«, und wir können hinzufügen: ohne daß ich<br />

vorher anklopfen, ohne daß ich eine Tür durchschreiten müßte.<br />

Ich erwähne das nicht, weil ich sozusagen zum Fenster hinausspreche<br />

und an denen »draußen« Kritik üben möchte, sondern<br />

deshalb, weil uns gerade durch diesen Blick zum Fenster hinaus<br />

(der gleichzeitig ein Blick in uns selbst ist) ein Hinweis auf die<br />

besondere Bedeutung dessen gegeben wird, was uns Jesus hier<br />

mit dem »Anklopfen« sagen will. Denn das Anklopfen ist doch<br />

eine Respektsbezeugung. Es besagt, daß ich nicht einfach »durchgehen«<br />

darf, daß ich hier kein Verfügungsrecht habe, wie ich<br />

es im eigenen Hause besitze, wo ich nach Belieben ein- und ausgehen<br />

darf und nicht anzuklopfen brauche. Denn dort, wo ich<br />

anklopfen muß, an der Tür eines Amtes etwa oder an einem<br />

fremden Haus, da <strong>beginn</strong>t die Zone, da <strong>beginn</strong>t das Kraftfeld,<br />

da <strong>beginn</strong>t der Hoheitsbereich eines anderen Menschen, und<br />

hier darf ich nicht einfach eintreten, sondern muß davor Halt<br />

machen. Und eben das ist mit dem Anklopfen doch jedenfalls<br />

auch^gesagt. Gott ist nicht so billig und selbstverständlich zu<br />

haben wie die Natur, in die ich nur hineinzuspringen brauche.<br />

Es ist nicht selbstverständlich, daß ich eintreten darf. Denn Gott<br />

ist heilig, und ich müßte unter seinem Blick verbrennen, wenn<br />

ich mit unreinen Lippen und unreinen Händen (was haben sie<br />

nicht schon geredet und getan !) vor sein Angesicht treten würde.<br />

Daß ich aber nun eintreten darf und nicht an ihm zu sterben<br />

brauche, sondern daß ich bei ihm als Freund und wertgehaltener<br />

Gast zu Tische sitzen darf, das verdanke ich dem, der mir die<br />

Tür aufgetan und der der Weg dahin ist. Nicht wahr, dies alles<br />

ist das genaue Gegenteil der Selbstverständlichkeit. Es ist das<br />

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