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Quelle: IKZM-Oder Berichte 14; Integriertes Küste ... - IKZM-D Lernen

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<strong>Quelle</strong>: <strong>IKZM</strong>-<strong>Oder</strong> <strong>Berichte</strong> <strong>14</strong>; <strong>Integriertes</strong> <strong>Küste</strong>-Flusseinzugsgebiets-Management an<br />

der <strong>Oder</strong>/Odra: Hintergrundbericht; Nardine Löser & Agnieszka Sekścińska,<br />

2005<br />

AUSZUG : S <strong>14</strong> - 22<br />

2.2 Das <strong>Oder</strong>ästuar<br />

Das <strong>Oder</strong>ästuar ist eine ländliche Grenzregion zwischen Deutschland und Polen, die sich durch<br />

ein hohes naturräumliches Potential mit vielfältiger Landschaft und prägenden großen<br />

<strong>Küste</strong>ngewässern auszeichnet. Der hohe ökologische Wert der Landschaft ist allgemein<br />

anerkannt. Ein verhältnismäßig großer Teil der Fläche ist unter Schutz gestellt, sowohl auf den<br />

Inseln Usedom und Wolin als auch an der Haffküste und im <strong>Küste</strong>nhinterland.<br />

2.2.1 Topographie und Größe<br />

Das <strong>Oder</strong>ästuar liegt im deutsch-polnischen Grenzgebiet an der süd-westlichen <strong>Küste</strong> der Ostsee.<br />

Es umfasst die Inseln Usedom und Wolin mit der vorgelagerten Pommerschen Bucht sowie das<br />

Stettiner Haff/<strong>Oder</strong>haff, die daran angrenzenden <strong>Küste</strong>nbereiche und schließt in dieser<br />

Betrachtung ebenfalls den Bereich Szczecin ein. Hinsichtlich der Ausdehnung in Richtung Ostsee<br />

beschränkt sich das Gebiet <strong>Oder</strong>ästuar auf einen Bereich von 12 sm. Der Landbereich des Ästuars<br />

umfasst konkret die Kreise Ostvorpommern (OVP) und Uecker-Randow (UEK) auf der<br />

deutschen Seite des Untersuchungsraumes und die Kreise Kamieński (K), Goleniowski (G) und<br />

Policki (P), sowie die kreisfreien Städte Szczecin (SZ) und Świnoujście (S) auf der polnischen<br />

Seite (Tabelle 4).<br />

In wenigen Fällen der folgenden Bestandsaufnahme lagen keine detaillierten Angaben zu den<br />

Kreisen bzw. kreisfreien Städten vor, so dass der Bezug zum Bundesland Mecklenburg-<br />

Vorpommern (MV) bzw. zur Wojewodschaft Westpommern (WP) gewählt wurde. Der<br />

statistische Vergleich auf polnischer und deutscher Seite ist aufgrund der unterschiedlichen<br />

Größenverhältnisse schwierig.<br />

Tabelle 4: Vergleich deutsch-polnischer Kenngrößen (SLMV 2003, Statistical Yearbook 2003)<br />

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das Stettiner Haff, eine 687 km² große, flache Lagune, die<br />

aus zwei Becken besteht. Das westliche Becken, das „Kleine Haff“, gehört zur BRD und weist<br />

eine Größe von 277 km² auf. Das östliche Becken zählt zu Polen und wird als „Großes Haff“<br />

(Wielki Zalew) bezeichnet. Es macht mit einer Größe von 410 km² 60 % der Gesamtfläche aus.<br />

Das Kleine Haff besitzt ein Volumen von etwa 1 km³ und das Große Haff von ca. 1,6 km³. Die<br />

mittlere Wassertiefe des Stettiner Haffs beträgt 3,8 m, wobei natürliche Tiefen bis 8,5 m<br />

gemessen werden. Der Szczecin und Świnoujście verbindende Schifffahrtskanal (Piatowski-<br />

Kanal) ist 10,5 m tief.


Die Nehrungsinseln Usedom (373 km²) und Wolin (265 km²) isolieren das Stettiner Haff von der<br />

offenen Ostsee, nur über die drei sehr schmalen Arme Świna, Dziwna und Peenestrom besteht ein<br />

Austausch mit der Pommerschen Bucht. Das Einzugsgebiet des Stettiner Haffs beträgt 129.591<br />

km², davon liegen 91,5 % im <strong>Oder</strong>ästuar.<br />

Die Pommersche Bucht (poln. Zatoka Pomorska) wird im Nordwesten von der Arkona-See und<br />

im Nordosten vom Bornholmbecken begrenzt (Isobathe 20 m). Sie ist ca. 5.500 km² groß und hat<br />

bei einer mittleren Tiefe von 13,2 m ein Volumen von 73,6 km³.<br />

2.2.2 Klima<br />

In Nord-Süd-Richtung geht das Klima vom Ostseeküsten- zum Festland-Klima über. In westöstlicher<br />

Richtung ist die Region des <strong>Oder</strong>ästuars einem Wechsel vom ozeanischen zum<br />

kontinentalen Klima unterworfen. Der Einfluss der Ostsee (temperaturstabilisierend, höhere<br />

Luftfeuchtigkeit, stärkere Windexposition) lässt sich bis in einen 10-30 km breiten<br />

küstenparallelen Streifen nachweisen. Der Klimawechsel in west-östlicher Richtung äußert sich<br />

in einer kontinuierlichen Abnahme der Luftdruckgradienten, der Luftfeuchte,<br />

Windgeschwindigkeiten, einer Zunahme der Sonnenscheindauer, Temperaturamplituden sowie<br />

Frostgefährdung. Die Niederschlagsmenge nimmt ebenfalls von West nach Ost ab. Während der<br />

westliche Teil Usedoms sowie westlich des Peenestroms jährliche Niederschläge von 575-600<br />

mm aufweisen, ist der östliche Teil Usedoms, Wolin und der südliche Teil der <strong>Oder</strong>mündung mit<br />

550-575 mm niederschlagsärmer (Feilbach 2004).<br />

2.2.3 Naturräumliche Gliederung<br />

Geomorphologie und Landschaftsgenese<br />

Die Region des <strong>Oder</strong>ästuars entstand im Zuge der pleistozänen Inlandeisbedeckung und<br />

nachfolgender Abschmelzvorgänge. Das Relief wurde wesentlich vom Pommerschen Stadium<br />

der Weichselvereisung vor 13.000 Jahren geprägt. Durch nach Nordwesten abfließendes Wasser<br />

bezüglich der Eisschmelze entstanden die Rinnen heutiger Flusstalmoore wie z.B. von Peene und<br />

Uecker. Die Endmoränenzüge auf Usedom und Wolin sowie westlich des Peenestroms und bei<br />

Szczecin wurden durch kleinere Eisvorstöße gebildet. Die <strong>Küste</strong>ngestalt resultiert aus<br />

postglazialen <strong>Küste</strong>nausgleichsprozessen, wobei dem Meeresspiegelanstieg vor allem durch<br />

Verlandung und Moorwachstum entgegengewirkt wurde (Feilbach 2004). Die Insellage von<br />

Usedom und Wolin istdurch die drei Mündungsarme des <strong>Oder</strong>haffs bedingt.<br />

<strong>Küste</strong>ngestalt<br />

Die Außenküsten Usedoms und Wolins sind weitgehend Ausgleichs- und Anlandungsküsten mit<br />

aktiven Steilküstenabschnitten. Die Binnenküste ist stark gegliedert. Östlich und westlich des<br />

Haffs sind Niedermoorbereiche prägend. Südlich des kleinen Haffs geht die Landschaft in die<br />

von Binnendünen und Beckensanden überzogene Grundmoränenlandschaft der Ueckermünder<br />

Heide über. Südlich des Großen Haffs, in dessen Uferzonen ausgedehnte Niedermoorbereiche<br />

vorherrschen, erstreckt sich bis Szczecin die Szczeciner Tieflandebene (Feilbach 2004).<br />

Langfristige Untersuchungen der <strong>Küste</strong>n der Pommerschen Bucht zeigten, dass die Erosion<br />

stärker als die Akkumulation ist (von etwa 0,35 m bis zu 1,2 m pro Jahr). Nur in der Świna<br />

Mündung ist die Akkumulierung stärker (Lampe 1998, Musielak 1995).


Lebensräume<br />

Niedermoore verschiedener hydrologischer Ausprägungen kommen vor allem an Unterläufen der<br />

großen Flusstalmoorkomplexe, aber auch in vermoorten Becken vor. Wichtige Flächen sind:<br />

Thurbruch im Ostteil von Usedom, Niedermoor Zerninseesenke, Niedermoor der Peenemündung,<br />

Flusstal der Peene, Niedermoor am Schmollensee auf Usedom und an der Haffküste Stolpe-<br />

Prätenow-Dargen. Im Randbereich der Täler sind zahlreiche Feuchtwiesen erhalten, viele<br />

entwickeln sich aktuell zu Staudenfluren mit Gehölzanflug (Feilbach 2004). Relativ selten im<br />

Bereich der südlichen Ostsee sind <strong>Küste</strong>nüberflutungsmoore, Salzgraslandflächen und<br />

Hochmoore. Hochmoorflächen sind größtenteils abgetorft bzw. durch Torfbau zerstochen,<br />

entwässert und bewaldet. Wichtige Hochmoorflächen sind das Swine-Moor auf Usedom und das<br />

Anklamer Stadtbruch. Insgesamt machen die Moorflächen im Landkreis Ostvorpommern 23,2 %<br />

(44.359 ha) und im Uecker-Randow-Kreis 19,4 % (31.568 ha) aus (SLMV 2004).<br />

Neben den Feuchtgebieten kommen auch nährstoffarme trockene Standorte in Form von<br />

Binnendünen, waldfreien Talhängen, Oszügen und steinreichen Kuppen in der Region vor.<br />

Allerdings kommt es zunehmend zur Verbuschung. Großflächige Waldgebiete sind vorwiegend<br />

auf den Heideflächen im Uecker-Randow-Kreis und auf Usedom zu finden. Nadelwälder<br />

überwiegen. Die Dünengebiete auf Usedom sind ausnahmslos von Kiefernwäldern<br />

eingenommen. Großflächige Laubwälder sind besonders im Endmoränenbereich der „Usedomer<br />

Schweiz“ zu finden (Feilbach 2004).


Ökologischer Wert der Landschaft<br />

Im Untersuchungsgebiet existieren vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die von<br />

herausragender Bedeutung für den Arten-, Biotop- und Habitatschutz sind und unter Schutz<br />

gestellt wurden (Kapitel 3.2.2). Z.B. zählen die Feuchtwiesen an den Unterläufen der großen<br />

Flusstalmoorkomplexe (Peene, Uecker) zu den artenreichsten Lebensräumen, ebenso spielen die<br />

<strong>Küste</strong>nüberflutungsmoore und Salzgraslandschaften eine entscheidende Rolle als Rückzugsraum<br />

zahlreicher speziell angepasster Arten, bspw. von Wasser- und Watvögeln. Selbst die trockenen<br />

Standorte sind wichtige Lebensräume für eine artenreiche, hochspezialisierte, wärmeliebende und<br />

mit wenig Feuchtigkeit auskommende Pflanzen- und Tierwelt (Feilbach 2004). Ausdruck über<br />

den hohen kulturellen und ökologischen Wert wurde der <strong>Oder</strong>mündungsregion im Jahre<br />

1993/1994 von der Organisation Naturfreunde International verliehen, als „Landschaft des<br />

Jahres“ 2 .<br />

2.2.4 Hydrologie<br />

Der hydrographische Charakter des <strong>Oder</strong>ästuars wird durch die Grundwasserressourcen, die<br />

inneren <strong>Küste</strong>ngewässer sowie zahlreiche Seen und Fließgewässer geprägt. Fast der gesamte<br />

Untersuchungsraum gehört zu den Einzugsgebieten der <strong>Oder</strong> und des <strong>Oder</strong>haffs bzw. derer<br />

Zuflüsse. Die <strong>Oder</strong>, die im Süd-Osten ins Haff mündet, stellt mit einer Abflussmenge von etwa<br />

530 m³/s den größten Süßwasserzufluss dar. Nach Peene (24 m³/s) und Uecker (8,2 m³/s) folgen<br />

2 http://www.nfi.at/deutsch/Projekte/ldj/documents/doc1-de.htm


Landgraben/Zarow, Wolcenica, Swiniec und Gowienica in Polen mit vergleichsweise sehr<br />

geringen Mengen (Dolch 2004).<br />

Der Austausch mit der Pommerschen Bucht ist aufgrund der dem Haff vorgelagerten Inseln<br />

Usedom und Wolin sehr eingeschränkt und nur über die drei schmalen Mündungsarme<br />

Peenestrom, Świna und Dziwna möglich. Dabei wechseln sich Ein- und Ausstromlagen ab, deren<br />

Häufigkeit im Winter und Frühling am höchsten ist (Mohrholz 1998). Der Wasseraustausch des<br />

Haffs mit der Pommerschen Bucht richtet sich vorwiegend nach den Wasserständen in Haff,<br />

Bucht und <strong>Oder</strong> sowie nach der Windrichtung und -stärke (Bangel 2004). Über die Świna, die mit<br />

ihren Armen Stara Świna („Alte Swine“) und dem künstlichen Piatowskie-Kanal die<br />

Hauptverbindung zwischen <strong>Oder</strong> und Ostsee darstellt, erfolgt der stärkste Austausch (etwa 69 %).<br />

Sie stellt mit einer Länge von 16 km und einer Tiefe von 10,5 m die kürzeste und zugleich tiefste<br />

Verbindung zur Ostsee dar. Peenestrom (17 %) und Dziwna (<strong>14</strong> %) sind mit einer Länge von<br />

über 30 km und 5 bzw. 3 m von geringerer Bedeutung für den Wasseraustausch (Mohrholz &<br />

Lass 1998).<br />

Tabelle 5: Klima und Hydrologie des Stettiner Haffs<br />

Salzgehalt<br />

Die Pommersche Bucht ist mit einem relativ stabilen Salzgehalt von 6 ‰ (PSU) mesohalin.<br />

Besonders im Winter führen höhere Windstärken und Wasserstände zu einem verstärktem<br />

Wasseraustausch zwischen Pommerscher Bucht und Świna, so dass es zeitweise auch im Großen<br />

Haff zu höheren Salzgehalten kommen kann (vor allem in Bodennähe). Der überwiegende Teil<br />

des Kleinen Haffs ist mit einem mittleren Salzgehalt um 2 ‰ oligohalin. Neben der saisonalen<br />

Veränderung (höhere Salzgehalte im Winter, niedrigere im Sommer) ist auch ein räumlicher<br />

Gradient zu verzeichnen: Von Norden nach Süden nimmt der Salzgehalt ab, da im Süden<br />

verstärkt Süßwasser durch die <strong>Oder</strong> einströmt (Bangel et al. 2004). Im langjährigen Mittel<br />

schwankt der Salzgehalt des Stettiner Haffs zwischen 2,4 ‰ im Winter und 0,8 ‰ im Sommer<br />

(Lampe 1998).<br />

Wasserstand und Verweilzeit<br />

Das Stettiner Haff hat im Verlaufe der rund 40 km von der <strong>Oder</strong>mündung bis zur Ostsee nur ein<br />

sehr geringes Gefälle von 22,7 cm (Herr in Brandt 1894/96). Der Wasserstand im Stettiner Haff<br />

wird vorwiegend durch die Ostsee gesteuert (siehe oben). Die großen Süßwasserzuflüsse<br />

(hauptsächlich durch die <strong>Oder</strong>) wirken sich nur stärker aus, wenn ihr Abfluss durch länger<br />

anhaltende hohe Außenwasserstände gehemmt ist. Wasserstandsschwankungen von NN ≤ ± 20


cm haben eine Häufigkeit von etwa 80 %. Sturmhochwasser konzentrieren sich im Haff auf die<br />

Monate Dezember und Februar. Sturmniedrigwasser sind äußerst selten (Correns 1973).<br />

Aufgrund der isolierten Stellung verweilt das nährstoffreiche Wasser lange im Stettiner Haff, es<br />

ergeben sich Austauschzeiten zwischen 35 und 75 Tagen. In der Pommerschen Bucht beträgt die<br />

Verweilzeit dagegen nur 8-10 Tage (Mohrholz 1998).<br />

Wasserqualität und Nährstoffe<br />

Mit dem durch die <strong>Oder</strong> eingetragenen Süßwasser gelangen verstärkt Nährsalze in das Stettiner<br />

Haff. 1995 wurden schätzungsweise 4.922 t Phosphor und 76.973 t Stickstoff ins Haff<br />

eingetragen (Helcom 1998). Dabei unterliegen die Nährstoffe wie der Salzgehalt saisonalen und<br />

räumlichen Veränderungen. Im Winter sind die Nährstoffgehalte höher als im Sommer und sie<br />

nehmen im Stettiner Haff von Norden nach Süden zu (Pommersche Bucht < Kleines Haff <<br />

Großes Haff). Die saisonalen Schwankungen sind durch die Korrelation der Nährstoffgehalte und<br />

des Algenwachstums zu erklären. Die räumlichen Schwankungen sind das Ergebnis von<br />

Verdünnungseffekten und der Nitrataufnahme durch das Phytoplankton.<br />

In den letzten Jahren sind die Konzentrationen von Phosphor und Stickstoff im Haff leicht<br />

gesunken: P – 11 µmol/l (Ende der 1980er) und 6 µmol/l (dieses Jahrzehnt) und N – 160 µmol/l<br />

und 130 µmol/l (dieses Jahrzehnt) (Bangel et al. 2004), da auch die <strong>Oder</strong> geringe<br />

Nährstofffrachten führte. Für die frühen 90’er Jahre, in denen eine starke Verringerung der<br />

Nährstoffe im Haff nachgewiesen wurde, gilt dieser Zusammenhang jedoch nicht. Die<br />

Reduzierung der Werte ist auf die klimatischen Verhältnisse zurückzuführen, nämlich auf die<br />

warmen und trockenen Jahre. Feuchte Jahre können im Vergleich zu trockenen einen Unterschied<br />

von 50 % ausmachen (Schernewski & Wielgat 2001).<br />

Tabelle 6: Wasserchemie und Nährstoffe<br />

Nitrat und Phosphat<br />

Für die Verringerung des Stickstoffs ist die Denitrifikation entscheidend, deren mittlere Rate im<br />

Kleinen Haff bei 2 g N/m²a (Dahlke et al. 1998) und für das gesamte Haff bei 4 g N/m²a (Wielgat<br />

& Wietek 2004) liegt. Für die Berechnungen des Phosphors ist die Stratifizierung des<br />

Wasserkörpers sowie die Sauerstoffzehrung über dem Sediment entscheidend. Diese liegt bei 10<br />

µmol P/m³d (Schernewski & Wielgat 2001). Eine bedeutende Senke der Nährstoffe im Haff ist


die Sedimentation. Sie hängt u.a. mit den durch den Wind induzierten Strömungen, der<br />

Resuspension und den Aktivitäten der am Boden lebenden Organismen zusammen. Die<br />

Berechnung ist aus diesen Gründen schwierig.<br />

Tabelle 7: Jahreswerte für Stickstoff und Phosphor, basierend auf der Simulation von 1980-1999<br />

(Wielgat & Wietek 2004)<br />

2.2.5 Sedimente und Schadstoffe<br />

Die Oberflächensedimente im Stettiner Haff werden in den Beckenbereichen durch feinkörnige<br />

Schlicke und in den flachen Rand- und Schwellenbereichen durch Sande, bzw. sandige Schlicke<br />

gebildet. Feine Korngrößen bedecken etwa 54 % des Haffbodens; vor allem die tieferen Bereiche<br />

unter 3,5 m sind als reine Schlickböden einzustufen. Lediglich in der Mitte zwischen Kleinem<br />

und Großem Haff mischt sich auch in größeren Tiefen Sand darunter (Musielak & Osadczuk<br />

1993-1996). Reine Sandbereiche finden sich in den flachen Uferregionen und bilden stellenweise<br />

Sandbänke und Haken aus. Der Sedimenttransport geschieht im flachen Haff vor allem durch<br />

Windeinwirkung. Lediglich der südliche und südwestliche Teil des Haffs lässt einen Einfluss der<br />

<strong>Oder</strong> erkennen, die hier feine Korngrößen mit einem hohen Gehalt an organischen Bestandteilen<br />

ablagert (>12 %; Im nördlichen von der Ostsee beeinflussten Teil 2 %). Insgesamt sind die<br />

Strömungsgeschwindigkeiten entlang des flachen Haffufers höher als im zentralen Haff. Es<br />

bleiben am Ufer also nur grobkörnigere Sande liegen, während es im tieferen Haffbecken kaum<br />

zu Umlagerungen von Sedimenten kommt Hier suspendieren die feineren Partikel und bilden den<br />

Haffschlick. Die <strong>Oder</strong> trägt ihre Sedimentfracht vorwiegend in den Piatowski Kanal ein, mit einer<br />

jährlichen Schwebstofffracht von etwa 425.000 t (Leipe et al 1998). Hartsubstrate in Form<br />

ausgedehnter Dreissena-Muschelbänke machen im Haff etwa 20 % aus (Fenske 2003).<br />

Hinsichtlich der Schadstoffe (Schwermetalle), die sich in Oberflächensedimenten anreichern<br />

(siehe Kapitel 2.1.3), weist das Kleine Haff eine geringere Belastung auf als das Große Haff. Die<br />

Ursache hierfür liegt in dem geringeren Zufluss an Schwermetallen durch Fließgewässer in das<br />

Kleine Haff. Die <strong>Oder</strong> transportiert 387,6 t Zink, 66,2 t Kupfer und 55,1 t Blei pro Jahr in das<br />

<strong>Oder</strong>haff. Die Flüsse Uecker und Zarow transportieren jährlich lediglich etwa 0,9 t Zink, 0,9 t<br />

Kupfer und 0,1 t Blei in das Kleine Haff (HELCOM 1998). Die Fracht des Flusses Peene ist zu<br />

vernachlässigen, da der Großteil des Peenewassers direkt durch den Peenestrom in die Ostsee<br />

entwässert. Die Anteile von Schwermetallen im südlichen bzw. im südwestlichen Teil des Haffs<br />

spiegeln dies wider: >150 µg/g Blei, >80 µg/g Kupfer und >1250 µg/g Zink.<br />

Die mit Schwermetallen angereicherten Oberflächensedimente im Piatowski-Kanal werden mit<br />

der Ausbaggerung des Schifffahrtskanals entnommen. Im Durchschnitt werden ihm und somit<br />

dem <strong>Oder</strong>haff in den knapp 300.000 t Baggermaterial jährlich etwa 42 t Blei, 39 t Kupfer und 312<br />

t Zink entnommen. Dabei lassen sich die Schwermetall-Einträge der <strong>Oder</strong> vorwiegend im


unmittelbaren <strong>Oder</strong>mündungsbereich nachweisen. Im weiteren Kanalverlauf findet eine stärkere<br />

Durchmischung mit Haffsedimenten statt (Minning et al. 2003).<br />

2.2.6 Flora und Fauna<br />

Die Region <strong>Oder</strong>mündung zeichnet sich durch eine große Vielfalt an zum Teil seltenen Tier- und<br />

Pflanzenarten aus. Ausgedehnte naturnahe Wälder, Nieder- und Hochmoore wie das Peene-Haff-<br />

Moor, Heidelandschaften, eutrophe wasservogelreiche Flachwasserseen, sowie Trocken- und<br />

Magerrasen bestimmen das Landschaftsbild.<br />

Speziell im <strong>Oder</strong>haff überschneidet sich ein marines System, das Brackwassermeer der Ostsee,<br />

mit einem limnischen System, dem <strong>Oder</strong>einzugsgebiet. Die Organismen des Haffs setzen sich<br />

demnach aus Ostseeformen und limnischen Einwanderern aus der <strong>Oder</strong> und anderen<br />

Süßwasserzuflüssen zusammen. Der niedrige Salzgehalt verschiebt das Spektrum auf die Seite<br />

der Süßwasserarten. Es können sich jedoch nur Arten dauerhaft etablieren, die die gesamte<br />

Spanne der Salinität von nahe 0 ‰ bis zu 6 ‰ tolerieren. Die große Schwankungsbreite führt<br />

dazu, dass das <strong>Oder</strong>haff als <strong>Küste</strong>ngewässer deutlich weniger Arten beherbergt als die<br />

angrenzende <strong>Oder</strong> (Rödiger 2004).<br />

Flora<br />

Hervorzuhebende Standorte sind die Flusstal- und Beckenmoore mit Pfeifengras und<br />

Kohldistelwiesen sowie besonderen Feuchtwiesenarten (Orchideen) und Trockenrasen,<br />

insbesondere auf Usedom (Feilbach 2004). Einen hohen Stellenwert haben auch die<br />

großflächigen Kieferforsten auf den Beckensanden und Binnendünen der Ueckermünder Heide,<br />

in denen wertvolle Heide- und Trockenrasenvegetation und in den Waldflächen kleinere<br />

Kesselmoore mit dem Rundblättrigen Sonnentau (Drosera rotundifolia), Wollgräsern<br />

(Eriophorum spec.) und Sumpf-Porst (Ledum palustre) zu finden sind (LAUN 1996a). Die<br />

typischen Salzwiesenarten, wie z.B. Salz-Binse (Juncus gerardii), Strand-Dreizack (Triglochin<br />

maritimum) und Strand-Wegerich (Plantago maritima) haben ebenfalls eine große Bedeutung.<br />

Weitere seltene Pflanzenarten sind Helm-Knabenkraut, Sumpf-Knabenkraut, Sibirische<br />

Glockenblume, Sumpf-Kreuzblümchen und Trollblume (Lokale Aktionsgruppe Leader+ 2002).<br />

Der Bestand an Phytoplankton ist aufgrund der hohen Nährstoffeinträge im <strong>Oder</strong>haff ziemlich<br />

hoch (220 mg/m³, Mutko et al. 1994). Die Frühjahrsblüte wird vorwiegend von Diatomeen<br />

bestimmt (Cyclotella sp., Diatoma elongatum und Fragillaria crotensis), während die zweite und<br />

größere Blüte im Spätsommer durch das Cyanobakterium Microcystis aeruginosa ausgemacht<br />

wird. Das Wachstum des Planktons ist sowohl durch Stickstoff als auch durch Phosphat limitiert.<br />

Die Primärproduktion liegt bei etwa 600 gC/m²h (Westphal und Lenk 1998).<br />

Fauna<br />

Das Gebiet des <strong>Oder</strong>ästuars hat eine große Bedeutung als Fortpflanzung- bzw. Brutgebiet,<br />

insbesondere für Wat- und <strong>Küste</strong>nvögel. Alpenstrandläufer (Calidris alpina) und<br />

Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) sind wichtige Brutvogelarten der Salzwiesen am<br />

Peenestrom. Schiffwracks und die Wälder Usedoms stellen wichtige Lebensräume für die<br />

Kormorankolonien dar. Auf den kleinen Inseln im südlichen Teil des Achterwassers sind die<br />

größten Vogelkolonien Mecklenburg-Vorpommerns zu finden (15.000 Lachmöwen (Larus


idibundus), Flussseeschwalben (Sterna hirundo) und verschiedenen Entenarten). Nordische<br />

Gänse, Enten, Schwäne und Kormorane nutzen Bereiche des <strong>Oder</strong>ästuars als Rastgebiete<br />

während des Vogelzuges im Frühjahr und Herbst. Neben den vorpommerschen Boddengewässern<br />

ist das <strong>Oder</strong>ästuar das bedeutendeste Überwinterungsgebiet für Wasservögel im gesamten<br />

Ostseeraum (Feilbach 2004).<br />

Darüber hinaus sind im <strong>Oder</strong>ästuar einmalig vorkommende Laufkäfer und Schmetterlinge, aber<br />

auch Fischotter (Lutra lutra), Biber (Castor fiber) und einige Fledermausarten hervorzuheben.<br />

Die im süßwasserbeeinflussten und eutrophen <strong>Oder</strong>haff lebenden benthischen Gemeinschaften<br />

werden bezüglich des Meiobenthos von Nematoden und Ostracoden dominiert, die Makrofauna<br />

wird von den nicht selektiven Detritusfressern Oligochaeten und Chironomiden dominiert. Die<br />

früher sehr großflächigen Gebiete der Muschel Dreissena polymorpha sind bis auf wenige und<br />

kleine Areale komplett aus dem Haff verschwunden. Über das Zooplankton ist bislang wenig<br />

bekannt.<br />

Hinsichtlich der Fischarten ist das Haff artenreich und vorwiegend leben hier Süß- und<br />

Brackwasserarten (Tabelle 8).<br />

Tabelle 8: Fischfauna im Stettiner Haff (<strong>Quelle</strong>: Wysokiński 1998)<br />

(Fische mit kursiven Namen kommen in größeren Populationen vor; Die anderen sind mit<br />

geringen Populationen im Ästuar vertreten bzw. sind nur einzeln gefangen worden. Weitere<br />

Arten werden in verschiedener Literatur genannt, sind aber nicht bestätigt.)<br />

Die wichtigsten Fische mit wirtschaftlichem Nutzen gehören der Gruppe der Brackwasserarten an<br />

und wandern vorwiegend aus der Pommerschen Bucht ein: Zander, Flussbarsch, Plötze, Schnäpel<br />

und Brassen.<br />

Die Pommersche Bucht ist aufgrund seines geringen Salzgehaltes sowohl wichtiger Lebensraum<br />

für Fische (Stint, Aland, Zährte, Quappe, Zander und Kaulbarsch) und andere angepasste<br />

Brackwasserarten als auch Laichgebiet z.B. für den Ostseeschnäpel. Gemeinsam mit dem<br />

Greifswalder Bodden ist sie wichtigstes Überwinterungsgebiet für Vogelarten im deutschen<br />

Ostseeraum. Vor allem für Seetaucher und Säger, Schwäne, Gänse, Schwimmenten, Kraniche


und Rallen haben die <strong>Küste</strong>ngewässer große Bedeutung (Umweltministerium Mecklenburg-<br />

Vorpommern 2003). Auch für Schweinswale stellt die Pommersche Bucht einen wichtigen<br />

Lebensraum dar. Sie kommen vor allem im östlichen Teil in hohen Dichten vor.<br />

2.2.7 Bevölkerung<br />

Die Bevölkerung im Gebiet des <strong>Oder</strong>ästuars ist mit etwa 840.000 Einwohnern (davon ca. 4<strong>14</strong>.000<br />

in Szczecin) eher dünn besiedelt. Im Jahr 2003 betrug die Bevölkerungsdichte im Kreis<br />

Ostvorpommern (1910 km², 106 Gemeinden) 59 Einwohner/km². Davon lebten knapp 25 % in<br />

Anklam und Wolgast und etwa 15 % in den <strong>Küste</strong>nstädten Usedoms (Zinnowitz, Ahlbeck,<br />

Karlshagen, Heringsdorf und Bansin). Im Kreis Uecker-Randow (1624 km², 58 Gemeinden)<br />

betrug die Bevölkerungsdichte im Jahr 2003 49 Einwohner/km². Damit liegen beide Kreise unter<br />

dem Landesdurchschnitt von 75 Einwohner/km² (SLMV 2004). Die Bevölkerungsdichte der<br />

Wojewodschaft Westpommern betrug im Jahr 2003 74,1 Einwohner/km².<br />

Tabelle 9: Bevölkerungsentwicklung (Die polnischen Verwaltungseinheiten existieren in dieser<br />

Größe seit 1999; SLMV 2004, CSO 2005)<br />

Zwischen Stadt und Land einerseits sowie zwischen den <strong>Küste</strong>nstreifen und dem Landesinneren<br />

andererseits herrscht bezüglich der Bevölkerung Ungleichgewicht. Ohne die städtischen Zentren<br />

der <strong>Küste</strong> (innere und äußere Haffküste) erreicht die Bevölkerungsdichte im deutschen Teil des<br />

<strong>Oder</strong>ästuars kaum 40 Einwohner/km². Viele Gemeinden verzeichnen einen<br />

Bevölkerungsrückgang, Seebäder und Städte etwa 24 %, während einige Dorfgemeinden<br />

Ostvorpommerns einen Zuwachs von 16 % erreichten (Feilbach 2004).<br />

Die Stadtbevölkerung in der Wojewodschaft Westpommern bildet einen Anteil von 69,4 %<br />

(landesweit 62 %), damit zählt es zu den drei am stärksten urbanisierten Wojewodschaften.<br />

Die Arbeitslosenquote beträgt im Untersuchungsraum etwa 27 % und liegt damit jeweils über<br />

dem nationalen Durchschnitt. Der Mangel an Arbeitsplätzen ist für die Abwanderung<br />

qualifizierter Arbeitskräfte verantwortlich. Neben der Abwanderung wird der Region eine<br />

anhaltende Vergreisung der Bevölkerung prognostiziert. Im Jahr 2020 sollen die über 60-Jährigen<br />

35 % im deutschen Teil der Region ausmachen, während im Jahr 2030 24 % der Personen im<br />

polnischen Teil im Rentenalter sein werden. Nur 18 % Jugendliche (bis 17 Jahre) stehen dem<br />

gegenüber (Grotz 2005).

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