Entkriminalisierung und Regulierung - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
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HEINO STÖVER UND MAXIMILIAN PLENERT | <strong>Entkriminalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Regulierung</strong><br />
<strong>und</strong> nicht die Frage, ob Cannabis abhängig machen<br />
kann.«<br />
Relevant für die gegebene Fragestellung sind die Ursachen<br />
für bestimmte Risiken sowie pragmatische Lösungsansätze.<br />
So werden auch tautologische Argumentationsweisen<br />
vermieden:<br />
»So sind die Unkontrollierbarkeit des THC-Gehalts <strong>und</strong><br />
die Beimengung gefährlicher Streckmittel bei Cannabis<br />
eine Folge des Verbotes, sie können deshalb schwerlich<br />
als Begründungen o<strong>der</strong> gar Rechtfertigungen des Verbotes<br />
angeführt werden« (Krumdiek in B<strong>und</strong>estag 2012a).<br />
1.4 Ges<strong>und</strong>heitliche Probleme <br />
<strong>der</strong> Konsumenten<br />
»In Deutschland gibt es den weit verbreiteten Glauben,<br />
dass <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>holte Konsum von Heroin zwangsläufig<br />
zu Abhängigkeit <strong>und</strong> schweren psychologischen <strong>und</strong><br />
physiologischen Schäden führt. Eine Vielzahl Untersuchungen<br />
zeigen, dass ein nicht kleiner Teil <strong>der</strong> Konsumenten<br />
von Heroin <strong>und</strong> Kokain 20 in <strong>der</strong> Lage sind ihre<br />
Droge zu konsumieren <strong>und</strong> dabei kaum unter nachteiligen<br />
Wirkungen zu leiden haben« (Harding 1981).<br />
Die Nutzer von Heroin <strong>und</strong> Cannabis unterscheiden sich<br />
nicht so stark, wie allgemein vermutet. Die Mehrheit <strong>der</strong><br />
Konsumenten aller Drogen pflegt einen kontrollierten<br />
Gebrauch ihrer Substanz. Dies ist eine Wahrnehmungslücke<br />
in <strong>der</strong> Drogenpolitik <strong>und</strong> Drogenhilfe, die ihren Ursprung<br />
u. a. in <strong>der</strong> pathologisierenden <strong>und</strong> gewollt selektiven<br />
Sichtweise auf Drogenkonsumenten sowie in <strong>der</strong><br />
Mystifizierung von Drogen hat. Die Wissenschaft bejaht<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Existenz eines nicht abhängigen <strong>und</strong><br />
wenig bis gar nicht schädlichen Konsum (Schippers/Cramer<br />
2002).<br />
»Kontrollierter Konsum harter Drogen lässt sich demnach<br />
als ein Konsum definieren, <strong>der</strong> nicht in nennenswertem<br />
Maß mit persönlichen Zielen kollidiert <strong>und</strong> durch Selbstkontrollregeln<br />
gesteuert wird, die explizit sind o<strong>der</strong> explizit<br />
gemacht werden können« (Schippers/Cramer 2002).<br />
20. http://www.alternative-drogenpolitik.de/2013/04/05/zahlen-zumkontrollierten-konsum-von-heroin-<strong>und</strong>-kokain/.<br />
Für Menschen mit einem problematischen Konsummuster<br />
stehen im Prinzip effektive – wenn auch räumlich begrenzte<br />
– Hilfen bereit, <strong>und</strong> es ist auch bekannt, wie wirksame<br />
Prävention 21 aussehen muss (vgl. BZgA/Difu 2002,<br />
S. 20 ff.). Zudem leiden Drogenkonsumenten unter den<br />
Konsumbedingungen des Totalverbots (Prohibition), vor<br />
allem an den Folgen <strong>der</strong> Strafverfolgung <strong>und</strong> den Auswirkungen<br />
des Schwarzmarktes. Prävention <strong>und</strong> Hilfe sind<br />
nur eingeschränkt verfügbar <strong>und</strong> wirksam, Verbraucher<strong>und</strong><br />
Jugendschutz gar nicht gewährleistet (Stöver/Gerlach<br />
2012). Dies gilt für die Konsumenten von Heroin,<br />
Cannabis <strong>und</strong> eigentlich allen illegalen bzw. nicht regulierten<br />
Substanzen. Die Intensität <strong>und</strong> Verteilung dieser<br />
durch die Drogenpolitik bedingten Probleme unterscheidet<br />
sich von Person zu Person <strong>und</strong> von Droge zu Droge<br />
(Stöver 1994).<br />
Beson<strong>der</strong>s deutlich wird dies bei bestimmten Problemen.<br />
Vergleicht man die Situation eines Heroinabhängigen vor<br />
20 Jahren mit <strong>der</strong> eines Abhängigen von heute, hat sich<br />
die Substanz nicht geän<strong>der</strong>t, sehr wohl aber die Rahmenbedingungen.<br />
Die Wirkung von HIV-Prävention, Substitutionsbehandlung<br />
<strong>und</strong> Schadensmin<strong>der</strong>ung, insbeson<strong>der</strong>e<br />
auf die Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Betroffenen, sind evident, aber<br />
auch weitere soziale <strong>und</strong> rechtliche Auswirkungen ihres<br />
Konsums 22 (vgl. RKI 2012). Die Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Politik<br />
<strong>und</strong> Suchtkrankenhilfe haben zu enormen Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />
ohne wesentliche Nachteile geführt. Hierfür<br />
war allein <strong>der</strong> politische Wille entscheidend, das bloße<br />
Wissen, dass reines Heroin, mit sterilen Einmalspritzen injiziert,<br />
pharmazeutisch gesehen kein Risiko für Abszesse,<br />
HIV- <strong>und</strong> Hepatitis-Infektionen <strong>und</strong> Organschädigungen<br />
darstellt <strong>und</strong> – ärztlich kontrolliert – keine Überdosierungen<br />
verursacht.<br />
2. Der Status quo <strong>der</strong> Drogenpolitik <br />
in Deutschland<br />
Für die Gesellschaft entstehen durch Drogenkonsum <strong>und</strong><br />
-abhängigkeit beachtliche soziale, ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong><br />
21. http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/suchtbehandlung-100.html.<br />
22. »Der intravenöse Drogengebrauch nimmt, mit regionalen Ausnahmen,<br />
insgesamt an Bedeutung für die HIV-Epidemie in Deutschland ab.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e geht die Zahl junger IVD unter 30 Jahren, die neu mit HIV<br />
diagnostiziert werden, in den letzten Jahren zurück. Dies darf, vor allem<br />
angesichts <strong>der</strong> viel bedrohlicheren Entwicklung <strong>der</strong> HIV-Neudiagnosen bei<br />
intravenös Drogen gebrauchenden Menschen in Osteuropa, als beeindrucken<strong>der</strong><br />
Erfolg <strong>der</strong> deutschen HIV-Präventionsstrategien im Drogenbereich<br />
gewertet werden« (RKI 2012, S. 259).<br />
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