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Elektrophysiologie und virtuelle Realität als Mittel zur Untersuchung ...

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..... PSYCHOLOGIE<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Die so genannten ereigniskorrelierten<br />

Potenziale oder EKPs zeichnen sich durch eine<br />

charakteristische Wellenform aus, die sich in unterschiedliche<br />

Komponenten einteilen lassen (Abb. 3,<br />

links). Jede dieser Komponenten wird dabei bestimmten<br />

Verarbeitungsschritten im neurokognitiven<br />

System zugeordnet, etwa der sensorischen Verarbeitung<br />

eines Reizes, der kognitiven Bewertung oder<br />

der Initiierung einer motorischen Reaktion auf den<br />

Reiz. Damit lassen sich Aussagen machen über<br />

bestimmte Prozesse, die an der Informationsverarbeitung<br />

beteiligt sind, <strong>und</strong> ihre zeitliche Abfolge. Mit<br />

geeigneten Modellierungsverfahren lassen sich<br />

sogar die beteiligten neuronalen Strukturen identifizieren,<br />

wenn auch mit geringerer räumlicher Auflösung<br />

<strong>als</strong> in der funktionalen Kernspintomographie<br />

(fMRI). Ein großer Vorteil ist jedoch die hohe zeitliche<br />

Auflösung des EEGs, die im Millisek<strong>und</strong>enbereich<br />

liegt <strong>und</strong> hierin dem fMRI überlegen ist. Außerdem<br />

ist der apparative Aufwand des EEGs vergleichsweise<br />

gering <strong>und</strong> macht eine Nutzung im VR-Labor möglich.<br />

Neuere Ansätze wie die parallele fMRI- <strong>und</strong><br />

EEG-Aufzeichnung versprechen eine Kombination<br />

der hohen zeitlichen Auflösung des EEGs mit der<br />

hohen räumlichen Auflösung des fMRI.<br />

Mit Hilfe von verschiedenen EKP-Studien konnten<br />

wir zeigen, dass ein hoher Anteil der visuellen Informationsverarbeitung<br />

automatisch <strong>und</strong> auf der Ebene<br />

sensorischer Verarbeitungsschritte erfolgt. Bereits im<br />

sensorischen System wird eine Repräsentation über<br />

Invarianten der visuellen Umgebung abgespeichert,<br />

auf deren Basis auch zeitlich getrennt präsentierte<br />

Reize verglichen <strong>und</strong> bewertet werden, um schon<br />

nach wenigen Millisek<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ohne Zuwendung<br />

von Aufmerksamkeit unerwartete Veränderungen zu<br />

detektieren (siehe Berti & Schröger, 2004). In Abb. 3<br />

ist das Ergebnis dieser Studie zusammengefasst: Es<br />

zeigt sich, dass bereits nach 200 Millisek<strong>und</strong>en ein<br />

deutlicher Unterschied bei der Verarbeitung der veränderten<br />

Reize zu beobachten ist. Diese Verarbeitung<br />

ist in dem Sinne automatisch, <strong>als</strong> dass die Versuchspersonen<br />

ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen<br />

Aspekt der visuellen Stimulation richteten. Die<br />

Fähigkeit, möglichst schnell Veränderungen in der<br />

visuellen Umwelt zu entdecken, die nicht im Fokus<br />

der Aufmerksamkeit liegen, ist etwa im Straßenverkehr<br />

von besonderer Bedeutung. Während im Alltag<br />

allerdings deutliche Veränderungen wie das plötzliche<br />

Erscheinen eines Objektes oder Bewegungs- <strong>und</strong><br />

Geschwindigkeitsänderungen Aufmerksamkeit anziehen,<br />

zeigt sich in unseren Laborexperimenten,<br />

dass auch vergleichsweise geringe Veränderungen<br />

auf Basis eines sensorischen Gedächtnisvergleichsprozesses<br />

erkannt werden. Die Verteilung der EKPs<br />

(Abb. 3, rechts) auf der Schädeloberfläche legt die<br />

Vermutung nahe, dass die primären, visuellen Areale<br />

Quelle dieser Prozesse sind. Dies ist ein weiterer Hinweis<br />

darauf, dass dieser Gedächtnisvergleichsprozess<br />

tatsächlich eine Leistung des sensorischen Systems<br />

ist <strong>und</strong> in diesem Sinne kognitive Funktionen<br />

deutlich früher in der Informationsverarbeitung verankert<br />

sind, <strong>als</strong> man oftm<strong>als</strong> annimmt.<br />

Zur Zeit messen wir EKPs, die bestimmten Phasen<br />

der Kontaktzeitschätzung zugeordnet werden können,<br />

um der bislang ungeklärten Frage nachzugehen,<br />

ob es beim Menschen ein Modul (etwa Kortexareal<br />

MT) gibt, das bei jeder Kontaktzeitschätzung aktiv<br />

wird, ähnlich wie man es bei Tauben gef<strong>und</strong>en hat.<br />

Ebenso sind wir dabei, Blickbewegungen <strong>und</strong> EKPs<br />

miteinander in Beziehung zu setzen, um Prozessen<br />

der Objekterkennung auf die Spur zu kommen.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die<br />

Kombination von VR mit neurowissenschaftlichen<br />

Methoden eine weitgehend einmalige Chance darstellt,<br />

um die Prozesse zu analysieren, die der visuellen<br />

Wahrnehmung zugr<strong>und</strong>e liegen. Diese Methodenkombination<br />

werden wir in Zukunft weiterentwickeln,<br />

um die daraus erwachsenden Chancen in<br />

Mainz zu nutzen.<br />

■ Summary<br />

We explore the processes <strong>und</strong>erlying human visual<br />

perception. To do so, during the last two years we<br />

have assembled a technology that allows us to simulate<br />

complex scenes, as for example vehicles approaching<br />

an observer on collision course. It <strong>als</strong>o enables<br />

us to relate behavioral measures such as reaction<br />

time with electrophysiological parameters such as<br />

evoked brain potenti<strong>als</strong>. The integrative approach,<br />

set within a virtual reality laboratory, combines computer<br />

science, electrophysiology, and cognitive psychology.<br />

We report findings that support the advantage<br />

of this approach.<br />

Literatur<br />

Berti, S., Schröger, E. (2004). Distraction effects in vision: behavioral and event-related brain potential indices. Neuroreport<br />

15, 665-669.<br />

Hecht, H., Savelsbergh, G. J. P. (Eds.) (2004). Time-to-contact. Amsterdam: Elsevier Science Publishers.<br />

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