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Endbericht der Kommission Wilhelminenberg

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DAS LEBEN IM KINDERHEIM<br />

3 Das Leben im Kin<strong>der</strong>heim<br />

3.1 Die Einweisung<br />

Die Abnahme<br />

Der „Schutz des Kindeswohls“ stellt seit seiner Gründung 1917 den zentralen Auftrag des Wiener<br />

Jugendamtes dar. Seine inhaltliche Definition sowie die Frage seiner Sicherung und Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

wandelten sich jedoch im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte. So bestimmte die Weiterführung von Fürsorgetraditionen<br />

aus <strong>der</strong> Ersten Republik, die primär von gesundheitsfürsorgerischen Zielsetzungen<br />

geprägt war, die Ausrichtung <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt bis in die 1960er-Jahre. Zu diesem Zeitpunkt setzte<br />

im Zusammenhang mit <strong>der</strong> wirtschaftlichen Konsolidierung eine theoretische Schwerpunktverlagerung<br />

<strong>der</strong> Jugendwohlfahrt von <strong>der</strong> Sicherung des schutzbedürftigen Kindes vor wirtschaftlicher<br />

Not, Krankheit und Verwahrlosung zu einer Stützung von Familien in schwierigen Lebenslagen ein.<br />

In <strong>der</strong> Praxis fanden Erziehungsberatung und von psychologischen Erkenntnissen geleitete Ansätze<br />

allerdings erst zu Beginn <strong>der</strong> 1970er-Jahre ihren Nie<strong>der</strong>schlag. In diese Zeit fiel auch die erste massive<br />

Kritik an <strong>der</strong> Heimunterbringung selbst.<br />

So spontan und überfallsartig eine Heimeinweisung den meisten Kin<strong>der</strong>n aus damaliger und heutiger<br />

Sicht erscheint, ging dieser Praxis <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt vielfach eine lange Phase von Kontakten<br />

zwischen den erziehungsberechtigten Personen und den Fürsorgebehörden voraus.<br />

Eine Zeugin kommentiert die Vorgeschichte ihrer Unterbringung am <strong>Wilhelminenberg</strong> folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Es hat ja nicht mit dem <strong>Wilhelminenberg</strong> angefangen. Das ganze Jugendamtssystem hat fest mitgearbeitet<br />

(…) ist ja schon <strong>der</strong> Haken, dass man nicht erkennt, dass Kin<strong>der</strong> gefährdet sind und dass man nicht<br />

rechtzeitig mit gezielten und wirkungsvollen Maßnahmen einschreitet. Das hat ja schon angefangen, wie<br />

ich fünf war, das ist ja nicht von heut’ auf heut’, das ist ja so schrittweise passiert.“ 1<br />

Die Kontakte mit Klientinnen <strong>der</strong> Jugendwohlfahrt, damals „Parteien“ genannt, verliefen über das<br />

jeweils zuständige Bezirksjugendamt <strong>der</strong> Stadt Wien. An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> internen Hierarchie eines<br />

Bezirksjugendamtes stand <strong>der</strong> Amtsleiter, <strong>der</strong> Profession nach Jurist o<strong>der</strong> Rechtsfürsorger. Ihm unterstanden<br />

die Erziehungsfachfürsorgerin sowie die Organisationsfürsorgerin (ORGA). Während die<br />

Erziehungsfachfürsorgerin den Sprengelfürsorgerinnen beratend zur Seite stehen sollte und mit <strong>der</strong><br />

Erziehungsberatung (bzw. später dem Psychologischen Dienst) zusammenarbeitete, lagen die Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> ORGA vor allem in <strong>der</strong> administrativen wie personellen „Überwachung“ und Kontrolle<br />

<strong>der</strong> ihr unterstellten Sprengelfürsorgerinnen.<br />

Informationen über familiäre Missstände und Notlagen von Kin<strong>der</strong>n erhielt das Jugendamt einerseits<br />

über Meldungen und Anzeigen frem<strong>der</strong> Personen, von Familienmitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> über den Verbindungsdienst<br />

<strong>der</strong> Fürsorgerinnen an Schulen und Kin<strong>der</strong>gärten. Vor allem aufgrund des gesetzlichen<br />

<strong>Endbericht</strong> <strong>der</strong> <strong>Kommission</strong> <strong>Wilhelminenberg</strong> | Juni 2013 37

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