Deutsch - Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

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nur die realen Bestände einer Bibliothek, sondern auch ihr ideelles Profil, das sich mit jedem neu hinzugekommenen oder entfernten Buch verändert. Die Bibliotheksgeschichte spricht deshalb von dem Phänomen der „living library“ (Sherman); den Kulturhistoriker Umberto Eco erinnert eine Bibliothek an einen lebendigen Organismus mit einem autarken Eigenleben („un organismo vivente con una vita autonoma“). Der Sommerkurs wird sich vor allem auf dieses in die Bibliothek eingeschriebene dynamische Element konzentrieren. Bibliotheken sind neben Archiven und Museen exponierte Speicher des kulturellen Gedächtnisses, in denen die Wissensbestände vergangener Epochen konserviert sind. Bücher werden zum Ausgangspunkte für Kontroversen von epochaler Bedeutung (z. B. konfessionelle und soziale Spannungen, Argumentationsverschiebungen in der Legitimation von Herrschaft usw.). Als privilegierter Teil der kulturellen Ordnungsstrukturen in gesellschaftlichen Systemen lassen sich an den Beständen einer Bibliothek Veränderungen in eben diesen Strukturen – kontinuierliche Entwicklungen ebenso wie Um- und Abbrüche – erforschen. Man kann eine Bibliothek als ein schier unendliches ideengeschichtliches Reservoir betrachten, in dem die Gravitationskräfte kultureller Identität – Memoria (Erinnern und Bewahren) und Lethe (Vergessen und Verdrängen) – in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen. Diese Wissensräume sind häufig verbunden mit den kulturellen – höfischen, städtischen, kirchlichen – Zentren einer Region. Die Etablierung solcher Institutionen ist Teil der Legitimationsstrategien von Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Im höfischen Bereich dokumentiert die Anlage von Bibliotheken und Kunstkammern die Machansprüche einzelner Dynastien. Man hat mit gutem Grund von „le pouvoir des bibliothèques“ (Baratin/Jacob) im politischen Machtgefüge der Frühen Neuzeit gesprochen. Seit Luthers reformatorischer Programmschrift An Burgermeyster vnd Radherrn allerley stedte ynn Deutschen landen (1524) gehört die Anlage von „guten Librareien oder Bücherhäusern“ zu den Hauptaufgaben einer kommunalen Gemeinschaft. Im konfessionellen Zeitalter werden Bibliotheken als „geistige Rüstkammern“ – als Arsenale von Argumenten gesehen –, die Material für die religiöse Auseinandersetzung mit den Gegnern liefern. Bibliotheken werden zu Instrumenten in den theologischen Kontroversen. Die Präsentation dieser Wissensräume gibt die Spannungen und Zerwürfnisse der Frühen Neuzeit wieder. Bücher mit dogmatischem Inhalt stehen neben solchen mit häretischen Positionen; die von den historischen Ereignissen marginalisierten Bewegungen und intellektuellen Tendenzen sind allein noch durch Bücher und Broschüren dokumentiert. Es gibt geheimes und gefährliches Wissen in den Büchersammlungen der Frühen Neuzeit. Die Lebensspuren von Außenseitern wie auch von Leitfiguren und Wortführer einer Epoche sind in Büchersammlungen eingeschrieben. Viele dieser Bibliotheken sind noch heute vorhanden, manche nur dokumentiert über Bestands- oder Versteigerungskataloge, Quellengattungen, die in reichem Maße in der Herzog August Bibliothek nachgewiesen sind und die Grundlage für die Arbeit des Sommerkurses 2014 bilden. Intention des Sommerkurses ist es – bevorzugt mit Rückgriff auf das in der Herzog August Bibliothek vorhandene Quellenmaterial –, unter interdisziplinärer Perspektive das durch Buchbestände repräsentierte ideengeschichtliche Potential der Epoche zwischen Humanismus und Frühaufklärung zu analysieren. Die Ausschreibung wen- 2
det sich vor allem an Studierende, die sich mit den Funktionen der frühneuzeitlichen Bibliotheken als Wissensspeicher und Argumentationsarsenal beschäftigen. Den Kursteilnehmern wird die Gelegenheit geboten, das eigene Forschungsvorhaben im Kreis der Kollegen und Dozenten vorzustellen und zu diskutieren. Die Strukturierung des Sommerkurses wird genügend Zeit einräumen, um mit den historischen Beständen der Bibliothek zu arbeiten. Neben Herrn Adam werden weitere Dozenten mitwirken: – Prof. Dr. Giulia Cantarutti (Bologna); – Prof. Dr. Helga Meise (Reims); – PD Dr. Dirk Werle (Leipzig). Bewerbungen Die Ausschreibung richtet sich an Studierende aus dem In- und Ausland, die ihre Abschluss- oder Doktorarbeiten verfassen. Arbeitssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch. Die Bibliothek bietet bis zu fünfzehn Plätze für Teilnehmer/innen und übernimmt die Kosten für Übernachtung und Frühstück. Außerdem erhält jeder Teilnehmer ein Handgeld von € 100. Es wird erwartet, dass Teilnehmer/innen die Reisekosten selbst tragen. Die formlosen Bewerbungen sollen neben einem Anschreiben mit der Begründung des Interesses an der Teilnahme einen Lebenslauf enthalten, der Bildungsweg und wissenschaftliche Arbeit beschreibt. Außerdem benötigen wir die Adresse einer Hochschullehrerin/eines Hochschullehrers, die/der bereit wäre, auf Anfrage eine Empfehlung zu schreiben. Bewerbungsschluss ist der 28. Februar 2014. Bitte senden Sie Ihre Bewerbungen vorzugsweise per E-Mail an: forschung@hab.de bzw. Dr. Volker Bauer Herzog August Bibliothek Postfach 13 64 D-38299 Wolfenbüttel Fax-Nr.: +49 5331-808 266. 3
Seite 1: 38. Internationaler Wolfenbütteler

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