1 Laudatio Karl-Buchrucker-Preis 11. März 2013 Elisabeth Mayer ...
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doppelten Makels lebte und nicht wusste, was schlimmer ist: seine Behinderung oder sein<br />
Migrationshintergrund, wie das heutzutage so schön politisch korrekt heißt.<br />
Der Film erzählt von dem ungeheuren Willen des jungen Mannes – immer nah an der<br />
Person, authentisch und unverstellt – und vermittelt so den tiefen Glauben Derkin<br />
Tokmaks, dass alles möglich ist: nämlich auch ohne Beine tanzen zu können. Und der Film<br />
tut dies auf eine ganz unmittelbare, überzeugende Weise.<br />
Gleichsam nebenbei, aber stets präsent stellt der Film die Frage: „Was heißt eigentlich<br />
behindert?“ Ist die Behinderung, sind die Grenzen nicht vielfach im Kopf? In dem der<br />
Betroffenen selbst – aber vor allem auch in den Köpfen der anderen?!<br />
Dergin Tokmak überschreitet Grenzen und mit jeder Grenzüberschreitung wächst sein<br />
Selbstvertrauen. <strong>Elisabeth</strong> <strong>Mayer</strong> gelingt es, alle diese Schritte wie in einem Puzzle zu<br />
dokumentieren, erstaunlicherweise genügen häufig kleine Szenen, Andeutungen, um einen<br />
ganzen Lebensabschnitt nachzuzeichnen.<br />
Höchst eindrucksvoll – auch optisch – der größte Schritt (oder vielleicht auch nur aus<br />
unserer Sicht) der größte Schritt von Dergin Tokmak, passiert dann, als er beim<br />
kanadischen Cirque du Soleil als Tänzer engagiert wird. Für die Rolle eines hinkenden<br />
Engels, der dem gefangenen und gefallenen Ikarus zeigt, dass man auch ohne Flügel<br />
glücklich sein kann. Diese aufsehenerregende Rolle gab dem Film von <strong>Elisabeth</strong> <strong>Mayer</strong><br />
auch den Titel. Gerade in diesen Szenen verschwinden auch die Grenzen tatsächlich: Man<br />
weiß nicht, ob es sich um die Choreographie für einen Krückentanz handelt oder ob der<br />
Tänzer tatsächlich auf Krücken angewiesen ist.<br />
Dieses Engagement hat Stix, dem Tanzkünstler auf Krücken, viel Ruhm gebracht; Erfolg<br />
im landläufigen Sinne, wohl nicht im Sinne seiner Lebensziele. Denn er verweilt nicht<br />
dabei - und auch hier folgt ihm die Dokumentation in aufrichtiger Weise. Dergin Tokmak<br />
verlässt 2011 den Cirque du Soleil, macht sich selbstständig und erarbeitet seither eigene<br />
Tanzprogramme. Und es ist überaus glaubhaft, wenn er sagt: „Ich habe keine Angst, neue<br />
Wege zu gehen, das genau ist mein Charakter“. Und schließlich den für ihn wichtigsten<br />
Satz: „Heute bin ich ich selber.“<br />
Eine berührende und zugleich vor Lebensfreude sprühende Sequenz des Films zeigt das<br />
Zusammentreffen Dergins mit seinem großen Vorbild in New York, dem Handyman, der<br />
mit wirklichem Namen Eddy Fernandez heißt und dem er einen Rollstuhl aus Deutschland<br />
mitbringt. Und hier erweist sich, dass es natürlich schon auch eine besondere Qualität für<br />
einen Film bringt, wenn solche „Exkursionen“ möglich sind. Denn es ist auch eine Freude<br />
für die Augen, die beiden gemeinsam auf ihren Rollstühlen durch New York flitzen zu<br />
sehen. Ein Sinnbild für die immer wieder angesprochenen Träume und Möglichkeiten, die<br />
jeder Mensch hat und haben sollte.<br />
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