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Stimmleistungsparameter bei Kindern und Jugendlichen Einfluss ...

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Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

HNO 2006 · 54:971–980<br />

DOI 10.1007/s00106-005-1307-1<br />

Online publiziert: 10. August 2005<br />

© Springer Medizin Verlag 2005<br />

Redaktion<br />

M. Ptok, Hannover<br />

M. Fuchs 1 · S. Heide 1 · B. Hentschel 2 · G. Gelbrich 3 · A. Makuch 4 · S. Thiel 1 ·<br />

R. Täschner 1 · A. Dietz 1<br />

1<br />

Abteilung für Stimm-, Sprach- <strong>und</strong> Hörstörungen (Phoniatrie <strong>und</strong> Audiologie) –<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilk<strong>und</strong>e/Plastische Operationen,<br />

Universitätsklinikum Leipzig AöR<br />

2<br />

Institut für Medizinische Informatik, Statistik <strong>und</strong> Epidemiologie<br />

3<br />

Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Universität Leipzig<br />

4<br />

Zentrum für Zahn-, M<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Kieferheilk<strong>und</strong>e, Poliklinik für<br />

Kinderzahnheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kieferorthopädie der Universität Leipzig<br />

<strong>Stimmleistungsparameter</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

<strong>Einfluss</strong> der körperlichen Entwicklung<br />

<strong>und</strong> der sängerischen Aktivität<br />

Bei der phoniatrischen Betreuung der<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendstimme ist eine alters-<br />

<strong>und</strong> geschlechtsspezifische Entwicklung<br />

bis zum Erreichen des Erwachsenenalters<br />

zu berücksichtigen, d. h. alle Parameter<br />

der Stimmleistung <strong>und</strong> -qualität<br />

unterliegen einer physiologischen Dynamik.<br />

Die klinische Erfahrung <strong>und</strong> die Erkenntnisse<br />

aus der Literatur [4, 9, 13, 15,<br />

19] zeigen, dass ein Training der Sing- <strong>und</strong><br />

Sprechstimme Stimmleistungs- <strong>und</strong> -qualitätsparameter<br />

positiv beeinflussen kann.<br />

Insofern stellt sich <strong>bei</strong> der Bewertung der<br />

funktionsdiagnostischen Ergebnisse häufig<br />

die Frage nach alters- <strong>und</strong> geschlechtsspezifischen<br />

Normwerten der Kinder<strong>und</strong><br />

Jugendstimme <strong>und</strong> inwieweit eine<br />

Erweiterung dieser Normwerte durch ein<br />

stimmliches Training möglich ist.<br />

In diesen Altersgruppen wird insbesondere<br />

die Singstimme typischerweise<br />

individuell oder gemeinschaftlich im<br />

Gesangsunterricht an Musikschulen <strong>und</strong><br />

in Kinder- <strong>und</strong> Jugendchören trainiert.<br />

Demgegenüber spielt die Ausbildung der<br />

Sprechstimme unter künstlerischen Aspekten<br />

vor dem Erwachsenenalter kaum<br />

eine Rolle. Es ist zu vermuten, dass die<br />

sängerische Aktivität <strong>und</strong> damit der postulierte<br />

<strong>Einfluss</strong> auf die Stimmleistungs<strong>und</strong><br />

-qualitätsparameter sowohl vom<br />

Ausmaß der stimmlichen Belastung als<br />

auch von der Quantität <strong>und</strong> Qualität der<br />

gesangspädagogischen Betreuung beeinflusst<br />

werden.<br />

Um die gesamte stimmliche Leistung<br />

differenzierter zu beschreiben, ist die<br />

Untersuchung einerseits von Leistungsparametern<br />

<strong>und</strong> andererseits von Klangstrukturen<br />

<strong>und</strong> – soweit <strong>bei</strong> der Kinderstimme<br />

schon möglich – Qualitätsmerkmalen<br />

sinnvoll. Bezüglich der <strong>Stimmleistungsparameter</strong><br />

scheint die Entwicklung<br />

<strong>bei</strong> Knaben- <strong>und</strong> Mädchenstimmen vor<br />

dem Stimmwechsel sehr ähnlich zu verlaufen,<br />

während sie nach der Mutation, in<br />

der der Larynx seine dritte Funktion als<br />

sek<strong>und</strong>äres Geschlechtsmerkmal erhält,<br />

deutliche Unterschiede aufweist.<br />

Hinsichtlich der Klangstrukturen wurden<br />

in der Literatur <strong>bei</strong> der Sprechstimme<br />

des Kindes Geschlechtsunterschiede <strong>bei</strong>spielsweise<br />

<strong>bei</strong> der Gr<strong>und</strong>frequenz <strong>und</strong><br />

den Vokalformantfrequenzen schon ab<br />

etwa dem 4. Lebensjahr beschrieben [22],<br />

die auf unterschiedliche Dimensionen des<br />

Vokaltraktes zurückgeführt werden [27].<br />

Andererseits gelang es in großen Hörversuchen<br />

nicht, die Singstimmen von Knaben<br />

<strong>und</strong> Mädchen zu differenzieren [14].<br />

Ein Training der Singstimme wirkt sich<br />

schon <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> positiv auf die Periodizität<br />

der Stimmlippenschwingung im<br />

Sinne einer spezifischen <strong>und</strong> besseren biomechanischen<br />

Abstimmung im Stimmapparat<br />

aus [6].<br />

Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t widmet sich<br />

der Untersuchung mehrerer <strong>Stimmleistungsparameter</strong>,<br />

da diese in der klinischen<br />

(<strong>und</strong> gesangspädagogischen) Praxis mit<br />

einfacheren Methoden zu ermitteln sind<br />

als akustische Parameter <strong>und</strong> damit für eine<br />

umfassende Einschätzung der Stimmproduktion<br />

im Zusammenhang mit dem<br />

laryngostroboskopischen Bef<strong>und</strong> schnell<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Mehrere Studien haben über das gesamte<br />

vergangene Jahrh<strong>und</strong>ert verschiedene<br />

<strong>Stimmleistungsparameter</strong> <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> beschrieben, wo<strong>bei</strong><br />

in nahezu allen Veröffentlichungen<br />

aber jeweils nur entweder Probanden mit<br />

erhöhter oder ohne erhöhte stimmliche<br />

Aktivität untersucht wurden. Außerdem<br />

HNO 12 · 2006 |<br />

971


Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

Tab. 1<br />

Tonhöhenumfänge <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> (Vergleich der Ergebnisse aus der Literatur)<br />

Ungeschulte Stimmen<br />

Tonhöhenumfang<br />

in Halbtönen<br />

8 (7-Jährige)<br />

20 (14-Jährige)<br />

16 (7-Jährige)<br />

26 (14-Jährige)<br />

Geschulte Stimmen<br />

Literaturquelle Tonhöhenumfang in Halbtönen Literaturquelle<br />

Paulsen 1900 [20] Knabenstimmen 31/32 (1./2. Sopran)<br />

26/29 (1./2. Alt)<br />

Brunner, Frank 1978 [4]<br />

(Wiener Sängerknaben)<br />

Fröschels 1920 [8] 29 (9- bis 13-Jährige) Holtmann 1986 [13]<br />

(Tölzer Knabenchor)<br />

21 (Knabenstimmen) Naidr, Zboril, Sevcik 1965 [18] 31/31 (1./2. Sopran)<br />

27/31 (1./2. Alt)<br />

20–23 (7- bis 14-Jährige) Frank, Sparber 1970 [7] Mädchenstimmen 27,5–29 (10- bis 11-Jährige)<br />

26 (Ø) Hacki, Heitmüller 1999 [11]<br />

31–33 (12- bis 13-Jährige)<br />

32–32 (14- bis 15-Jährige)<br />

29 Böhme, Stuchlik 1995 [3]<br />

30–30 (16- bis 18-Jährige)<br />

vor/nach Probe<br />

Vergleich ungeschulte – geschulte Stimmen: 24 Halbtöne (Ø) – Berger/Walde 2002 [2]<br />

Fuchs 1997 [9]<br />

(Thomanerchor Leipzig)<br />

Narewski 1999 [19]<br />

(MDR-Kinderchor Leipzig)<br />

sind die erhobenen Daten aufgr<strong>und</strong> methodischer<br />

Unterschiede nur teilweise<br />

vergleichbar. Dennoch ermöglichen die<br />

erhobenen Bef<strong>und</strong>e, Normwertbereiche<br />

für den Tonhöhenumfang <strong>und</strong> die mittlere<br />

ungespannte Sprechstimmlage <strong>bei</strong> den<br />

jeweils definierten Untersuchungsgruppen<br />

<strong>und</strong> deren altersabhängige Entwicklung<br />

zu beschreiben. Im Folgenden soll<br />

auf die bisherigen Erkenntnisse bezüglich<br />

der einzelnen <strong>Stimmleistungsparameter</strong><br />

eingegangen werden:<br />

Tonhöhenumfänge<br />

Eine Zusammenstellung repräsentativer<br />

Daten <strong>bei</strong> singenden <strong>und</strong> nicht singenden<br />

<strong>Kindern</strong> findet sich in . Tab. 1. In einigen<br />

weiteren Publikationen werden Tonhöhenumfänge<br />

<strong>bei</strong> physiologischen <strong>und</strong><br />

pathologischen (z. B. Stimmlippenknötchen)<br />

Kehlkopfbef<strong>und</strong>en verglichen [5,<br />

29]. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Methodik<br />

zur Bestimmung des Tonhöhenumfangs<br />

(gebrochene Dur-Akkorde oder<br />

aufwärts <strong>und</strong> abwärts gesungene Tonleitern<br />

[1, 7, 9, 11, 19], Daten aus dem Singstimmprofil<br />

[3, 11, 28] sowie aus dem Elektroglottogramm<br />

[16, 21], Mittelwertbestimmungen<br />

aus Wiederholungen, Motivation<br />

der Probanden, Beurteilung des<br />

physiologischen oder musikalischen Stimmumfangs)<br />

besteht nur eine sehr eingeschränkte<br />

Vergleichbarkeit.<br />

Berger u. Walde [2] konnten nachweisen,<br />

dass der Einsatz unterschiedlicher<br />

Methoden, z. B. Tonvorgabe durch<br />

ein Instrument oder Gebrauch der eigenen<br />

Stimme, auch zu unterschiedlichen<br />

972 | HNO 12 · 2006<br />

Ergebnissen <strong>bei</strong> der Ermittlung des Tonhöhenumfangs<br />

führten. Trotz dieser Einschränkungen<br />

lassen sich größere Stimmumfänge<br />

<strong>bei</strong> singenden im Vergleich zu<br />

gleichaltrigen nicht singenden <strong>Kindern</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> nachweisen, die sich<br />

in der Gruppe der Chorsänger nach einer<br />

stimmlichen Belastung (z. B. Probe) noch<br />

um einige Halbtöne ausweiten. Berger et<br />

al. untersuchten 110 Kinder im Alter zwischen<br />

7 <strong>und</strong> 9 Jahren <strong>und</strong> konnten einen<br />

positiven <strong>Einfluss</strong> der eigenen stimmlichen<br />

<strong>und</strong> musikalischen Aktivität sowie<br />

der musikalischen Ausbildung <strong>und</strong> Aktivität<br />

der Eltern auf die Stimmumfänge der<br />

Kinder nachweisen [2].<br />

Eine statistisch signifikante Veränderung<br />

der Tonhöhenumfänge in den <strong>bei</strong>den<br />

Gruppen (ungeschulte <strong>und</strong> geschulte<br />

Stimmen) innerhalb eines Zeitraums von<br />

über 100 Jahren (Publikationen zwischen<br />

1900 <strong>und</strong> 2002) lässt sich – auch unter<br />

Berücksichtigung der erwähnten methodischen<br />

Unterschiede – nicht feststellen.<br />

Dynamikumfänge<br />

Zur Beschreibung der Intensitätsdynamik<br />

einer kindlichen Stimme eignen sich<br />

insbesondere die minimale <strong>und</strong> maximale<br />

Intensität im Singstimmprofil sowie die<br />

Form der Verlaufskurve der maximalen<br />

Intensitäten in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />

Frequenz („Forte-Kurve“; [12]).<br />

Damit gelingt es, zwischen <strong>Kindern</strong> mit<br />

<strong>und</strong> ohne Stimmstörung zu differenzieren<br />

<strong>und</strong> die Registergrenze zwischen Modal<strong>und</strong><br />

Falsettregister zu identifizieren [28,<br />

29]. Nach unserem Wissen existieren keine<br />

Vergleiche zwischen <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

mit <strong>und</strong> ohne Ausbildung der<br />

Singstimme, wo<strong>bei</strong> zu erwarten ist, dass<br />

sich ein Training auch auf eine Erweiterung<br />

des Dynamikumfangs auswirkt.<br />

Mittlere ungespannte<br />

Sprechstimmlage<br />

Die Entwicklung der mittleren ungespannten<br />

Sprechstimmlage vollzieht sich<br />

vor der Mutation <strong>bei</strong> Knaben <strong>und</strong> Mädchen<br />

gleich. Als durchschnittliche Werte<br />

werden Frequenzen zwischen 220 <strong>und</strong><br />

262 Hz für Knaben <strong>und</strong> zwischen 211<br />

<strong>und</strong> 281 Hz für Mädchen angegeben, wo<strong>bei</strong><br />

keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />

zwischen <strong>bei</strong>den Geschlechtern<br />

bestehen [16, 24, 26]. Ebenso ließen sich<br />

keine Unterschiede zwischen gleichaltrigen<br />

<strong>Kindern</strong> unterschiedlicher Rassen<br />

nachweisen [17].<br />

Longitudinale Untersuchungen <strong>bei</strong><br />

Chorknaben zeigten, dass die Einzelwerte<br />

bis zu 12 Monaten vor Beginn der Mutation<br />

in einem konstanten Bereich zwischen<br />

220 <strong>und</strong> 260 Hz lagen. In der Prämutationsphase<br />

bündeln sich die Einzelwerte<br />

<strong>und</strong> fallen nahezu linear im Mittel<br />

um 5 Hz/Monat (p


Zusammenfassung · Abstract<br />

Da die mittlere ungespannte Sprechstimmlage<br />

an genetisch determinierte<br />

laryngeale Voraussetzungen geknüpft ist,<br />

sind im Vergleich zwischen sängerisch<br />

aktiven <strong>und</strong> nicht aktiven <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong> keine Unterschiede zu erwarten.<br />

Bei der Prüfung der gespannten<br />

Sprechstimmlage könnte sich aber ein<br />

Training der Sing- <strong>und</strong> Sprechstimme widerspiegeln.<br />

Stimmstärke <strong>und</strong> Tonhaltedauer<br />

Nach unserem Wissen existieren in der<br />

Literatur keine vergleichenden Angaben<br />

über die Stimmstärke (unter Verwendung<br />

der Kommandostimme) <strong>und</strong> der Tonhaltedauer<br />

<strong>bei</strong> singenden <strong>und</strong> nicht singenden<br />

<strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong>. Es ist<br />

jedoch zu erwarten, dass – wie auch <strong>bei</strong><br />

den Erwachsenen – ein Kind oder Jugendlicher<br />

mit einer gut trainierten Atemfunktion<br />

<strong>und</strong> besseren Abstimmung der<br />

Anteile des Stimmapparates (insbesondere<br />

Nutzung der Resonanz) bessere Werte<br />

<strong>bei</strong> der Messung <strong>bei</strong>der Parameter erbringt<br />

als seine stimmlich nicht ausgebildeten<br />

Altersgenossen.<br />

Es fehlt daher an vergleichenden Untersuchungen<br />

über die Beeinflussung von<br />

<strong>Stimmleistungsparameter</strong>n durch die sängerische<br />

Aktivität unter Berücksichtigung<br />

der alters- <strong>und</strong> geschlechtsspezifischen<br />

Entwicklung. Eine vollständige Untersuchung<br />

aller genannten <strong>Stimmleistungsparameter</strong><br />

<strong>bei</strong> jeweils gleichaltrigen singenden<br />

<strong>und</strong> nicht singenden <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong> erscheint uns für einen umfassenden<br />

Vergleich der <strong>bei</strong>den Gruppen<br />

unerlässlich.<br />

Von der Kenntnis des <strong>Einfluss</strong>es von<br />

Alter, Geschlecht <strong>und</strong> sängerischer Aktivität<br />

wäre einerseits die Beschreibung<br />

von Normwertbereichen möglich, die in<br />

der klinischen <strong>und</strong> gesangspädagogischen<br />

Praxis helfen können, die stimmliche Leistung<br />

eines Kindes oder <strong>Jugendlichen</strong> umfassend<br />

einzuschätzen. Andererseits ließen<br />

sich insbesondere für Sänger in Kinder-<br />

<strong>und</strong> Jugendchören, aber auch für<br />

„Problemfälle“ im Einzel-Gesangsunterricht<br />

wertvolle Informationen für eine<br />

optimale phoniatrische Betreuung in Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

mit dem Gesangspädagogen<br />

ableiten. So könnten <strong>bei</strong>spielsweise<br />

Hinweise für die stimmliche Eignung in<br />

HNO 2006 · 54:971–980 DOI 10.1007/s00106-005-1307-1<br />

© Springer Medizin Verlag 2005<br />

M. Fuchs · S. Heide · B. Hentschel · G. Gelbrich · A. Makuch · S. Thiel · R. Täschner · A. Dietz<br />

<strong>Stimmleistungsparameter</strong> <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong>. <strong>Einfluss</strong><br />

der körperlichen Entwicklung <strong>und</strong> der sängerischen Aktivität<br />

Zusammenfassung<br />

Der <strong>Einfluss</strong> von Singen <strong>und</strong> Stimmtraining<br />

auf die Stimmleistung <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> ist bekannt.<br />

Es fehlt bisher an einer vergleichenden<br />

Studie zwischen sängerisch aktiven <strong>und</strong> nicht<br />

aktiven <strong>Kindern</strong>, die den <strong>Einfluss</strong> von Alter<br />

<strong>und</strong> Geschlecht berücksichtigt. Daher existieren<br />

auch noch keine Normwertbereiche für<br />

die Beurteilung in der klinischen Praxis.<br />

Folgende Parameter wurden <strong>bei</strong> 164 ges<strong>und</strong>en<br />

<strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> (90 Knaben,<br />

74 Mädchen, 11–16 Jahre), von denen<br />

78 in Kinder- <strong>und</strong> Jugendchören waren <strong>und</strong><br />

86 keine regelmäßige sängerische Aktivität<br />

aufwiesen, untersucht: Tonhöhen- <strong>und</strong> Dynamikumfang,<br />

jeweils mit ihren Grenzen, mittlere<br />

gespannte <strong>und</strong> ungespannte Sprechstimmlage,<br />

Stimmstärke (Kommandostimme)<br />

<strong>und</strong> Tonhaltedauer. Die statistische Analyse<br />

erfolgte mit einer dreifaktoriellen Varianzanalyse.<br />

Sängerisch aktive Kinder weisen signifikant<br />

größere Tonhöhen- <strong>und</strong> Dynamikumfänge<br />

auf (p


Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

Tab. 2 Ergebnisse der einzelnen Parameter (arithmetisches Mittel (95%-KI), <strong>bei</strong> den Frequenzen wurden zur Orientierung die psycho akustischen Notationen angegeben)<br />

Parameter Sänger Nichtsänger<br />

Knaben Mädchen Knaben Mädchen<br />

Physiologischer Tonhöhenumfang<br />

[Halbtöne]<br />

Obere Tonhöhenumfangsgrenze<br />

[Hz]<br />


Tab. 3<br />

Parameter<br />

<strong>Einfluss</strong> von Geschlecht, Alter <strong>und</strong> sängerischer Aktivität – Ergebnisse der Varianzanalysen (p-Werte)<br />

Signifikanz des <strong>Einfluss</strong>es auf die einzelnen Parameter<br />

Geschlecht Alter Sängerische<br />

Aktivität<br />

Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung von<br />

Geschlecht <strong>und</strong><br />

Alter<br />

Geschlecht <strong>und</strong><br />

sängerischer<br />

Aktivität<br />

Alter <strong>und</strong> sängerischer<br />

Aktivität<br />

Physiologischer Tonhöhenumfang<br />

0,022 0,436


Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

Physiologischer Tonhöhenumfang,<br />

obere <strong>und</strong> untere<br />

Tonhöhenumfangsgrenze<br />

Abb. 1 8 <strong>Einfluss</strong> von Alter, Geschlecht <strong>und</strong> sängerischer Aktivität auf den physiologischen Tonhöhenumfang<br />

(95%-Konfidenzintervall)<br />

Die Sänger weisen in <strong>bei</strong>den Geschlechtern<br />

größere Tonhöhenumfänge auf als<br />

die Nichtsänger (p


Mittlere ungespannte <strong>und</strong><br />

gespannte Sprechstimmlage<br />

Die mittleren ungespannten <strong>und</strong> gespannten<br />

Sprechstimmlagen wiesen zwischen<br />

den <strong>bei</strong>den Gruppen keine signifikanten<br />

Unterschiede auf. Erwartungsgemäß<br />

spiegelte sich das <strong>bei</strong> Knaben stärker<br />

ausgeprägte Kehlkopfwachstum während<br />

der Mutation in signifikanten Einflüssen<br />

des Alters <strong>und</strong> des Geschlechts bzw. der<br />

Wechselwirkung zwischen <strong>bei</strong>den Variablen<br />

wider.<br />

Die Differenz oder das Intervall der<br />

psychoakustischen Notation zwischen ungespannter<br />

<strong>und</strong> gespannter Sprechstimmlage<br />

zeigt eine Signifikanz der Wechselwirkung<br />

zwischen Geschlecht <strong>und</strong> sängerischer<br />

Aktivität, d. h., sängerisch aktive<br />

Knaben verwenden eine höhere mittlere<br />

gespannte Sprechstimmlage als die nicht<br />

singenden Jungen (. Abb. 3).<br />

Stimmstärke<br />

Die Stimmstärken zeigten <strong>bei</strong> der Prüfung<br />

der Kommandostimme keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen <strong>bei</strong>den<br />

Gruppen (p=0,051). Es fielen aber als<br />

Tendenz größere Stimmstärken <strong>bei</strong> den<br />

singenden im Vergleich zu den nicht singenden<br />

Knaben in <strong>bei</strong>den Altersgruppen<br />

<strong>und</strong> <strong>bei</strong> den älteren singenden Mädchen<br />

auf.<br />

Tonhaltedauer<br />

Die Tonhaltedauer war <strong>bei</strong> den Nichtsängern<br />

<strong>bei</strong>der Geschlechter signifikant größer<br />

als <strong>bei</strong> den Sängern (p=0,001), was<br />

insbesondere <strong>bei</strong> den jüngeren Knaben<br />

<strong>und</strong> <strong>bei</strong> den Mädchen in <strong>bei</strong>den Altersgruppen<br />

auffiel.<br />

Diskussion<br />

Die sängerische Aktivität hat <strong>bei</strong> Knaben<br />

<strong>und</strong> Mädchen in allen untersuchten<br />

Altersgruppen, also auch während des<br />

Stimmwechsels, einen signifikant positiven<br />

<strong>Einfluss</strong> auf den Umfang der Stimme<br />

hinsichtlich der Tonhöhe <strong>und</strong> der Intensität.<br />

Sängerisch aktive Knaben benutzen<br />

eine höhere mittlere gespannte<br />

Sprechstimmlage. Bei der Prüfung der<br />

Stimmstärke mit der Kommandostimme<br />

Abb. 3 8 <strong>Einfluss</strong> von Alter, Geschlecht <strong>und</strong> sängerischer Aktivität auf das Intervall (Differenz)<br />

zwischen mittlerer gespannter <strong>und</strong> ungespannter Sprechstimmlage (95%-Konfidenzintervall)<br />

war kein signifikanter <strong>Einfluss</strong> der sängerischen<br />

Aktivität nachweisbar, es bestanden<br />

jedoch tendenziell größere Stimmstärken<br />

<strong>bei</strong> den singenden Probanden.<br />

Schließlich traten als unerwartetes Ergebnis<br />

in <strong>bei</strong>den Geschlechtern signifikant<br />

längere Tonhaltedauern <strong>bei</strong> den nicht singenden<br />

Probanden auf.<br />

Tonhöhenumfang<br />

Die Erweiterung des Tonhöhenumfangs<br />

durch die höhere obere Grenze lässt sich<br />

mit der Trainierbarkeit der laryngealen<br />

Muskulatur erklären, während die untere<br />

Tonhöhenumfangsgrenze mehr durch andere<br />

anatomische Strukturen des Stimmapparates<br />

bedingt <strong>und</strong> mit einem Training<br />

weniger beeinflussbar ist. Die diesbezüglichen<br />

Erfahrungen von der Erwachsenenstimme<br />

lassen sich somit auch auf die<br />

Kinderstimme übertragen, wo<strong>bei</strong> sich <strong>bei</strong><br />

Letzterer zwei gegenläufige Entwicklungsprozesse<br />

zeigen, die einer gesangspädagogischen<br />

Balance bedürfen: Insbesondere<br />

<strong>bei</strong> den Knaben wird die sängerische<br />

Ausbildung zwar zu einer Erweiterung<br />

der oberen Stimmumfangsgrenze führen.<br />

Diese wird jedoch durch das Kehlkopfwachstum<br />

mit dem gesamten Stimmumfang<br />

immer weiter nach unten verlagert.<br />

Während der Mutation kommt es zum raschen<br />

Wachstum des Larynx unter endokrinologischer<br />

Steuerung des Testosteron,<br />

was in der Regel mit einer Verringerung<br />

des Stimmumfangs <strong>und</strong> Einschränkung<br />

der Stimmleistungs- <strong>und</strong> -qualitätsparameter<br />

verb<strong>und</strong>en ist, die insbesondere <strong>bei</strong><br />

Knaben zu einer verminderten Belastbarkeit<br />

für die sängerische Aktivität führt.<br />

In den vorliegenden Ergebnissen hat<br />

das Alter keinen signifikanten <strong>Einfluss</strong> auf<br />

den Stimmumfang, d. h. die mutationelle<br />

Einengung des Stimmumfangs spiegelt<br />

sich nicht wider. Die Erklärung liegt in<br />

der Tatsache begründet, dass in die dreifaktorielle<br />

Analyse Probanden im Alter<br />

zwischen 10 <strong>und</strong> 17 Jahren einflossen <strong>und</strong><br />

der Zeitpunkt der Mutation interindividuellen<br />

Schwankungen unterliegt. So waren<br />

z. B. sowohl bereits 11-jährige Knaben<br />

<strong>und</strong> 10-jährige Mädchen als auch noch<br />

14- <strong>und</strong> 15-jährige Probanden/Probandinnen<br />

in der Mutation vertreten.<br />

Unsere Ergebnisse korrelieren besser<br />

mit den aktuelleren Angaben in der Literatur<br />

[2, 5] als mit den Ergebnissen zu Beginn<br />

des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts [8, 20],<br />

was auf eine allgemeine Entwicklungstendenz<br />

zu einer Erweiterung <strong>und</strong> Verschiebung<br />

der Stimmumfänge <strong>und</strong> der Sprechstimmlagen<br />

um z. T. 2–3 Halbtöne nach<br />

unten hinweist. Demgegenüber zeigte<br />

sich, dass Alter <strong>und</strong> Geschlecht einen signifikanten<br />

<strong>Einfluss</strong> auf die Stimmumfangsgrenzen<br />

<strong>und</strong> die mittleren Sprechstimmlagen<br />

haben, also auf Größen, die<br />

das Wachstum <strong>und</strong> die geschlechtsspezifische<br />

Entwicklung des Stimmapparates<br />

repräsentieren.<br />

HNO 12 · 2006 |<br />

977


Dynamikumfang<br />

Die Dynamikbreite ist <strong>bei</strong> singenden <strong>Kindern</strong><br />

unabhängig vom Alter <strong>und</strong> vom<br />

Geschlecht größer als <strong>bei</strong> den nicht singenden<br />

Probanden, wo<strong>bei</strong> sich <strong>bei</strong>de<br />

Grenzen erweitern. Stimmlich trainierte<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sind also in der<br />

Lage, deutlich lauter bzw. leiser zu singen,<br />

was für ein besseres Steuerungsvermögen<br />

der Stimmproduktion <strong>und</strong> insbesondere<br />

des Zusammenspiels zwischen subglottischem<br />

Druck <strong>und</strong> Stimmlippenspannung<br />

spricht. Inwieweit <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> auch<br />

dynamische Effekte durch die Nutzung<br />

von Resonanzstrategien möglich sind, ist<br />

noch nicht abschließend untersucht.<br />

Eigene Analysen lassen vermuten,<br />

dass nicht – wie im Erwachsenenalter –<br />

der Sängerformant eine ausschlaggebende<br />

Rolle spielt, sondern das Formanttuning<br />

wie <strong>bei</strong> der Frauenstimme für eine größere<br />

stimmliche Effizienz sorgt [10]. Obgleich<br />

in der Literatur nach unserem Wissen<br />

keine vergleichbaren Untersuchungen<br />

über die Dynamikbreite <strong>bei</strong> <strong>Kindern</strong> veröffentlicht<br />

wurden, eignen sich die Daten<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für eine erste Definition<br />

von Normwerten der sängerisch aktiven<br />

<strong>und</strong> nicht aktiven jungen Stimme.<br />

Frequenz der Stimmlagen<br />

Die Ergebnisse der Frequenzlagen der<br />

mittleren ungespannten Sprechstimmlagen<br />

sind gut mit den Angaben mit der<br />

Literatur vergleichbar. Eine Beeinflussung<br />

der <strong>bei</strong>den Sprechstimmlagen durch<br />

die sängerische Aktivität war nicht erwartet<br />

worden. Es zeigte sich jedoch eine<br />

tendenzielle Abweichung von dieser<br />

Annahme <strong>bei</strong> den Chorknaben, die höhere<br />

gespannte Sprechstimmlagen benutzen<br />

als in der nicht singenden Vergleichsgruppe.<br />

Diese Tendenz wird signifikant,<br />

wenn man das Intervall (Differenz)<br />

zwischen <strong>bei</strong>den Sprechstimmlagen vergleicht:<br />

während dieses Intervall in der<br />

Gruppe der Nichtsänger zwischen einem<br />

Ganzton <strong>und</strong> einer kleinen Terz liegt, findet<br />

sich der Mittelwert <strong>bei</strong> den jüngeren<br />

Chorknaben zwischen kleiner <strong>und</strong> großer<br />

Terz, <strong>bei</strong> den älteren Chorknaben <strong>bei</strong><br />

einer reinen Quarte.<br />

Aus der klinischen Erfahrung ist bekannt,<br />

dass <strong>bei</strong> Werten dieses Intervalls,<br />

978 | HNO 12 · 2006<br />

Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

die größer als eine Terz sind, die Gefahr<br />

einer dauerhaften Stimmüberhöhung im<br />

gespannten Sprechen <strong>und</strong> dadurch einer<br />

Stimmstörung resultieren kann, insbesondere<br />

da der Larynx während seines mutationellen<br />

Wachstums durch eine erhöhte<br />

Vulnerabilität gekennzeichnet ist. Daraus<br />

kann der Hinweis an die Gesangspädagogen<br />

in Knabenchören abgeleitet werden,<br />

in besonderem Maße auf den Umgang<br />

mit der Sprechstimme <strong>und</strong> die gespannte<br />

Sprechstimmlage zu achten <strong>und</strong><br />

ggf. einzuwirken.<br />

Die höheren Standardabweichungen<br />

der Mittelwerte <strong>bei</strong> den gemessenen Frequenzen<br />

(Tonhöhenumfangsgrenzen <strong>und</strong><br />

Sprechstimmlagen) ergeben sich aus dem<br />

physiologischen Absinken der Frequenzen<br />

über die gemessene Altersspanne.<br />

Abweichungen vom Erwarteten<br />

Von der Erwartung abweichende Ergebnisse<br />

fanden sich <strong>bei</strong> den Parametern<br />

Stimmstärke <strong>und</strong> Tonhaltedauer: Die<br />

Stimmstärke zeigte keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen den Gruppen, <strong>bei</strong><br />

der Tonhaltedauer fanden sich signifikant<br />

größere Werte <strong>bei</strong> den sängerisch nicht<br />

aktiven Probanden. Eine Ursache für diese<br />

unerwarteten Resultate könnten einerseits<br />

methodische Gründe sein. Die Überprüfung<br />

der Kommandostimme scheint<br />

nicht die geeignete Untersuchungsmethode<br />

für die Kinder- <strong>und</strong> Jugendstimme<br />

zu sein, da diese spezielle Stimmleistung<br />

in der alltäglichen Situation nicht trainiert<br />

<strong>und</strong> auch nicht häufig gebraucht wird.<br />

Zudem weisen Wendler et al. darauf<br />

hin, dass der Messung der Tonhaltedauer<br />

oft eine zu große Aussagekraft zugemessen<br />

wird [25]. Andererseits könnte eine<br />

weitere Ursache im unterschiedlichen<br />

Qualitätsanspruch der Probanden <strong>bei</strong> der<br />

Phonation des ausgehaltenen Vokals liegen.<br />

Überspitzt gesagt, gewannen wir <strong>bei</strong><br />

der Durchführung der Untersuchungen<br />

den Eindruck, dass wir <strong>bei</strong> den sängerisch<br />

nicht aktiven Probanden trotz mehrfacher<br />

Wiederholung <strong>und</strong> Anleitung nicht selten<br />

die Geräuschhaltedauer statt der Tonhaltedauer<br />

registrierten. Das Bestreben der<br />

Chorsängerinnen <strong>und</strong> -sänger, <strong>bei</strong> dieser<br />

Untersuchung einen qualitativ hochwertig<br />

gesungenen Ton zu produzieren, könnte<br />

zu einer geringeren Dauer geführt haben<br />

<strong>und</strong> bleibt daher aus methodischer Sicht<br />

als kritischer Punkt anzumerken.<br />

Eine weitere Problematik besteht in<br />

der Klarheit der Trennung der Gruppen<br />

der Sänger <strong>und</strong> Nichtsänger durch das<br />

Kriterium der regelmäßigen kontrollierten<br />

sängerischen Aktivität über mehr als<br />

3 Monate. Bereits in der Konzeption der<br />

Studie wurden verschiedene methodische<br />

Modelle diskutiert, um den Effekt der sängerischen<br />

Aktivität herauszuar<strong>bei</strong>ten. Da<strong>bei</strong><br />

war es eine wichtige Zielstellung aufzuspüren,<br />

wann <strong>und</strong> in welcher Intensität<br />

wesentliche Veränderungen der <strong>Stimmleistungsparameter</strong><br />

auftreten. Dies erfordert<br />

allerdings deutlich größere Fallzahlen,<br />

die alle Zeitabschnitte abdecken.<br />

Sinnvoller wären zur Erforschung des<br />

zeitlichen Verhaltens Untersuchungen im<br />

longitudinalen Verlauf.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der auftretenden Inhomogenitäten<br />

war es daher nicht sinnvoll, Korrelationen<br />

für die gesamte Studienpopulation<br />

zu berechnen. Bei der Berechnung<br />

der Innergruppenkorrelationen könnte<br />

das Problem zu geringer Power auftreten.<br />

Für die Fragestellung nach dem Zeitpunkt<br />

<strong>und</strong> der Intensität der Veränderungen der<br />

<strong>Stimmleistungsparameter</strong> wäre zudem eine<br />

wesentlich umfangreichere Befragung<br />

notwendig gewesen, die für die Studienteilnehmer<br />

eine größere Belastung dargestellt<br />

hätte <strong>und</strong> zu Compliance-Problemen<br />

hätte führen können. In Abwägung<br />

der genannten Aspekte haben wir uns<br />

entschlossen, auf longitudinale Untersuchungen<br />

zu verzichten <strong>und</strong> das beschriebene<br />

Vorgehen gewählt.<br />

Die Grenze zur Unterscheidung von<br />

Sängern <strong>und</strong> Nichtsängern wurde aus<br />

heuristischen Gründen <strong>bei</strong> 3 Monaten<br />

regelmäßiger kontrollierter sängerischer<br />

Aktivität gezogen. Aus der Erfahrung heraus,<br />

dass bereits nach wenigen Wochen<br />

sängerischer Aktivität deutliche Veränderungen<br />

der <strong>Stimmleistungsparameter</strong>n<br />

zu beobachten waren, schien diese Grenze<br />

gerechtfertigt. Dies könnte zwar zur<br />

Unterschätzung von Gruppenunterschieden<br />

geführt haben, nicht aber zur Darstellung<br />

von Unterschieden, die es eigentlich<br />

nicht gibt.<br />

Zusammenfassend hat die sängerische<br />

Aktivität im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter positive<br />

Einflüsse auf mehrere <strong>Stimmleistungsparameter</strong>,<br />

wo<strong>bei</strong> die vorliegenden


Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie<br />

Daten sowohl <strong>bei</strong> der klinischen <strong>und</strong> gesangspädagogischen<br />

Betreuung von jungen<br />

Sängern als auch von nicht singenden<br />

<strong>Kindern</strong> genutzt werden können, um<br />

Normwertbereiche abzuschätzen.<br />

Fazit für die Praxis<br />

F Jungen <strong>und</strong> Mädchen zwischen 10<br />

<strong>und</strong> 17 Jahren, die regelmäßig in Kinder-<br />

<strong>und</strong> Jugendchören singen <strong>und</strong><br />

ihre Stimme trainieren, können statistisch<br />

signifikant höher, lauter <strong>und</strong> leiser<br />

singen als ihre gleichaltrigen, sängerisch<br />

nicht aktiven Altersgenossen.<br />

F Die <strong>bei</strong> sängerisch aktiven <strong>Kindern</strong> erweiterten<br />

Normwertbereiche für den<br />

Tonhöhen- <strong>und</strong> Dynamikumfang sollten<br />

in der klinischen Praxis <strong>bei</strong> der Beurteilung<br />

einer Kinder- <strong>und</strong> Jugendstimme,<br />

insbesondere <strong>bei</strong> der Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

mit einem Chorleiter oder<br />

Gesangspädagogen, berücksichtigt<br />

werden.<br />

F Dafür eignet sich das Singstimmprofil<br />

besser als die Messung der Stimmstärke<br />

mit einem Schalldruckpegelmesser<br />

oder der Tonhaltedauer.<br />

Korrespondierender Autor<br />

Dr. M. Fuchs<br />

Abteilung für Stimm-, Sprach- <strong>und</strong><br />

Hörstörungen (Phoniatrie <strong>und</strong> Audiologie) –<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Hals-, Nasen-,<br />

Ohrenheilk<strong>und</strong>e/Plastische Operationen<br />

Universitätsklinikum Leipzig AöR<br />

Liebigstraße 18 a, 04103 Leipzig<br />

michael.fuchs@medizin.uni-leipzig.de<br />

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980 | HNO 12 · 2006

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