Freiwillige aus Ecuador in Deutschland (pdf, 0.24 MB, DE) - GIZ
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Fotos: Zugvögel e. V.<br />
<strong>Freiwillige</strong>ndienst<br />
andersherum<br />
Auslandsaufenthalte gehören für junge Deutsche fast schon<br />
zum guten Ton. Junge Menschen <strong>aus</strong> dem außereuropäischen<br />
Ausland haben diese Möglichkeit normalerweise nicht.<br />
Der Vere<strong>in</strong> „Zugvögel“ will das ändern.<br />
TEXT > MONJA SAUVAGERD, ALICIA SCHLEN<strong>DE</strong>R<br />
Freiburg im W<strong>in</strong>ter: E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gruppe junger<br />
Menschen sitzt zusammen und diskutiert, teils auf<br />
Spanisch, teils auf Deutsch. Es ist das Abschlusssem<strong>in</strong>ar<br />
von Gabriela Valenzuela und Mauro Brito Romero.<br />
Die beiden s<strong>in</strong>d die ersten, die mit dem Vere<strong>in</strong><br />
„Zugvögel, <strong>in</strong>terkultureller Süd-Nord-Aust<strong>aus</strong>ch e.V.“<br />
nach <strong>Deutschland</strong> gereist s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>jährigen<br />
<strong>Freiwillige</strong>ndienst zu leisten. Sie s<strong>in</strong>d Anfang zwanzig<br />
und kommen <strong>aus</strong> <strong>Ecuador</strong>. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Jahr mit<br />
vielen Begegnungen, e<strong>in</strong>er völlig neuen Sprache und<br />
überraschenden Erkenntnissen liegt h<strong>in</strong>ter ihnen. Das<br />
Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Freiburg soll ihnen Raum geben für Reflektion<br />
und Aust<strong>aus</strong>ch.<br />
Für viele Deutsche s<strong>in</strong>d Auslandse<strong>in</strong>sätze mittlerweile<br />
selbstverständlich: Nach dem Abitur geht es für e<strong>in</strong> halbes<br />
Jahr oder länger nach Afrika, Asien oder Late<strong>in</strong>amerika.<br />
In geme<strong>in</strong>nützigen Projekten arbeiten die jungen<br />
Leute zum Beispiel mit Straßenk<strong>in</strong>dern, engagieren sich<br />
für den Schutz des Regenwaldes oder <strong>in</strong> der Friedensförderung.<br />
Im Ausland erweitern sie ihren Horizont,<br />
stärken ihre <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz und verbessern<br />
ihre Fremdsprachenkenntnisse – alles Qualifikationen,<br />
die auch bei deutschen Arbeitgebern gefragt s<strong>in</strong>d.<br />
Gleichzeitig gibt es nur wenige junge Menschen <strong>aus</strong><br />
Afrika, Asien und Late<strong>in</strong>amerika, die e<strong>in</strong>en <strong>Freiwillige</strong>ndienst<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> leisten können. Das will<br />
der Vere<strong>in</strong> „Zugvögel“ ändern. Denn diese <strong>Freiwillige</strong>n<br />
bereichern durch ihre Mitarbeit die Projekte <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>. Außerdem kehren sie mit neuen Erfahrungen<br />
<strong>in</strong> ihr Heimatland zurück und tragen zu e<strong>in</strong>em<br />
realistischeren Bild von <strong>Deutschland</strong> bei.<br />
ECHTER AUSTAUSCH<br />
GEHT IN BEI<strong>DE</strong> RICHTUNGEN<br />
Der Vere<strong>in</strong> „Zugvögel“ ist im Januar e<strong>in</strong> Jahr alt geworden.<br />
Ins Leben gerufen haben ihn junge Deutsche. Die<br />
meisten von ihnen waren selbst als <strong>Freiwillige</strong> im außereuropäischen<br />
Ausland – viele mit dem „weltwärts“–<br />
Programm des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Zurück <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> waren sie begeistert von dem, was sie erlebt<br />
hatten. Und doch unzufrieden. „Der kulturelle Aust<strong>aus</strong>ch<br />
bleibt e<strong>in</strong>seitig, wenn er nur von Nord nach Süd<br />
möglich ist und kaum umgekehrt“, sagt Isabel Röder,<br />
die das Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Freiburg mitorganisiert hat.<br />
10 <strong>GIZ</strong>
WELTWEIT<br />
So entstand die Idee, e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zu gründen, der sich<br />
zusammen mit Partnerorganisationen im Ausland dafür<br />
e<strong>in</strong>setzt, e<strong>in</strong> <strong>Freiwillige</strong>nprogramm für junge Menschen<br />
<strong>aus</strong> dem Globalen Süden <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> möglich zu<br />
machen. Der spendenf<strong>in</strong>anzierte Vere<strong>in</strong> organisiert<br />
e<strong>in</strong>jährige <strong>Freiwillige</strong>ndienste <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Projekten<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Durch die Zusammenarbeit mit<br />
Partnerorganisationen <strong>in</strong> den Entsendeländern soll der<br />
westliche Blickw<strong>in</strong>kel vermieden werden – etwa bei der<br />
Auswahl der <strong>Freiwillige</strong>n und der Vor- und Nachbereitung<br />
ihres Aufenthalts. Mittlerweile hat der Vere<strong>in</strong><br />
mehr als 200 Mitglieder.<br />
DAS BILD VON <strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />
HAT SICH VERÄN<strong>DE</strong>RT<br />
Für das Abschlusssem<strong>in</strong>ar s<strong>in</strong>d Gabriela <strong>aus</strong> Berl<strong>in</strong> und<br />
Mauro <strong>aus</strong> Osnabrück nach Freiburg gereist. „Ihr immer<br />
mit euren Plänen“, sagt Mauro augenzw<strong>in</strong>kernd,<br />
als er den <strong>aus</strong>führlichen Sem<strong>in</strong>arplan sieht. Mauro hat<br />
<strong>in</strong> <strong>Ecuador</strong> Landwirtschaft und Architektur studiert.<br />
Durch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>trag im Onl<strong>in</strong>e-Netzwerk Facebook ist<br />
er auf die „Zugvögel“ aufmerksam geworden. Mauro<br />
überzeugte die Partnerorganisation und bekam den<br />
<strong>Freiwillige</strong>nplatz. Neun Monate lang lebte und arbeitete<br />
er auf e<strong>in</strong>em Demeter-Biobauernhof <strong>in</strong> der Nähe von<br />
Hamburg. Danach war er zwei Monate <strong>in</strong> Osnabrück,<br />
wo er mit Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung arbeitete. Auf<br />
die Frage, wie ihn das Jahr <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bee<strong>in</strong>flusst<br />
hat, sagt er: „Mir ist viel klarer geworden, wie ich mir<br />
me<strong>in</strong>e Zukunft vorstelle.“ In <strong>Ecuador</strong> will Mauro e<strong>in</strong>en<br />
Biobauernhof aufbauen.<br />
Er erzählt, dass man <strong>in</strong> <strong>Ecuador</strong> davon überzeugt sei,<br />
die Landwirtschaft <strong>in</strong> Europa sei so gut, weil dort viele<br />
Chemikalien e<strong>in</strong>gesetzt würden. In <strong>Deutschland</strong> hat<br />
Mauro festgestellt, dass die konventionelle Landwirtschaft<br />
zwar ertragreich ist, aber auch der Umwelt schadet.<br />
„Man hat e<strong>in</strong> Bild von <strong>Deutschland</strong> im Kopf, aber<br />
wenn man hier lebt, sieht man, dass auch hier nicht<br />
alles perfekt ist“, sagt er. Er kann nun <strong>in</strong> <strong>Ecuador</strong> e<strong>in</strong><br />
differenzierteres Bild von <strong>Deutschland</strong> vermitteln.<br />
Gabriela hatte <strong>in</strong> <strong>Ecuador</strong> ihr Psychologiestudium<br />
beendet. Dann beschloss sie, neue Wege zu gehen, das<br />
Altbekannte h<strong>in</strong>ter sich zu lassen. So wurde sie auf<br />
die „Zugvögel“ aufmerksam. Und bewarb sich. „Der<br />
<strong>Freiwillige</strong>ndienst lässt dich tief <strong>in</strong> die Gesellschaft e<strong>in</strong>tauchen“,<br />
sagt sie. „Du kannst vergleichen und daran<br />
wachsen – und du kannst den Menschen auch etwas<br />
von dir geben.“<br />
Auch bei Gabriela hat das Jahr <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> viel angestoßen.<br />
Sie lebte bei e<strong>in</strong>er Gastfamilie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und<br />
arbeitete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>dertenwerkstatt. Dort betreute<br />
sie die Menschen, half <strong>in</strong> der Küche und assistierte<br />
bei verschiedenen Therapieformen. Das hat auch ihre<br />
Zukunftspläne verändert: Noch vor e<strong>in</strong>em Jahr wollte<br />
sie ihr Psychologiestudium vertiefen, jetzt hat sie vor,<br />
sich auf Kunsttherapie zu spezialisieren.<br />
Der <strong>Freiwillige</strong>ndienst ist e<strong>in</strong> Weg,<br />
stereotype Bilder <strong>in</strong> unseren Köpfen<br />
zu verändern – und damit<br />
auch unser Handeln.<br />
Die Mitglieder des Vere<strong>in</strong>s begreifen ihre Arbeit als<br />
Schritt h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Welt, <strong>in</strong> der die Menschen gleiche<br />
Chancen und Möglichkeiten haben, egal woher sie<br />
kommen. Isabel Röder sagt rückblickend: „Die Gespräche<br />
mit Gabriela und Mauro haben mir bestätigt, dass<br />
der <strong>Freiwillige</strong>ndienst e<strong>in</strong> Weg ist, stereotype Bilder <strong>in</strong><br />
unseren Köpfen zu verändern – und damit auch unser<br />
Handeln. Über den persönlichen Kontakt mit den<br />
<strong>Freiwillige</strong>n bei ihrer Arbeit, <strong>in</strong> der Familie oder auch<br />
hier beim Sem<strong>in</strong>ar ist es möglich, Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
mit anderen Menschen auf e<strong>in</strong>e Art zu fühlen, die<br />
Sprache oder Bilder unmöglich vermitteln können.“<br />
Dieser Aust<strong>aus</strong>ch ist für beide Seiten e<strong>in</strong>e Bereicherung.<br />
Und der Vere<strong>in</strong> freut sich, denn Mitte Februar konnte<br />
er gleich vier <strong>Freiwillige</strong> <strong>aus</strong> <strong>Ecuador</strong> und Ruanda <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> begrüßen.<br />
Internetseite des Vere<strong>in</strong>s „Zugvögel – <strong>in</strong>terkultureller<br />
Süd-Nord-Aust<strong>aus</strong>ch e.V.“ > www.zugvoegel.org<br />
> Als <strong>Freiwillige</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />
Gabriela Valenzuela und Mauro Brito Romero.<br />
Monja Sauvagerd (rechts) und Alicia Schlender<br />
haben 2010/2011 e<strong>in</strong>en <strong>Freiwillige</strong>ndienst <strong>in</strong><br />
Nepal geleistet. Beide studieren Liberal Arts<br />
and Sciences <strong>in</strong> Freiburg.<br />
NAH DRAN 01|13<br />
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